Rede:
ID0612104400

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    Vokabeln: 11
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 121. Sitzung Bonn, Dienstag, den 11. Mai 1971 Inhalt: Glückwunsch zum Geburstag des Abg. Dr. Freiwald 6979 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 6979 A Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 6979 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Schiller, Bundesminister 6979 D, 7013 C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 6984 C Junghans (SPD) . . . . . . . . 6991 C Mertes (FDP) . . . . . . . . 6995 D Brandt, Bundeskanzler 6999 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 7004 D Dr. Erhard (CDU/CSU) . . . . . 7011 C Kienbaum (FDP) . . . . . . . . 7014 D Dr. Apel (SPD) 7016 C Strauß (CDU/CSU) 7018 A Dr. Arndt (Berlin) (SPD) 7027 B Dr. von Bismarck (CDU/CSU) . . 7031 D Dorn (FDP) 7033 D Leicht (CDU/CSU) 7037 C Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 7039 A Kirst (FDP) . 7039 B Nächste Sitzung 7040 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 7041 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Mai 1971 6979 121. Sitzung Bonn, den 11. Mai 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 15. 5. Dr. Aigner * 11. 5. Alber ** 15. 5. Amrehn ** 15. 5. Bals ** 15. 5. Bauer (Würzburg) ** 15. 5. Behrendt * 11. 5. Dr. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld ** 15. 5. Frau von Bothmer 14. 5. Dasch 15. 5. Frau Dr. Diemer-Nicolaus ** 15. 5. Dr. Dittrich * 14. 5. Draeger ** 15. 5. Dr. Enders ** 15. 5. Fellermaier 21. 5. Fritsch ** 15. 5. Dr. Früh 11.5. Dr. Fuchs 14. 5. Dr. Furler ** 15. 5. Geldner 31. 5. Freiherr von und zu Guttenberg 15. 5. Dr. Hallstein 13. 5. Frau Herklotz ** 15. 5. Dr. Hermesdorf (Schleiden) ** 15. 5. Hösl ** 15. 5. Horstmeier 11.5. Jung 11.5. Dr. Jungmann 14. 5. Kahn-Ackermann ** 15. 5. Dr. Kempfler ** 15. 5. Dr. Kiesinger 11.5. Frau Klee** 15. 5. Dr. Klepsch ** 15. 5. Dr. Kley 15. 5. Dr. Kliesing (Honnef) ** 15. 5. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Koch * 14. 5. Lemmrich ** 15. 5. Lenze (Attendorn) ** 15. 5. Liehr 11.5. Dr. Löhr * 15. 5. Maucher 26. 6. Meister * 12. 5. Memmel * 14. 5. Müller (Aachen-Land) * 14. 5. Dr. Müller (München) ** 15. 5. Pöhler ** 15. 5. Porzner 11.5. Dr. Reinhard 14. 5. Frau Renger 15. 5. Richter ** 15. 5. Riedel (Frankfurt) * 14. 5. Dr. Rinderspacher ** 15. 5. Rollmann 18. 5. Roser ** 15. 5. Dr. Schmid (Frankfurt) ** 15. 5. Dr. Schmidt (Gellersen) 14. 5. Schmidt (Würgendorf) ** 15. 5. Dr. Schmücker ** 15. 5. Dr. Schulz (Berlin) ** 15. 5. Schwabe * 11.5. Dr. Siemer 14. 5. Simon 14. 5. Stein (Honrath) 15. 5. Frau Dr. Walz ** 15. 5. Dr. von Weizsäcker 14. 5. Wende 15. 5. Wienand ** 15. 5. Dr. Zimmermann 11. 5. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können von unserer Fraktion aus nichts dafür, daß diese Diskussion heute und hier stattfindet. Wir hätten sie gern geführt, wenn die anstehenden, in Brüssel noch zu entscheidenden Probleme bereits verhandelt worden wären und das Ergebnis dieser Verhandlungen auf dem Tisch läge.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Apel, ich darf, damit es eine parlamentarische Diskussion ist, zunächst auf einige Bemerkungen von Ihnen eingehen. Sie haben der Regierung Erhard hohe Preissteigerungsraten bescheinigt. Dieses Thema hat uns seinerzeit beschäftigt. Ich würde es an Ihrer Stelle nicht erwähnt haben; denn im Haus des Gehenkten redet man nicht gern vom Strick. Warum sage ich das? Damals, im Zusammenhang mit den Preissteigerungsraten der Jahre 1965/66 haben wir uns große Erkenntnisse und Lehren aus den Predigten der damaligen Oppositionspäpste wenn man das Wort in diesem Zusammenhang gebrauchen darf — Möller und Schiller anhören müssen.

    (Abg. Hermsdorf [Cuxhaven] : Wer ist dann heute der Papst! — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Gelernt oder nur gehört?)

    — Ich versuche gerade zu beweisen, daß Sie nichts aus dem gelernt haben, was Ihre eigenen Redner damals gesagt haben.
    Damals betrug die Steigerung der Lebenshaltungskosten, auf das Jahr 1966 insgesamt bezogen, 3,4 %. Sie hat vorübergehend, von Monat auf Monat bezogen, einmal die 4 %-Grenze überschritten; aber sie hat sich dann, auf das Jahr bezogen, auf 3,4 % beschränkt.
    Ich muß auf einige Unterschiede hinweisen, Herr Kollege Apel, die zu würdigen Ihnen bei Ihrer Objektivität sicher nicht schwerfallen wird. Erstens sind die Preissteigerungsraten heute wesentlich höher, als sie damals waren. Sie liegen schon für
    das Jahr 1970 mit 3,8 % höher, und was sich bisher für das Jahr 1971 abzeichnet, das steuert, wie Herr Müller-Hermann heute gesagt hat, eher der 5 %-Grenze zu, als daß sich etwa ein Abbau der Preiserhöhungsrate des Jahres 1970 abzeichnet.
    Was ist der Unterschied? Auch ich bin der Meinung, daß diese Preissteigerungsraten — 3,4 % für das Jahr 1966, 3,8 % für 1970 und, jetzt überschaubar, 4,8 % für 1971 im Vergleich zu 1970; das endgültige Urteil wird sich erst in einigen Monaten geben lassen — kein allein zuverlässiger Index sind. Denn die sogenannten Lebenshaltungskosten — das heißt die Ausgaben der privaten Verbraucherhaushalte — sind ein nicht genügender Maßstab, wenn man nicht die Steigerung der industriellen Erzeugerkosten und —

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    was noch viel gewichtiger zu Buche schlägt — die gewaltige Steigerung der Baukosten im Hoch- und Tiefbau, was sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor schwerstens zu Buche schlägt, in die Gesamtberechnung mit einbezieht. Dann liegen wir allerdings bei dem, was wir im Jahre 1970 zu verzeichnen haben und was Herr Barzel und auch andere Redner der CDU/CSU heute erwähnten: einem Zuwachs des realen Bruttosozialprodukts zwischen 4,5 und 5 und des nominalen Bruttosozialprodukts von über 12 %. Mit dieser Differenz zwischen unter 5 real — und über 12 % — nominal — liegen wir für das Jahr 1970 an der Spitze aller inflationär tendierenden Länder, einschließlich auch Japans und Nordamerikas.
    Wenn Sie, Herr Kollege Apel, den Vergleich zum Jahre 1966 ziehen, werden Sie feststellen, daß im Jahre 1966 der Unterschied zwischen dein Zuwachs des realen und dem des nominalen Bruttosozialprodukts viel geringer war, als er im Jahre 1970 zu verzeichnen gewesen ist.
    Eine zweite Bemerkung: Hat nicht der heutige Bundeswirtschaftsminister seinerzeit in gleicher Funktion bei der Großen Koalition in einem Dokument der Bundesregierung seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, daß für ihn Stabilität erst erreicht sei, wenn der Unterschied zwischen nominal und real nicht mehr als 1 % betrage? Das ist ein weiteres Kriterium zu dem, was Herr Barzel heute gesagt hat. Wenn Herr Schiller sagte, daß eine Differenz von höchstens einem Prozent zwischen realen und nominalem Zuwachs für ihn erst Stabilität bedeutet, wie müßte er das Ergebnis der Regierungspolitik bezeichnen, wenn sich eine Differenz von über 7 % zwischen nominal und real für das Jahr 1970 ergibt?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte nur nebenbei erwähnen, daß bei den Preissteigerungen 1966 — es ist beinahe eine politische Vergangenheitsforschung — gerade im ersten halben Jahr wegen des schlechten Wetters die außerordentlich hohen Steigerungen der Lebensmittelkosten zu Buche schlugen, während damals die Steigerung der industriellen Erzeugerkosten, Herr Kollege Apel — wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht; ich habe die Statistik nicht bei mir —, bei



    Strauß
    etwa 1,7 % gegenüber den 6 bis 7 % im Jahre 1970 liegt.
    Dann darf ich noch das letzte in Ihr Stammbuch schreiben. Die Regierung Erhard hatte niemals das Stabilitätsgesetz als Instrumentarium der Stabilitätspolitik in der Hand.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und warum nicht? Weil die für die Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes erforderliche verfassungsändernde Mehrheit von der damaligen Sozialdemokratie in der Opposition nicht gestellt, sondern verhindert worden ist.

    (Abg. Dr. Tamblé: Weil das schlechter war!)

    Das nur nebenbei erwähnt. Das war die Zeit, in der ich Herrn Schiller einen Postkutschenföderalismus vorgeworfen habe, als er nämlich als Ersatz für eine verfassungsändernde Mehrheit den Abschluß von Staatsverträgen Bleichlautenden Inhalts zwischen dem Bund und allen Ländern empfohlen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Soviel aus dem Gedächtnis, Herr Kollege Apel, wenn Sie die angeblich hohen Preissteigerungsraten der Ara Erhard in Vergleich zu dem bringen, was heute Gegenstand unserer Unterhaltung ist. Dafür gibt es eben keine Vergleichsbasis, weil sich sowohl die Zahlen gewaltig unterscheiden als auch die Maßstäbe sich unterscheiden und die Mittel der Bekämpfung dieser Entartungserscheinungen damals wie heute verschieden sind. Damals hat man der Regierung das Instrumentarium verweigert; der heutigen ist es verschafft worden; aber sie macht keinen, einen falschen oder einen zu späten Gebrauch davon. Darin liegt der Unterschied.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dann, Herr Kollege Apel, haben Sie von den falschen — —

    (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Wollen wir mal sehen, was die CDU/CSU-Landesregierung machen wird!)

    - Sie wissen, Herr Kollege Schäfer, daß ich für die
    Verfassungsänderung war, um das Stabilitätsgesetz durchzusetzen, weil ich von dieser Art von Föderalismus, Staatsverträge zwischen Bund und Ländern in Sachen gemeinsamer nationaler Konjunkturpolitik abzuschließen, gar nichts halte.

    (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Weil Sie Ihre Bayern kennen deshalb!)

    — Ja sicher, das ist der Unterschied zwischen Ihnen und mir.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie haben von falschen Alternativen gesprochen, Herr Kollege Apel. Man kann nur den Kopf schütteln, in welch kurzer Zeit sich die Fronten in diesem Hause ändern.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich habe seinerzeit bei einer wirtschaftspolitischen Diskussion den Herrn Bundeskanzler als den Kanzler der falschen Prognosen und der falschen Alternativen bezeichnet, weil noch bis vor kurzem der
    Bundeskanzler die Preiserhöhungserscheinungen, die inflationären Erscheinungen verharmlost, Stabilität als garantiert oder demnächst wieder in vollem Umfange eintretend vorausgesagt und das, was eben an Preiserhöhungen eingetreten ist, als unvermeidlichen Tribut für die Vollbeschäftigung bezeichnet hatte, die ansonsten gefährdet wäre. Er hat damals die Alternativen aufgestellt, daß Preiserhöhung eben die unvermeidliche Begleiterscheinung einer Politik der Vollbeschäftigung sei, die auf keinen Fall gefährdet werden dürfe.
    Heute hat Kollege Barzel darauf hingewiesen, daß natürlich jetzt die Summe aller Maßnahmen über längere Zeiträume hinweg die Frage des wirtschaftßlichen Wachstums, damit auch die Frage der Rezessionsgefahr und damit auch die Frage der Vollbeschäftigung aufwirft. Hier steht er in völliger Übereinstimmung mit so ziemlich allen in der praktischen Wirtschaftspolitik tätigen Verbänden, ob es der Deutsche Gewerkschaftsbund ist, der die gleichen Gefahren geäußert hat, ob es der Deutsche Industrie- und Handelstag ist, ob es der Bundesverband der Deutschen Industrie ist. Sie warnen alle seit geraumer Zeit davor, daß die Kumulation aller Erscheinungen — nicht eine einzelne Erscheinung, sondern die Summe, die Addition, die Kumulation , wie ja die bereits zurückgehende Investitionsneigung deutlich beweist, dieses Problem heraufbeschwören wird. Es ist nicht damit getan, dann, wenn die Situation da ist, sie festzustellen und nach Abhilfe zu schreien, sondern das Problem der Wirtschaftspolitik ist ja auch ein Problem der Wirtschaftsprognostik — schwach genug entwickelt allerdings —, nämlich festzustellen, wann der Bruch- I punkt kommt, der in der akuten Tageslage überhaupt nicht festzustellen ist, der aber dazu führt, daß eines Tages die von Barzel heute skizzierte Gefahr erscheint.
    Sie sagen in einem bewundernswerten, offenbar von Gott Ihnen verliehenen Selbstvertrauen: die Vollbeschäftigung ist nicht in Gefahr. Ich gebe Ihnen recht. Die Vollbeschäftigung war in der ganzen Zeit, wo der Bundeskanzler mit dem Gespenst der Arbeitslosigkeit gedroht hat, bestimmt nicht das Thema bei den 600 000 offenen Stellen, bei den 2 Millionen Gastarbeitern, die wir haben, und bei den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt —, und sie ist auch heute nicht das aktuelle Problem. Aber langfristig gesehen wird die Kumulierung aller Maßnahmen
    erst die Aufwertung, dann Freigabe der Wechselkurse, eine Kostenexplosion, zurückgehende Investitionsneigung — die durch künstliche Konjunkturaufblähung noch hinausgeschobene Problematik eines Tages nicht mehr verhindern können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun haben Sie ein Programm des Kollegen Barzel erwähnt. Das ist ja ganz interessant. Denn heute haben wir immer gehört, daß der Barzel kein Programm habe, und Sie haben sich mit einem Programm von ihm beschäftigt.

    (Abg. Dr. Apel: Das war ein abgeschriebenes!)

    — Ich komme darauf noch zu sprechen. Sie haben
    gemeint, er sei der Regenmacher der Konjunktur.



    Strauß
    Das hat mich etwas zu dem Bilde geführt: Wenn bei uns die Sonne scheint, dann war es bestimmt das Verdienst der Bundesregierung;

    (Abg. Hermsdorf [Cuxhaven] : Das war immer so!)

    wenn es aber regnet, hat die Bundesregierung bestimmt mit dieser Erscheinung nichts zu tun, oder der Barzel ist es gewesen.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Ich fühle mich zu dieser Bemerkung deshalb veranlaßt, weil ja nicht nur heute, sondern schon bei früherer Gelegenheit — siehe Eröffnung des Landtagswahlkampfes in Rheinland-Pfalz der Herr Bundeskanzler gesagt hat: Wie kann man denn die Bundesregierung für die Preisentwicklung verantwortlich machen; da, wo die Preise gemacht werden, sitzen doch die Herren Stoltenberg und Strauß und Barzel viel näher daran. Ich habe mich damals schon mit dieser Problematik etwas beschäftigt, mit dieser Vorstellung von konspirativen Kräften in der Bundesrepublik, die zum Schaden der Bundesregierung ohne Rücksicht auf die Volkswirtschaft, ohne Rücksicht auf die sozialen Konsequenzen sozusagen in finsterer Konspiration die Preise hochtreiben, um dann endlich wieder an die ach so ersehnte Macht zu kommen. Das ist beinahe so wie: die Freimaurer oder die Juden sind an allem schuld.

    (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Das kann bloß Ihnen einfallen! — Abg. Dr. Apel: So ein Niveau!)

    Wenn aber der Herr Bundeskanzler heute wieder den Zusammenhang zwischen staatlicher Wirtschaftspolitik und der Gestaltung der Preise zu leugnen versucht, dann ist doch hier eine wunderbare geistige Metamorphose bei den gleichen politischen Kräften eingetreten. Denn früher hat man doch jede, aber auch jede in der Praxis nie zu vermeidende negative Einzelerscheinung der damaligen Bundesregierung angelastet und von ihr sofortige akute Abhilfe verlangt. Im übrigen, Herr Bundeskanzler, wenn die Bundesregierung nicht für die Preisentwicklung verantwortlich wäre, warum führen wir denn heute überhaupt eine Stabilitätsdebatte?

    (Beifall und große Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Wenn sich die Preise völlig unabhängig von den politischen Kräften, gewissermaßen durch autonome Naturereignisse innerhalb der Wirtschaft gestalten, dann wäre ja Ihr heutiger, doch sehr publikumswirksamer und dramatischer Auftritt mit dem beschwörenden Appell zugunsten der Stabilität völlig sinnlos gewesen, weil wir dann in einem falschen Theater über ein Thema reden würden, für das wir gar nicht zuständig wären.
    Herr Kollege Apel, dann haben Sie gesagt, das Einströmen von Auslandsgeld sei der einmaligen wirtschaftlichen Lage dieses Landes zuzuschreiben.

    (Abg. Dr. Apel: Einmalig nicht, aber beneidenswert!)

    — Doch, doch, das haben Sie wörtlich gesagt. Ich
    habe es genau aufgeschrieben. Das müssen Sie im
    Protokoll dann streichen, wenn Sie es gestrichen wissen wollen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich bin durchaus einverstanden, denn das Wort „einmalig" klang mir so bemerkenswert in den Ohren, nicht zuletzt deshalb, weil ich vor einigen Wochen gelesen habe, daß der Sprecher Ihrer Fraktion oder Partei erklärt hat, daß die Bundesrepublik dank der Politik der Bundesregierung eine Traumkombination in Zielerfüllung erreicht hat. Ich habe mir unter Traum immer etwas anderes vorgestellt, als was wir heute in der Wirklichkeit als inflationäre Entwicklung zu verzeichnen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    — Nein, das war die „Traumkombination" eines
    Miteinanders von a) Preisstabilität, b) Vollbeschäftigung und c) Wachstum und d) ausgeglichener Zahlungsbilanz. Wenn es die Traumkombination und die für Sie einmalige wirtschaftliche Lage des Landes sind, die das Auslandskapital hereingeholt haben, dann steht das einfach in Widerspruch zu der Tatsache, daß bei uns in gewisser Hinsicht die inflationären Entwicklungen größer sind als in anderen Ländern, wie vorher dargestellt.
    Allerdings steht die Bundesrepublik im Kreise aller modernen Industrieländer noch in dem Rufe einer sehr raschen Expansion und einer relativ hohen Wachstumsquote, obwohl die Differenz zwischen realem und nominalem Wachstum erheblich zugenommen hat, obwohl die Produktivitätssteigerung wesentlich geringer als die Zunahme der Kosten ist. Aber es gibt einen gewissen Mythos der deutschen Wirtschaft, einen gewissen Mythos des gar nicht existierenden deutschen Wunders und der Deutschen Mark, der angesichts der Erscheinungen in anderen Ländern, wo wir Inflation mit Arbeitslosigkeit haben, was uns bisher erspart geblieben ist — ich sage ausdrücklich: bisher erspart geblieben ist , Geld hereinholt.
    Sie können doch nicht bestreiten — Sie werden doch heute von Ihren eigenen Rednern eines Besseren belehrt —, daß die Hochzinspolitik der Bundesbank negativ außenwirtschaftliche Folgen auch in Abwägung der Übel und im Zielkonflikt in Kauf genommen hat. Es hat keinen Sinn, jetzt in moralischen Kategorien zu reden. Aber daß sich das Auslandskapital dort am schnellsten festlegt, wo der höchste Zinsgewinn zu erzielen ist, ist doch selbstverständlich. Sie wissen doch selbst, mit welchem Habenzinssatz allein kurzfristige Einlagen verzinst worden sind. Über viele Monate hinweg sind in der Bundesrepublik für relativ kurzfristige Festeinlagen von einem Vierteljahr bis zu einem Jahre Habenzinsen von 8 %, 9 % bis zu 10 % gezahlt worden. Erst jetzt hat die Bundesbank den Diskontsatz gesenkt, hat die Mindestreservenpolitik etwas gelockert, wodurch eine gewisse Änderung nach unten eingetreten ist. Man kann aber doch nicht einfach die Augen vor der Tatsache verschließen, daß die durch die Versäumnisse der Bundesregierung von der Bundesbank betriebene — und weil sie sich allein überlassen war, von ihrer Seite aus auch not-

    Strauß
    wendige — Restriktionspolitik die hohen Zinsen in
    Kauf genommen und damit den Zustrom des hohen Auslandskapitals begünstigt hat.
    Lassen Sie mich umgekehrt sagen, hätte hier wirklich eine konzertierte Aktion zwischen Bundesregierung und Bundesbank stattgefunden — und die Versicherung des Gegenteils ist doch einfach falsch; es hat doch keinen Sinn zu sagen, daß Bundesbank und Bundesregierung in idealer Kooperation zusammengewirkt hätten —, hätte sich nicht die Tatsache ergehen, daß die Bundesbank von der Bundesregierung weitgehend, vor allen Dingen in der entscheidenden Phase, alleingelassen war. Das aber hat die Bundesbank dazu bewogen, unter Abwägung der Übel und im Bewußtsein des Zielkonfliktes eine Hochzinspolitik beizubehalten, und zwar in dem ganz klaren Wissen, daß damit das Übel des Zustroms spekulativen Auslandskapitals noch verstärkt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Alles andere ist doch dann wirklich Kindergartenerzählung.
    Dann sagten Sie nicht zu Unrecht: Wir wollen kein Europa als Inflationsgemeinschaft, wir wollen ein Europa der gleichen und starken Länder, wir sind dafür, daß die nationale Autonomie auch auf dem Währungsgebiet zu Ende geht. Ich stimme Ihnen darin völlig zu, genauso wie ich Herrn Schiller zustimme, wenn er heute das gleiche Wort gebraucht hat: Europa darf nicht zu einer Inflationsgemeinschaft werden. Bis jetzt hat man aber in der deutschen Öffentlichkeit noch nicht den Eindruck, daß die inflationären Tendenzen mit ihren verheerenden sozialen Konsequenzen etwa europäische Importware sind. Bis jetzt hat man noch den Eindruck — wir wollen Ursache und Wirkung hier doch richtig darstellen —, daß es sich um eine hausgemachte Inflation handelt. Herr Schiller hat das in Hannover ehrlicherweise auch selbst zugegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist nur — hier muß ich eine kritische Anmerkung machen, und zwar sowohl an die Adresse des Herrn Bundeswirtschaftsministers als auch an Ihre Adresse — verständlicherweise nicht so, daß die anderen Partner in der EWG, vor allen Dingen die beiden größeren Partner Frankreich und Italien, nach der Vorstellung handeln, daß am deutschen Wesen die europäische Welt genesen könnte. Die Bundesregierung hat heute bedauert, daß die übrigen Partner sich nicht den Vorstellungen der Bundesregierung angeschlossen haben. Das wäre freilich eine sehr einfache Europapolitik, europäische Einigung jederzeit dann herzustellen, wenn alle anderen sich unseren Vorstellungen anschließen. Das ist eine gefährliche Vorstellung, Herr Kollege Apel. Auf diese Weise wird eine ganze Menge antideutscher Ressentiments erweckt. Wenn wir sagen: Wir schlagen die Bresche in das System von Bretton Woods; wir mußten hier mit gutem Beispiel vorangehen, damit endlich ein überholtes System aufgelockert und überwunden werden kann!, sind das genau die Töne, die man im Ausland mit großem Unbehagen
    registriert und die dort dann zu Konsequenzen führen, die keiner von uns wünschen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Das hat doch Herr Erhard verlangt!)

    — Ich habe Herrn Schiller und jetzt Herrn Apel
    gemeint.


Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter Strauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Apel?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Bitte sehr!