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ID0609519000

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    Deutscher Bundestag 95. Sitzung Bonn, Dienstag, den 2. Februar 1971 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Rösing 5193 A Wahl des Abg. Dr. Arndt (Berlin) als Mitglied des Europäischen Parlaments . . 5193 A Amtliche Mitteilungen 5193 B Beratung des Jahresgutachtens 1970 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache VI/1470) in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1971 der Bundesregierung (Drucksache VI/1760) Dr. Schiller, Bundesminister 5194 B, 5242 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 5201 D Junghans (SPD) 5209 B Kienbaum (FDP) 5215 D Brandt, Bundeskanzler . . . . . 5218 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . 5223 D Dr. Schachtschabel (SPD) . . . . 5226 C Mertes (FDP) . . . . . . . . 5229 B Dr. Pohle (CDU/CSU) 5233 B Kater (SPD) . . . . . . . . . 5239 A Höcherl (CDU/CSU) . . . . . . . 5250 B Dr. Arndt (Berlin) (SPD) . . . . . 5253 C Graaff (FDP) . . . . . . . . . 5257 A Breidbach (CDU/CSU) . . . . . 5258 A Lenders (SPD) . . . . . . . . . 5261 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 5263 D Kirst (FDP) . . . . . . . . . . 5264 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . • 5266 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 5267 A Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zu dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen . . . . . . . . . 5267 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Februar 1971 95. Sitzung Bonn, den 2. Februar 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 93. Sitzung, Seite 5048 A, Zeile 13: Der Zuruf des Abgeordneten Reddemann ist zu streichen. Dafür ist einzusetzen: (Zuruf von der CDU/CSU.) 93. Sitzung, Seite 5050 C, Zeile 10: Zwischen den Wörtern „fest" und „in" ist einzufügen: (Abg. Reddemann: Mit beiden Beinen fest in der Luft!) Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner * 5. 2. Dr. Apel 2. 2. Dr. Artzinger * 2. 2. Bühling 28. 2. Becker (Pirmasens) 5. 2, Dasch 5. 4. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 2. 2. Dr. Dollinger 23. 2. Dröscher * 3. 2. Dr. Furler 2. 2. Gerlach (Emsland) * 2. 2. Dr. Götz 28. 2. Dr. Jungmann 15. 2. Dr. Kiesinger 5. 2. Klinker * 3. 2. Dr. Koch * 4. 2. Kriedemann * 5. 2. Frhr. von Kühlmann-Stumm 2. 2. Dr. Löhr * 2. 2. Maucher 12. 2. Memmel * 5. 2. Müller (Aachen-Land) * 4. 2. Frau Dr. Orth * 3. 2. Pfeifer 5. 2. Rasner 12. 2. Richarts * 3. 2. Schmitz (Berlin) 5. 2. Saxowski 2. 2. Susset 2. 2. Stücklen 2. 2. v. Thadden 6. 2. Wiefel 26. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, den 29. Januar 1971 An. den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 361. Sitzung am 29. Januar 1971 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 9. Dezember 1970 verabschiedeten Gesetz über die Entschädigung für Straf- verfolgungsmaßnahmen (StrEG) gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat außerdem die nachstehende Stellungnahme beschlossen: Zu § 14 Abs. 1 geht der Bundesrat davon aus, daß der Eröffnung des Hauptverfahrens der Erlaß eines Strafbefehls, einer Strafverfügung oder eines Bußgeldbescheids gleichsteht. Dr. Röder Vizepräsident Bonn, den 29. Januar 1971 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 22. Dezember 1970 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Räder Vizepräsident
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    Rede von Helmut Lenders


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das zweite ist, Herr Kollege Breidbach, daß Sie ebenso wie Herr Müller-Hermann auf die bedauerliche Preisentwicklung beim privaten Verbrauch im Jahr 1970 hingewiesen haben. Der Herr Bundeswirtschaftsminister und alle Sprecher der Koalitionsfraktionen haben gesagt: Die Preissteigerungen waren zu hoch. Sie haben aber auch gesagt, woher das kam, während Sie in bezug auf bestimmte Gruppen — Rentner, Landwirte usw. dicke Krokodilstränen vergießen.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, ich muß Sie daran erinnern — natürlich geschieht das zum x-tenMale; ich greife hier auf das Gutachten des Sachverständigenrates zurück, und zwar auf die Ziffern 190, 192 und 203, wo dies eindeutig festgestellt ist —, daß der Verlust der Geldwertstabilität — Ziffer 190 — schon im Jahr 1969 eingetreten ist, nämlich von dem Zeitpunkt an, als sich die damalige Bundesregierung — das war in diesem Fall Ihr Votum — gegen die außenwirtschaftliche Absicherung, gegen die Aufwertung aussprach. Der Sachverständigenrat sagt:
    Damit war endgültig die Chance vertan, der Preiswelle, die der inzwischen überaus starke Boom in sich trug, noch rechtzeitig wirksam entgegenzutreten.

    (Abg. Breidbach: Das habt ihr doch bis März 1969 mitgemacht!)

    Und an anderer Stelle erklärt der Sachverständigenrat in Würdigung der von dieser Regierung vorgenommenen Aufwertung — die Aufwertung war natürlich wichtig, aber sie kam eben leider zu spät —.
    Vom Herbst 1969 an konnte es nicht mehr darum gehen, Geldwertstabilität kurzfristig wieder zu erreichen, sondern allenfalls darum, noch schlimmere Gefahren für das Ziel der Geldwertstabilität zu verhüten.
    Das ist die Aussage und das Votum des Sachverständigenrates, und deswegen verstehe ich nicht, daß gerade Sie, Herr Breidbach, sich hier immer wieder hinstellen und über die Preisentwicklung im Jahr 1970 lamentieren, ohne diese Hintergründe zu sehen und daß Sie Ihre eigene Schuld an dieser Entwicklung leugnen.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: 15 Monate haben Sie Zeit gehabt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)




    Lenders
    — Meine Damen und Herren, ich berufe mich lediglich auf das, was der Sachverständigenrat dazu gesagt hat. Daß wir — jetzt komme ich auf das zurück, was der Bundeswirtschaftsminister gesagt hat — dieses Maß an Stabilität, das auch wir selbstverständlich nicht für ausreichend halten, in dieser vom Bundeswirtschaftsminister beschriebenen Umwelt gehalten haben, das ist allerdings ein Erfolg der Stabilitätspolitik dieser Bundesregierung und der Koalition aus SPD und FDP, die mit der Aufwertung im Jahr 1969 einsetzt. Darüber hinaus sollten wir uns im klaren sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Breidbach: Sind 4 % ein Erfolg? Wo fängt denn der Mißerfolg an?)

    Meine Damen und Herren, die Bewältigung der Vergangenheit hat ihre Schwierigkeiten. Ich möchte zunächst noch einmal ein Wort des Bundeskanzlers und damit eine Perspektive für das Jahr 1971 aufgreifen, eine Perspektive, die im Jahreswirtschaftsbericht vom Bundeswirtschaftsminister dargestellt worden ist, die die volle Unterstützung der Koalitionsfraktionen findet und die der Bundeskanzler in die meiner Meinung nach sehr passenden und eindeutigen Worte gekleidet hat:
    Die Bevölkerung in der Bundesrepublik soll wissen, daß wir entschlossen sind, unseren Kurs in Richtung Stabilität ohne Gefährdung der Arbeitsplätze konsequent fortzusetzen.
    Dieses Wort des Bundeskanzlers muß hier noch einmal unterstrichen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Breidbach, Sie haben den Versuch gemacht, Herrn Müller-Hermann in bezug auf das Problem der Vollbeschäftigung, das hier eine Rolle gespielt hat, aus der Klemme zu helfen.

    (Abg. Breidbach: Das habe ich gar nicht nötig! Er ist gar nicht in der Klemme!)

    Diesen Versuch haben Sie am untauglichen Objekt gemacht. Sie können das, was Ihnen vielleicht nur unterstellt wird, was Ihnen jedenfalls vorgeworfen wurde und was Sie zurückgewiesen haben, doch nicht damit entkräften, daß Sie sagen: Wir haben in den fünfziger Jahren Arbeitsplätze geschaffen und Arbeitslosigkeit beseitigt. Darum geht es gar nicht. Herr Müller-Hermann hat in seinem Beitrag gesagt, die Abgabe einer bedingungslosen Vollbeschäftigungsgarantie — damit hat er auf den Bundeskanzler abgehoben — ist in einer Marktwirtschaft gleichbedeutend mit der Abgabe des konjunkturpolitischen Instrumentariums an die gesellschaftlichen Gruppen. Das ist Ihr Vorwurf, und wenn Sie diesen Vorwurf erheben, müssen Sie sich sagen lassen, daß Sie den Verdacht erwecken, Sie wollten den Knüppel der Vollbeschäftigung hinter der Tür halten, um diese Gruppen zur Raison zu bringen. Das ist aus diesem Beitrag zu entnehmen. Wenn Sie es anders interpretieren, nehme ich das gern zur Kenntnis; aber diesem Verdacht setzen Sie sich aus.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das ist eine Verdächtigung von Ihrer Seite, weil Sie nicht lesen können!)

    Das ist ganz eindeutig. Daraus sind die Beiträge meiner Freunde zu begründen, und deshalb richten wir die eindeutige Frage an Sie.
    Nun, Herr Müller-Hermann, möchte ich auf zwei Punkte eingehen, die Sie in bezug auf die Vergangenheitsbewältigungen angesprochen haben. Einmal haben Sie gesagt, der konjunkturpolitische Instrumentenkasten bleibe zu lange ungenutzt; die Regierung habe also der Bundesbank das Handeln überlassen. Dieser Vorwurf ist auch von Herrn Höcherl und von Herrn Pohle erhoben worden. Er ist in der Form erhoben worden, daß gesagt wurde, das Stabilitätsgesetz habe versagt, weil diese Regierung keinen Gebrauch davon gemacht habe. Nun, meine Damen und Herren, das sind im Grunde nur Wiederholungen; aber man muß es Ihnen wahrscheinlich immer wieder vor Augen führen. Sehen Sie sich den Katalog dessen an, was diese Bundesregierung seit dem Oktober vorigen Jahres getan hat; auch der Bundeswirtschaftsminister hat es noch einmal aufgeführt. Keine Regierung der Nachkriegszeit hat in einer solchen konjunkturpolitischen Situation wie der, in der wir gestanden haben, so viele Maßnahmen zur Rückerlangung des Gleichgewichts ergriffen wie diese Bundesregierung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (E in bezug auf ihr konjunkturpolitisches Instrumentarium erst wieder hergestellt. Das ist der Gesichtspunkt, den Sie berücksichtigen müssen. Nun komme ich zur Konzertierten Aktion. Bei Herrn Müller-Hermann und auch in anderen Beiträgen klingt immer durch, die Konzertierte Aktion habe im Jahre 1970 nicht funktioniert. Dazu möchte ich ein eindeutiges Wort sagen, das Sie, Herr Kollege Breidbach, als Gewerkschaftler verstehen müßten. Der Kausalzusammenhang, von dem Sie, Herr Müller-Hermann, ausgehen, ist völlig falsch. Es kann und konnte nicht Aufgabe der Konzertierten Aktion im Jahre 1930 sein, nach der Gewinnexplosion der Jahre 1968 und 1969, die einen ganz eindeutigen Verteilungseffekt hervorgerufen hatte, die notwendige Verteilungskorrektur in Frage zu stellen. (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das bestreitet ja niemand!)

    Diesen Standpunkt hat der Bundeswirtschaftsminister vertreten, und in diesem Standpunkt haben wir ihn unterstützt.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. MüllerHermann: Das hat keiner bestritten!)

    — Ihre Kritik geht immer dahin, die Konzertierte Aktion habe sichtlich nicht funktioniert.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das ist ja etwas anderes! Das stimmt auch!)

    Nach dem Ausgleich hat die Bundesregierung, hat
    der Bundeswirtschaftsminister im Oktober — das



    Lenders
    wird im Jahreswirtschaftsbericht deutlich gesagt -Orientierungsdaten gegeben.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Im Juni waren die notwendig!)

    Er hat sie nicht nur gesetzt und erläutert, sondern im Jahreswirtschaftsbericht hat die Bundesregierung - darin unterstützen wir sie - mit Recht die Konsequenzen möglicher Fehlentwicklungen bei einem Fehlverhalten von Wirtschaft und Gewerkschaft aufgezeigt, wenn diese ihre eigenen Projektionen, die sich weitgehend mit der Zielprojektion der Bundesregierung decken, nicht einhalten und ihren eigenen Projektionen nicht folgen würden. Darin unterstützen wir die Bundesregierung. Das ist kein Eingriff in die Tarifautonomie; das sind Orientierungsdaten, an denen sich das Verhalten dieser Gruppen in dieser schwierigen Phase der Rückgewinnung der normalen Konjunkturentwicklung orientieren soll. Das zu dem Rückblick.
    Ich möchte aber auch noch einen Ausblick tun. Sie gefallen sich ja immer sehr gern darin -- die Jusos sind diesmal relativ verschont worden —, darauf hinzuweisen, wie verunsichert die Wirtschaft in bezug auf ihre Investitionsplanungen sei, weil diese Regierung angeblich nicht wisse, was sie wolle: mal Reform, mal nicht Reform, mal dieses, mal jenes, mal Steuererhöhung, mal nicht Steuererhöhung.

    (Abg. Breidbach: Genauso ist es! — Zuruf des Abg. Dr. Stoltenberg.)

    Das haben wir ja heute alles von Ihnen gehört.
    Meine Fraktion hat natürlich Verständnis für den Wunsch von Wirtschaft und Gesellschaft, über dieses Jahr hinaus für die kommenden Jahre über die finanziellen Belastungen Klarheit zu gewinnen. Auch der Herr Bundeswirtschaftsminister ist soeben darauf eingegangen. Dieser Wunsch entspricht dem Postulat mittelfristiger Planung, dem wir ja auch im Rahmen der Finanzplanung folgen.
    Zunächst möchte ich aber folgendes festhalten. In der gegenwärtigen Konjunkturphase, im Jahre 1971, wird die Wirtschaft steuerlich nicht zusätzlich belastet. Das ist eindeutig hier festgestellt, sowohl vom Bundeswirtschaftsminister als auch vorher vom Bundesfinanzminister. Im Gegenteil: die Wirtschaft wird gegenüber dem Vorjahr steuerlich entlastet. Das Jahr begann mit der planmäßigen Herabsetzung der Investitionssteuer, mit einer steuerlichen Entlastung in Höhe von etwa 800 Millionen DM im Jahre 1971. Am 1. Februar wurde jetzt — wie vorgesehen — die degressive Abschreibung wieder eingeführt. Und spätestens Mitte dieses Jahres läuft der Konjunkturzuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer wieder aus. Dieses Jahr 1971 ist also konjunkturgerecht ein Jahr der steuerlichen Entlastung für die Wirtschaft. Das ist eine Entwicklung, die sich auch auf die Investitionstätigkeit der Wirtschaft positiv auswirken wird und die der Wirtschaft auch für dieses Jahr eine klare Dispositionsgrundlage gibt.
    Nun wird sich das Bundeskabinett im Frühjahr - - auch das haben wir heute gehört — mit der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung befassen und auch über die Eckdaten der Steuerreform entscheiden. Auch der Vermögensbildungsbericht wird vorgelegt werden. Damit werden binnen kurzem klare Daten für eine längerfristige, mittelfristige Kalkulation und Planung der Wirtschaft vorliegen. Ich glaube, das ist notwendig und wünschenswert. Das wird auch geschehen. Deswegen kann ich das Lamento über die Unsicherheit, das hier immer angestellt wird, nicht verstehen.
    Ich sehe die gelbe Lampe vor mir, ich muß also langsam zum Abschluß kommen. Lassen Sie mich noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen: Die Aufgabe dieses Jahres heißt, eine ausreichende Beschäftigung zu sichern. Das wird uns, das wird dieser Bundesregierung gelingen. Die Aufgabe dieses Jahres heißt, die Wirtschaft zu größerer Preisstabilität zurückzuführen. Das muß uns gelingen. Dieses Jahr, das Jahr 1971, wird ein Jahr der wirtschaftlichen Konsolidierung werden. Furcht und Pessimismus, meine Damen und Herren, sind aber die schlechtesten Ratgeber für eine gute und gesunde wirtschaftliche Entwicklung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube, daß Walter Hesselbach - mit diesem
    Zitat möchte ich schließen — in diesen Tagen in einem Interview mit Recht eine optimistische Haltung zur Schau getragen hat, als er sagte auf die Wirtschaft und auf die Opposition gezielt —, daß der modisch gewordene Konjunkturpessimismus keine Grundlage für eine vernünftige Entwicklung ist. Wir alle — auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition — sollten uns das zu Herzen nehmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Burgbacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Burgbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und. Herren! In Ziffer 72 des Jahreswirtschaftsberichtes ist die Vermögensbildung angesprochen. Dazu möchte ich einige — mit Rücksicht auf die Zeit kurze Ausführungen machen. Die Leistungen dieser Regierung auf diesem Gebiet sind nach unserer Ansicht sehr bescheiden.

    (Abg. Schulte [Unna] : Gewaltig!)

    Wir haben dem 624-DM-Gesetz zugestimmt, weil 624 DM nun einmal unzweifelhaft mehr sind als 312 DM.

    (Heiterkeit.)

    Wir haben diesem Gesetz aber nur mit Bedenken zugestimmt, weil von 22 Millionen unselbständig Tätigen bei einem Betrag von 624 DM 8 bis 10 Millionen mangels Kasse draußen vor der Tür bleiben müssen. Wir halten dieses Gesetz nicht für einen wesentlichen Beitrag zur Vermögensbildung.
    Das eigentliche Problem ist — darüber sind sich, so hoffe ich, alle Fraktionen dieses Hohen Hauses einig —, daß bei aller Wirtschaftsstärke, bei aller guten wirtschaftlichen Entwicklung die Vermögensverteilung vor allem im Bereich des Produktivkapitals nicht als gerecht im rechtsstaatlichen Sinne angesehen werden kann.

    (Abg. Geiger: Späte Erkenntnis!)




    Dr. Burgbacher
    — Späte Erkenntnis bei Ihnen, bei mir nicht!

    (Abg. Schulte [Unna] : Stellen Sie sich vor, damit hätten Sie 1950 angefangen! — Abg. Geiger: Aber bei Ihrer Mehrheit, 20 Jahre lang!)

    — Hören Sie doch mit Ihren 20 Jahren auf. In den 20 Jahren haben wir weit mehr geleistet, als Sie bisher zu leisten angefangen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Man sieht es Ihnen an!)

    Ich wiederhole: Das 624-DM-Gesetz ist kein Beitrag zur Lösung des Problems der Vermögensbildung. Ich will das auch kurz begründen, weil mir das wichtig erscheint. Um mich vor Mißverständnissen zu schützen, schicke ich folgendes voraus. Ich gehöre wie Sie zu denen, die der Meinung sind, daß jeder, bevor er mit dem Wertpapiersparen anfängt, Bargeld gespart haben muß. Das ist ganz eindeutig. Auch die Wirtschaft und die gesamte Volkswirtschaft verlangen dieses Kreditkapital. Die 624 DM gehen an die Banken und Sparkassen. Diese teilen sie wieder an die Wirtschaft aus, und die Wirtschaft macht, so Gott will — das müssen wir alle hoffen —, einen höheren Gewinn damit, als die Zinsen kosten. Dieser höhere Gewinn schlägt sich in der Manövriermasse für Vermögenspolitik überhaupt, in dem jährlichen Vermögenszuwachs, nieder. Bei dieser Methode wird der jährliche Vermögenszuwachs aber immer wieder zum alten Eigentum hin gelenkt, d. h. die offene Schere geht nicht zu, sondern öffnet sich weiter.
    Wir sind deshalb der Meinung, daß unsere Vorlage des Beteiligungslohngesetzes, die in erster Lesung durch dieses Hohe Haus gegangen ist und jetzt im Sozialausschuß zur Beratung ansteht, nunmehr allmählich zur weiteren Behandlung und Beschlußfassung kommen muß. Dieses Gesetz ist der erste bescheidene Anfang, allen unselbständig Tätigen den Zugang zum Produktionskapital außerhalb der Tarifforderung und außerhalb der Besoldungsordnung freizumachen. Wir sollten uns in diesem Ziele einig sein.
    In Ziffer 72 des Jahreswirtschaftsberichtes wird ein Vermögensbildungsbericht in Aussicht gestellt. Er ist für November/Dezember 1970 schon einmal in Aussicht gestellt worden. Hoffentlich bringt ihn uns der Osterhase.

    (Heiterkeit.)

    Hoffentlich ist in diesem Bericht nicht eine Wiederbelebung der unglückseligen Vorlage der vier Staatssekretäre über die gesetzliche Gewinnbeteiligung an allen Unternehmen bestimmter Größenordnung enthalten. Dieser Vorschlag geht wiederum am Ziel vorbei. Er ist sogar gefährlich, weil er die Produktivkraft und die Wachstumskraft unserer Wirtschaft zu behindern statt zu fördern vermag. Keine Vermögenspolitik kann damit beginnen, daß die Produktionskraft gemindert wird. Keine Vermögenspolitik kann sich darauf verlassen, daß die Menschen besser seien, als sie sind. Von dem Plan der vier Staatssekretäre, der ja wie eine Rakete am Himmel, dann aber schnell wieder verschwunden war,

    (Abg. Breidbach: Das war ein Rohrkrepierer!) habe ich so etwas läuten gehört, er werde im Ver- mögensbildungsbericht eine fröhliche Auferstehung feiern. Ich hoffe, das ist nicht der Fall.

    Und noch etwas: Ein Komet, der aufstieg, war die Bundes-Holding. Sie ist dann so in Etappen nicht etwa zum Mond geflogen, sondern auf der Erde geblieben und in der Versenkung verschwunden. Sie ist nicht mehr da. Wir begrüßen es, daß sie nicht mehr da ist.
    Die angekündigte Privatisierung der VEBA begrüßen wir. Es ist der erste Teil der von uns eingebrachten Vorlage bezüglich der VEBA- und FibagPrivatisierung. Wir hoffen, daß auch diese Vorlage die Zustimmung dieses Hauses findet.
    Mit anderen Worten: Wir glauben, daß unsere beiden Vorlagen — Sie rufen ja immer nach Alternativen von der Opposition; hier haben Sie sie — die Zustimmung des Hauses finden, weil sie wirklich geeignet sind, das eigentliche Grundproblem zu lösen, nämlich bei der Beteiligung aller unselbständig Tätigen am Produktionskapital den ersten bescheidenen Anfang zu sichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)