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ID0609505500

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    Deutscher Bundestag 95. Sitzung Bonn, Dienstag, den 2. Februar 1971 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Rösing 5193 A Wahl des Abg. Dr. Arndt (Berlin) als Mitglied des Europäischen Parlaments . . 5193 A Amtliche Mitteilungen 5193 B Beratung des Jahresgutachtens 1970 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache VI/1470) in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1971 der Bundesregierung (Drucksache VI/1760) Dr. Schiller, Bundesminister 5194 B, 5242 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 5201 D Junghans (SPD) 5209 B Kienbaum (FDP) 5215 D Brandt, Bundeskanzler . . . . . 5218 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . 5223 D Dr. Schachtschabel (SPD) . . . . 5226 C Mertes (FDP) . . . . . . . . 5229 B Dr. Pohle (CDU/CSU) 5233 B Kater (SPD) . . . . . . . . . 5239 A Höcherl (CDU/CSU) . . . . . . . 5250 B Dr. Arndt (Berlin) (SPD) . . . . . 5253 C Graaff (FDP) . . . . . . . . . 5257 A Breidbach (CDU/CSU) . . . . . 5258 A Lenders (SPD) . . . . . . . . . 5261 B Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 5263 D Kirst (FDP) . . . . . . . . . . 5264 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . • 5266 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 5267 A Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zu dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen . . . . . . . . . 5267 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Februar 1971 95. Sitzung Bonn, den 2. Februar 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 93. Sitzung, Seite 5048 A, Zeile 13: Der Zuruf des Abgeordneten Reddemann ist zu streichen. Dafür ist einzusetzen: (Zuruf von der CDU/CSU.) 93. Sitzung, Seite 5050 C, Zeile 10: Zwischen den Wörtern „fest" und „in" ist einzufügen: (Abg. Reddemann: Mit beiden Beinen fest in der Luft!) Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner * 5. 2. Dr. Apel 2. 2. Dr. Artzinger * 2. 2. Bühling 28. 2. Becker (Pirmasens) 5. 2, Dasch 5. 4. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 2. 2. Dr. Dollinger 23. 2. Dröscher * 3. 2. Dr. Furler 2. 2. Gerlach (Emsland) * 2. 2. Dr. Götz 28. 2. Dr. Jungmann 15. 2. Dr. Kiesinger 5. 2. Klinker * 3. 2. Dr. Koch * 4. 2. Kriedemann * 5. 2. Frhr. von Kühlmann-Stumm 2. 2. Dr. Löhr * 2. 2. Maucher 12. 2. Memmel * 5. 2. Müller (Aachen-Land) * 4. 2. Frau Dr. Orth * 3. 2. Pfeifer 5. 2. Rasner 12. 2. Richarts * 3. 2. Schmitz (Berlin) 5. 2. Saxowski 2. 2. Susset 2. 2. Stücklen 2. 2. v. Thadden 6. 2. Wiefel 26. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, den 29. Januar 1971 An. den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 361. Sitzung am 29. Januar 1971 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 9. Dezember 1970 verabschiedeten Gesetz über die Entschädigung für Straf- verfolgungsmaßnahmen (StrEG) gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat außerdem die nachstehende Stellungnahme beschlossen: Zu § 14 Abs. 1 geht der Bundesrat davon aus, daß der Eröffnung des Hauptverfahrens der Erlaß eines Strafbefehls, einer Strafverfügung oder eines Bußgeldbescheids gleichsteht. Dr. Röder Vizepräsident Bonn, den 29. Januar 1971 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 22. Dezember 1970 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Räder Vizepräsident
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

    (Unterbrechung von 13.01 Uhr bis 15.00 Uhr).



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Das Wort hat der Abgeordnete Mertes.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Mertes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Aussprache über den Jahreswirtschaftsbericht und das Sachverständigengutachten hat heute vormittag einen Stand erreicht, der es meines Erachtens nicht mehr notwendig macht, den Blick zurückzuwenden. Die Bilanz ist gezogen, und das Ergebnis dieser Bilanz
    ist für die Opposition dieses Hauses eindeutig
    negativ.

    (Abg. Höcherl: Eine Illusion, die Sie da vortragen!)

    - Herr Kollege, ich erwarte selbstverständlich nicht, wenn ich diese Feststellung treffe, daß Sie oder der Kollege Stoltenberg als prominente Mitglieder der Christlich-Demokratischen Union daraus etwas an christlicher Demut lernen.

    (Abg. Ott: Sie Pharisäer!)

    Aber wie dein auch sei — danke, gleichfalls! - - (Abg. Ott: ich kann noch steigern!)

    - Ja, bitte, warum denn nicht? Ich will ja Ihre Phantasie,

    (Abg. Höcherl: Zur Sache!)

    die in den letzten Monaten so gesprudelt hat, hier nicht einengen. Tun Sie sich keinen Zwang an!
    Ich meine, daß heute morgen in der Debatte etwas Gemeinsames zum Ausdruck gekommen ist, nämlich die Tatsache, daß Übereinstimmung in allen drei Fraktionen dieses Hauses darüber besteht, daß das Jahr 1971 ein Jahr des konjunkturellen Übergangs sein wird.

    (Abg. Höcherl: Des Mißerfolgs!)

    Damit bietet sich, Herr Kollege Höcherl, für uns alle wiederum die Chance, die wirtschaftliche Entwicklung an einen Wachstumspfad heranzuführen, der an den mittelfristigen Orientierungsdaten ausgerichtet ist. Dieser Weg wird allerdings — und es wäre völlig falsch, das leugnen zu wollen — nicht frei von Risiken sein. Das macht übrigens auch der Jahreswirtschaftsbericht in der Ziffer 61 eindeutig klar. Ich bin froh darüber, meine Damen und Herren, daß diese Bundesregierung nicht versucht, die Situation in irgendeiner Weise schönzufärben.
    Worin bestehen nun, Herr Kollege Höcherl, diese Risiken? Nun, wir stehen einerseits vor einer Situation der konjunkturellen Entspannung. In den letzten Monaten des Jahres 1970 haben sich die Beruhigungstendenzen bei der Nachfrage, insbesondere nach Investitionsgütern, ständig verstärkt. Die Auftragspolster sind zum Teil spürbar zurückgegangen, da die Neuaufträge dem Volumen nach den Ausstoß der Industrie unterschritten haben. Diese Abschwächung fördert die Entspannungstendenzen auf dem Arbeitsmarkt und entlastet den Produktionsapparat. Da dieser Prozeß natürlich nach Branchen und Regionen unterschiedlich verläuft, machen sich vereinzelt bereits Unterauslastungen der Kapazitäten bemerkbar, während andererorts noch starke Anspannungen bestehen. Insgesamt jedoch — und das ist wichtig dürfte sich innerhalb des nächsten halben Jahres oder Jahres keine Abschwächung abzeichnen, die über ein Maß hinausgeht, das als Normalisierung anzusehen ist.
    Meine Damen und Herren, andererseits wird an der Preis- und Lohnfront der Abkühlung des konjunkturellen Klimas kaum Rechnung getragen. Auch im dritten Vierteljahr 1970 hat sich die Spanne zwischen Lohn- und Produktivitätsentwicklung ver-



    Mertes
    größert. In der Gesamtwirtschaft stand einem Anstieg der durchschnittlichen Individualeinkommen von rund 15 % im Verhältnis zum Vorjahr ein Zuwachs der Produktion je Erwerbstätigen von nur 3 % gegenüber. Die Lohn- und Gehaltssumme lag um fast 18 % über dem Vorjahresniveau. Diese Entwicklung hat zweifellos den Kostendruck verschärft. Die Lohnkosten der Industrie je Produktionseinheit stiegen etwa um 13 %. Das hat dazu geführt, daß die Unternehmen ihren Spielraum für Preiserhöhungen zunächst voll ausgenutzt haben und schließlich einen Teil der Lohnerhöhungen durch Gewinneinbußen kompensieren mußten. Verfolgt man diese Entwicklung bis heute, so hat sich, so meine ich, substantiell nichts geändert, insbesondere wenn man an die jüngsten gewerkschaftlichen Lohnforderungen von über 20 % denkt, aber auch an die Bereitschaft in manchen Branchen, mehr oder minder bereitwillig auf diese Forderungen einzugehen, um ein Abwandern von Arbeitskräften zu verhindern.
    Dieses Verhalten der Tarifpartner kann zu einer weiteren Reduzierung der Gewinnmarge führen und die Investitionsneigung nachhaltig gefährden. Ein Weiterführen des Verteilungskampfes in der bisher praktizierten Weise würde jedoch langfristig keinem zum Vorteil gereichen, da hierin der Kern einer neuen Rezession liegen kann.
    Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Belastung für die Industrie, z. B. aus der Lohnfortzahlung, nach einem System, Herr Kollege Höcherl, das wir Freie Demokraten nicht wollten,

    (Abg. Ott: Sie können es ja jetzt abschaffen!)

    und aus der Veränderung der Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung im Jahre 1970 8 Milliarden DM betrug. Beide Reformen — das sei ganz objektiv und ohne Wertung festgestellt — tragen also die Gefahr in sich, im gegenwärtigen Zeitpunkt prozyklisch zu wirken. Ich möchte deshalb eindringlich alle am Wirtschaftsprozeß Beteiligten auffordern, mitzuhelfen, mögliche Fehlentwicklungen zu vermeiden, d. h. bei allen Dispositionen, die in die Zukunft hineinreichen, nur das zu tun und nur das zu fordern und zu gewähren, was über den Tag hinaus marktgerecht ist, kurz, sich den Orientierungsdaten der Bundesregierung anzupassen.
    Gerade die Freien Demokraten legen großen Wert darauf, daß die Bundesregierung klar aufzeigt, was sie im Interesse der Gesamtwirtschaft für sinnvoll und angemessen hält. Die Einsicht in gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge und Folgen kann den Willen modifizieren. Denn realistische Politik hat mit Vernunft zu tun, und es kann nicht vernünftig sein, eine Lohn- und Preispolitik zu betreiben, die zu weiteren Preissteigerungen und schließlich zum Kollaps der Wirtschaft führt, d. h. zu einer wesentlichen Einschränkung der Beschäftigung.
    Im Augenblick sehe ich den größeren Aktionsraum, auf Löhne und Preise einzuwirken und die Wirtschaft vor erheblichen Gefahren zu bewahren, bei den Tarifpartnern und nicht so sehr beim einzelnen Unternehmer oder Konsumenten. Die Tarifpartner müssen begreifen, was für die Wirtschaft
    und den Arbeitnehmer auf dem Spiel steht. Wenn sich die Lohnpolitik nicht in den Grenzen der Orientierungsdaten hält, kann sehr schnell der Zeitpunkt kommen, daß die Arbeitsplätze gefährdet sind, es sei denn, meine Damen und Herren, es wird versucht, diesen Einschnitt noch ein wenig hinauszuschieben, das aber eben um den Preis der Aufgabe der Stabilität. Das ist noch niemandem gut bekommen.
    Mit dieser Aufforderung, sich an die Orientierungsdaten zu halten, soll keinesfalls einem dirigistischen Eingriff in die Einkommensverteilung oder in die Verhandlungen der Tarifpartner das Wort geredet werden. Aber wir stehen heute nun einmal vor der Situation, daß die Gefahr eines konjunkturellen Abschwungs bei gleichzeitigen Preissteigerungen nicht völlig von der Hand zu weisen ist.
    Wir sind dahin, meine Damen und Herren, durch die wirtschaftspolitischen Fehler — da bitte ich den Kollegen Stoltenberg zuzuhören — in den Jahren 1968/69 gekommen, wie es die Sachverständigen in ihrem Gutachten unter Ziffer 203 ausdrücklich feststellen, wo es heißt: Wir verkennen nicht, daß die wichtigsten Versäumnisse nicht im Jahre 1970 lagen, sondern in der frühen und mittleren Phase des Aufschwungs. — Ich bitte, das nicht zu vergessen.

    (Abg. Dr. Luda: Da ist zuviel geheizt worden! Das ist es!)

    — Aber Sie haben zu der Zeit fleißig mit den Heizer gespielt.

    (Abg. Dr. Luda: Herr Schiller hat das gemacht!)

    Auf Grund dieser Fehler sind Bundesregierung und Bundesbank heute auf ein vernünftiges Handeln beider Tarifparteien angewiesen.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Warum lesen Sie Ziffer 70 nicht vor? Die ist viel schöner, Herr Mertes!)

    — Die Ziffer 70 haben Sie, Herr Stoltenberg, hier heute bereits in einer Form vorgetragen, die ein völlig falsches Bild ergab, weil Sie diese Ziffer aus dem Zusammenhang gerissen haben. Ich würde die Zitate gern fortsetzen; aber Sie wissen, daß jeder Kollege die Möglichkeit hat, das nachzulesen, wenn er es nicht bereits getan hat. Wenn man alle Zitate bringen wollte, könnte die Redezeit nicht eingehalten werden.
    Ich sprach davon, daß die Gefahr eines konjunkturellen Abschwungs bei gleichzeitigen Preissteigerungen nicht völlig von der Hand zu weisen ist. Daher erscheint es mir notwendig, in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam zu machen, daß sich der immer wieder behauptete Kausalzusammenhang zwischen Konjunkturablauf und Geldentwertung nicht eindeutig nachweisen läßt. Tatsächlich ist eine Geldentwertung nicht mit Ausschließlichkeit an eine bestimmte Phase des Konjunkturzyklus gebunden. Es kommt nachweislich sowohl in der Hochkonjunktur wie in der Abflachung, im Aufschwung wie in der Stagnation zu Geldentwertungsprozessen.



    Mertes
    Es tut gut, sich in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, wo das spezifische Instrumentarium liegt, mit dem die Geldwertstabilität gesichert werden kann. Dies ist doch wohl zweifellos bei der Bundesbank der Fall, während andererseits die Fiskalpolitik die besseren Ausgangsmöglichkeiten bietet, um ein eventuelles Abgleiten in die Rezession zu verhindern.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Was hätte denn die Bundesbank noch tun sollen?)

    - Die Bundesbank hat alles getan, was in ihren Kräften stand;

    (Abg. Höcherl: Die Bundesbank war der Packesel!)

    das ist von uns Freien Demokraten ausdrücklich anerkannt worden. Der Bundesbank, Herr Kollege Müller-Hermann, gebührt dafür Dank. Das hat aber mit dem nichts zu tun.

    (Abg. Höcherl: Die Bundesbank war der Packesel! — Weitere Zurufe von der Mitte!)

    — Herr Kollege Höcherl, ich habe eine grundsätzliche Feststellung getroffen, die meines Erachtens in die Überlegungen mit einbezogen werden muß, weil sie für eine Politik in diesem Fall unumgänglich ist. Aus dieser Feststellung ergeben sich gleichzeitig die Aufgaben für die kommende Konjunkturphase. Bei der Fiskalpolitik wird ein tendenziell expansives Verhalten notwendig sein. Diese Forderung wird durch die Haushalte, die Reduzierung der Investitionssteuer vom 1. Januar an, das Ende der Aussetzung der degressiven Abschreibung seit dem 31. Januar sowie das Auslaufen des Konjunkturzuschlags unterstützt.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Und wie soll das bei den Gemeinden werden?)

    Bei der Bundesbank hingegen — und jetzt ergibt sich nachträglich, daß Ihr Zuruf vorhin überflüssig war — müssen die gegenwärtig gezogenen Bremsen zunächst noch angezogen bleiben, da das Ziel der Geldwertstabilität noch gefährdet ist. Weder Preis-und Kostensituation bei den Vorprodukten noch die Entwicklung der Geldmenge gibt zu der Erwartung Anlaß, daß sich bei der Zuwachsrate der Verbraucherpreise in absehbarer Zeit ein merklicher Rückgang einstellen wird. Insbesondere, meine Damen und Herren, gibt die Entwicklung der Geldmenge immer noch zu Sorge Anlaß; denn es ist offensichtlich, daß es weder zu hohen Preis- noch Lohnsteigerungen kommen kann, wenn nicht eine Geldmengenexpansion vorausläuft, die es ermöglicht, die höheren Preise, Löhne und Kosten zu bezahlen.
    In diesem Zusammenhang wiederum begrüße ich die klare Absage der Bundesregierung und des Sachverständigenrates an das Konzept einer relativen Geldwertstabilität. Käme es zu einem Abbau der Widerstände gegen die momentane Höhe des Kaufkraftverlustes der D-Mark, so würde über kurz oder lang jeder Marktteilnehmer eine Entwertung von 4 % antizipieren, und die Chance, Stabilität in einer absehbaren Frist auch nur annähernd wieder zu erreichen, wäre vertan.
    Nicht nur die konjunkturpolitischen Ziele, sondern auch die wettbewerbspolitischen Ziele sind durch eine solche Politik gefährdet. Während der Aussprache zum letzten Jahreswirtschaftsbericht habe ich hier ausgeführt, welche Gefahren mit einer stetigen Geidwertverschlechterung für den selbständigen Mittelstand, insbesondere, wenn es sich um lohnintensive Betriebe handelt, verbunden sind. Dieser selbständige Mittelstand müßte letztlich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, und von den vorgesehenen Maßnahmen zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen bliebe wenig übrig.
    Werfen wir kurz einen Blick auf diesen Teil des Jahreswirtschaftsberichtes. Im Bericht des letzten Jahres hatte die Bundesregierung angekündigt, die Voraussetzungen für eine einheitliche und koordi- vierte Strukturpolitik zu schaffen. Durch die Verabschiedung der Grundsätze einer Strukturpolitik für kleine und mittlere Unternehmen im Dezember des vergangenen Jahres hat sie hierfür einen weiteren Baustein geliefert. Mit diesen Grundsätzen und dem angefügten Aktionsprogramm liegt nun, so meine ich, eine Globalkonzeption für die Mittelstandspolitik vor, die von Fall zu Fall, namentlich im Bereich des Aktionsnroaramms, einer konkreten Ausaestaltung bedarf. Dabei müssen auch die hier vorhandenen großen Unterschiede in den einzelnen Wirtschaftszweigen Berücksichtigung finden. Die in den Grundsätzen und im Jahreswirtschaftsbericht dargelegten Maßnahmen gehen davon aus, daß das Wesen der Mittelstandspolitik die Hilfe zur Anpassung an den wirtschaftlichen und technischen Wandlungsprozeß ist. Einer Erhaltuncaspolitik überlebter Strukturen um jeden Preis wird eine eindeutige Absage erteilt. Das schließt jedoch keineswegs die Intention aus, soziale Härten bei der Anpassung zu mildern.
    Mit diesem Ausgangspunkt bekennt sich die Regierung auch in diesem Teilbereich des Jahreswirtschaftsberichtes klar und eindeutig zu den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Hier — das sei am Rande bemerkt — möchte ich ausdrücklich das Bekenntnis zur Marktwirtschaft, das in der Ziffer 72 formuliert ist, begrüßen. Ich hoffe, meine Damen und Herren von der Opposition, daß damit endgültig die Stimmen verstummen, die diese Regierung und die sie tragenden Parteien am Rande einer sozialistichen Planwirtschaft ansiedeln wollen.

    (Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Sagen Sie das mal Herrn Bangemann in Reutlingen! — Abg. Dr. Luda: Sagen Sie das mal Herrn Lauritzen!)

    Erneuerung im liberalen Geist heißt unverzerrter Wettbewerb, Absage an dirigistische Eingriffe und an den Verwaltungsstaat, damit Stärkung des selbständigen Mittelstandes und als Folge davon vielfältiges Angebot und größere Freiheit der Konsumwahl. Diese von der FDP vertretene Politik der Verstärkung des Angebots ist zudem gleichzeitig in erheblichem Umfang Mittelstandspolitik, was sich in unseren Forderungen nach Verbesserung der Möglichkeiten zur Kooperation und Rationalisierung im mittelständischen Bereich ausdrückt, ferner in der Verbesserung und Erweiterung des Beteiligungsfinanzierungssystems, in der Unterstützung der ange-



    Mertes
    wandten Forschung, im Abbau wettbewerbsverzerrender Steuern und in der staatlichen Förderung des Sparens im Betrieb, um nur einige Aspekte aus diesem Bereich zu nennen, über die es sicher keine großen Meinungsverschiedenheiten gibt.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Davon hören wir vieles seit langem!)

    Erneuerung der Marktwirtschaft, Herr Kollege Müller-Hermann, im sozialen Sinne ist für uns Liberale schwerpunktmäßig auch die Politik der Bildung breitgestreuten. Vermögens und der Erweiterung des Freiheitsraumes des Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz.
    Die Verbesserung der Vermögensstruktur ist aber nur ein Aspekt der Vermögenspolitik. Der andere Aspekt ist die Erhaltung und möglichst Steigerung der volkswirtschaftlichen Spar- und Investitionsquote. Das heißt in unserer Auslegung: Schaffung eines Klimas, in dem die Bildung neuen Vermögens auch sinnvoll ist. Das ist ein Zustand der Preisstabilität,

    (Abg. Dr. Stoltenberg: In der Tat!)

    der Garantie der Eigentumsordnung, möglichst sicherer und optimistischer Erwartungen, kurz, ein Zustand gesellschaftlichen Gleichgewichts.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Wie er heute nicht ist!)

    Nur so können wir erwarten, daß zunehmend private Vermögen in der Wirtschaft angelegt und gebildet werden, daß die Arbeitnehmer zu einem festen Rückhalt der Marktwirtschaft werden. Die Forderung der kommenden Jahre heißt also Steigerung der Produktivität; denn nur so werden wir das internationale Niveau halten und die Zukunft mit allen ihren großen Aufgaben bewältigen können.
    Leider mußte man in den vergangenen Monaten immer wieder feststellen, daß die Opposition ohne guten. Grund versuchte, das Klima in der Wirtschaft bewußt zu verschlechtern.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. van Delden: Da ist gar nichts zu verschlechtern! Das ist schlecht!)

    In dem Rundschreiben eines Industrieverbandes las ich gestern den bemerkenswerten Satz: „Bisweilen scheint die psychologische Belastung schädlicher als die wirtschaftliche Lage zu sein."

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dank Schiller! Abg. Ott: Dank Juso!)

    Meine Damen und Herren von der Opposition, das sollten Sie sich einmal in Ihr Stammbuch schreiben; denn Sie waren in den vergangenen Monaten ja diejenigen, die sich immer wieder bemühten, die Wirtschaftsentwicklung zu dramatisieren. Sie waren diejenigen, die zum Schaden aller versuchten, eine Inflationsmentalität zu beschwören.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Damit haben Sie ständig versucht, die Preisentwicklung zusätzlich negativ zu beeinflussen. Sie wollten
    durch Ihr Gerede eine Wirtschaftsentwicklung herbeiführen, die es Ihnen ermöglichte, nachträglich noch einen schlüssigen Beweis für Ihre falschen Behauptungen zu liefern.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

    Inzwischen hat sich gezeigt — auch heute morgen wieder —, daß Sie Position für Position aufgeben mußten

    (Abg. Breidbach: Sie waren heute morgen im falschen Saal!)

    und daß aus Ihrer Schwarzmalerei noch nicht einmal parteitaktischer Nutzen zu ziehen ist.
    Wir werden neue Prioritäten setzen müssen.