Rede von
Franz
Amrehn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es gibt keinen Grund, meine Damen und Herren von der Koalition, die Dinge mit demselben Optimismus zu betreiben wie am 12. August oder wie vielleicht auch am Tage der Regierungserklärung am 28. Oktober 1969.
Sehen Sie, damals haben Sie das heute schon wiederholt kritisierte Wort vom zweiten deutschen Staat benutzt. Es is bestritten worden, daß in dieser Erklärung überhaupt eine Konzession liege. Ich habe hier die Regierungserklärung der SPD, vom heutigen Bundeskanzler zu einer Zeit, als er noch nicht
Bundeskanzler war, für einen Parteitag der SPD formuliert. Diese Erklärung liegt gedruckt vor. In ihr finde ich folgenden Satz:
Die neue Bundesregierung wird jedem Versuch wehren, die Zweistaatentheorie in unser Denken aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, man kann seine Ansichten ändern, das steht außer Frage.
— 1961 in der ersten Bundestagswahl des Kanzlerkandidaten Brandt, so formuliert. — Man kann seine Ansichten ändern und sagen, die Umstände hätten sich geändert. Aber wenn in doch ganz existenziellen Fragen unserer Nation so argumentiert wird, dann frage ich mich: Wie lange halten die Erklärungen, die heute gegeben werden, unter dem Standpunkt des Morgen?
Darf ich darauf vertrauen — das ist die Sorge, die ich heute hier aussprechen möchte —, daß die Mindestbedingungen, wie wir sie unter uns für eine befriedigende Berlin-Regelung ausgesprochen haben, auch dann wirklich noch halten?
Wir wollen die Politik gewiß nicht, wie Sie gesagt haben, Herr Wienand — ich glaube, Sie waren es —, mit irrealen Forderungen belasten. Damit meinen Sie doch unsere Forderung nach besseren innerdeutschen Beziehungen. Wenn Sie sie aber selber nicht nachhaltig heute hier als Voraussetzung für eine befriedigende Berlin-Regelung ebenso wie für den Vertrag nennen, dann brauchen wir uns keine gemeinsame Mühe zu geben, etwa eine Berlin-Regelung zu finden. Aber Sie bleiben ja an Ihr eigenes Wort gebunden, das in den Absichtserklärungen lautet, daß der Vertrag mit der Tschechoslowakei, mit Polen und mit den anderen ein Gesamtwerk bilde. Wer gesagt hat, daß das ein Gesamtwerk sein soll, der hat auch gesagt, daß es als Voraussetzung der Ratifizierung des Moskauer Vertrages befriedigende Regelungen im innerdeutschen Bereich geben muß. Daran möchte ich Sie erinnern und Sie herzlich bitten, daran mit festzuhalten.