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ID0609310600

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    Deutscher Bundestag 93. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 28. Januar 1971 Inhalt: Eintritt des Abg. Dr. Farthmann in den Bundestag 5043 A Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 5043 A Begrüßung einer Delegation des Parlaments der Volksrepublik Polen 5051 A Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1971 (Drucksache V1/1690) in Verbindung mit Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Außenpolitik der Bundesregierung (Drucksachen VI/ 1638, V1/1728) und mit Aussprache über den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1971 Brandt, Bundeskanzler . 5043 B, 5058 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 5051 B Dr. Apel (SPD) 5059 B Mischnick (FDP) 5064 B Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 5071 C Wienand (SPD) 5076 A Borm (FDP) . . . . . . . . 5083 A Schmidt, Bundesminister . . . . 5090 A Dr. Freiherr von Weizsäcker (CDU/CSU) . . . . . . . . . 5100 A Dr. Haack (SPD) . . . . . . . . 5104 C Franke, Bundesminister . . . . . 5108 B Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 5113 C Dr. Bußmann (SPD) . . . . . . . 5118 A Amrehn (CDU/CSU) . . . . . . 5119 D Moersch (FDP) . . . . . . . . 5122 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . 5124 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 5125 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. Januar 1971 5043 93. Sitzung Bonn, den 28. Januar 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 10.00 Uhr
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    Berichtigung: 90. Sitzung, Seite 4932 C, letzte Zeile: Zwischen den Wörtern „Haushaltsausschuß" und „gemäß" ist einzufügen: „mitberatend und" Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adams ** 28. 1. Dr. Ahrens * 29. 1. Alber * 29. 1. Dr. Arndt (Berlin) 1. 2. Dr. Artzinger ** 29. 1. Bals * 29. 1. Bauer (Würzburg) * 29. 1. Berberich 28. 1. Dr. von Bismarck 28. 1. Blumenfeld 29. 1. Dr. Burgbacher ** 29. 1. Bühling 28. 2. Dasch 5.4. van Delden 29. 1. Dichgans 29. 1. Frau Dr. Diemer-Nicolaus * 29. 1. Dr. Dittrich ** 29. 1. Dr. Dollinger 23. 2. Draeger *** 29. 1. Flämig ** 29. 1. Fritsch * 29. 1. Dr. Furler * 29. 1. Gewandt 29. 1. Dr. Götz 13. 2. Grüner 29. 1. Dr. Hallstein 29. 1. Frau Herklotz 29. 1. Dr. Hermesdorf (Schleiden) * 29. 1. Hösl * 29. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) ** 28. 1. Dr. Jungmann 15. 2. Dr. Kempfler 29. 1. Frau Klee * 29. 1. Klinker 29. 1. Dr. Koch ** 29. 1. Kriedemann ** 29. 1. Freiherr von Kühlmann-Stumm 29. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lange ** 29. 1. Lautenschlager ** 29. 1. Lemmrich * 29. 1. Lenze (Attendorn) * 29. 1. Lücker (München) ** 28. 1. Dr. Martin 29. 1. Memmel ** 29. 1. Müller (Aachen-Land) ** 28. 1. Dr. Müller (München) * 29. 1. Pöhler * 29. 1. Dr. Prassler 29. 1. Rasner 12. 2. Riedel (Frankfurt) ** 29. 1. Richarts * 29. 1. Richter *** 29. 1. Dr. Rinderspacher *** 29. 1. Roser 29. 1. Schmidt (Würgendorf) * 29. 1. Dr. Schmücker * 29. 1. Frau Schröder (Detmold) 29. 1. Dr. Schulz (Berlin) * 29. 1. Saxowski 2. 2. Sieglerschmidt * 29. 1. Springorum ** 29. 1. Steiner 29. 1. Strauß 29. 1. v. Thadden 6. 2. Frau Dr. Walz *** 29. 1. Dr. Warnke 29. 1. Weber (Heidelberg) 29. 1. Wienand * 29. 1. Dr. Wörner 29. 1. * Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Herr von Guttenberg, ich bin Ihnen zunächst dankbar; Sie haben mich darauf aufmerksam gemacht, daß ich mich in ein oder zwei Worten vielleicht zu salopp ausgedrückt habe. Ich bedaure das. Ich habe einen großen Respekt vor Leuten wie Acheson oder McCloy — um einen zweiten zu nennen — oder auch George Ball. Ich bedaure, wenn ich mich salopp ausgedrückt haben sollte; das möchte ich nicht. Aber ich möchte deutlich machen, daß diese Herren zum Teil seit fünfzehn Jahren aus der tatsächlichen, operativen Politik und Diplomatie entfernt sind.

    (Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Das stimmt nicht!)

    — Das stimmt für Dean Acheson ganz gewiß.

    (Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Herr Acheson gehört zu den ständigen Beratern mehrerer Präsidenten!)

    Ich will mich nicht streiten. Ich habe großen Respekt für ihn. Ich kenne ihn ganz gut und halte ihn für eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Nur, er spricht nicht für die amerikanische Regierung; das muß nun wirklich einmal verstanden werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Für die amerikanische Regierung sprach Herr Rogers, sprach Herr Laird, sprach Dave Kennedy und sprach Herr Nixon.

    (Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Schwieg Herr Nixon!)

    — Nein, sprach! Er ließ doch auf dieser NATO-RatsTagung, die zu dem Papier führte, 'das ich Ihnen so ans Herz lege, einen Brief vorlesen, der er dieser Konferenz geschrieben hatte. Er schwieg gar nicht. Die Welt ist ein bißchen anders, als Sie sich das malen; Sie müssen nur die Tatsachen einmal zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Dr. Wulff: Warum ist Herr Ehmke nach Amerika gefahren?)

    Herr Barzel hat in einem Zwischenruf soeben auf die vier Punkte hingewiesen, auf die er noch eine Antwort haben möchte. Ich will dem Bundeskanzler nicht vorgreifen. Ich will aber auch nicht den Eindruck machen, daß ich ausweiche. Mir machen diese vier Punkte den Eindruck wohltuender Sachlichkeit, ich sagte es am Anfang schon. Über sie kann man ernsthaft miteinander streiten, ohne sich zu zerstreiten. Ich habe auch dafür Verständnis, daß Sie, Herr Dr. Barzel, am Schluß nach diesen vier Kriterien sagten: Wenn ich sie nun anlege, dann entsprechen die Verträge und Ergebnisse, die uns bisher vorliegen, den Maßstäben, die ich soeben nannte, nicht. Jedenfalls finde ich, daß dies eine Ausdrucksweise und eine Sprache ist, die es ermöglicht, daß man miteinander im Gespräch ist und



    Bundesminister Schmidt
    bleibt. Mehr will ich im Augenblick dazu nicht sagen. Ich sagte das schon am Anfang, und ich meinte diese Ihre vier Punkte, als ich von dem wohltuenden Unterschied sprach.
    Auf der anderen Seite sind nun allerdings auch wir nicht der Meinung, daß das alles schon fertige Ergebnisse sind. Wer bei der Rede, die der Bundeskanzler heute morgen gehalten hat, irgendwie zugehört hat, kann doch nicht der Meinung sein, daß er z. B. den Zustand Berlins für ein fertiges Ergebnis hält.
    Dann hat Herr Barzel Bismarck zitiert. Wenn ich mich richtig erinnere, ist gesagt worden, Bismarck habe es als eines seiner Motive bezeichnet — und Herr Barzel habe das in den Gedenkreden vermißt —, daß es endlich aufhören müsse, daß Deutsche auf Deutsche schießen. Ich will unterstellen, Bismarck habe das so gesagt und habe es ehrlich so gemeint. Ich will gar nicht daran erinnern, daß er 1866 mit schuld daran war, daß Brüder auf Brüder schossen; lassen wir das einmal offen.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Abg. Stücklen: Die Bayern durften ja gar nicht schießen! — Heiterkeit.)

    — Den Bayern tut das heute noch leid.
    Aber, Richard Stücklen, nun im Ernst. Wenn Otto von Bismarck für die Lage unserer Nation heute Relevanz hat, dann mag es dazu verschiedene Aspekte geben. Ich rede nicht davon, wie alte Sozialdemokraten über den Mann, über seine Innenpolitik und seine Sozialpolitik denken müssen. Aber wenn seine Außenpolitik überhaupt Relevanz hat, dann wird man doch nicht übersehen, daß er jedenfalls auch gewußt hat, daß die deutsche Nation mit zwölf Nachbarnationen im Einklang leben muß und daß darunter sehr mächtige Nachbarn sind. Ich rede weiß Gott nicht der Idee das Wort, wir könnten wieder einen Rückversicherungsvertrag mit Rußland schließen. Aber dieser Vertrag Otto von Bismarcks seinerzeit zeigte, daß er gewußt hat, daß unsere Nachbarschaft, in die wir eingebettet sind, die wir nicht beherrschen können, .ein wichtiger Faktor ist und daß wir sie in Richtung Westen wie in Richtung Osten nach unseren Möglichkeiten in Ordnung halten müssen.

    (Abg. Dr. Barzel: Mit den Sätzen hätten Sie andere Leute beraten sollen, bevor sie ihre Reden hielten, Herr Schmidt!)

    — Das ist ja nun wohl keine Kritik an mir. Das müssen Sie dann den Kollegen sagen, die Sie kritisieren, und ich bin ganz überzeugt, daß sich die Damen und Herren zu wehren wissen.
    Lassen Sie mich noch einmal auf die NATO-Ratssitzung vor acht Wochen in Brüssel zurückkommen. Ich weiß nicht, ob Ihnen entgangen ist, daß hier ein ganz interessanter Ansatz der Westeuropäer untereinander nicht nur insofern zustande gebracht wurde, als sich die europäischen NATO-Partner auf eine erhebliche zusätzliche finanzielle Aufwendung untereinander verständigt haben, sondern auch insofern, als dieses europäische Verstärkungsprogramm ein entwicklungsfähiges politisches Element
    zukünftiger europäisch-amerikanischer Beziehungen und vor allen Dingen ein sehr entwicklungsfähiges Element europäischer Zusammenarbeit auch ohne den großen Bruder auf der anderen Seite des Atlantik darstellt. Vielleicht ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß die Franzosen zu einem ganz kleinen Teil angefangen haben, sich an solchen gemeinsamen Unternehmungen zu beteiligen; das war einer der Gründe, weswegen ich mir vorhin die Freiheit nahm, zu sagen, die Zusammenarbeit mit den Franzosen auf dem Gebiet der Sicherheit sei heute besser als lange, lange Jahre vorher. Vielleicht haben Sie übersehen, daß hier von europäischer Seite eine der entscheidenden psychologischen Voraussetzungen dafür geschaffen wurde, daß die amerikanische Regierung in Brüssel schriftlich geben konnte, daß sie die Substanz ihrer Präsenz nicht verändern wird. Vielleicht haben Sie übersehen, daß diese Voraussetzung ganz wesentlich durch die politischen und diplomatischen Anstrengungen dieser deutschen Bundesregierung zustande gebracht worden ist. Wir haben dabei von der Opposition leider keine Hilfe gehabt. Einzelne Abgeordnete der Opposition reisten nach Amerika und kamen wieder und verkündeten lauthals, wir müßten noch mehr zahlen, als wir vereinbart hätten; das sei alles zu wenig. Manchmal hat man Hilfe von der Opposition, in diesem Falle hatten wir sie nicht.
    Lassen Sie mich, auf den Schluß kommend, Herr Präsident, ein Argument aufgreifen, das man im Lande auch hört, ohne daß es von der CDU/CSU käme. Es kommt aus anderer Richtung. Ich meine das Argument, wir könnten, wenn wir erst mit der Sowjetunion einen Vertrag über Gewaltverzicht hätten, aus dem Bündnis ausscheiden, könnten die Bundeswehr aufgeben, oder dergleichen Naivitäten mehr. Es gibt hier im Hause wahrscheinlich niemanden, der dem Bundesminister der Verteidigung unterstellt, daß er solche Absichten, solche Motivationen in seiner Brust hegte. Ich sähe es aber ganz gerne, wenn man es auch dem Herrn von Weizsäcker — ich meine Carl Friedrich von Weizsäcker — nicht unterstellte, der in den letzten 14 Tagen zu Recht in vieler Leute Munde gewesen ist. Ich kann nur empfehlen, obwohl ich nicht in allen Punkten übereinstimme, dieses etwa 20 Seiten umfassende, in einer auch für uns Laien verständlichen Begriffssprache geschriebene Vorwort zu lesen, die Einleitung zu lesen, die Weizsäcker zu jenen umfangreichen Untersuchungen geschrieben hat. Die Untersuchungen sind in ihrer Qualität ungleichmäßig, zum Teil muß man dafür auch wirklich sehr viel studiert haben, um sie zu begreifen, aber das Vorwort des Professors Carl Friedrich von Weizsäcker hat wirklich Qualität, und Kollege Borm hat zu Recht darauf hingewiesen. Es wäre ein Mißverständnis, daraus zu lesen, Herr von Weizsäcker habe gemeint, da man nicht für alle Zukunft sicher sein könne, daß die beiderseitige Abschreckung, das Gleichgewicht der Abschreckung, den Frieden wahre, solle man das System des Gleichgewichts aufgeben. Er hat nur darauf hingewiesen — das bezieht sich bei ihm vor allen Dingen auf die beiden Supermächte —, daß man nicht für alle Zeiten sicher sein könne — und je weiter die Betrachtung



    Bundesminister Schmidt
    in die Zukunft reicht, um so geringer erscheint ihm die Sicherheit —, daß dieses Gleichgewicht in Frieden bewahrt wird und daß man zusätzlich etwas erfinden müsse. Was das Zusätzliche angeht, so heißt es da:
    Die Öffentlichkeit muß begreifen, daß das eigene Überleben davon abhängen kann, ob der Strukturwandel der Welt, der zum politisch garantierten Weltfrieden führt, die erste Priorität der Politik ihres eigenen Landes ist.
    Und etwas später auf derselben Seite:
    Ohne Zweifel gehört zu solcher Politik der Versuch, die Konfliktherde, die im eigenen Land und in seiner Beziehung zum Nachbarn liegen, zu löschen. Dies wird heute versucht, und wenn unsere Analyse richtig ist, so ist dieser Versuch lebenswichtig.
    Diese Sätze möchte ich voll unterschreiben. Ich möchte im übrigen den Aufsatz dem nachdenklichen Lesen aller unserer Kollegen empfehlen.
    „Dieser Versuch ist lebenswichtig": Wenn die Verträge ratifiziert sein werden, so werden sie für die zukünftige nachbarliche Entwicklung in Europa für unser Volk im Verhältnis zu seinen Nachbarn um so mehr Bedeutung haben, je sicherer auf beiden Seiten von der Erhaltung des Gleichgewichts ausgegangen werden kann. Dies ist nicht nur deutsches Interesse, dies ist auch polnisches Interesse; das ist nicht nur englisches oder französisches oder dänisches oder norwegisches Interesse, das ist auch ungarisches oder rumänisches oder slowakisches oder tschechisches Interesse.
    Ich möchte am Schluß etwas an die Adresse einiger Politiker in Washington sagen. Ich kann es begreifen, wenn einige amerikanische Senatoren aus vielen innenpolitischen Gründen meinen, daß die amerikanischen Truppen in Europa verringert werden sollten. Ich bin froh, daß die amerikanische Regierung, auf unsere Vorschläge eingehend, gesagt hat: aber nur, wenn auch auf der östlichen Seite, wenn beiderseitig gleichgewichtig verringert wird, sonst nicht! Ich kann die amerikanischen Senatoren verstehen. Nur, wenn sie sagen, daß der deutschsowjetische Vertrag, wenn er ratifiziert sein sollte, d. h. wenn eine befriedigende Berlin-Regelung erreicht ist, und wenn der Vertrag mit den Polen wirksam wird, es überflüssig mache, daß die Amerikaner ihre Rolle in Europa spielten, dann irren sich diese Herren. Wir alle wissen, daß diese Art von Argumentation nicht durch die Regierung Brandt/Scheel ausgelöst worden ist, sondern daß Mike Mansfield und andere ihre Propanganda seit Jahr und Tag betreiben. Ich wäre dankbar, wenn man das auseinanderhielte

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und wüßte, daß es sich um inneramerikanisch motivierte Zielsetzungen handelt, für die wir Verständnis haben müssen. Es sind wichtige Personen in einem uns eng verbündeten Land, deren Auffassung wir aber aus unserem Sicherheitsinteresse und, wie wir glauben, aus dem richtig verstandenen Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten selber nicht
    akzeptieren. Mit der deutschen Ostpolitik hat es nichts zu tun.
    Deutsche Politik ist auf die Erhaltung des Friedens eingerichtet — und nicht nur dies, nicht nur einfach auf die Erhaltung des Friedens. Sie will nicht ein mehr oder minder mechanischer Beitrag im Sinne von „es wird schon so weitergehen wie bisher" sein. Die deutsche Politik will auf dynamische Weise der Erhaltung des Friedens dienen.
    Ich sagte, ich möchte Gelegenheit haben, auch meine persönliche Position einmal klarzumachen. Ich für meine Person war für diese Politik seit vielen Jahren. Ich bin ihretwegen zweimal in Moskau und in anderen osteuropäischen Hauptstädten gewesen, übrigens unter schauderhafter Begleitmusik aus der CSU, Herr Stücklen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir waren in diesen Hauptstädten und haben sondiert, was bei einer neuen Regierung wohl möglich wäre, lange ehe Herr Dr. Barzel für die CDU nach Warschau reiste. Daß Sie nach Warschau reisten, Herr Dr. Barzel, daß Herr Dr. Schröder nach Moskau

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: Ich bin 1956 in Moskau gewesen!)

    — Ja, aber in anderer Funktion, Herr Marx! — Daß der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU nach Warschau reist, finde ich gut. Ich finde, es liegt im Sinne der deutschen Politik, es liegt im gemeinsamen Interesse, daß die Polen sehen, wie die Lage bei uns ist, und sicherlich haben sie auch gesehen, daß Herr Barzel das, was er sagt, auch so meint. Und ich finde es gut, daß Herr Dr. Schröder nach Moskau gereist ist und daß er aus der Sicht der Opposition das gesagt hat, was er hat sagen müssen, so daß auch für unseren sowjetischen Verhandlungs- und Vertragspartner die Lage plastischer werden konnte. Ein bißchen habe ich mich gewundert, daß dann jemand gesagt hat, er habe aus Warschau mehr mitgebracht als der Bundeskanzler.

    (Lachen bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Das war doch nicht so schwierig, Herr Schmidt!)

    — Herr Lenz ruft dazwischen: Das war nicht so
    schwierig. Nun, die Vorarbeit hatten ja wir gemacht.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber ich freue mich darüber; denn beide Reisen von zwei hervorragenden Oppositionspolitikern tragen dazu bei, daß auch der Opposition selber klar wird, daß der Handlungsspielraum der deutschen Politik größer ist, als man früher gewußt und geglaubt hat, größer sogar, als man heute vor sich selber zuzugeben bereit ist. Es gibt Spielräume. Aber — auch das will ich zum Schluß sagen — wir müssen auch beide wissen, und diese Bundesregierung jedenfalls weiß, daß sie ihre Spielräume nur in konsequenter Befolgung der Notwendigkeiten des Gleichgewichts zu benutzen versuchen kann. Auf dieser Grundlage wird die Bundesrepublik Deutschland dazu beitragen, in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik den Notwendigkeiten zu folgen, ohne dabei die Möglichkei-



    Bundesminister Schmidt
    ten unterzubewerten und ohne dabei die Chancen vorübergehen zu lassen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Weizsäcker. Seine Fraktion hat für ihne eine Redezeit von 25 Minuten erbeten.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard von Weizsäcker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns natürlich über den Zusammenhang von Deutschlandpolitik, von der Lage in Berlin, von der Ostpolitik, der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik im ganzen im klaren, und trotzdem war es nicht unser Wunsch, diese Debatte über die Lage der Nation mit schlechthin der ganzen Palette von Außen- und Verteidigungspolitik zu verbinden, zu vermischen. Es ist ein wenig schwierig, eine gewisse Ordnung in unsere Debatte zu bringen. Wir haben jetzt zwei teilweise sicherheitspolitische Beiträge von seiten der Koalitionsparteien gehört, zwischendurch wieder einen deutschlandpolitischen.
    Es kann nicht meine Aufgabe sein, auf alle diese Argumente jetzt meinerseits einzugehen. Morgen wird Gelegenheit sein, vor allem auf verteidigungspolitische Fragen, das NATO-Kommuniqué und ähnliche Dinge einzugehen. Morgen wird auch z. B. noch mehr davon die Rede sein, daß ja niemand von uns, Herr Kollege Schmidt, Ihnen vorgeworfen hat, Sie seien der Meinung, daß nach der Unterzeichnung der Verträge eine Präsenz der amerikanischen Truppen hier nicht mehr erforderlich sei, obwohl herauskommen wird, daß trotzdem die Gedanken des Senators Mansfield und seiner Freunde durchaus keine inner-amerikanische Angelegenheit sind, sondern daß sich alles, was hier an Politik geschieht und geäußert wird, gerade auf die sogenannte inneramerikanische Entwicklung auswirkt. Es wird morgen auch noch deutlicher davon die Rede sein, was wirklich zu dem zu sagen ist, was Sie über die Ausnutzung von Spielraum früherer und heutiger Regierungen gesagt haben. Es geht ja nicht nur um die Frage, ob man Spielraum nutzt, sondern zunächst vor allem um die Frage, ob man den Spielraum richtig einschätzt, der einem zur Verfügung steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich denke, daß gerade bei der sehr differenzierten Beobachtung und Analyse der hiesigen Politik durch unsere Verbündeten die Frage, inwieweit der Spielraum durch die heutige Bundesregierung richtig eingeschätzt wird, eine ganz zentrale Rolle spielt.
    Morgen wird auch von der Europapolitik und von dem Verhältnis von Ost- und Westversöhnung die Rede sein. Keiner in diesem Raum verschließt sich dem Wunsch und der Notwendigkeit, neben Westversöhnung Versöhnung mit unseren ehemaligen Kriegsgegnern im Osten herbeizuführen. Aber wir wissen doch alle, wie die Westversöhnung zustande gekommen ist. Und gerade wenn wir uns das klarmachen, dann wissen wir, daß wir auf diese Halbkugel nicht einfach fugenlos eine zweite Halbkugel
    der Ostversöhnung unter denselben Bedingungen draufstülpen können. Die Westmächte haben uns in ihrer damaligen machtpolitischen und sicherheitspolitischen Situation ein Bündnis angeboten, das unserer Interessenlage entsprach. Wir haben die ausgestreckte Hand ergriffen, und auf dieser Basis ist eine Versöhnung im vollen Sinne des Wortes entstanden. Natürlich wollen wir die Versöhnung mit dem Osten auch, aber die Sowjetunion wird uns doch keine Bündnisse anbieten, die nicht ihren eigenen machtpolitischen Interessen entsprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das Problem ist ja gerade, wie diese beiden machtpolitischen Interessen miteinander harmonieren.
    Ich möchte ein paar Worte, Herr Schmidt, zu Ihren Bemerkungen über den Eid sagen. Wir alle wissen, daß das ein sehr ernster Punkt ist. Mir sind die von Ihnen genannten kirchlichen Auseinandersetzungen, zumal in der evangelischen Kirche, über den Eid sehr wohl bewußt, und ich nehme sie auch sehr ernst. Aber wir müssen ja zwischen den Erörterungen in der Kirche und Theologie einerseits und den verfassungspolitischen und politischen Erörterungen andererseits unterscheiden.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern): Sehr gut!)

    Sie werden nicht leugnen, daß sich Herr Dr. Barzel mit den politischen und verfassungspolitischen Aspekten der Eidesformel beschäftigt hat. Ich nehme dankbar zur Kenntnis, Herr Schmidt, daß sie sich selber dazu bekennen, es könne nicht zweierlei Maß für die Eidesformel der Soldaten und für die übrigen Eidesformeln in unserem Lande geben. Ich denke, Sie werden sich darüber hinaus auch dafür einsetzen wollen und einzusetzen haben, daß wir in einem Zeitpunkt, in dem die Regierung, jedenfalls mit ihren Worten, von Recht und Freiheit des deutschen Volkes spricht, den Soldaten nicht zumuten können, einfach nur für Recht und Freiheit — ja, wessen, der ganzen Welt? — einzutreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Als letztes möchte ich von dem, was Sie gesagt haben, Herr Schmidt, noch Ihre erste Bemerkung aufgreifen. Sie haben davon gesprochen, es sei eine Wohltat, wie man hier miteinander über die Lage der Nation diskutiere. Aber dann haben Sie diese Bemerkung selber mit einem Fragezeichen versehen und gefragt, ob es wirklich eine Wohltat sei, wenn eine Diskrepanz zwischen den hier geäußerten und den draußen geäußerten Worten auffindbar sei. Nun, ich sehe in der Tat in solchen Diskrepanzen keinen Vorteil für unsere Politik. immerhin, sofern es solche Diskrepanzen gibt, lassen sie sich ja nachprüfen. Ich finde, die größere Gefahr von Diskrepanzen besteht dort, wo es um eine Diskrepanz zwischen Worten einerseits und Taten andererseits geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In diesem Zusammenhang bin ich nun bei meinem eigentlichen Thema, zu dem ich hier noch einen Beitrag leisten möchte, mit dem ich zu der sehr einfachen Frage zurückkehre, über die schon heute morgen gesprochen wurde: Welche Ziele hat sich



    Dr. Freiherr von Weizsäcker
    diese Bundesregierung bei ihrem letztjährigen Bericht zur Lage der Nation gesetzt? Was ist in den letzten zwölf Monaten aus diesen Zielen geworden? Welche Lehren sind für uns daraus zu ziehen?
    Bundeskanzler Brandt hat vor diesem Hause am 14. Januar 1970 drei Leitlinien aufgestellt. Er hat davon gesprochen:
    erstens, seine Regierung wolle die Forderung nach Selbstbestimmung kräftigen, gegründet auf das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen; Selbstbestimmung als Ausdruck des fortdauernden Willens zur Nation;
    zweitens, die Regierung wolle ein geregeltes Nebeneinander mit dem anderen Teil Deutschlands herbeiführen;
    drittens, sie wolle eigene deutsche Beiträge zur internationalen Lage, insbesondere also zur Entspannung in Europa, leisten.
    Die Regierung hat in ihrer damaligen Erklärung selbst von dem Zusammenhang dieser drei Ziele gesprochen. Sie hat auf den langen Weg zur Selbstbestimmung und auf die Notwendigkeit hingewiesen, unterwegs deutsche Beiträge zur internationalen Lage zu erbringen. Das kann man doch wohl nur so verstehen: Die Forderung nach Selbstbestimmung soll dadurch unterstützungswürdiger und sympathischer gemacht werden, daß sich die Bundesrepublik bereitwillig und aktiv an der Lösung der Probleme beteiligt, die Europa als Ganzes betreffen.
    Nun hat sich die Bundesregierung ohne Zweifel in den letzten zwölf Monaten um Beiträge dieser Art bemüht, und sie hat auch mancherlei Beifall in Ost und West gefunden. Die Probe aufs Exempel ist nur die Frage: Was sind denn die Motive solchen Beifalls, soweit es ihn gibt? Drückt er wirklich gewachsenes Verständnis unserer Nachbarn in Ost und West, in Nord und Süd für die deutsche Forderung nach Selbstbestimmung aus oder nicht? Wir können zur Antwort auf diese Frage heute ja nur eine Zwischenbilanz ziehen, und gewiß hat das in dem Bestreben zu geschehen, die deutsche Situation nicht zu schädigen, wenn wir interpretieren, was die Bundesregierung getan hat und wie es wirkt. Aber eben dazu müssen wir auf die Gefahren hinweisen, die uns die letzten zwölf Monate gebracht haben, und ich meine, wir müssen in aller Nüchternheit feststellen: Der Löwenanteil des nachbarlichen Beifalls für die deutschen Entspannungsbeiträge beruht gerade darauf, daß man in Ost und West die Politik der Bundesregierung als ein Zeichen wachsender Bereitschaft der Deutschen nimmt, sich mit ihrer Lage abzufinden, die Teilung hinzunehmen und also den Anspruch auf Selbstbestimmung in den Hintergrund zu schieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Gewiß, im Erfurter Treffen erlebte die Welt ein Zeichen des fortdauernden Willens der Deutschen, zusammenzugehören. Aber die beiden unterzeichneten Verträge wurden anders verstanden, und wen soll das überraschen? In den Hauptstädten unserer Verbündeten steht im übrigen neben der Sorge über den Einfluß des Moskauer Vertrages auf das Gesamtkräfteverhältnis in Europa die erstaunte Erleichterung darüber, daß die deutsche Frage offenbar nur noch in einseitigen Erklärungen, dagegen nicht mehr in den Verträgen selbst offenbleiben soll,

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eine wenn auch nicht amtliche, so doch symptomatische Deutung gab der „Man-of-the-Year"-Artikel über den Bundeskanzler in „Time" durch die Feststellung, Willy Brandt sei der erste deutsche Staatsmann, der die Teilung Deutschlands eingestehe, und seine Verträge seien de facto Friedensverträge.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung hat diese Bemerkungen nicht dementiert. Im Gegenteil, sie hat sie durch das Presse- und Informationsamt verbreitet.
    Erstaunen gab es selbst im Osten und dort gerade bei denen, die eine eigene leidvolle Erfahrung mit der Teilung des eigenen Landes haben. Es waren polnische Kommunisten in amtlicher Stellung, Herr Bundeskanzler, die mir vor mehreren Wochen in Warschau die Frage vorgelegt haben: „Warum hat eure Regierung in Art. 3 des Moskauer Vertrages keinen Unterschied zwischen der Oder-Neiße-Grenze und der Elbe-Werra-Grenze gemacht?

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Wir Polen wünschen uns keinen wiedervereinigten großen deutschen Nationalstaat; aber wir wissen, daß es westlich unserer Grenze eine deutsche Frage gibt. die der Lösung bedarf, wenn wir eine haltbare europäische Friedensordnung miteinander schaffen wollen."

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr! — Zurufe von der SPD. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer? Bitte sehr! Dr: Schäfer Selbstverständlich, Herr Schäfer. (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Oh, ich komme gern darauf zurück! — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Es bleibt ihm gar nichts anderes übrig!)