Rede von
Dr.
Ernst
Müller-Hermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, in Übereinstimmung mit den Mahnungen der Bundesbank, aber auch anderer maßgeblicher neutraler Instanzen haben die Unionsparteien zu den jetzigen Vorschlagen der Bundesregierung züsätzliche Maßnahmen gefordert, die insbesondere die Haushaltsgestaltung 1970 und die Haushaltsplanung 1971 betreffen. Erst zusammen mit diesen Maßnahmen hätte nach unserer Auffassung eine Chance bestanden, Konjunktur und Preise wirklich in den Griff zu bekommen und die Bundesbank in die Lage zu versetzen, von ihrer Hochzinspolitik herunterzugehen. Leider hat die Regierungskoalition keinen einzigen unserer Vorschläge übernommen. Niemand soll jedenfalls, meine Damen und Herren — das sage ich auch an die Adresse von Herrn Apel —, in Zukunft sagen können, es seien von der Opposition keine konstruktiven Ergänzungs- oder Alternativvorschläge gekommen.
Nun, gut, meine Damen und Herren, die Bundesregierung muß wissen, was sie tut. Wenn sie meint, mit ihrem Programm die die Stabilität wiederherstellen zu können, soll sie das in ihrer eigenen Verantwortlichkeit tun und versuchen.
Die Unionsparteien. wiederholen, daß die zur Dämpfung der Konjunktur gedachten Maßnahmen der Bundesregierung unausgewogen und sehr spät, ja, wahrscheinlich zu spät kommen.
Entscheidend aber für unsere Stellungnahme, eine Mitverantwortung nicht übernehmen zu können, ist der eklatante Widerspruch zwischen den Dämpfungsabsichten der Bundesregierung und ihrer eigenen Anheizpolitik in der Haushaltsplanung.
Eben dieser Widersprüchlichkeit mit den ganzen
psychologischen Wirkungen, die von ihr ausgehen,
lassen auch einen guten Ausgang des Versuchs der Bundesregierung nur als sehr unwahrscheinlich erscheinen.
Bei der jetzigen Abstimmung, meine Damen und Herren, geht es nicht allein um die zwei ausgedruckten Vorlagen, es geht um die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung als Ganzes. Gerade die gestrigen Auslassungen des Herrn Bundeskanzlers haben wiederum nur deutlich machen können, daß diese Bundesregierung
die ganze Bedeutung der Stabilität für Gegenwart und Zukunft unseres Landes einfach nicht zur Kenntnis nimmt. Die Unionsparteien haben zu diesem Bundeskanzler und zu dieser Bundesregierung kein Vertrauen.
Unser Votum der Stimmenthaltung soll die ganzen
Vorbehalte zum Ausdruck bringen, die wir nach den
3498 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970
Vizepräsident Dr. Schmid
bisherigen Erfahrungen gegenüber dieser Bundesregierung haben müssen.
Unter diesem Aspekt bitte ich unsere Stimmenthaltung zu werten.