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ID0606304200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 63. Sitzung Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 3471 A Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (SPD, FDP) (Drucksache VI/ 1013) ; Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Druckache VI/1030), Mündlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/1029) — Zweite und dritte Beratung — in Verbindung mit Mündlicher Bericht des Finanzausschusses über die von der Bundesregierung beschlossene Zweite Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen (Drucksachen VI/1013, VI/1031); Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache VI/1032) und mit Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. konjunkturpolitische Dämpfungsmaßnahmen (Drucksachen W1025 [neu], VI/1033) Krammig (CDU/CSU) 3471 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 3474 A Frau Funcke (FDP) 3476 A Hermsdorf (Cuxhaven) (SPD) . . 3478 B 3498 A Strauß (CDU/CSU) 3481 A Kirst (FDP) 3488 C Dr. Apel (SPD) 3491 C Dr. Schiller, Bundesminister . . 3494 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 3496 A Nächste Sitzung 3498 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 3499 A Anlage 2 Änderungsantrag Umdruck 73 der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (Drucksachen VI/1013, VI/1029) 3499 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970 3471 63. Sitzung Bonn, den 11. Juli 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.36 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Abelein 11.7. Dr. Achenbach * 11.7. Adams * 11.7. Dr. Aigner * 11.7. von Alten-Nordheim 11,7. Dr. Artzinger * 11.7. Baier 11.7. Dr. Barzel 11.7. Dr. Becher (Pullach) 11.7. Behrendt * 11.7. Benda 11.7. Dr. Burgbacher * 11.7. Dr. Czaja 11.7. Dr. Dittrich * 11.7. Dichgans * 11.7. Dröscher * 11.7. Faller * 11.7. Fellermaier * 11.7. Flämig * 11.7. Dr. Furler * 11. 7. Gewandt 11.7. Gerlach (Emsland) * 11.7. Dr. Gradl 11.7. Haage (München) * 11. . Dr. Hein * 11.7. Frau Dr. Henze 11.7. Dr. Hupka 11.7. Dr. Jahn (Braunschweig) * 11.7. Dr. Jäger 11.7. Klinker * 11.7. Katzer 11.7. Dr. Kley 11.7. Dr. Koch * 11.7. Frau Krappe 11.7. Kriedemann * 11.7. Dr. Freiherr von Kühlmann-Stumm 11.7. Lange * 11.7. Lautenschlager * 11.7. Kiep 117. Lemmer 11.7. Lenze (Attendorn) 11.7. Liehr 11.7. Dr. Lohmar 11.7. D. Löhr * 11.7. Lücker (München) * 11.7. Dr. Martin 11.7. Meister ' 11.7. Memmel ' 11.7. Müller (Aachen-Land) * 11.7. Ollesch 11.7. Frau Dr. Orth * 11.7. Picard 11.7. Pieroth 11.7. Porzner 11.7. Richarts ' 11.7. Riedel (Frankfurt) * 11.7. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Schmidt (Braunschweig) 11.7. Schmidt (Würgendorf) 11.7. Schneider (Königswinter) 11.7. Schröder (Wilhelminenhof) 11.7. Schulhoff 11.7. Schwabe * 11.7. Dr. Schwörer * 11.7. Seefeld * 11.7. Springorum * 11.7. Dr. Starke (Franken) * 11.7. Frau Dr. Walz 11.7. Dr. Freiherr von Weizsäcker 11.7. Werner * 11.7. Dr. Wörner 11.7. Wolfram * 11.7. Wohlrabe 11.7. Anlage 2 Umdruck 73 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer - Drucksachen VI/1017, VI/ 1029 -. Der Bundestag wolle beschließen: 1. Das Gesetz erhält die Bezeichnung „Gesetz über die Erhebung eines rückzahlbaren verzinslichen Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer". 2. In § i Abs. 2 wird in Satz 1 hinter dem Wort „rückzahlbaren" das Wort „verzinslichen" eingefügt. 3. In § 1 wird folgender Absatz 5 a eingefügt: „(5 a) Der Konjunkturzuschlag ist bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung und spätestens mit der Rückzahlung zu verzinsen. § 5 des Steuersäumnisgesetzes gilt entsprechend. Das Nähere bestimmt der Bundesminister der Finanzen durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf." 4. In § 3 Abs. 1 erhält Satz 2 folgende Fassung: „Die Freigabe gilt auch ohne Erlaß einer Rechtsverordnung spätestens als am 30. Juni 1972 erfolgt." Bonn, den 10. Juli 1970 Stücklen, Dr. Stoltenberg und Fraktion BT 1768 - 7.70 Für die Teilnahme an einer Sitzung des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Victor Kirst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Strauß, ich habe eben Vierteljahreszahlen und keine Ganzjahreszahlen genannt. Auf ein Jahr umgerechnet kommt man sicherlich auf Ihre Zahlen. Aber das Entscheidende ist doch, daß wir jetzt etwa bei 3,8 % liegen

    (Abg. Leicht: Nein, Sie haben die falsche Statistik!)

    und 1965/66 — auf das Jahr bezogen auch 3,6 %,
    3,7 %, 3,8 %, in manchen Quartalen sogar über 4 %, gehabt haben. Darauf kommt es an.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich meine auch, Sie sollten nicht so leichtfertig mit den Argumenten vom sinkenden Vertrauen, abzulesen an sinkenden Sparraten, umgehen. Es gibt sehr gute und sehr genaue Untersuchungen, die zeigen, daß man diese Dinge sehr gründlich prüfen muß

    (Abg. Leicht: 50 % weniger!)

    und nicht aus bestimmten Statistiken falsche Schlußfolgerungen ziehen darf, da sich hier offenbar Verlagerungen in der privaten Kapitalbildung abgezeichnet haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warum denn?!)

    Im übrigen wäre es, glaube ich, wenn man die Entwicklung der Preise in diesem Jahr und in den letzten Monaten des vergangenen Jahres politisch wirklich würdigen will — vielleicht können wir uns darin sogar einig sein —, doch zweckmäßig, daß einmal die dazu geeigneten Institute versuchen — ob es völlig gelingt, weiß ich nicht — festzustellen, inwieweit Preissteigerungen, die jetzt erst evident geworden sind, durch das Tun oder Unterlassen in vergangenen Perioden vorgeformt worden sind. Dabei denke ich nicht unbedingt nur, Herr Kollege Strauß, an die zu späte bzw. von Ihnen verhinderte Aufwertung. Als Sie kamen, hatten Sie ja darüber nicht mehr zu bestimmen.
    Vielleicht wäre es in diesem Zusammenhang auch wichtig, einmal zu untersuchen, inwieweit die enorme Steigerung der Stahlpreise, die wir im vergangenen Jahr, noch zu Ihren Zeiten, erlebt haben — wobei ich Sie gar nicht dafür verantwortlich mache , die gesamte Preisentwicklung beeinflußt hat,

    (Zuruf des Abg. Leicht)

    nicht zuletzt deshalb, weil sie, wie wir ja alle wissen, Anlaß für gewisse Bewegungen gewesen ist, die dann die spätere Lohnwelle entscheidend mitgeprägt haben.
    Aber. meine Damen und Herren, lassen Sie mich weniges Grundsätzliches zu der Entscheidung sagen, zu der wir uns heute versammelt haben. Das Argument, wir hätten diese Entscheidung wegen der Landtagswahlen vom 14. Juni zurückgestellt, ist absolut unsinnig, Herr Leicht.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    Denn, Herr Leicht, Sie wissen genauso gut wie wir, daß z. B. in der Zeit, in der diese Steuervorauszahlungen erhoben werden, also bis zum nächsten Sommer, fünf weitere Landtagswahlen stattfinden werden. Wir sind nun einmal ein Staat, in dem immer
    gewählt wird. Insofern ist dieses Argument zunächst einmal unsinnig.
    Herr Kollege Strauß hat davon gesprochen, daß die Koalitionsparteien hier in eine miese Rolle gebracht würden. Ich persönlich — ich nehme an, daß ich das in Übereinstimmung mit meinen Kollegen aus beiden Fraktionen sagen kann — sehe das nicht so und empfinde das nicht so. Herr Kollege Strauß, ich sage Ihnen auch: Ich habe kein Wort von dem zurückzunehmen, was ich hier im Februar oder im März oder im Juni bei den Haushaltsberatungen dazu gesagt habe. Denn — und das scheint mir jetzt doch der wichtige Punkt zu sein, wo wir uns unterscheiden —, meine Damen und Herren, ich habe die Haltung der Bundesregierung in diesen Fragen der Konjunkturpolitik in den letzten Monaten, die ich so vertreten, so gesehen und so verteidigt habe und die Sie, Herr Leicht, immer polemisch als Nichtstun abqualifiziert haben

    (Abg. Leicht: Das stimmt!)

    — hören Sie doch einmal zu! —, so verstanden und verstehe sie noch heute so, daß sie der Ausdruck der Bereitschaft dieser Regierung war, den autonomen Kräften der Wirtschaft, die nun einmal in erster Linie dafür verantwortlich sind, die Chance zu bieten, sich aus eigener Verantwortung und aus eigener Einsicht konjunkturgerecht zu verhalten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    So habe ich die Haltung der Bundesregierung verstanden und vertreten.
    Ich meine, Herr Leicht, es ist eigentlich zu vordergründig — wenn Sie in der Denkpause, die nun hoffentlich vor uns liegt, darüber nachdenken, werden Sie mir vielleicht zustimmen —, wenn die Opposition meint, sie könne nun in einen billigen Triumph ausbrechen. Wir sollten uns eher gemeinsam in Bekümmernis darüber finden,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat denn das angeboten?)

    daß eben offenbar diese autonomen Kräfte der Wirtschaft, insbesondere die Sozialpartner in den vergangenen Monaten nicht in der Lage, nicht bereit und vielleicht nicht gewillt gewesen sind, aus ihrer eigenen Verantwortung zu handeln und ihrer Verantwortung gerecht zu werden, und nun z. B. die Regierung und das Parlament zu diesen Maßnahmen zwingen. Wir sollten diesen Hintergrund sehen und ihn nicht billig zur Argumentation mißbrauchen, sondern ihn ernst nehmen. Ich als Liberaler nehme ihn jedenfalls ernst.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, wir sollten dabei doch nicht die Frage übersehen — und ich stelle sie bewußt —, ob dieses Beispiel nicht Schule macht. Heute ist es der Bereich der Konjunkturpolitik, ist es die Zielvorstellung der Geldwertstabilität, die dazu führt, daß man das, was eigentlich in freier Entscheidung getroffen werden müßte, über staatlichen Zwang zu erreichen versuchen muß. Morgen kann es etwas ganz anderes sein. Darüber sollten wir uns einmal klar sein.
    3490 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970
    Kirst
    Sowohl Herr Strauß als auch gestern Herr Stoltenberg haben zumindest unterschwellig den Versuch unternommen, hier ein Junktim im Bewußtsein unserer Bürger zwischen den Steuervorauszahlungen und den Aufgaben bzw. den Ausgaben für innere Reformen herzustellen. Ich meine, dieser Geschichtsklitterung muß im vorhinein entgegengetreten werden. Es ist doch nun einmal eindeutig klar, daß das Geld, das im Wege der Steuervorauszahlung erhoben wird, überhaupt nicht in die Verfügungsgewalt des Bundesfinanzministers bzw. dieses Parlaments kommt. Es ist eine Kaufkraftstilllegung, die, ich würde sagen, aus mehr technischen Gründen in Form einer an der Steuerschuld berechneten Größe vorgenommen wird.
    Über die Verzinsung ist genug gesagt worden. Lassen Sie mich aber noch etwas zum Termin sagen, Herr Kollege Strauß. Zunächst einmal sollten wir hier deutlich feststellen: Der jetzt beschlossene Termin oder der von Ihnen vorgeschlagene Termin — welcher Termin auch immer — ist bzw. wäre immer nur ein Endtermin. Wir sind uns doch einig — es ist auch vorhin schon einmal gesagt worden —, daß die Freigabe möglichst bald zu einem konjunkturpolitisch vernünftigen Zeitpunkt erfolgen soll. Es ist vorhin von dem Herrn Ausschußberichterstatter festgestellt worden, daß durchaus auch die Möglichkeit besteht, daß die Freigabe in Etappen erfolgt.
    Aber, Herr Kollege Strauß, es war doch nun wirklich der Gipfel, dieser Regierung oder dieser Mehrheit zu unterstellen, daß sie die Überlegung habe, diese Gelder nicht zurückzuzahlen. Damit unterstellen Sie dieser Regierung und dieser Mehrheit den Willen zum Gesetzesbruch. Darüber sollten Sie sich im klaren sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Denn wir beschließen hier ein Gesetz, das diese Rückzahlung praktisch zu einem einklagbaren Anspruch für den betroffenen Bürger macht.
    Nun hat Herr Kollege Strauß in Verbindung mit der Entscheidung seiner Fraktion, diesem Gesetz ihre Zustimmung zu versagen — denn so muß man es sehen, wenn man formuliert, man wolle sich enthalten , davon gesprochen, daß die Maßnahmen der Regierung nicht ausreichend seien. Ich habe gestern im Haushaltsausschuß gesagt und ich wiederhole das hier in aller Öffentlichkeit: Dieser Antrag Drucksache VI/1025, den wir vorhin bei der zweiten Lesung abgelehnt haben, dient offenbar — und das bestätigt sich jetzt durch Ihre Ankündigung, sich zu enthalten der CDU/CSU als Alibi für diese Entscheidung, für dieses Sichdrücken um die Zustimmung zu diesen Maßnahmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    Nun können Sie sich aussuchen, was Sie später sagen wollen.

    (Abg. Leicht: Im März, wenn die Ergebnisse vorliegen!)

    Wenn es Erfolg hat, werden Sie sagen: Na, wir waren ja nicht dagegen.

    (Abg. Leicht: Es hat keinen Erfolg!)

    Wenn es keinen Erfolg haben sollte oder soweit es kritisiert wird, werden Sie sagen: Wir sind nicht da- für gewesen. Wir kennen das doch. Ich meine, daß Sie diesen Verdacht, daß der Antrag Drucksache VI/1025 diese Alibifunktion gehabt hat, nur zerstreuen könnten, wenn Sie bereit wären, jetzt diesem Gesetz zuzustimmen.
    Nun hat der Kollege Althammer — ich muß darauf noch kurz eingehen — im Zusammenhang mit diesen Überlegungen mindestens zwei Ausführungen gemacht, die hier nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Er hat noch einmal die Mär von den 80 Anträgen der Opposition aus dem Haushaltsausschuß vorgetragen. Ich habe schon im Juni darauf hingewiesen, daß darunter mindestens 40 Anträge waren, bei denen es darum ging, ob eine Stelle gehoben oder nicht gehoben oder ob eine Stelle mehr oder weniger bewilligt wird.

    (Abg. Leicht: das ist nicht wahr!)

    An Sachanträgen, Zahlenanträgen haben Sie 40 Anträge gestellt — also nicht 80 —

    (Abg. Leicht: 83!)

    mit einem Volumen von 2,15 oder — ich will großzügig aufrunden — 2,16 Milliarden DM. Davon aber entfallen allein 1,5 Milliarden DM auf globale Minderausgaben und 300 Millionen DM auf Kürzungen bei den Verstärkungsmitteln. Die übrigen 38 Anträge betrafen mit 353 Millionen DM 0,4 % des Gesamthaushalts. Außerdem haben Sie — zur Abrundung des Bildes - Ihrerseits 12 Erhöhungsanträge mit einem Volumen von 66,9 Millionen DM gestellt. Ich meine also, daß man diese Mär wirklich nicht mehr vorbringen sollte.

    (Abg. Leicht meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Herr Kollege Leicht, wir wollen uns, glaube ich, alle bemühen, die Dinge jetzt zügig zu behandeln. Lassen Sie mich deshalb bitte meine Ausführungen jetzt, wenn es geht, so zu Ende bringen.
    Herr Kollege Althammer hat dann als angebliche Möglichkeit, die Konjunktur zu dämpfen, jedenfalls im Bewußtsein der Staatsbürger wieder unterstellt, die Regierung könnte weniger, wie er sagte, für Propaganda ausgeben. Nun, Herr Kollege Althammer, ganz abgesehen davon, daß das wirtschaftlich Unfug ist, muß ich Ihnen sagen: Nicht Ihre Konsequenz ist richtig, sondern ich fürchte, daß die Ausgaben, die wir für Maßnahmen zur Unterrichtung der Bevölkerung zu bewilligen haben, proportional zum Maß der Demagogie wachsen müssen, mit der wir hier und anderswo konfrontiert werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Leicht: Da war die FDP früher aber anderer Meinung!)

    Meine Damen und Herren, wir haben über die wesentlichen Punkte, die jetzt von der CDU/CSU zum Anlaß genommen werden, diesem Gesetz ihre Zustimmung zu verweigern, im Rahmen der Haus-
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970 3491
    Kirst
    haltsberatungen gesprochen. Die verstärkte Konjunkturausgleichsrücklage ist, wenn ich so sagen darf, ein um ein Drittel vergrößerter alter Hut, nicht mehr 1,5, sondern 2 Milliarden DM. Über § 6 Abs. 1 ist heute morgen schon genug gesagt worden. Die Regierung hat sich entschieden, daß sie dieses Mittel in dieser Form aus Gründen der Praktikabilität, wenn ich es richtig gesehen habe, nicht anwenden will, was nichts daran ändert, daß sie den Geist dieses Paragraphen erfüllen will. Daß Ihre Anträge hinsichtlich der Verpflichtungsermächtigungen nicht praktikabel waren, habe ich Ihnen im Juni zwei-, drei- oder viermal erzählt. Ich will das jetzt im einzelnen nicht wiederholen.
    Neu war in diesem Antrag, der für Sie als Begründung zur Stimmenthaltung dient, die Situation des Haushalts 1971. Ich glaube, wir sollten zunächst einmal feststellen, daß es zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik sein wird, daß dieses Hohe Haus schon im September mit den Beratungen für einen neuen Haushalt beginnen kann. Ich glaube, das ist ein Fortschritt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Leicht: Wissen Sie, warum?)

    — Herr Leicht, ich weiß, es war sonst im Oktober.

    (Abg. Leicht: Weil es mittlerweile Gesetzesbefehl ist!)

    — Gut, aber trotzdem ist es das erste Mal. Man hätte Gesetzesbefehle auch früher erlassen können. Das ist jedenfalls kein Argument.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber wir sollten uns auch als Parlament nicht in diesen Fragen präjudizieren und heute, im Juli 1970, hier über den Haushalt 1971, der uns noch gar nicht vorliegt, entscheiden. Ich bitte zu bedenken — ich habe das gestern auch im Haushaltsausschuß gesagt —: man muß diese 12% in der richtigen Relation sehen. Diese 12 % ergeben sich natürlich nur, weil wir jetzt 2 Milliarden aus dem Haushalt 1970 herausgestrichen haben. Wenn wir die dringelassen hätten, ergäbe sich die durchschnittliche Steigerungsrate von 9,5 %, wie sie für die Finanzplanungsperiode vorgesehen ist.

    (Abg. Leicht: Dann wäre sie in diesem Jahr höher! Das sind Milchmädchenrechnungen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Im übrigen muß man — ich habe das auch gestern gesagt — einmal genau analysieren, worauf diese Steigerungen beruhen. Auf die Rentenversicherungsangelegenheit will ich jetzt nicht eingehen; das ist wohl auch schon eingehend dargelegt worden.
    Meine Damen und Herren, wenn man die Qualität dieser Anträge sieht, kann man der Opposition daraus wirklich nicht das Recht zugestehen, ihre Entscheidung über die Maßnahmen der Regierung davon abhängig zu machen, wie wir uns in diesem Zeitpunkt zu den in dieser Form ungeeigneten Vorschlägen der Opposition verhalten.

    (Abg. Russe: Das haben Sie im Juni auch gesagt!)

    Vor allen Dingen ist eines wirklich falsch, nämlich — und das ist das politisch Entscheidende — die Behauptung der CDU/CSU, ohne den Antrag Drucksache VI/1025 (neu) wäre die Konjunkturdämpfung einseitig verteilt. Das ist genau der falsche Punkt; denn wir dürfen nicht vergessen, daß gerade durch die heute zu beschließenden bzw. zu bestätigenden Maßnahmen die Einseitigkeit, die bisher beim Bundeshaushalt gelegen hat, ausgeglichen wird. Der Bundeshaushalt — um das so kurz zu formulieren — hat durch die 2 Milliarden Kürzungen, die 500 Millionen Sperren und andere Maßnahmen vorgeleistet. Hier entsteht eine falsche Optik, wenn Sie sagen, damit das ausgeglichen werde, müßten jetzt zusätzliche fiskalische oder haushaltspolitische Maßnahmen getroffen werden. Gewiß, jede Fraktion muß sich entscheiden, wie sie es für richtig hält. Auch wenn Sie dagegen stimmten, würde dieses Gesetz, wie wir heute morgen gesehen haben, mit Sicherheit angenommen werden. Aber ich meine, die Entscheidung darüber, ob die CDU/CSU diesem Gesetzentwurf zustimmt oder nicht, ist eine Entscheidung darüber, ob ihre Rolle als stabilitätspolitischer Gralshüter glaubwürdig ist oder nicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Strauß, ich bin vielleicht wirklich etwas erregt, denn ich werde heute abend zu meiner Frau an den Wörther See fahren. Sie erregen mich nicht, Sie sind überhaupt nicht mein Typ.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Lachen und Oh-Rufe von der CDU/CSU.)

    Eine zweite Bemerkung, Herr Strauß. Wir sollten doch damit aufhören, von der Dramatik zu sprechen, die dieser Sondersitzung nach Ihrer Meinung innewohnen soll. Tatsache ist doch, daß dieses Parlament in diesem Jahr, wie es üblich ist, zwölf Wochen in Sommerferien geht und daß in diesen zwölf Wochen die Politik natürlich nicht stehenbleibt, daß das Parlament aufgefordert ist, auch in diesen zwölf Wochen seine Pflicht zu tun, das Volk zu vertreten und Entscheidungen zu fällen.

    (Abg. Leicht: Das kostet vor allem viel Geld. —Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Insofern mag es in der Tat für den einen und den anderen unbequem sein, hier heute an einem Samstagvormittag präsent zu sein. Aber Dramatik, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, liegt in dieser Sitzung nicht und auch keine Hektik. Denn Sozialdemokraten wie Freie Demokraten haben seit Anfang dieser Woche hier beraten, ausführlich und gründlich, und sind dann zu einer Meinungsbildung gekommen.

    (Abg. Vogel: Warum denn?)

    Eine weitere Bemerkung zu Ihnen, Herr Strauß. Es mutet geradezu peinlich an, wenn Sie hier im Plenum von Ratio sprechen und uns vorwerfen, wir hätten keine. Wenn Sie Deutscher Meister in
    3492 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970
    Dr. Apel
    Irrationalität sind, dann sollten Sie nicht anderen den Mangel an Ratio vorwerfen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich meine auch, es ist peinlich, wenn Sie in diesem Parlament andauernd das Wort von der Glaubwürdigkeit in den Mund nehmen. Die CDU sollte, wenn mit dieser Vokabel geredet wird, sich einen anderen Redner suchen. Das wäre angebrachter.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Siehe „Onkel Alois"! — Abg. Dr. Stark [Nürtingen]: Schulmeisterlich mit billigen Tricks!)

    Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Konjunkturpolitik und die konjunkturelle Lage in den letzten Monaten ansehen, müssen wir feststellen, daß insbesondere bei Ihnen, bei der CDU/CSU, keineswegs, wie Sie meinen, Herr Strauß, immer die richtige Lagebeurteilung vorhanden war.

    (Abg. Leicht: Doch!)

    Wer hat denn nach der Aufwertung der D-Mark damals in unserem Lande ein großes Krisengerede angefangen: jetzt sei der Boom gebrochen, und wir würden alle in Schwierigkeiten kommen? Wer hat denn, Herr Strauß, obwohl die Investitionskonjunktur eindeutig das tragende Element ist,

    (Abg. Leicht: Die ihr doch anheizen wollt!)

    beharrlich geschwiegen zur Aussetzung der degressiven Abschreibung? Sie haben hier über diese Frage viele Worte gemacht. Aber ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die vielfältigen Stellungnahmen Ihrer Fraktion durchzusehen. Sie haben beharrlich zu der Notwendigkeit geschwiegen, auch die Investitionen in unserem Lande zu bremsen, obwohl Sie, Herr Strauß, wie man dem „Spiegel" entnehmen konnte, vor etwa einem Jahr im Kabinett selber einer entsprechenden Vorlage zugestimmt haben, die dann allerdings auf die Intervention des Herrn Bundeskanzlers hin doch nicht verwirklicht wurde.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Archäologie! — Abg. Dr. Stark [Nürtingen]: Museum!)

    Herr Kirst hat soeben sehr deutlich darauf aufmerksam gemacht, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen für dieses Jahr das an antizyklischer Haushaltspolitik, was möglich ist, getan haben. Herr Hermsdorf hat die 2 Milliarden DM zitiert, die definitiv gestrichen sind. Insofern stimme ich Herrn Kirst völlig zu, wenn er sagt, jetzt müsse die Konjunktur und die Stabilisierung der Konjunktur auf breitere Schultern gelegt werden.
    Herr Strauß, Sie haben ja draußen im Lande und auch hier schon oft politische Vergangenheit und Gegenwart unseres Volkes miteinander verquickt. In Ihrer Rede jetzt haben Sie auch Zukunft und Gegenwart verquickt. Denn Konjunkturstabilisierung erfolgt heute und jetzt; der Bundeshaushalt 1971 ist eine Sache der Zukunft im nächsten Jahr

    (Abg. Leicht: Er hat doch einen Effekt!)

    und hat — da muß ich Ihnen widersprechen — heute keinen Effekt, sondern frühestens ab 1. Januar 1971 einen Eeffekt.

    (Abg. Leicht: Die Leute können doch damit rechnen! — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Ein psychologischer Effekt!)

    Damit bin ich bei der Beurteilung der konjunkturellen Entwicklung. Wir gehen davon aus, daß der Boom die Spitze überschritten hat,

    (Abg. Leicht: Ich würde vorsichtig sein mit den Prognosen!)

    daß aber keinesweg eine absteigende Phase beginnt, sondern eine langanhaltende boomartige Phase und daß wir, wenn wir nicht handeln, schon im Herbst dieses Jahres vor einer neuen Preiswelle stehen. Diese beiden Tatsachen, daß der Boom die Spitze überschritten hat, daß aber neue Preissteigerungen drohen, haben die Maßnahmen bestimmt,

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das hat die Regierung auch vor vier Wochen gewußt!)

    die erstens schnellstens wirken und die zweitens reversibel sind, d. h. zurückgenommen werden können, wenn es notwendig ist. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, meinen, daß nicht genug geleistet worden sei, dann haben Sie die Pflicht — darauf hat ja Frau Funcke hingewiesen —, hier mehr vorzuschlagen und sich nicht der Stimme zu enthalten.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ CSU: Das haben wir ja gemacht! — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Wir haben Anträge gestellt, die Sie abgelehnt haben!)

    Meine Damen und Herren, ein Wort zu den inneren Reformen. Was Sie hier dargestellt haben, Herr Strauß, war wirklich nur Polemik. Denn der Boom wird jetzt abgebremst, damit in der Zukunft die inneren Reformen finanziert und durchgesetzt werden können. Das bitte ich doch sehr genau auseinanderzuhalten. Ich unterstreiche: Sie haben in Ihrer Rede Gegenwart und Zukunft, d. h. Konjunkturbremsung heute und Haushalt 1971, durcheinandergeworfen. Diese Dinge haben konjunkturell zur Zeit nichts miteinander zu tun. Wir werden darauf zurückkommen, wenn am Ende dieses Jahres der Haushalt 1971 in diesem Hause verabschiedet werden wird.

    (Abg. Leicht: Ich werde Sie an Ihre Aussagen erinnern.)

    Herr Strauß, Sie haben uns gefragt: wann werdet ihr nun endlich den § 26 des Stabilitätsgesetzes anwenden? Ich glaube, es ist Ihnen entgangen, Herr Strauß, daß wir ihn anwenden: erstens durch Aussetzung der degressiven Abschreibung und zweitens durch eine 10%ge Steuervorauszahlung, die im übrigen, wenn ich einer Pressemeldung von Herrn Höcherl glauben darf, schon vor einem Jahr von Ihnen erfunden worden ist. Sie erfinden Sachen und werfen es uns anschließend vor, wenn wir sie benutzen: das ist nicht ganz logisch, Herr Strauß.
    Wir wenden den § 26 also an, allerdings mit einer sehr wesentlichen Nuancierung: Wie nehmen keine Steuererhöhung vor, sondern verwenden das gleich wirksame — weil die Gelder ja stillgelegt werden — Mittel der Steuervorauszahlung, das aber sozial den großen Vorteil hat, daß wir erstens eine
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970 3493
    Dr. Apel
    soziale Untergrenze einführen können, was mit dem § 26 des Stabilitätsgesetzes nicht möglich ist, und daß wir zweitens das Geld zurückzahlen können. Und, Herr Strauß, ich muß es ganz einfach nüchtern und ruhig zurückweisen, wenn Sie uns hier unterstellen, wir hätten unter Umständen nicht vor, das Geld zurückzuzahlen. Uns derartige Dinge zu unterstellen, ist einfach unzulällig. Herr Kirst hat das Notwendige dazu gesagt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich eine Bemerkung zum Rückzahlungstermin machen, Herr Strauß. Der normale Einkommensbezieher in unserem Lande wird in elf Monaten 110 DM, vielleicht 150 DM an Steuervorauszahlung geleistet haben — in elf Monaten! Glauben Sie wirklich, daß, selbst wenn wir bis an den letzten Termin, den 31. März 1971, warten sollten, 110 DM unseren Wähler käuflich machen? Unterstellen Sie dem deutschen Wähler, daß er so primitiv ist?

    (Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Strauß: Siehe Arbeitnehmerfreibetrag!)

    Ich muß Ihnen sagen, Herr Strauß: Unsere Wähler und unsere Anhänger, aber auch Ihre, wissen sehr genau, wenn sie sich politisch entscheiden, warum sie sich so entscheiden, und sind auf diese Weise nicht zu beeinflussen.

    (Abg. Leicht: Nehmen Sie doch das Jahr 1974!)

    Ich will Ihnen sagen, warum wir diesen Termin des Jahres 1973 genommen haben.

    (Abg. Stücklen: Bundestagswahlen!) — Herr Stücklen, nicht die Nerven verlieren!

    Ich will einmal von Ihrer Analyse unserer konjunkturellen Lage ausgehen, Herr Strauß. Sie sagen doch indirekt, da Sie ja auch schon heute für 1971 eine antizyklische Haushaltspolitik wollen, dieser Boom werde noch recht lange andauern.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    — Wenn das nicht so ist, dann begreife ich nicht, warum Sie uns heute schon für die Haushaltspolitik 1971 Vorschriften machen wollen.