Rede von
Hans
Hermsdorf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in der Hauptsache auf den Antrag Drucksache VI/1025 beschränken, möchte aber zuvor noch eine Bemerkung zur Verzinsbarkeit der Steuervorauszahlungen machen, weil dieses Anliegen die Widersprüchlichkeit der Argumente der CDU aufzeigt. Ich bin ansonsten vollinhaltlich mit dem einverstanden, was Frau Kollegin Funcke zu diesem Punkt hier gesagt hat.
Herr Kollege Althammer, an dem Antrag, die Steuervorauszahlungen zu verzinsen, zeigt sich die Widersprüchlichkeit Ihrer Argumentation. Sie sagen nämlich zugleich in dem Antrag Drucksache VI/1025 : Ihr müßt aber soundso viel global streichen. Auf der einen Seite fordern Sie Verzinsung, d. h. eine Ausgabe von ungefähr 300 bis 500 Millionen DM, auf der anderen Seite sagen Sie: Der Staat muß Opfer bringen, es müssen 2 Milliarden DM gestrichen werden. Wo ist eigentlich die Logik bei einem solchen Antrag?
Was Sie mit dem Antrag Drucksache VI/1025 auf den Tisch des Hauses legen, ist nicht neu, auch wenn dieser Antrag den Zusatz „neu" trägt. Vielmehr haben wir das alles schon in der zweiten und dritten Lesung des Haushalts behandelt.
Zu der Frage der Einsparungen im Bundeshaushalt 1970 und der Anwendung des § 6: Hier hat sich in der zweiten und dritten Lesung des Haushalts bereits die Gegensätzlichkeit unserer Meinungen gezeigt. Sie haben eine globale Kürzung und eine Zuführung zusätzlicher Mittel zur Konjunkturausgleichsrücklage bzw. auf ein Sonderkonto verlangt. Wir als Koalitionsparteien haben einen Antrag eingebracht, diesen Haushalt so restriktiv zu fahren wie nur irgend möglich und die dadurch ersparten Mittel dem Sonderkonto zuzuführen. Dieser Entschließungsantrag wäre auch mit Ihrer Zustimmung angenommen worden wie Sie im Ausschuß erklärt haben —, wenn nicht die Worte „wie bisher" darin-gestanden hätten. Nun gut, hier trennen sich die Meinungen. Wir sind der Auffassung, daß die Bundesregierung den Haushalt bisher restriktiv gefahren hat; Sie sind der Meinung: nicht. Aber dieser Absatz 1 Ihres Antrags auf Drucksache VI/1025 ist mit dem Entschließungsantrag der Koalitionsparteien zur dritten Lesung des Haushalts absolut identisch und gedeckt.
Das, was Sie hier machen wollen, nämlich nun noch um 1 Milliarde DM erhöhen, halte ich für völlig ausgeschlossen. Dann müssen Sie hier Roß und Reiter nennen und sagen, wo Sie einsparen wollen. Dann frage ich Sie: Wollen Sie mehr Straßen — ja oder nein? Dann frage ich Sie: Wollen Sie die Wissenschaft und die Forschung fördern — ja oder nein? Wollen Sie die Sicherheit unseres Landes ja oder nein? — Wenn Sie das alles wollen, können Sie hier keine globalen Streichungsanträge stellen; dann müssen Sie sagen, wo Sie streichen wollen.
Hier ist von Herrn Althammer gesagt worden, der Staat müsse Opfer bringen. Was heißt das eigentlich? Wenn die Regierung den Versuch macht, die Konjunktur über die Einnahmeseite in die Hand zu bekommen, ist sie sich doch im Gegensatz zu Ihrer früheren Einstellung der Verpflichtungen bewußt, die sich daraus ergeben, daß der Staat wir alle sind und daß wir das Geld, das wir als Staat vom Steuerzahler bekommen, im Interesse dieser Bürger zu verwalten haben.
Das hat mit Opferbereitschaft überhaupt nichts zu tun.
Der Bürger stellt an diesen Staat Anforderungen, und er verlangt von ihm, daß diese und jene Gemeinschaftsaufgaben gelöst werden. Der Staat kann diese Aufgaben nur dann erfüllen, wenn der Bürger seine Pflicht tut und wenn wir unserer Pflicht zur Erfüllung dieser Gemeinschaftsaufgaben durch Beschlüsse in diesem Hohen Hause Ausdruck verleihen. Anders geht das nicht, und wir sind dazu entschlossen.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970 3479