Rede von
Liselotte
Funcke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Finanzausschuß hat sich gestern in seiner Sitzung über den Charakter der Steuervorauszahlungen unterhalten. Seitens der Kollegen der CDU/CSU wurde nachdrücklich bestritten, daß es sich um „Steuervorauszahlungen" handele. So bin ich froh, daß Herr Althammer sich heute im Gegensatz dazu klar für den Charakter einer Steuervorauszahlung ausgesprochen hat. Unter diesem Gesichtspunkt aber, Herr Kollege Althammer, ist es allerdings etwas abwegig, seitens der CDU/CSU eine Verzinsung zu fordern, denn bisher hat die CDU/CSU es immer noch abgelehnt, Steuerrückstände und Steuerrückzahlungen verzinslich zu machen. Wenn Sie diese Haltung jetzt ändern wollen, so wird der Herr Finanzminister das sicherlich mit großem Interesse zur Kenntnis nehmen und möglicherweise die Anträge, die die SPD früher gestellt hat, reaktivieren. Er muß dann bei diesem Antrag mit Ihrer Zustimmung rechnen können.
Man kann sich in der Tat darüber streiten und auch philosophische, juristische und rechtspolitische Erwägungen darüber anstellen, welchen Charakter diese Vorauszahlungen haben. Meine Herren und Damen, die Koalitionsparteien sind davon ausgegangen — und sie glaubten eigentlich, die Zustimmung der Opposition dazu zu haben —, daß man etwas tun sollte, was wirksam und zugleich auch einfach und übersichtlich ist. Eine Verzinsung entspricht allerdings diesen Forderungen nicht; sie würde eine erhebliche Komplizierung mit sich bringen.
Meine Herren und Damen von der Opposition, wir haben seit Monaten von Ihnen den Vorwurf gehört, daß wir, die Regierung und die Koalitionsparteien, das Stabilitätsgesetz nicht anwendeten. Das konnte aber doch — auch wenn Sie es nie ausgesprochen haben, weil Sie meinten, das wolle der Wähler nicht gern hören
nur bedeuten: entweder die Aussetzung der degressiven Abschreibung oder Steuerzuschläge, d. h. echte Steuererhöhungen, oder beides. Etwas anderes hat das Stabilitätsgesetz außerhalb der von der Regierung bezüglich des Haushalts ja bereits ergriffenen Maßnahmen nicht zu bieten.
— Doch? Dann haben Sie das aber sorgfältig verschwiegen. Sie haben mehr als Haushaltsmaßnahmen gefordert, und damit konnten dann doch schlechterdings nur diese beiden steuerlichen Maßnahmen gemeint sein.
Die Koalitionsfraktionen sind nun allerdings nicht so weit gegangen, dem Bürger, um den es Ihnen ja offensichtlich geht, endgültig mehr Steuern abzufordern. Sie haben sich dafür entschieden, die Steuervorauszahlungen rückzahlbar zu machen, d. h. sie haben eine mildere Form gewählt. Sie streben nun eine noch mildere Form an, indem Sie diese Vorauszahlungen auch noch verzinslich machen wollen. Meine Herren und Damen, das ist aber doch nichts anderes als die Wiederholung Ihrer ständigen un-konkreten Forderung aus der Vergangenheit nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!
Anders können wir die unterschiedliche Argumentation der CDU/CSU gestern im Finanzausschuß nicht werten, wenn der eine sagt: Das wirkt doch alles nicht! und der andere sagt: Das darf dem Bürger aber nicht weh tun. So kann man natürlich ernstlich nicht argumentieren.
— Sie waren in der Sitzung des Finanzausschusses nicht anwesend, Herr Stoltenberg. Einzelne aus Ihrer Fraktion haben dieses Gesetz abgelehnt, weil es, wie sie meinten, dem Bürger zu weh tut; andere wiederum haben gesagt, es reiche nicht aus. Sie müßten uns doch sagen, wie Sie mit den Maßnahmen, die Sie für sinnvoll halten, die Konjunktur wirksam dämpfen wollen, da Sie ja doch wohl dämpfen wollen.
Meine Herren und Damen, es geht auch um folgendes. Eine Verzinsung würde — die Berechnungen sind sehr schwer anzustellen — sicher eine halbe Miliarde DM kosten. Das bedeutet, daß am Tage der Freigabe zu den rund 5 Milliarden DM Vorauszahlung zusätzlich auch noch eine halbe Milliarde DM Zinsen auf den Markt geworfen würde. Das heißt, die konjunkturpolitische Schwierigkeit der Rückerstattung würden Sie noch dadurch verschärfen, daß Sie weitere 10 % verkraften müssen.
Wir waren uns doch gestern gerade darüber einig, daß es möglich sein müßte, die Rückzahlung in Raten vorzunehmen. Wenn Sie nun aber den Termin nach vorne rücken, wie Sie beantragen, und dann noch 10 % mehr Geld auf den Markt bringen, kann ich nur fragen: Wie soll das konjunkturpolitisch denn eigentlich aussehen? Ich meine, Sie müßten sich ja gelegentlich — —
— Meine Herren und Damen, wir wollen doch gerade bremsen. Sie gehen doch davon aus, daß die Regierung etwas tun soll, damit der Geldwert stabil bleibt. Ich denke, davon gehen Sie doch aus.
Meine Herren und Damen, wer müßte denn diese Zinsen eigentlich bezahlen? Doch derselbe Steuerzahler, der das Geld als Zinsen bekommen soll?
Das heißt doch nichts anderes, als daß jeder das Geld aus der einen Tasche in die andere steckt; denn da dieses Geld nicht rentierlich angelegt wird — darüber sind wir uns doch einig , müssen die Zinsen aus allgemeinen Steuermitteln aufgebracht werden, und das trifft dann entweder dieselben Leute, die das Geld als Zinsen wieder einnehmen und außerdem dann noch versteuern müssen, oder aber es müßte von den Minderbemittelten aus ihren Steuern aufgebracht werden, die wir bei dieser Vorauszahlung schonen wollen. Wenn Sie das wollen, die Steuern des kleinen Mannes auf den großen Mann umlegen, dann müssen Sie das sagen. Das ist aber nicht die Methode, die wir wollen.
Meine Herren und Damen, haben Sie eigentlich einmal — es ist ja ganz sinnvoll, wenn man das tut durchgerechnet, was die Zinszahlung für den Steuerzahler ausmacht, für die Masse der Steuerzahler, die wenig über der Untergrenze von 100 DM Lohnsteuer im Monat liegen? Wenn Sie es einmal nachrechnen, kommen Sie auf etwa 15 bis 20 DM Zinsen in zwei bis zweineinhalb Jahren insgesamt. Dabei gehe ich schon davon aus, daß ziemlich spät zurückerstattet wird,
15 bis 20 DM in zwei bis zweieinhalb Jahren. Das ist das Ergebnis. Dafür müssen Sie 15 Millionen Zinsstaffeln ausrechnen, und zwar muß das nicht das Finanzamt, Herr Althammer. Das wäre ja noch verhältnismäßig einfach, obwohl auch Sie als Opposition mit dafür verantwortlich sind, daß unsere Finanzämter arbeitsfähig bleiben. Aber offensichtlich haben Sie nicht bedacht, daß es nicht allein um die Arbeit der Finanzämter geht, die ja Computer haben. Es geht hier vielmehr auch um den Betrieb von Herrn Schulhoff. Er müßte nach Ihrem Vorschlag für seine 20, 40 oder 100 Leute 20-, 40-, 100mal Zinsstaffeln ausrechnen. Ich empfehle jedem von Ihnen, einmal eine solche Staffel auszurechnen, bevor Sie diesen Antrag annehmen. Dann werden Sie vielleicht etwas bedenklicher werden über das, was Sie vorschlagen. Immerhin kostet diese Zinsberechnung gut und gerne bei den heutigen Löhnen 2,50 DM pro Fall bei 15 DM Zinsen für den Arbeitnehmer, die er von seinen eigenen Steuergroschen als Zinsen wieder zurückbekommt und dann auch noch versteuern muß.