Ich darf also zunächst den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 73 begründen. Er hat zwei Punkte zum Inhalt.
Einmal ist die Fraktion der CDU/CSU der Meinung, daß, wenn die Regierung schon nicht von der ihr im Stabilitätsgesetz gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne Mitwirkung des Deutschen Bundestages einen Zuschlag zur Einkommensteuer zu beschließen, sondern in Abweichung davon nur eine Vorauszahlung beschlossen hat, es innerlich logisch wäre, eine solche Steuervorauszahlung, die zurückzugewähren ist, auch zu verzinsen.
Es ist dagegen eingewendet worden, daß dieses Geld ja stillgelegt werden solle und von daher eine Verzinsungspflicht nicht begründet sei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind bei unserer Betrachtung der Dinge von der Situation des Steuerpflichtigen ausgegangen. Ihm wird gesagt: Du mußt eine Vorauszahlung leisten, die du zurückbekommst. In der Sache wird ihm also ein Zwangssparen auf Zeit zugemutet. Aus dieser Situation des Belasteten, des Steuerzahlers heraus ist unser Antrag, eine solche befristete Vorauszahlung mit Rückzahlungsverpflichtung auch zu verzinsen, durchaus begründet. Es besteht sogar ein Anspruch darauf.
Es kommt ein Weiteres hinzu. Nicht ohne Grund wird bei allen Arten von Steuerzuschlägen, auch von Steuervorauszahlungen, immer das Mißtrauen und der Verdacht laut, daß in dem Zeitpunkt, wo über eine Aufhebung der Steuer oder über eine Rückzahlung zu entscheiden wäre, unter Umständen die fiskalische Neigung vorhanden ist, doch von einer Aufhebung oder Zurückzahlung abzusehen. Wir sind der Auffassung, daß auch die Verpflichtung und der Zwang zur möglichst raschen Rückgewähr dieser zeitweiligen Belastung dadurch, daß eine Verzinsungspflicht besteht, wesentlich verstärkt wird.
Es ist bei uns auch die Frage überlegt worden, wie es sich mit der technischen Durchführbarkeit verhält. Ich glaube, es ist nicht von der Hand zu weisen, daß auch hier bei dem heutigen Stand der Steuerverwaltung keinerlei ernsthafte Schwierigkeit besteht, im Zeitpunkt der Zurückzahlung auch den Verzinsungszuschlag zu bezahlen.
Der zweite Punkt des Änderungsantrages ist ebenfalls in der ersten Lesung schon angesprochen worden. Das ist die Frage, wann die Rückzahlung erfolgen soll. Es war und ist der Verdacht einfach nicht von der Hand zu weisen, daß, wenn knapp vor dem Zeitpunkt der nächsten Bundestagswahlen, im Jahre dieser Wahlen, eine solche Zurückzahlung vorgesehen ist, doch der Zusammenhang mit dem Bemühen, gewisse Wohltaten zu vergeben, um vielleicht manches vergessen zu lassen, was in dieser Zeit geschehen ist,
der Hintergrund einer solchen Zeitbestimmung sein könnte.
Darum erscheint es durchaus notwendig, den Zeitpunkt der Zurückzahlung wesentlich zeitnäher zu bestimmen, das heißt, um rund ein Jahr vorzuverlegen und eine Rückzahlungsverpflichtung zum 30. Juni 1972 zu begründen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf namens der Fraktion der CDU/CSU dieses Hohen Hauses bitten, den beiden Änderungsanträgen zuzustimmen.
Ich möchte nun zu Punkt 4 der Tagesordnung den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend konjunkturpolitische Dämpfungsmaßnahmen gleichzeitig mit begründen. Auch dieser Antrag ist bereits in der ersten Lesung behandelt und inzwischen auch durch die Presse und durch andere Publikationen der Öffentlichkeit bekanntgeworden. Der Antrag geht von dem Gedanken aus, daß, wenn es notwendig ist, aus konjunkturpolitischen Gründen unserer Bevölkerung Opfer aufzuerlegen, der Staat die Verpflichtung hat, hier mit gutem Beispiel voranzugehen.
Es ist auch nicht so, als ob dieser Gedanke etwa von der CDU/CSU jetzt in diesen Tagen schnell erfunden worden wäre, sondern ich darf daran erinnern, daß seit Beginn der Diskussion über solche Dämpfungsmaßnahmen immer die Forderung erhoben war, ein Bündel von Maßnahmen zu ergreifen, um auf der einen Seite Kaufkraft abzuschöpfen, auf der anderen Seite die Investitionen zu bremsen und — das war der entscheidende Punkt — gleichzeitig die öffentliche Hand zu veranlassen, ihrerseits den Nachfragesog entscheidend zu dämpfen. Diese nachdrückliche Forderung war auch in dem Paket enthalten, das die Deutsche Bundesbank der Bundesregierung schon im Februar und März dieses Jahres vorgetragen hat.
Unser Antrag umfaßt vier konkrete Einzelpunkte. Der erste Punkt befaßt sich mit der Frage, was noch im Ablauf des Haushaltsjahres 1970 geschehen kann. Die CDU/CSU-Fraktion beruft sich dabei auf den § 6 des Stabilitätsgesetzes, in dem es heißt:
Bei der Ausführung des Bundeshaushaltsplanes kann im Falle einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrageausweitung die Bundesregierung den Bundesminister der Finanzen ermächtigen ...
Dann kommen diese Maßnahmen. Wir stellen hier die Frage, ob nicht jetzt, wo die Bundesregierung selber diese Anträge stellt, insgesamt davon gespro-
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Dr. Althammer
chen werden muß, daß eine Situation vorliegt, in
der die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigende Nachfrageausweitungen vorhanden sind.
Wir haben mit großer Bestürzung und großer Sorge gesehen, daß der Herr Bundesfinanzminister von sich aus eine solche Ermächtigung auch gestern wieder im Haushaltsausschuß abgelehnt hat. Ich meine, wenn es einen Zeitpunkt gegeben hat, wo der Bundesfinanzminister, gestützt durch den Bundeskanzler, von den Möglichkeiten und Rechten, die ihm in der Verfassung und in den Gesetzen gegeben sind, Gebrauch machen muß, dann ist dieser Zeitpunkt jetzt gegeben.
Wenn das nicht geschieht, dann stellt sich die Frage, ob die Energie des Herrn Bundesfinanzministers sich mit einem einzigen Kraftakt, nämlich der Entlassung einiger hochverdienter Beamter, bereits erschöpft hat.
Wir haben den Sachantrag, um den es hier geht, bereits in der zweiten und dritten Lesung des Haushalts 1970 gestellt. Wir haben damals mit 80 Änderungsanträgen und im Plenum ebenfalls mit einer Reihe von Änderungsanträgen den Weg aufgewiesen, wie solche zusätzlichen Einsparungen zu erzielen sind. Uns ist entgegengehalten worden, daß ja das Parlament bereits einen wesentlichen Schritt getan habe, indem es Sperrungen in Kürzungen einvernehmlich umgewandelt habe. Ich darf darauf hinweisen, daß die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt erklärt hat, sie selbst werde diese Sperren nicht aufheben, so daß man ohnehin davon ausgehen mußte, daß diese Mittel nicht zur Verfügung stehen. Darum sind wir der Auffassung, daß es darüber hinaus einfach notwendig ist, weitere Kürzungsmaßnahmen beim Bund zu ergreifen. Ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, daß dafür auch alle Einzelpositionen durchzuprüfen sind — nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, die ja bekanntlich eine altpreußische Tugend gewesen sein soll. Und das beginnt nicht nur bei den großen Positionen, etwa bei den 300 Millionen, die wir in den Verstärkungsmitteln für die Personalausgaben gesehen haben, sondern das beginnt auch bei den kleinen Positionen, etwa den um 18 %, also doppelt so hoch wie die allgemeinen Ausgaben, erhöhten Propagandatiteln, die hier beschlossen worden sind, zusätzlich der 25 % Verstärkungsmittel. Wenn das nicht geschieht, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie das ablehnen, dann stellt sich die Frage, ob die Mittel für die Propaganda der Regierung im gleichen Verhältnis wie die Unfähigkeit und die Unwirksamkeit ihrer Handlungsweise wachsen.
In Ziffer II unseres Antrags wird zum bekanntgewordenen Entwurf des Bundeshaushaltsplanes für das Jahr 1971 Stellung genommen. Ich muß sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir waren bestürzt darüber, daß diese Bundesregierung am
Tage nach dem Beschluß dieser Dämpfungsmaßnahmen einen Haushalt mit einer Steigerungsrate von 12 %, mit Erhöhungen von 11 Milliarden DM, vorlegt.
Wenn das in dieser Form geschieht, kann man den Entwurf des Haushalts 1971 nicht anders bezeichnen als einen Inflationshaushalt.
Wir haben die Regierung immer wieder darauf hingewiesen, daß auf jeden Fall, wenn schon nichts anderes, nichts Besseres erfolgen könne, wenigstens ein Eventualhaushalt erforderlich sei. Daher, glaube ich, ist es logisch, wenn wir in unserem Antrag die Bundesregierung auffordern, diesen Entwurf zurückzuziehen und unter diesen Gesichtspunkten einen neuen Entwurf vorzulegen. Ich betone noch einmal, wenn der Bund nicht bereit ist, hier mit gutem Beispiel für die Jahre 1970 und 1971 voranzugehen, werden andere Bemühungen und andere Maßnahmen keinen Erfolg haben.
Darauf zielt auch Ziffer III unseres Antrags, wo wir fordern, daß auch Länder und Gemeinden in ähnlicher Weise zu restriktiver Haushaltsführung angehalten werden, sowohl für das Haushaltsjahr 1970 wie für das Haushaltsjahr 1971. Aber natürlich gilt auch dort das Prinzip: Wenn der Bund für sich in Anspruch nimmt, um 12 % auszuweiten, dann kann man an kein Land und an keine Gemeinde mit guten Gründen das Ansinnen stellen, ihre Ausgaben nicht in gleicher Weise auszuweiten.
Zwischen all diesen Dingen besteht ein innnerer Zusammenhang.
Der letzte Punkt, der gestern auch schon kurz angesprochen wurde, ist der Versuch, auch die Sozialversicherungsträger hier die Rentenversicherungen — mit in diese Bemühungen um Stabilisierung einzubeziehen. Es war ganz interessant zu hören, daß auf Regierungsseite einerseits gesagt wurde, wenn die Versicherungsträger bereit wären, freiwillig etwa 800 Millionen DM stillzulegen, dann würde das begrüßt, daß auf der anderen Seite aber die Aufforderung, das zu tun, mit dem Argument beantwortet wurde, dies sei schädlich. Wenn schon eine freiwillige Rücklage konjunkturpolitisch richtig ist und in die Landschaft paßt, dann kann wohl die Aufforderung, eine Milliarde stillzulegen, auch von der Sache her nicht falsch und undurchführbar sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ausschüsse haben mit Mehrheit diesen Antrag der CDU/CSU abgelehnt.
— Ich würde hier nicht „Bravo" schreien; denn es
kann sehr bald im Herbst dieses Jahres der Zeitpunkt kommen, wo Sie in dieser oder in abgewandelter Form wieder auf diese Anträge zurückkommen müssen.
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Dr. Althammer
Dieses Hohe Haus hat die Möglichkeit, vom Votum der Ausschüsse abzugehen und das Prinzip durchzusetzen, daß, wenn schon Opfer gefordert werden, wenn die Konjunktur schon gedämpft werden muß, der Staat, der Bund und die Bundesregierung in erster Linie verpflichtet sind, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Ich beantrage deshalb, unseren Antrag anzunehmen.