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ID0606201600

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    Deutscher Bundestag 62. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Juli 1970 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Tobaben und Borm 3443 A Amtliche Mitteilungen 3443 A Erweiterung der Tagesordnung 3444 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Schiller, Bundesminister 3444 C Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (SPD, FDP) (Drucksache VI/ 1017) —Erste Beratung — in Verbindung mit Zweite Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen (Drucksache VI/ 1013) und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. konjunkturpolitische Dämpfungsmaßnahmen (Drucksache VI/1025 [neu]) Mertes (FDP) 3447 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) 3450 C Brandt, Bundeskanzler 3456 A Junghans (SPD) 3460 B Kienbaum (FDP) 3462 C Höcherl (CDU/CSU) 3463 D Dr. Schellenberg (SPD) . 3466 B, 3467 D Nächste Sitzung 3468 C Anlagen: Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 3469 A Anlage 2 Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1970 (Hauhaltsgesetz 1970) 3469 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juli 1970 3443 62. Sitzung Bonn, den 10. Juli 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 7. Dr. Achenbach * 11.7. Adams * 11.7. Dr. Aigner * 11. 7. von Alten-Nordheim 11. 7. Dr. Artzinger * 11.7. Baier 11.7. Dr. Barzel 11.7. Dr. Becher (Pullach) 11.7. Behrendt * 11.7. Benda 11.7. Dr. Burgbacher * 11. 7. Dr. Czaja 11.7. Dr. Dittrich * 11. 7. Dichgans * 11. 7. Dröscher * 11.7. Faller * 11.7. Fellermaier * 11. 7. Flämig * 11.7. Dr. Furler * 11. 7. Gewandt 11. 7. Gerlach (Emsland) * 11.7. Dr. Gradl 11.7. Haage (München) * 11. 7. Dr. Hein * 11. 7. Frau Dr. Henze 11. 7. Dr. Hupka 11.7. D. Jahn (Braunschweig) * 11. 7. Klinker * 11.7. Katzer 11.7. Dr. Kley 11.7. Dr. Koch * 11.7. Frau Krappe 11.7. Kriedemann * 11. 7. Frau Dr. Kuchtner 11. 7. Lange * 11. 7. Lautenschlager * 11. 7. Leisler Kiep 11. 7. Lemmer 11. 7. Lenze (Attendorn) 11.7. Liehr 11.7. Dr. Lohmar 11. 7. Dr. Löhr * 11.7. Lücker (München) * 11.7. Meister * 11. 7. Memmel * 11.7. Müller (Aachen-Land) * 11.7. Ollesch 11.7. Frau Dr. Orth * 11. 7. Picard 11.7. Pieroth 11.7. Porzner 11. 7. Richarts * 11.7. Riedel (Frankfurt) * 11.7. Schmidt (Braunschweig) 11. 7. Schmidt (Würgendorf) 11.7. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Schwabe * 11.7. Schröder (Wilhelminenhof) 11. 7. Dr. Schwörer * 11. 7. Seefeld * 11.7. Springorum * 11.7. Dr. Starke (Franken) * 11.7. Frau Dr. Walz 11. 7. Dr. Freiherr v. Weizsäcker 11. 7. Werner * 11.7. Wolfram * 11. 7. Dr. Wörner 11. 7. Wohlrabe 11.7. Anlage 2 Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 26. Juni 1970 an den Bundeskanzler Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1970 (Haushaltsgesetz 1970) a) Der Bundesrat hält die Ermächtigung an den Bundesminister der Finanzen, eine „Bildungsanleihe" bis zur Höhe von 1 Milliarde DM aufzunehmen, allein nicht für geeignet, das Problem der Bildungsfinanzierung zu lösen. Es geht bei der Bildungsfinanzierung nicht darum, einen einmaligen investiven Nachholbedarf zu finanzieren, sondern es müssen vor allem die progressiv wachsenden Folgekosten, die Länder und Gemeinden zu tragen haben, finanziell gesichert werden. Im übrigen geht der Bundesrat davon aus, daß von der Anleiheermächtigung nur dann Gebrauch gemacht wird, wenn die Verhältnisse am Kapitalmarkt eine solche Anleihe zulassen und wenn außerdem die Anleihebedürfnisse der übrigen öffentlichen Gebietskörperschaften ausreichend berücksichtigt werden. b) Der Bundesrat bedauert, daß die Bundesregierung die verfügte Aussetzung der Frachthilfe für die Beförderung von Steinkohle ab 10. Februar 1970 nicht rückgängig gemacht hat. Er bittet die Bundesregierung, im weiteren Vollzug des Bundeshaushalts alles zu unternehmen, um die Fortsetzung der Steinkohlefrachthilfe zu ermöglichen. *) Für die Teilnahme an einer Sitzung des Europäischen Parlaments 3470 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 62. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juli 1970 Der Bundesrat bedauert, daß seine Forderung, im Bundeshaushalt 1970 einen Ansatz von 100 Millionen DM für Investitionshilfen gemäß Art. 104 a Abs. 4 GG zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums auszubringen, bei den Beratungen im Deutschen Bundestag unberücksichtigt geblieben ist. Durch gezielten Einsatz derartiger Finanzhilfen hätten strukturpolitisch wichtige Maßnahmen, auf die nach den Grundsätzen des Konjunkturrats vom Januar 1969 Konjunkturdämpfungsmaßnahmen nicht angewendet werden sollen, insbesondere in Problemgebieten leistungsschwacher Länder im Interesse eines stabilitätskonformen Wachstums ermöglicht werden können. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Rahmen der Haushaltsberatungen für 1971 und der Fortschreibung der Finanzplanung zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Gewährung von Investitionshilfen nach Art. 104 a Abs. 4 GG ab 1971 notwendig und möglich ist.
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    Rede von Hans-Jürgen Junghans


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dieser Sondersitzung hat ,der Kollege Dr. Stoltenberg von sechs Monaten und fünfzehn Sitzungswochen gesprochen und davon, was in dieser Zeit alles hätte geschehen sollen zu dem Thema, zu dem der Deutsche Bundestag heute hier in einer Sondersitzung zusammengetreten ist. Lassen Sie mich einmal anmerken: Ich kann mich sehr genau erinnern, daß der Deutsche Bundestag zu einem anderen Thema, nämlich zu den Telefongebühren, aus den Ferien geholt worden ist.

    (Abg. Dr. Wehner: Sehr wahr!)

    Dieses Thema hier ist doch viel, viel ernster. Ich meine, es ist zu verantworten, den Deutschen Bundestag in der dritten Ferienwoche zu einem so ernsten Thema aus den Ferien zu holen.
    Zum anderen möchte ich der Opposition vorhalten: sie hat in diesen sechs Monaten und fünfzehn Sitzungswochen ihre Beiträge — und das waren wesentlich mehr als heute — zum Heraufreden des Preisklimas geleistet, und das ist der Grund, warum wir heute zusammentreten müssen.
    Dabei kann ich mir eine Bemerkung nicht verkneifen. In den sechs Monaten, in den fünfzehn Sitzungswochen hat es bisher keine konkreten Anträge — hier zählen nur solche Anträge, die dem Hohen Hause als Drucksache vorliegen — der Opposition gegeben. Anscheinend geht es der Opposition heute nur darum, zu belegen, wie recht sie gehabt hat und wie unrecht andere gehabt haben. Ich glaube, jedermann in diesem Saal wäre imstande, in dieser konjunkturpolitischen Lage jede Meinung mit sogenannten wirtschaftswissenschaftlichen Gutachten zu belegen, vom Nichtstun bis zu allen harten Maßnahmen. Insofern hat es wenig Sinn, auf das hinzuweisen, was gewesen ist, und gegenseitig mit Zitaten aufzuwarten. Auch ich könnte x Zitate bringen, beispielsweise vom Abwürgen der Konjunktur durch die Überdosierung der Aufwertung usw. Das sollte uns heute nicht beschäftigen.
    Auf einen Irrtum möchte ich aber noch einmal nachdrücklich hinweisen, Herr Kollege Stoltenberg. Die Sozialdemokraten haben nie einen Gegensatz von Vollbeschäftigung und Stabilität in irgendeiner Form konstruiert oder konstruieren wollen. Da gibt es keine Gegensätze. Eine Stabilitätspolitik ist voll vereinbar mit einer Vollbeschäftigungspolitik. Aber wir haben uns immer gegen Methoden und Maßnahmen gewandt, mit denen man unter Aufgabe der Vollbeschäftigung und mit der Drohung von Arbeitslosigkeit eine, wie wir meinten, nur scheinbare Stabilität erreichen wollte.
    Über die Fragen einer stabilitätsgerechten Haushaltspolitik wird der Kollege Hermsdorf noch einiges sagen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat ebenso wie die Bundesregierung in der Vergangenheit immer wieder erklärt, daß sie die konjunkturelle Entwicklung mit Aufmerksamkeit verfolge und, falls es die Entwicklung notwendig machen sollte, nicht zögern werde, auch härtere Maßnahmen, die nicht überall Anklang finden— wir wissen das —, zu ergreifen.
    Ich möchte hier die Analyse über die konjunkturelle Lage nicht wiederholen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat die Lage vorhin in aller Deutlichkeit geschildert. Aber eins möchte ich festgehalten wissen: was uns jetzt zum Handeln veranlaßt, ist, daß sich die Preisentwicklung, — die Preiserwartungen der Unternehmer und die Auftragsein-



    Junghans
    gänge — nicht so abzeichnet, wie wir uns das wohl alle erhofft haben. Wir sind der Meinung, daß jetzt die Stunde gekommen ist, das konjunkturpolitische Steuer fest in die Hand zu nehmen, um eine drohende neue Preiswelle von vornherein zu brechen. Ich kann hier für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erklären, daß wir nicht bereit sind, eine Eskalation der Preise in Kauf zu nehmen. Wir sehen nämlich die Gefahr, die entsteht, wenn sich ein Preisklima entwickelt, bei dem, wie das heute zum Teil üblich ist, die Unternehmer glauben, jeden Preis verlangen und jeden Gewinn realisieren zu können. Das hält die Volkswirtschaft nicht aus. Auf der anderen Seite können wir es uns aber auch nicht leisten, daß die Verbraucher in zunehmendem Maße bereit sind — breite Schichten unseres Volkes können das allerdings nicht —, Waren zu kaufen, ohne nach dem Preis zu fragen.
    Dieser Entwicklung muß man im Interesse breitester Schichten unserer Bevölkerung entgegentreten. Der von der Bundesregierung und initiativ von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Antrag erfüllt diesen Zweck auf eine ausgewogene Art und Weise.
    ich darf einmal, weil das hier etwas untergetaucht ist, die wichtigsten Bestandteile des Programms an dieser Stelle noch einmal kurz skizzieren und ein wenig kommentieren.
    Erstens Herr Kollege Stoltenberg, das Bundeskabinett hat beschlossen, 'bei dem Vollzug des Bundeshaushalts 1970 konjunkturpolitische Zurückhaltung zu üben, um dadurch massive Nachfragestöße zu vermeiden.
    Zweitens sollen bis zum 31. Januar nächsten Jahre die degressiven Abschreibungen ausgesetzt werden. Das wird zu einem vorübergehenden Rückgang der Nachfrage nach Investitionsgütern etwa in der Größenordnung von 3 bis 4 Milliarden DM und damit zu einer dämpfenden Wirkung gerade auf dem Investitionsgütersektor führen.
    Drittens sollen die Einkommen-, die Lohn- und die Körperschaftsteuerpflichtigen vom 1. August dieses Jahres an bis zum 30. Juni nächsten Jahres einen Konjunkturzuschlag von 10 °/o auf ihre Steuerschuld bzw. ihre Vorauszahlungen leisten. Meine Damen und Herren, diese Zuschläge werden nicht vom Staat vereinnahmt, sondern bei .der Deutschen Bundesbank auf Eis gelegt. Sobald es die Konjunkturlage erlaubt — und das Gesetz schreibt vor: bis spätestens 31. März 1973 —, bekommt jeder, der Steuervorauszahlungen geleistet hat, seine Zuschläge auf Mark und Pfennig zurück. Dazu ist die Bundesregierung durch Gesetz verpflichtet. Jeder wird mir zugeben, daß es sich hier also nicht um eine Art der Besteuerung handelt, sondern eher um eine Art des Sparens von Staats wegen. Wir sind leider dazu gezwungen, unsere Mitbürger zu verpflichten, einen kleinen Teil ihres Einkommens für gewisse Zeit bei der Bundesbank in Verwahrung zu geben.
    Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, darauf hinzuweisen, um welch kleinen Teil des Einkommens es sich hierbei handelt, um auch falsche Vorstellungen und Befürchtungen auszuräumen. Zunächst: Arbeitnehmer, die — der Herr Bundeskanzler hat es auch noch einmal gesagt, und man kann es nicht oft genug sagen — im Monat 100 DM oder weniger Lohnsteuer zahlen, werden von dieser Maßnahme überhaupt nicht betroffen. Zum anderen: Die Zuschläge betragen 10 °/o der Lohnsteuer und nicht, wie häufig angenommen, des Einkommens. Dies ist ein großer Unterschied.
    Viertens soll das Steueränderungsgesetz, das die Verdoppelung der Arbeitnehmerfreibeträge und eine Erhöhung der Einkommensgrenze für die Ergänzungsabgabe vorsieht, noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, sobald es die Konjunkturlage erlaubt.
    Das ganze Stabilitätspaket ist nach unserer Auffassung angemessen und zweckentsprechend. Trotzdem möchte ich betonen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion diesen Beschluß nicht leichten Herzens gefaßt hat. Das gilt insbesondere für die Steuervorauszahlung. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß sich meine Fraktion erst nach langen und intensiven Diskussionen dazu hat durchringen können, die Konjunkturzuschläge zu akzeptieren. Wir konnten schließlich nur zustimmen, weil wir das Stabilitätspaket in seiner Gesamtheit für ausgewogen halten, und zwar in zweifacher Hinsicht: erstens, weil die Nachfrage nach Investitionsgütern ebenso gedämpft wird wie die Nachfrage nach Konsumgütern, und zweitens, weil es die Lasten sozial gerecht verteilt.
    Lassen Sie auch mich wie der Herr Bundeskanzler einige Worte zur Frage der sozialen Ausgewogenheit des Programms sagen. Die Konjunkturzuschläge, die aufkommen werden — rund 5,2 Milliarden DM —, werden je zur Hälfte von den Lohnsteuerpflichtigen, nämlich von 8 Millionen Arbeitnehmern, und von rund 1 Million Einkommen- und Körperschaftsteuerpflichtigen aufgebracht. Schon allein diese Zahlen machen deutlich, daß die Belastung der Einkommensteuerpflichtigen und der Lohnsteuerpflichtigen ausgewogen ist. Lassen Sie mich noch folgendes Beispiel geben: Ein Lediger mit einem Monatseinkommen von rund 1000 DM muß zirka 1 % seines Bruttoeinkommens als Konjunktfurzuschlag abführen. Dagegen muß ein Lediger mit rund 10 000 DM Monatseinkommen 411/4 seines Einkommens zusätzlich abführen. Darüber hinaus trifft den Unternehmer noch die zusätzliche Belastung durch die Aussetzung der degressiven Abschreibung und durch die Zuschläge zur Körperschaftsteuer.
    Die soziale Ausgewogenheit dieses Programms wird aber noch in weiterer Hinsicht deutlich, und hier unterscheiden wir uns auch von der Opposition. Es müßte jedem klar sein, daß das weitere Kürzen an den Ausgaben der öffentlichen Hand — und das heißt, in erster Linie an den öffentlichen Investitionen — unverantwortlich wäre, weil es den Erfordernissen einer modernen Industriegesellschaft zuwiderliefe. Wir werden — um das hier mit aller Deutlichkeit zu sagen, meine Damen und Herren von der Opposition — keinem Rezept folgen, das im Endeffekt darauf hinausläuft, daß der Bau von Straßen, von Schulen, von Universitäten, von Kranken-



    Junghans
    häusern, von Kindergärten bald ganz zum Erliegen kommt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Eine solche Politik wäre mit den Bedürfnissen der deutschen Volkswirtschaft nicht zu vereinbaren.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Deswegen müssen die Preise stabil werden!)

    Wir sollten auch daran denken, daß wir mit den Infrastrukturinvestitionen, mit dem Bau von Schulen und Universitäten, die wir heute durchführen oder unterlassen, über die Zukunft unserer Kinder entscheiden. Meine Damen und Herren, es wäre unverantwortlich, wenn über Jahre hinaus solche Maßnahmen unterbleiben müßten. Dann könnte man sich fragen, zu welchem Zeitpunkt wir uns auf be--stimmten Gebieten dem Stand eines Entwicklungslandes nähern.

    (Lachen bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Dafür haben Sie gesorgt!)

    Hier liegt der grundsätzliche Unterschied zwischen uns, Herr Stoltenberg. Diese Koalition hat sich die inneren Reformen zum Ziel gesetzt, und daran halten wir fest. Das bedeutet aber auch, daß wir die öffentlichen Investitionen nicht in die Rolle von konjunkturpolitischen Lückenbüßern drängen lassen können, sondern daß ihnen die Priorität eingeräumt werden muß, die ihnen zukommt.
    Ich möchte hier eines hinzufügen. Es ist nicht unsere Absicht, den Haushalt von den konjunkturpolitischen Aufgaben zu entlasten. Wir hoffen, daß wir
    auch mit diesen Stabilitätsmaßnahmen für die Bundesbank neuen Spielraum schaffen. Wir würden es begrüßen, wenn sich die Bundesbank jetzt in der Lage sähe, die Zügel der Zinspolitik zu lockern.
    Ich darf zusammenfassend abschließend folgendes feststellen.
    Erstens. Wir halten dieses Maßnahmebündel für angemessen und für sozial ausgewogen.
    Zweitens. Wir sind der Meinung, daß damit der Handlungsspielraum der Bundesbank erweitert wird, und erwarten in absehbarer Zeit eine merkliche Senkung des Zinsniveaus.
    Drittens. Die Maßnahmen sind zugleich so flexibel, daß sie, falls sich eine deutliche Tendenzwende in der Konjunkturentwicklung abzeichnet, sofort rückgängig gemacht werden können.
    Viertens. Wir wissen, daß die Bevölkerung, auch wenn sie die Last zu tragen hat, diese Maßnahmen in weitesten Teilen unterstützt.
    Der Antrag der CDU/CSU zeigt einen Weg, der für uns nicht gangbar ist. Wir bitten die Opposition, auch einmal über ihren eigenen Schatten zu springen und unserem in sich geschlossenen Programm zur Stabilität und zur Konjunkturstabilisierung ohne Wenn und Aber zuzustimmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Kienbaum. Er wird 15 Minuten sprechen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Kienbaum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen! Meine Herren! Die FDP stimmt den zur Debatte stehenden Vorhaben zu, wie nach Bekanntgabe des einstimmigen Fraktionsbeschlusses nicht anders zu erwarten war.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Aber nach den Auslassungen von Herrn Kienbaum war das zu erwarten!)

    Die FDP hat dabei, so vermutete ein Presseorgan, eine Kröte geschluckt, die Kröte zeitweiliger Aussetzung der degressiven Abschreibung. Meine Damen und Herren, die FDP tat es — um im Bild zu bleiben —, um eine Kaufkraftabschöpfung an Stelle einer Steuererhöhung zu ermöglichen. Die FDP verbindet wahrlich keine überhöhten Erwartungen mit der Durchführung der anstehenden Maßnahmen.

    (Abg. Dr. Althammer: Sehr richtig!)

    Wir wissen nämlich zu gut, daß die gewünschte Wirkung auf der einen Seite vom gleichgerichteten Verhalten der Nachfrager — einem unseren Vorstellungen entsprechenden Verhalten der Nachfrager —, vor allem aber vom vernünftigeren Verhalten der Tarifpartner abhängt. Vorschußlorbeeren können daher von uns ebensowenig erwartet werden wie prophetische Voraussagen, was nun eintreten wird, da sich diese schon oft nach kurzer Zeit leider als völlig falsch erweisen.
    Der FDP erscheint es deshalb dringend erforderlich, in diesem Hohen Hause auch einmal diejenigen sehr ernst anzusprechen, die nach unseren Beschlüssen über die zukünftige Kostenentwicklung durch die autonomen Entscheidungen befinden. Ich kann es einfach nicht anerkennen, daß dieses Thema im Parlament tabu bleibt. Das Parlament muß auch hierzu Stellung nehmen. Hier gilt es, zunächst eines festzustellen. Trotz lautstarker und in immer kürzeren Abständen wiederholter gegenteiliger Behauptungen führen nun einmal Verbesserungen der Vergütungen, die über die Steigerung der Produktivität hinausgehen, unabdingbar zu Kostensteigerungen. Ich wiederhole: sie führen unabdingbar zu Kostensteigerungen, und damit treiben sie die Preise, die sich nun einmal nicht nach Wünschen, und seien sie noch so edel, sondern nach den Gesetzen des Marktes und der Fakten richten und — ich füge es hinzu — auch in Zukunft richten werden. Deshalb erwarten wir, mag es auch sehr schwer sein, eine Rückkehr zur Vernunft, und zwar von beiden Gruppen der Tarifpartner. Eindeutig unvernünftig sind Vergütungssteigerungen von 15% und mehr binnen Jahresfrist, wie sie bereits hinter uns liegen.

    (Abg. Lücke [Bensberg] : Sehr richtig!)

    Sie können einfach nicht durch Produktivitätssteigerungen abgefangen werden, und sie gefährden daher unsere erreichte Position, ganz besonders aber die Position von Mitbürgern mit bescheidenen Einkommen.
    In unsere Erwartungen schließen wir den öffentlichen Arbeitgeber insonderheit ein, den Bund, die Länder und die Kommunen. Sie müssen das Ihre dazu beitragen, zunächst einmal die zahlenmäßige Übernachfrage nach Arbeitskräften abzubauen. Aus-



    Kienbaum
    drücklich stellt die FDP fest: Der Ansatzpunkt für die Wiederherstellung der Stabilität nach den Beschlüssen dieses Wochenendes ist der Arbeitsmarkt, ist die Wiederherstellung einer ruhigen Entwicklung der Arbeitsvergütung. Deshalb fordern wir alle verantwortlichen Verhandelnden, aber auch — und das mit Nachdruck — die Entscheidenden auf, unverantwortlichen Vorstellungen zu widerstehen.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

    Wir fügen hinzu, daß in unserer Lage alles unverantwortlich ist, was den Produktivitätszuwachs aus Arbeits- plus Kapitalproduktivität übersteigt.
    Meine Damen und Herren, bei dieser Problematik muß ich mich mit dem bisherigen und dem heutigen Beitrag der Opposition beschäftigen. Sie hat seit Monaten schon, meist durch ihren Sprecher Herrn Dr. Stoltenberg, allgemeine Forderungen erhoben, z. B. Stabilitätspolitik aus einem Guß. Sie beantragt heute eine globale Erhöhung der Konjunkturausgleichsrücklage, allerdings wiederum ohne Angaben, wo gekürzt werden soll.

    (Abg. Dr. Luda: Wie im Haushaltsausschuß von uns detailliert beantragt: 2 Milliarden DM!)

    — Allgemein, sehr allgemein, Herr Dr. Luda!

    (Abg. Dr. Luda: Ganz detailliert! Die Anträge sind von Ihnen alle abgelehnt worden!)

    — Herr Dr. Luda, Sie brauchen sich gar nicht zu erregen. Ich bin über diesen Vorgang sehr genau unterrichtet, und ich wiederhole: allgemeine Forderungen ohne detaillierte Substanz.

    (Abg. Rawe: 80 detaillierte Anträge wollen Sie doch wohl nicht als allgemein bezeichnen! — Abg. Dr. Luda: Sie haben keine Ahnung von den Vorgängen!)

    — Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir bescheinigen, daß ich keine Ahnung habe. Es gibt andere, die darüber anders urteilen.

    (Abg. Dr. Luda: Keine Ahnung von diesen Vorgängen!)

    Die Opposition übersieht geflissentlich, daß es dieser speziellen Maßnahme der Erhöhung der Konjunkturausgleichsrücklage gar nicht bedarf, weil durch Beschluß in Verbindung mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1970 bereits verpflichtend festgelegt ist, daß alle Steuermehreinnahmen
    — offenbar erwarten Sie sehr viel höhere Eingänge — stillgelegt werden.
    Die Opposition beantragt ferner, allgemeine Grundsätze zur Verschuldung im soeben vom Kabinett verabschiedeten Haushalt 1971 festzulegen. Sie werden mir sicher die Frage erlauben, welche Wirkungen zum heutigen Thema Sie von dieser allgemeinen Forderung erwarten, es sei unterstellt, ihr wird entsprochen.
    Ich füge eine Frage hinzu: wann wird sich die Opposition zu dem von mir soeben angeschnittenen Problemkreis der Tarifpolitik äußern?

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Am laufenden Band geschehen!)

    Wann dürfen wir ihre Vorstellungen zu diesem, dem dritten Bereich des Einflusses auf die Stabilität erfahren?

    (Abg. Dr. Luda: Was Sie da gesagt haben, war im Widerspruch zu den Äußerungen des Bundeskanzlers!)

    Oder müssen wir davon ausgehen, daß die Opposition nun ausschließlich Fiskalpolitik zu treiben gedenkt? Ich habe heute morgen aus den Ausführungen von Herrn Stoltenberg den Eindruck gewonnen — kann mich aber täuschen —, daß das bisherige Handeln der Bundesbank in der Monetärpolitik, dem zweiten wirksamen Bereich, gar nicht gern gesehen wird und daß an die Stelle dieser Politik Fiskalmaßnahmen hätten gesetzt werden sollen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    Deshalb stelle ich wiederholt fest: wir sind sehr gespannt, nun detaillierte Wünsche, Anregungen oder Forderungen zu bekommen.
    Auf einen Punkt möchte ich insonderheit eingehen. Der Sprecher der Opposition, mit dem ich ja nicht nur im Parlament mehrfach Gelegenheit hatte zu diskutieren, hat mit ernstem Unterton — das habe ich durchaus vermerkt — die Feststellung wiederholt, daß es immer schwieriger wird, aus den verfügbaren Daten ein sicheres Urteil über die Situation, aber auch über den Trend der zurückliegenden Entwicklung und erst recht über die zukünftigen Erwartungen zu gewinnen. Ich unterstreiche das. Gerade deshalb aber mißt die FPD denjenigen Bestimmungen, die wir heute erneut zu verabschieden haben, das größte Gewicht zu, die eine sofort wirkende Beendigung der Dämpfung ermöglichen und die zudem einen unmittelbar greifenden Wiedereinsatz der stillgelegten Mittel erlauben. Wir wollen nur hoffen — hier spreche ich aus detailliertem Einblick aus meiner beruflichen Tätigkeit —, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem solche Entscheidungen notwendig werden, das Klima und die Bereitschaft zum Risiko des Investierens auch genügend gegeben sind.
    Deshalb, meine Herren von der Opposition, kritisiert die FDP nachdrücklich die seit Monaten anhaltende Kampagne,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    die unübersehbar zur Unsicherheit in der Bürgerschaft wie in der Wirtschaft beiträgt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)