Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
So gern ich dieses Bekenntnis höre und glaube, erlauben Sie mir, mit der Feststellung, daß das nicht meine Frage war, die Frage zu wiederholen: Sind Sie, wenn es im Rahmen einer europäischen Friedensordnung gemäß der seit einigen Jahren fest herausgearbeiteten Grundzüge der sowjetischen Europapolitik einen Zielkonflikt gibt — „Wenn ihr eine Friedensordnung mit der Unterschrift Moskaus haben wollt, dann Schluß mit der europäischen Integration!" —, bereit, hier zu erklären, daß Sie sich einer solchen Bedingung niemals beugen werden?
Scheel, Bundesminiser des Auswärtigen: Herr Strauß, Sie hätten gar nicht zu fragen brauchen; ich will die Frage jetzt in meinen Darlegungen behandeln. Aber ich will die Frageform, die Sie gewählt haben, auch nicht als Konditionalkonstruktion mit in meiner Antwort unterstellen, sondern erläutern, wie wir uns die Politik in Europa, auch die Politik des Zustandekommens einer europäischen Friedensordnung, vorstellen. In einer solchen Friedensordnung, Herr Kollege Strauß, wird die EWG ein Element sein müssen. Ohne die EWG als Element einer europäischen Friedensordnung
— lassen Sie mich weiterreden — gibt es keine europäische Friedensordnung. Sie werden fragen: Warum, und wie soll das zustande kommen?
— Nein, warten Sie doch ab.
Ich wiederhole: Das Geheimnis einer europäischen Friedensordnung ist doch, eine europäische Ordnung zustande zu bringen, in der Länder unterschiedlicher politischer Ordnungen und unterschiedlicher Gesellschaftssysteme gleichermaßen Mitglieder sind. Mit anderen Worten, wir wollen keinen Kompromiß zwischen einer liberalen Ordnung und einer kommunistischen Ordnung. Diesen Kompromiß gibt es nicht. Deswegen können Sie zu Zusammenarbeit in Europa nur kommen, wenn Sie zwischen Ländern und Organisationen oder Gemeinschaften unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Ordnungen Zusammenarbeit organisieren. Nur so kann es eine europäische Friedensordnung gehen, die ganz Europa umfaßt, nicht, wie manche es sich vorstellen, indem man die eine oder die andere Seite in das
Bundesminister Scheel
politische Ordnungssystem der einen oder der anderen hinüberzieht.
— Ich komme ja darauf. — Das heißt mit anderen Worten: die EWG in ihrem jeweiligen Integrationsstand, und zwar dem wirtschaftlichen und dem politischen Integrationsstand, wird ein Element einer solchen Friedensordnung sein. Aber wir, die wir an der Grenze zwischen den politischen Systemen in Europa liegen, haben die Verantwortung dafür, daß die Absicht aller europäischen Länder, zu mehr Zusammenarbeit zu kommen, von uns aktiv unterstützt, ja, in vorderster Front betrieben wird. Das ist der Grund, warum wir auf vertraglicher Basis die Beziehungen der Bundesrepublik mit den osteuropäischen Ländern sichern wollen: um für mehr Frieden eine solide Basis zu bilden.