Rede:
ID0605413000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Wörner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 54. Sitzung Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1970 Inhalt: Anteilnahme des Bundestages an den Naturkatastrophen in Peru und Rumänien 2749 A Regelung für die Einreichung von Fragen während der Parlamentsferien . . . 2749 B Amtliche Mitteilungen 2749 C Beratung des Weißbuchs 1970 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der Bundeswehr (Drucksache VI/765) 2750 A Schmidt, Bundesminister . 2750 A, 2806 C Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . 2762 A Buchstaller (SPD) 2767 A Jung (FDP) 2772 C Brandt, Bundeskanzler 2778 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) 2780 D Wienand (SPD) 2786 D Ollesch (FDP) 2791 D Stahlberg (CDU/CSU) 2794 A Pawelczyk (SPD) 2796 A Damm (CDU/CSU) 2799 A Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . 2803 B Dr. Wörner (CDU/CSU) 2811 A Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1969 des Wehrbeauftragten des Bundestages (Drucksachen VI/453, VI/800) Ernesti (CDU/CSU) 2813 D Horn (SPD) . . . . . . . . 2814 A Jung (FDP) 2814 C Nächste Sitzung 2815 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2817 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1970 2749 54. Sitzung Bonn, den 2. Juni 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Ahrens * 4. 6. Alber * 4. 6. Amrehn * 4. 6. Bals * 4. 6. Bauer (Würzburg) * 4. 6. Benda 2. 6. Berberich 5. 6. Dr. Birrenbach 8. 6. Blumenfeld * 4. 6. Frau Dr. Diemer-Nicolaus * 4. 6. Dr. Dittrich ** 2. 6. Draeger * 4. 6. Dr. Erhard 7. 6. Fritsch * 4. 6. Dr. Furler * 4. 6. Dr. Gölter 2. 6. Frau Herklotz * 4. 6. Dr. Hermesdorf (Schleiden) * 4. 6. Heyen 6. 6. Hösl * 4. 6. Katzer 5. 6. Dr. Kempfler * 4. 6. Frau Klee * 4. 6. Freiherr von Kühlmann-Stumm 2. 6. Lenze (Attendorn) * 4. 6. Dr. Martin 5. 6. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Meinecke (Hamburg) 3. 6. Dr. Müller (München) * 4. 6. Müller (Remscheid) 6. 6. Pfeifer 4. 6. Pöhler * 4. 6. Richter * 4. 6. Dr. Rinderspacher * 4. 6. Roser * 4. 6. Dr. Rutschke * 4. 6. Dr. Schmücker * 4. 6. Dr. Schulz (Berlin) * 4. 6. Sieglerschmidt * 3. 6. Strauß 2. 6. Frau Dr. Walz * 4. 6. Werner 2. 6. Zebisch 3. 6. Zoglmann 5. 6. b) Urlaubsanträge Bartsch 20. 6. Dr. Jenninger 21. 6. Säckl 21.6. Schmidt (München) 19. 6. *Für die Teilnahme an einer Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Nein, schönen Dank, ich möchte die Debatte wirklich nicht noch durch vielerlei Polemik belasten.
    Ich möchte auf eine Bemerkung des Kollegen Schmidt (Würgendorf) antworten; und ich bin dankbar dafür, daß das hier noch erwähnt worden ist. Es hat mich auch ein bißchen geärgert, muß ich sagen, nicht nur für meine Person oder für mein Amt, sondern für die ganze Bundeswehr, daß eine Fernsehanstalt geglaubt hat — trotz klarer Auskunft, die ihr gegeben wurde —, in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken zu sollen, als ob die Bundeswehr doch über chemische Kampfstoffe verfüge. Ich fand das unerhört, muß ich sagen. Aber es hat keinen Zweck, sich darüber aufzuregen. Es wird einem in den Massenmedien ja so vieles Unerhörte mit dem scheinbaren Charakter der Dokumentation geboten.

    (Abg. Rösing: Davon können wir ein Lied singen!)

    — Ja, ich auch. Ich singe gerade davon.
    Die Bundeswehr verfügt nicht über chemische Kampfmittel. Sie verfügt allerdings — das hat der Mann gemeint und geglaubt, er kann daran eine große Story aufhängen — genau wie eine Feuerwehr, wie ein Bergbaubetrieb oder wie ein Industriebetrieb, der Rauchmasken oder Gasmasken erproben muß, über Schwelkörper, aus denen Tränengas herauskommt. Weil man es anders nicht herauskriegt, muß man die Maske aufsetzen und muß ausprobieren, ob etwas Tränengas durchkommt. Wenn etwas durch kommt, fangen die Augen an zu tränen, und dann muß man an der Maske etwas ändern oder eine andere nehmen. Das ist alles. Es handelt sich um Schwelkörper und Sprühdosen, die im übrigen auch im Gelände verwandt werden, um im Manöver einen Angriff mit chemischen Waffen oder mit Gas durch den Gegner zu simulieren. Wie gesagt, es handelt sich um dieselben harmlosen Dinge, die Bergbau, Industrie oder Feuerwehr für die Prüfung verwenden.
    Ich hätte gern noch einige Bemerkungen zu Ihnen, Herr Zimmermann, gemacht.
    Sie haben den fehlenden Hinweis auf die Freiheit beklagt. Ich weiß nicht, ob Sie es wirklich so gemeint haben. Es klang sehr, sehr gewichtig. Sie haben übersehen, daß der Satz, den Sie zitiert haben, unmittelbar unter der Überschrift „Frieden in Freiheit" steht, und haben auch übersehen, was im Vorwort des Herrn Bundeskanzlers seht. Ich könnte Ihnen den Freiheitswert an vielen Stellen zeigen. Ich verzichte darauf. Ich hoffe, daß Sie im Ernst nicht glauben, daß wir auf die Freiheit verzichten wollen. Ich hoffe, daß das mehr eine polemische Einleitungsbemerkung hat sein sollen.
    Sie haben gemeint, die Vorwarnzeit sei überhaupt nicht erwähnt. Sie ist erwähnt. Aber sie ist nicht breit dargestellt, aus zwei Gründen. Zum einen hat es keinen Zweck und keinen Sinn, wenn sich in diesem Weißbuch alles mögliche wiederholt, was in dem vorigen dargestellt worden ist, es sei denn, die Lage habe sich wesentlich geändert. Es gibt viele Dinge, die im vorigen Weißbuch von Herrn Schröder dargestellt worden sind und hier nur gestreift werden.
    Es hat aber noch einen zweiten Grund. Die Frage der politischen wie der militärischen Vorwarnzeiten ist, wie Sie wissen, immer umstritten gewesen. Man soll nicht unbedingt schlafende Hunde wecken. Es gibt vielerlei Streitfragen innerhalb des Bündnisses. Sie, der Sie insbesondere von der Notwendigkeit engerer europäischer Kooperation gesprochen haben
    — das haben Sie früher auch schon getan —, wissen, daß wir uns zu diesem Punkt auch deswegen hier relativ zurückhaltend ausgedrückt haben, weil wir das zarte Pflänzchen der Entwicklung, das in einer uns sehr nahe benachbarten anderen europäischen Hauptstadt dabei ist, sich zu entfalten, nicht stören wollen.
    Sie haben dann an anderer Stelle bemängelt, daß die Einschätzung der uns drohenden Gefährdung nicht deutlich genug zum Ausdruck gekommen sei. Hier muß ich Sie auf den Text auf Seite 19 unten und auf Seite 20 oben aufmerksam machen. Ich darf die drei Sätze vorlesen, Herr Präsident:
    Dennoch ist nicht zu leugnen: In Mitteleuropa unterhält der Warschauer Pakt wesentlich stärkere konventionelle Streitkräfte als die NATO. Sie sind weit stärker, als dies für die Abwehr eines Angriffs aus dem Westen
    — hypothetischer Fall —
    nötig oder für die Aufrechterhaltung der sowjetischen Vorherrschaft erforderlich wäre. Die Existenz solch riesiger Streitkräfte darf nicht als Bluff betrachtet oder behandelt werden.
    Hier haben Sie das alles mit wünschenswerter Klarheit, wie ich denke, was Sie vermißt zu haben schienen. Aber ich nehme es nicht übel; denn Sie können hier nicht alles gleichzeitig im Kopf präsent haben, was sich in diesen 200 Seiten — —

    (Abg. Dr. Klepsch: Als der Kollege Damm das vorhin vorgetragen hatte, wurde er gestraft, weil er unvollständig zitiert habe!)

    — Ich habe den Kollegen Damm weder zu strafen, noch habe ich das versucht, sondern ich antworte hier auf eine Bemerkung des ersten Redners Ihrer Fraktion, die ich als ernstgemeint aufgefaßt habe und der ich eine ernstgemeinte Antwort erteile.
    Wenn Herr Damm nun mit vielen Worten bemängelt, daß in diesem Regierungsdokument nicht ein ganzes Kapitel meines Buchs wieder abgedruckt worden ist, so glaube ich, daß er das selbst nicht ganz ernst nehmen kann.

    (Abg. Damm: Nicht einmal das Wort!)




    Bundesminister Schmidt
    Die Breschnew-Doktrin ist keine Angelegenheit, die bei der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland und bei der Lage der Bundeswehr hätte behandelt werden müssen. Außerdem ist sie im Weißbuch gestreift. Sie müssen einmal ein bißchen nachlesen; ich will Sie nur nicht durch lauter Zitate am Abend noch festhalten. Im übrigen ist die Breschnew-Doktrin für den, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht, im römischen NATO-Kommuniqué erneut behandelt. Aber ich sage noch einmal: das Weißbuch ist nicht der Ort, an dem wir uns mit sowjetischen Völkerrechtsinterpretationen auseinanderzusetzen haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Es ist wirklich nicht der Ort. — Wenn es einmal ein Weißbuch für die deutsche Außenpolitik geben würde,

    (Abg. Damm: Ich bin anderer Meinung!)

    dann würde es dort ganz bestimmt hineingehören. Das wäre übrigens vielleicht eine interessante Sache, einmal ein Weißbuch zur deutschen Außenpolitik zu haben.

    (Abg. Damm: Ich stelle fest: Wir sind in dieser Sache verschiedener Meinung!)

    — Nein, wir sind nicht verschiedener Meinung in bezug auf die Doktrin, sondern bezüglich der Frage, ob sie in dieses Buch hineingehört.

    (Beifall bei der SPD.)

    Den Streit zur Sache möchte ich im Augenblick als noch nicht geführt ansehen.
    Dann hat jemand von Ihnen gefragt — und das ist nun allerdings der wichtigste Punkt, den ich hier heute abend vor aller Öffentlichkeit deutlich klarstellen muß — ,ob wir denn vielleicht zur Stolperdraht-Funktion zurückwollten und ob wir eine niedrigere atomare Schwelle wünschten, d. h. in Kauf nehmen wollten, daß in Zukunft möglicherweise durch das Bündnis eher von nuklearen Waffen Gebrauch gemacht werde als bisher vorgesehen.
    Dies ist nicht die Auffassung der Bundesregierung. Das muß ich ganz eindeutig sagen. Die Bundesregierung hält fest — wie auch unsere Verbündeten — am Konzept der beweglichen Erwiderung oder der „flexible response". Im Gegenteil, ich habe vorhin ausgeführt — Sie finden das im Weißbuch ausführlicher wieder, als ich es heute nachmittag gesagt habe —, als ich von den Prinzipien unserer Sicherheitspolitik sprach — ich habe deren fünf genannt —, daß eines dieser Prinzipien ausdrücklich heißt: Zurückhaltung beim Gebrauch nuklearer Waffen durch das Bündnis. Ich bitte Sie, es im Protokoll zu vergleichen; Sie haben das überhört.
    Hier gibt es überhaupt keinen Gesinnungswandel. Eher gibt es — nicht nur, aber auch unter dem Einfluß unserer Kollegen von der FDP — eine Verstärkung der Tendenz, die dahin zielt, den deutschen Anteil an den Vorbereitungen für einen solchen möglichen Fall noch zu verringern, ihn allerdings — da wiederhole ich eine Meinung, die sich auf Koalitionsvereinbarungen dieser beiden Parteien stützt nicht auf Null zu bringen, weil das uns das Mitspracherecht nähme.
    Ich will nicht noch einmal darauf zurückkommen
    — der Bundeskanzler hat das schon angedeutet —, welch erheblicher Fortschritt in der Sache — auch im Detail — in der Entwicklung von Reykjavik bis zu dieser besonderen MBFR-Erklärung von Rom liegt, die eine Reihe von Kriterien enthält, die die westlichen Bündnispartner für beiderseitige Rüstungsverminderungen in Europa gemeinsam nennen. Aber ich will doch sagen, Herr Dr. Zimmermann: Die „Prawda" ist nicht unbedingt ein Barometer für sowjetisches Verhalten im Laufe der nächsten 12 oder 18 Monate — wann immer es zu einer Konferenz über solche Fragen käme. Die „Prawda" ist natürlich von ganz großer Bedeutung, aber ihre Hauptaufgabe ist sicherlich, die innenpolitische Wirkung in der Sowjetunion und — wenn ich so sagen darf — die innenpolitische Wirkung innerhalb des Warschauer Paktes und unter den kommunistischen verbündeten Staaten und Parteien zu erzielen. Es ist darüber hinaus auch für uns wichtig, sie zu lesen. Ich denke nicht, daß man davon ausgehen darf, daß die Sowjets dieses Angebot ohne weiteres annehmen. Nur werden sie in dem Maße, in dem sie es mit ihrem Konferenzvorschlag ernst meinen, erkennen, daß sie ernst nehmen müssen, daß wir diesen Punkt dann allerdings auf die Tagesordnung einer solchen Konferenz setzen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Über Frankreich habe ich schon eine Andeutung gemacht.
    Ich muß einen Wortlaut aufgreifen, der mißverständlich war. Es ist nicht der Verteidigungsetat — auch nicht der Rüstungsetat — um 2 1/2 Milliarden DM gekürzt worden, sondern es ist angekündigt worden, daß die Umschichtungen zugunsten des sozialen Status des Soldaten, zugunsten der Bildung und zugunsten der Berufsförderung für eine Reihe von Jahren vorläufig etwa in einer Größenordnung von 600 Millionen DM liegen. Sie haben das dann mit 4 Jahren multipliziert, und so sind Sie auf 2 1/2 Milliarden gekommen. Ober haben wir es multipliziert? Ich weiß es nicht.

    (Abg. Dr. Klepsch: Sie haben es multipliziert!)

    Das mag für vier Jahre so sein; das wird sicherlich nicht über zehn Jahre hinweg so bleiben.
    Im übrigen haben Sie ja zu den Fragen des Plafonds des Einzelplans 14 den Herrn Bundeskanzler gehört.
    Mir bleibt noch übrig, auf ein paar Bemerkungen über MRCA einzugehen. Vieles was hier gesagt worden ist, ist mir sehr verständlich, weil es auf einem unzureichenden Informationsstand der einzelnen Kollegen, die hier gesprochen haben, aufbaut. Ich bin sehr gehandikapt und zögere sehr, meinerseits in diese Debatte einzusteigen, denn mein Informationsstand ist nach meinem eigenen Urteil noch nicht zureichend, um ein abschließendes Urteil zu bilden.

    (Abg. Damm: Warum haben Sie dann 420 gesagt?)




    Bundesminister Schmidt
    — Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: weil das gegenüber den ausländischen Partnern notwendig war. Es tut mir leid, daß Sie nicht so viel Taktgefühl aufbringen können, um mir diese Antwort zu ersparen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mein Gott, das hätte man ja auch irgendwie im Privatgespräch klären können!

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Irgendwo, lieber Freund, nehme ich es ernst mit der These, die mein Amtsvorgänger aufgestellt hat, daß man sich bemühen muß, in Dingen der Sicherheit, wo es möglich ist und soweit es möglich ist, miteinander zu kooperieren, um keinen Schaden eintreten zu lassen.
    Alle Entscheidungen über diese Höchstzahl hinaus bleiben offen und müssen offenbleiben. Das MRCA wird ganz bestimmt kein reines Erdkampfflugzeug. Es gibt dieses Flugzeug überhaupt noch nicht. Alles, was die Kollegen hier darüber reden, klingt für den Laien so, als ob es ein Flugzeug wäre, das man irgendwo besteigen und ausprobieren könnte. Es gibt keinen einzigen Prototyp davon. Es dauert noch Jahre, bis der erste fliegt. Und selbst wenn uns ein Bundestag überflüssigerweise drei Milliarden DM zusätzlich bewilligte, könnte er keinen Tag früher kommen, als die gegenwärtigen Pläne vorsehen. Und dann weiß immer noch niemand, wie gut er funktionieren wird. Dann muß man das MRCA immer noch ausprobieren. Dann kann es immer noch passieren, daß wir es nicht in Serie bauen können. Deswegen finde ich diese ganzen Philosophien, die sich an die Überlegungen knüpfen, wie schnell wir dieses Flugzeug wohl bekommen, damit der Starfighter abgelöst werden kann, restlos voreilig. Es kann Ihnen immer noch passieren, daß wir etwas ganz anderes machen.
    Ich finde dieses Projekt — hier stimme ich mit meinem Amtsvorgänger überein — unter außenpolitischen Gesichtspunkten interessant. Es wäre das erste wirklich bedeutsame Rüstungsprojekt, das hier in Europa in Zusammenarbeit mehrerer europäischer Staaten, insbesondere der Engländer und der Deutschen, entsteht. Das finde ich außenpolitisch und auch unter den Aspekt der Europapolitik hochinteressant.

    (Abg. Schneider [Königswinter] : Und technisch!)

    - Technisch sowieso, Herr Schneider. Aber ich bitte
    auch einmal zu erfühlen, daß das Projekt Risiken in sich birgt, die auch nicht durch eine innerhalb von 14 Tagen stattfindende neue Unterrichtung des Verteidigungsausschusses des Bundestages kleiner oder größer werden.
    Im Hinblick auf alles — das sage ich vielen Kollegen, die dazu gesprochen haben —, was Sie bei früherer Gelegenheit im Verteidigungsausschuß des Bundestages dazu vorgetragen bekommen haben, mache ich einen Generalvorbehalt. Mir können Sie das, was Sie bei früherer Gelegenheit dazu gehört haben, nicht vorhalten. Im Gegenteil, Sie wissen von mir aus zwei Sitzungen des Verteidigungsausschusses, daß ich es abgelehnt habe, mich gegenwärtig auf irgend etwas festzulegen, mit der einzigen Ausnahme, daß ich gesagt habe — ich habe nicht, wie hier einige zitiert haben, gesagt: wir beschaffen 400 Flugzeuge dieses Typs —: Entgegen den Plänen, die der Verteidigungsausschuß bisher zustimmend zur Kenntnis genommen hat — vielleicht hieß es auch nur: zur Kenntnis genommen hat; ich bin nicht ganz sicher, ob das Wort „zustimmend" vorkam —, in denen von etwa 800 Flugzeugen für Marine und Luftwaffe gemeinsam die Rede war, kann eine Zahl oberhalb von 420 überhaupt nicht in Betracht kommen. Das ist das einzige, worauf ich mich festgelegt habe. Damit ist nicht gesagt, womit die etwa entstehende Lücke auszufüllen wäre. Damit ist auch keineswegs gesagt, daß es 420 Flugzeuge sein werden. Es können auch weniger sein. Diese einzige Festlegung war — ich habe es schon gesagt — im Hinblick auf die Gespräche, die wir mit unseren beiden ausländischen Partnern führen, notwendig.
    Ich habe meine Bemerkungen heute mittag über Lobbyismus aus Reihen der Abgeordneten ganz besonders wegen des Drucks gemacht, der auf mich in Sachen MRCA ausgeübt wird. Ich sehen den Kollegen Schneider hier sitzen. Er ist zu mir gekommen und hat gesagt, einige Kollegen hätten meine Bemerkungen mißverstanden und gemeint, sie hätten sich auf ihn bezogen. Er ist nicht gemeint gewesen. Das möchte ich hier deutlich sagen, damit das niemand mißversteht. Ich empfinde diesen Druck — auch hier im Plenum ausgeübt — als der Sache absolut unangemessen. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen. Sie haben die Möglichkeit, mich zu Aussagen zu zwingen. Sie können einen Untersuchungsausschuß einsetzen. Dann werden Sie herausfinden, daß ich bisher keine einzige Entscheidung getroffen habe. Kein Untersuchungsausschuß wird der Bundesregierung eine Entscheidung abzwingen können. Das Mittel des Untersuchungsausschusses haben Sie; doch ich empfehle Ihnen, sich zu überlegen, ob Sie sich wirklich dieses Mittels bedienen wollen.
    Außerdem möchte ich Sie bitten, sich als Abgeordnete innerlich einmal die Frage zu stellen, ob es eigentlich gut ist, wenn Sie hier als freiwillige und unbezahlte Lobbyisten Ihrer jeweiligen Reservistenwaffengattung oder Streitkraft auftreten. Zum Teil werden hier Dinge vorgetragen im, wie man denkt, wohlverstandenen Interesse der eigenen Waffengattungen oder der eigenen Teilstreitkraft, die nicht ganz der fachlichen Beurteilung standhalten. Ich nehme das nicht übel, aber ich bitte ganz freundlich, sich einmal zu überlegen, ob das sein muß.
    Damit mich das Haus klar versteht: Vor der Sommerpause wird es nichts mit einer Entscheidung, die Ihnen vorgetragen werden könnte, weder über MRCA noch über das Flottenbauprogramm, noch über den Hubschrauber, noch über den Fla-Panzer. Ich unterstreiche, was Herr Jung zum Fla-Panzer gesagt hat. Ich fand diese Probleme vor, ich kann sie auch nicht in sieben Monaten entscheiden, nachdem sie vorher zum Teil sieben Jahre gelegen haben. Beides sind keine herausggeriffenen Zahlen. Aber



    Bundesminister Schmidt
    ich habe heute mittag meine Bereitschaft erklärt — und ich wiederhole sie hier —, Ihnen Anfang Juli — ich nehme an, daß ich im Laufe des Monats Juni soweit kommen kann — ganztägig zu all diesen Projekten zur Verfügung zu stehen.

    (Abg. Damm: Wir haben diese Entscheidung auch nicht aus dem hohlen Bauch zur Kenntnis genommen! Uns ist das doch auch alles mit sehr vielen detaillierten Argumenten vorgetragen worden!)

    Ich kann immer nur warnen — ich gehöre dem Haus mit einer Unterbrechung seit 1953 an; ich war 1955 Vorsitzender eines Unterausschusses des Verteidigungsausschusses für Beschaffung — vor dem Tempo, mit dem der Verteidigungsausschuß oder sein Vorgänger, der Sicherheitsausschuß, Rüstungsbeschaffungsvorlagen akzeptiert haben. Ich kann davor nur warnen. Ich habe in zwei Kardinalfällen vorher dringend gewarnt, bei denen die spätere Entwicklung meine Besorgnisse bestätigt hat. Ich will das nicht vertiefen. Ich denke nur, daß die Kollegen im Verteidigungsausschuß ihre Urteilskompetenz in solchen Fragen richtig einschätzen sollten.
    Ich will hier auf viele weitere Einzelheiten nicht eingehen.
    Herr Stahlberg, ich habe Ihnen nicht vorgeworfen, daß Sie die Truppe nicht besucht hätten, sondern ich habe mich dagegen gewehrt, daß Sie mir vorwarfen, ich hätte die Truppe zuviel besucht. Sie haben einen Aufsatz mit der Überschrift „reist und reist und redet und redet" geschrieben. Dagegen habe ich mich gewehrt; ich fand es nicht so besonders nett. Ich bin nicht empfindlich gegen Kritik. Ich möchte hier meine Bereitschaft zur Zusammenarbeit wiederholen. Es geht nur nicht, daß man fachlich-sachlich und freundschaftlich-kollegial im Verteidigungsausschuß — das Plenum ist ja heute ein Ausschußersatz geworden durch vielerlei Beiträge, ich kann nicht dafür — über alles mögliche freundlich redet und dann draußen Reden hält, Artikel schreibt und Interviews gibt, die im Grunde eine solche Art der Zusammenarbeit unterminieren müssen.
    Wenn jemand gesagt hat, die Bestandsaufnahme dürfe nicht zu einer Verhinderung von Novellierungsgesetzen werden, so kann ich dazu nur sagen: Wenn ich diesen Satz in den Mitteilungen für die Truppe abdruckte, würde die halbe Armee darüber lachen, und die andere Hälfte würde sich darüber wundern. Denn in Wirklichkeit weiß doch jeder in der Armee, daß Herr Hoogen recht hat mit dem, was er nach seinem Ausscheiden aus dem Amt gesagt hat. Als er ein freier Mann geworden war, hat er ausweislich der „Rheinischen Post" auf einer Veranstaltung eines Arbeitskreises der ChristlichDemokratischen Union gesagt — es sollen dort herbe Worte der Kritik von seiner Seite gefallen sein; das will ich alles offenlassen, ich zitiere nur das, was hier in Gänsefüßchen abgedruckt ist —, Sie hätten die Probleme, auf seine eigene Partei gemünzt, die jetzt im Weißbuch behandelt werden, schon vor Jahren aufgreifen müssen. „Hier ist viel versäumt worden." So ist es.
    Ich hätte das alles nicht gesagt, wenn nicht heute mindestens sechsmal jemand von Ihnen gesagt hätte: warum ist dies noch nicht, warum ist das noch nicht? Wir machen es doch erst seit sechs Monaten, Sie haben es über 15 Jahre gemacht. Sie müssen einmal ein bißchen sachlich sein.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ein paarmal ist hier vom sozialdemokratischen Parteitag die Rede gewesen. Ich habe nichts dagegen, daß Sie sich unseren Kopf mit zerbrechen. Nur, die Mehrheiten zu den Anträgen, die Herr Damm hier zitiert hat, waren auf dem Parteitag eindeutig. Herr Damm, wir kennen uns seit vielen Jahren, auch aus Hamburg, nicht erst aus diesem Hause. Ich finde, Sie sollten sich auch überlegen, ob Sie mit der Zitierung solcher Geschichten wirklich zur Verlängerung eines Märchens beitragen wollen, das Herr Wörner durch eine Zwischenfrage wieder aufgewärmt hat, des Märchens, die Sozialdemokraten seien den Soldaten gegenüber eine unzuverlässige Gesellschaft. Das schien mir jedenfalls dabei unterschwellig anzuklingen. — Wenn Sie das nicht gemeint haben, wenn Sie jetzt mit dem Kopf schütteln, höre ich sofort auf, darüber zu sprechen.
    Nur, lieber Herr Wörner: wenn die Maxime von Dr. Gerhard Schröder, die ich noch einmal in Erinnerung rufen will, weil ich ihr im Grunde zustimme — in Sicherheits- und Verteidigungsfragen sollte man sich gegenseitig nicht mehr Schwierigkeiten als geboten machen, und man sollte nicht mehr zerhacken, als wirklich auseinandergenommen werden muß —, richtig ist, müssen auch Sie, dem soeben schon gesagt worden ist, daß er damals gar nicht dabei war, mit diesen simplifizierenden Darstellungen von Debatten in diesem Hause aufhören, die vor anderhalb Jahrzehnten unter völlig anderen außenpolitischen Voraussetzungen geführt wurden. Ich will gar nicht weiter darauf eingehen, und ich polemisiere jetzt gar nicht.
    Ich bin damit am Schluß. Ich habe, so denke ich, bis zum heutigen Tage niemandem in der Oppositionsfraktion Grund gegeben — weder durch das, was ich in der Öffentlichkeit gesagt oder geschrieben habe, noch durch das, was ich hier im Parlament geäußert habe —, sich in Fragen Sicherheitspolitik oder Bundeswehr verletzt zu fühlen. Ich bitte mir nachzusehen, daß ich es, nachdem ich in den letzten Wochen und Monaten vielerlei Böses habe lesen müssen, allerdings heute einmal für notwendig hielt, darauf zu anworten — nicht zuletzt deshalb, um zu zeigen, daß ich es notfalls immer noch kann. So ist es nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Aber schön ist es nicht, wenn man so miteinander reden muß. Meine Bereitschaft haben Sie, sofern in Zukunft bei gewissen Presseverlautbarungen und Interviews Ihrer Seite ein bißchen mehr Sorgfalt waltet. Ich meine damit gar nicht Herrn Kiesinger; denn ihn habe ich als einen Sicherheitspolitiker nie ernst genommen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)






Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Wörner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure es an sich, die Debatte noch einen kleinen Moment verlängern zu müssen. Ich hätte wirklich gewünscht, Herr Schmidt, daß wir nicht nur uns, sondern vor allen Dingen auch Abwesenden dieses Maß an Polemik ersparen, mit dem Sie sich selbst ununterbrochen Lügen strafen. Man kann nicht auf der einen Seite in einer Weise, wie Sie es eben getan haben, empfindlich auf sicher gelegentlich polemische Äußerungen reagieren, und dann andererseits dn einer so massiven und abwertenden Weise auf Mitglieder dieses Hohen Hauses zu sprechen kommen.
    Im übrigen, so glaube ich, hat es gerade der von Ihnen zuletzt genannte Politiker am allerwenigsten nötig, von mir Ihnen gegenüber in Schutz genommen zu werden. Ich wünschte mir, Sie würden als Verteidigungsminister dermaleinst so viel leisten, wie dieser Mann im Deutschen Bundestag und in der Regierung geleistet hat. Dann könnten wir alle zu einem sehr positiven Urteil über Sie kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)

    Lassen Sie mich einiges zurechtrücken und auch ein bißchen die Fronten in diesem Gefecht klären. Ich habe den Eindruck, daß die Fronten am Schluß ein wenig verschwommen sind. Lassen Sie mich auch noch ein paar Dinge herausgreifen, die meines Erachtens unbeantwortet im Raum stehengeblieben sind.
    Zunächst zu meiner persönlichen Bemerkung. Ich weiß nicht, ob Sie der Debatte ausreichend gefolgt sind, um zu wissen, aus welcher Situation heraus ich die Zwischenfrage gestellt habe, ob es der Integration der Bundeswehr in diese Gesellschaft gedient hat, daß der Soldat in seiner Funktion von - das können Sie im Protokoll nachlesen — einzelnen Sozialdemokraten während vergangener .Jahrzehnte laufend verketzert worden ist. Das trifft nicht Sie. Diese Frage muß aber erlaubt sein, wenn man von eben der Partei, die zunächst einmal die Ohne-mich-Stimmung hochgekurbelt und sich dann auf diese gestützt hat, zu hören bekommt, daß man nicht genug für diese Bundeswehr getan habe, die man selbst zunächst einmal doch gar nicht wollte. Das bezieht sich gar nicht auf die Debatte hier im Bundestag.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Schmidt, wenn lauter Sozialdemokraten Ihres Schlages und, was die Bundeswehr anlangt, Ihrer Stellung und Ihrer Courage gegenüber der Bundeswehr und Ihrer eigenen Partei schon in den Anfangsjahren vorhanden gewesen wären, dann hätte ich weder die Notwendigkeit gefühlt noch die Möglichkeit gehabt, eine solche Zwischenfrage zu stellen. Aber es ist doch einfach unerhört, wie man so tut, als ob die Sozialdemokratie seit Gründung der Bundeswehr keine andere Sorge gehabt habe, als diese Bundeswehr zu hegen, zu pflegen, zu fördern und immer weiter zu entwickeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Schmidt, lassen Sie mich das sagen: Es ist wohl kaum je ein Minister in den ersten Monaten seiner Amtsführung so glimpflich und so fair und schonend behandelt worden wie Sie.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ich gehöre zu denen, und das sage ich jetzt nicht polemisch, die immer und immer wieder auch draußen vor der Truppe sagen: Ich bin gar nicht unglücklich darüber, daß einmal ein Sozialdemokrat als Bundesverteidigungsminister das sagen kann und sagen muß, was wir hier gehört haben; beispielsweise, daß der Soldat in der Lage sein muß zu kämpfen, damit er nicht kämpfen muß. Wann hätten wir das je in dieser Form von diesem Podest von einem sozialdemokratischen Bundesminister sonst zu hören bekommen?

    (Abg. Fellermaier: Aber Herr Wörner, machen Sie doch keine Geschichtsklitterung hier!-Weiterer Zuruf der der SPD: Ich lasse Ihnen mal Auszüge zukommen!)

    Deswegen haben Sie an sich keine Ursache, zu klagen. Ich bin der Meinung und gebe das ganz offen zu, daß nicht alle Polemik hin und her in dieser Debatte der Bundeswehr und der Debatte über das Weißbuch genützt hat. Das gilt sicherlich gleichermaßen für alle Seiten des Hauses. Ich stimme Ihnen völlig zu, wenn Sie sagen, wir müßten hier versuchen, gerade was die Bundeswehr anlangt, kleinkarierte Polemik aus dem Spiel zu lassen. Aber genauso, wie ich selber diese Meinung gern beherzigen möchte, muß ich Sie bitten, sich dann ebenfalls in der Wahl Ihrer Worte und in der Wahl Ihrer Polemik selbst zu disziplinieren. Dafär haben Sie in dieser Debatte, so glaube ich, einige Beispiele geliefert.
    Aber nun zur Klärung der Fronten. Ich darf noch einmal zusammenfassen, damit. hier nichts Falsches stehenbleibt, wo wir die Bundesregierung, den Bundesverteidigungsminister unterstützen. Bei all den Maßnahmen, die im Verteidigungsweißbuch in recht brauchbarer, nützlicher Form zusammengestellt sind und die dazu dienen, wie Sie es mit Recht hervorgehoben haben, die psychologische Situation, die innere Lage der Bundeswehr zu bessern; bei all den Maßnahmen, bei denen es darum geht, die Stellung des Soldaten in dieser Gesellschaft, also nicht nur die soziale, sondern auch die gesellschaftliche Stellung, aufzubessern, haben Sie unsere Unterstützung, und zwar unsere uneingeschränkte Unterstützung.
    Ich stehe nicht an zu sagen, daß mir das Weißbuch gefallen hat, aus verschiedenen Gründen, zumindest in dem Teil — auf das andere komme ich noch —, der sich mit der inneren Lage der Bundeswehr befaßt. Was mir besonders gefallen hat - ich weiß nun nicht, ob das Ihre Handschrift ist, ich will Ihnen gern diesen Lorbeer lassen, oder ob das die Handschrift eines Mannes ist, der hinter Ihnen sitzt —, ist das gute Deutsch, in dem dieses Weißbuch abgefaßt ist. Das darf man in diesem Saal auch einmal sagen.



    Dr. Wörner
    Ich bin auch dankbar dafür — ich wiederhole es —, daß Sie hier ausgeführt haben, daß der Soldat für sich in Anspruch nehmen kann, Friedensdienst zu leisten. Es ist ja längst nicht mehr so, daß bei uns der Kriegsdienstverweigerer derjenige wäre, der im Ghetto ist und sich verteidigen muß, den man anklagt. Heute ist es doch so, daß man dem Wehrpflichtigen, der seiner Wehrpflicht genügt, zu suggerieren versucht, daß er das nur schlechten Gewissens tun könne. Nein, er kann beanspruchen, daß er für den Frieden mindestens ebensoviel tut, wie der, der den Wehrdienst verweigert.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auch da gibt es, wie gesagt, zwischen uns und zwischen Ihnen, zwischen den Koalitionsfraktionen und der Opposition, keinerlei Streit.
    Wir sollten diese Debatte auch nicht so auffassen, daß in diesen Punkten und in unserer Einigkeit hier auch nur der leiseste Ton der Diskrepanz auftaucht, denn das würde dieser Bundeswehr sicherlich nichts nützen, sondern ganz im Gegenteil. Hier wünsche ich Ihnen ich sagte es Ihnen schon in einer Fernsehsendung, ich sage es hier noch einmal — unabhängig von der Partei, der Sie angehören, persönlich vollen Erfolg, und zwar nicht um Ihretwillen - so uneigennützig bin ich gerade auch nicht , sondern um der Bundeswehr willen. Ich würde das jedem anderen Verteidigungsminister gleichermaßen sagen. Da hat mein Kollege Klepsch recht: Sie haben das Glück, eine Opposition zu haben, die in diesen Punkten hundertprozentig und, wenn es sein muß, auch gegen Ihre eigene Partei hinter Ihnen steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Überheblichkeit!)

    Nun lassen Sie mich noch einmal die drei oder vier zentralen Einwände wiederholen, die nach dieser Debatte und nach Ihrer Antwort, Herr Bundesverteidigungsminister, bei meiner Fraktion und mir zurückgeblieben sind.
    Zunächst einmal sagten Sie, diese Bundeswehr habe es nicht nötig, daß man laufend Bekenntnisse zu ihr ablege. Wenn das ein Mann wie Sie sagt, nehme ich ihm das ab. Nur glaube ich nicht, daß das die tatsächliche Lage der Bundeswehr und die Notwendigkeiten trifft. Ich beobachte immer wieder — und ich lasse mich hier gern als Lobbyist der Bundeswehr, als ein Reservist der Bundeswehr bezeichnen -, daß Soldaten unterschiedlicher Range, bis gelegentlich hoch zu Generälen, aber auch herunter bis zu den Unteroffiziersanwärtern, so möchte ich einmal sagen, res erleben müssen, daß Politiker in ihren Veranstaltungen beispielsweise sehr viel mehr Zeit, Energie und Raum darauf verschwenden, über populäre Maßnahmen zu reden, darüber, daß man Straßen und Schulen bauen müsse usw. — darüber sprechen wir ja alle —, daß sich aber kaum jemand mehr bereit findet, der Bevölkerung zu sagen, warum diese Bundeswehr nötig ist und daß der Preis, den wir für die Freiheit zahlen müssen, der Dienst in der Bundeswehr ist. Die Bundeswehr fühlt, daß diese Courage querbeet nicht mehr besteht. Das ist weder allein an Sie noch allein an uns gesagt, sondern das geht uns alle an.
    Hier widerspreche ich Ihrer Aussage auf das energischste. Es darf einfach nicht vorkommen, daß die Bundeswehr gelegentlich auf unflätige Weise in Zeitungen angegriffen wird, ohne daß das Verteidigungsministerium die Notwendigkeit empfindet, sich vor die Soldaten zu stellen und Anwürfe, die nicht berechtigt sind, zurückzuweisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Da könnte ich Ihnen Beispiele nennen. - Das war Einwand Nummer eins.
    Einwand Nummer zwei. Es läßt sich nicht ganz so einfach darüber hinwegreden, Herr Schmidt, daß die Umschichtung von Mitteln und die sogenannte Streckung des Verteidigungsetats, vor allen Dingen des Rüstungsprogramms, ganz erhebliche Auswirkungen hat. Das hat auch der Kollege Zimmermann, wie ich glaube, in vortrefflicher Form, und zwar unpolemisch, gefragt. Die Bundeswehr wird Not leiden, und ich möchte sogar behaupten, daß auf lange Frist nicht nur die Schlagkraft dieser Truppe darunter leiden könnte, sondern ganz sicher auch das Betriebsklima der Bundeswehr. Denn ich habe immer wieder feststellen können, daß die guten jungen Soldaten und auch die guten älteren Soldaten etwas leisten wollen und daß sie gegenüber den Möglichkeiten und Waffen, die man ihnen an die Hand gibt, ungemein kritisch sind. Sie wollen keine Pappkameraden spielen, sondern wollen wissen, daß sie so ausgerüstet sind, daß sie ihren Auftrag erfüllen können.
    Da könnte es sehr wohl sein, daß die Streckung, die, wie ich glaube, gar nicht so einfach aufzuholen sein wird, wie Sie es skizziert haben, dazu führt, daß gerade die Besten in der Bundeswehr anfangen, an ihrer Waffe, an ihrem Auftrag und an ihrer Aufgabe zu zweifeln.
    Ich sage Ihnen darum - ich sage das mehr als
    Bitte -: Überlegen Sie sich gut, ob nicht unsere Anmerkung jenseits aller parteipolitischen Polemik der berechtigten Sorge um die Abschreckungskraft, dieses Bündnisses und dieser Bundeswehr entspricht. Denn Sie selbst sind ja einer derer, die immer wieder von der Abschreckungswirkung der Bundeswehr mit Recht gesprochen haben und ein Buch darüber geschrieben haben, das ich, wenn ich Ihnen das hier sagen darf, für gut halte.
    Sie haben diesen Punkt dann ein bißchen, wie ich glaube, zu sehr herabgespielt: man brauche nicht das meiste und beste und nicht überzüchtetes Gerät usw. Ich weiß nicht, ob Sie da nicht aus der Not eine Tugend gemacht haben. Diese Frage, Herr Schmidt, müssen Sie uns in diesem Hause oder im Ausschuß noch sehr viel eingehender beantworten, als Sie das bis jetzt getan haben.
    Ich will es mir versagen, auf die MRCA-Geschichte einzugehen. Ich teile Ihre Auffassung: Dieses Ding ist viel zu heikel, als das es hier in aller Breite diskutiert werden sollte. Ich persönlich bin überdies in Ihren Augen ja befangen, weil ich Lobbyist dieser Teilstreitkraft bin.
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode —54. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2. Juni 1970 2813
    Dr. Wörner

    (Abg. Buchstaller: Wieviel Redezeit hat der denn?)

    — Wenn es Ihnen unangenehm ist, Herr Buchstaller, mich anhören zu müssen, — —(Zuruf von der SPD: Nein! Langweilig ist
    es!)
    — Ausgezeichnet!

    (Abg. Fellermaier: Sie waren doch Parlamentsreformer in Ihrer Fraktion!)

    — Wenn Sie mich schon als Parlamentsreformer apostrophieren — ich habe mir diesen Titel nicht gegeben —, wenn Sie das schon tun, dann möchte ich Ihnen etwas sagen:

    (Zuruf von der SPD: Das ist ja zum Gähnen!)

    zur Parlamentsreform gehört nach Ihren eigenen Beteuerungen doch die Chancengleichheit von Regierung und Opposition.

    (Zuruf von der SPD.)

    Und jetzt zählen Sie bitte zusammen, wie lange der Bundesverteidigungsminister und der Bundeskanzler zusammen gesprochen haben! Sie werden uns dann erlauben, daß wir dazu wenigstens noch einige Ausführungen machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Es kommt darauf an, was Sie sagen!)

    Herr Schmidt, ich glaube, Sie haben recht, wenn Sie sagen, Sie wehren sich, vorschnelle Entscheidungen zu treffen. Aber es bleibt der Widerspruch bestehen, daß Sie dennoch eine Entscheidung getroffen haben, nämlich die, soundso viele nicht zu bauen. Ich wünschte mir, Sie hätten auch diese Entscheidung zurückgestellt; denn Sie werden feststellen: Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als diese Entscheidung in der einen oder anderen Form zu korrigieren; denn sonst sind bis zu dem Jahr, in dem Sie die 400 haben, so viele vom Himmel gefallen, die Sie erneuert haben müssen, daß die Kosten wahrscheinlich noch beträchtlich höher werden. Ich möchte das, wie gesagt, nicht ausführen; ich sage es Ihnen hier bloß in der Form einer Prophezeiung. Wir werden uns im Ausschuß darüber weiter unterhalten.
    Eine letzte Bemerkung und eine letzte Einschränkung: Es war mir sehr interessant, von Ihnen zu hören, daß Sie persönlich bei der Wortwahl und bei der Darstellung der potentiellen Bedrohung aus dem Osten sich offensichtlich anderer Worte bedienen und von anderen Motiven getragen sind als von denen, wie sie uns, wie ich finde, in einem musterhaften Stil der Kollege Wienand dargestellt hat. Ich meine das gar nicht polemisch. Erinnern Sie sich an den Haupteinwand des Barons von Guttenberg gegenüber der neuen Ostpolitik: man glaubt, dadurch, daß man die Dinge nicht mehr beim Namen nennt, die anderen zum Nachgeben bewegen zu können. Man glaubt also, durch Wortwahl den Bewußtseinswandel herbeireden zu können!
    Ich finde, es ist bei manchen Ihrer Parteifreunde eine ganz charakteristische Gefahr, daß man sich nicht mehr traut, in aller Ausführlichkeit davon zu sprechen, was eintreten könnte, wenn sich die Absichten der russischen Führung von heute auf morgen ändern, wenn man das Potential sieht, das dieser Regierung zur Verfügung steht. Denn davon geht langfristig aus — das können Sie gar nicht verhindern —, daß die Verteidigungsbereitschaft in unserem Volk nachläßt.

    (Glocke des Präsidenten.)

    Ich möchte damit schließen, daß ich Ihnen sage: Es war nicht gut, auf den Wehrbeauftragten Hoogen und sein Zitat zu sprechen zu kommen. Ich könnte dem ein anderes Zitat entgegensetzen, das Sie in seinem Bericht nachlesen können, wonach der letzte Bundestag von 65 Gesetzen für die Bundeswehr 55 verabschiedet hat.
    Ich persönlich meine aber: Es kann um die Bundeswehr nur einen einzigen Wettstreit zwischen uns geben, nämlich den Wettstreit des Handelns. Das Weißbuch ist, wie ich glaube, auf der Basis der inneren Situation eine brauchbare Arbeit. Wir sollten darin — und in nichts anderem —, wetteifern, aus diesem Vorhaben Gesetz werden zu lassen. Ich bin sicher, daß die CDU/CSU bei einem solchen Wettbewerb nicht schlecht abschneiden wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)