Rede von
Konrad
Porzner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Jetzt nicht, nachher.
Zweitens. Die CDU/CSU-Fraktion hat im Ausschuß kein Wort darüber gesagt und keinen Antrag dazu gestellt — ich möchte nur vorweg auf ein paar Argumente eingehen, die Herr Krammig hier gebracht hat —, daß die paar Dinge, die in diesem Gesetzentwurf mitgeregelt werden und die nicht in sachlichem Zusammenhang mit dem Aufwertungsverlust der Landwirtschaft stehen, gestrichen werden. Sie haben recht, es sind ein paar Dinge darin. Darüber haben Sie im Ausschuß kein Wort verloren, und dazu haben Sie auch keinen Antrag gestellt. Einige derartige Dinge haben wir einstimmig beschlossen, und zwar im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Finanzausschuß.
— Sie können die Protokolle nachlesen, wenn sie vorliegen.
Drittens. Sie sagen, dieser Gesetzentwurf stehe nicht im Einklang mit den Bestimmungen der EWG. In der Drucksache zu VI/79 erklärt die Bundesregierung auf der Seite 2 unten:
Damit billigte der Rat der Europäischen Gemeinschaften die Konzeption des vorliegenden Gesetzentwurfs jedenfalls bis zum Jahre 1973.
Es ist also nicht richtig, Herr Krammig, daß zwischen dem, was wir hier beschließen, und dem EWG- Vertrag und dem EWG-Recht, wie Sie sagen, ein Widerspruch bestehe.
Viertens. Hier wird gesagt, die Mehrwertsteuer werde zu einer Dienerin der Wirtschaftspolitik gemacht. Damit wird ganz allgemein ausgedrückt, daß die CDU/CSU-Fraktion wirtschafts-, sozial-, bildungs-, struktur- und andere politische Maßnahmen über steuerliche Begünstigungen grundsätzlich für falsch hält. Unsere Steuern dienen nicht nur der Deckung des öffentlichen Bedarfs, sondern mit den Steuern werden auch sozial-, wirtschafts- und andere politischen Zwecke verfolgt.
Es bleibt eine Frage der Steuerreform, wieweit man hier zu einer klareren Trennung zwischen den Ausgaben und direkten Subventionen einerseits und einer Bereinigung und Verminderung der Steuervergünstigungen bei der Steuererhebung andererseits kommen will. Das ist eine schwierige Aufgabe, mit der sich das Parlament wird beschäftigen müssen.
Herr Krammig, Sie sagten, die Bundesregierung hätte eine Lösung anstreben sollen, wie sie Frankreich gewährt wurde. Damit hätte man der deutschen Landwirtschaft einen schlechten Gefallen getan. Die Franzosen haben abgewertet. Für die französische Volkswirtschaft wären dadurch bei Nahrungsmittelprodukten Preissteigerungen in Höhe von mehr als 12 % entstanden. Die Franzosen haben erreicht, daß man ihnen zugestand, zwei Jahre lang Grenzausgleichsabgaben zu erheben. Wollten wir genauso wie die Franzosen verfahren und z. B. zwei Jahre lang Grenzausgleichsabgaben erheben, dann würden in zwei Jahren bei uns, weil wir aufgewertet haben, die Preissenkungen für die Landwirtschaft voll durchschlagen, und zwar ohne Ausgleichsmaßnahme. In Frankreich gibt es nichts Paralleles dazu.
Meine verehrten Damen und Herren, mit dem Aufwertungsausgleichsgesetz erfüllen die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen das Versprechen, der Landwirtschaft einen vollen Ausgleich für die Aufwertungsverluste im Zusammenhang mit der Paritätsänderung der D-Mark zu geben. Dieses Gesetz garantiert der Landwirtschaft jährlich 1 700 Millionen DM. Herr Dr. Ritz hat das in der vergangenen Woche eine Fiktion genannt. Herr Dr. Ritz, diese 1,7 Milliarden DM werden konkret im Bundeshaushalt stehen.
Das ist keine Fiktion, sondern ein gerechter und gerechtfertigter und notwendiger Ausgleich für die Landwirtschaft.
Wir wollen nicht zulassen, daß die Folgen unterschiedlicher Wirtschaftspolitik und unterschiedlicher Preisentwicklung in den einzelnen Staaten der EWG zu Lasten der deutschen Landwirtschaft gehen. Keine einzige Branche der Wirtschaft ist so unmittelbar durch automatische Preissenkungen betroffen wie die Landwirtschaft. Für die Landwirtschaft ist eine ganz außergewöhnliche Situation entstanden. Deswegen haben wir dieses außergewöhnliche Gesetz machen müssen.
Es ist nicht zu bestreiten, Herr Krammig, wirklich nicht zu bestreiten, und das tun wir auch nicht, daß es gewisse steuersystematische Bedenken gegen die umsatzsteuerliche Regelung gibt. Es wird auch von uns nicht bestritten, und das hat auch Landwirtschaftsminister Ertl nicht bestritten, daß es schwierig sein wird, einen richtigen Verteilungsschlüssel für 920 Millionen DM zu finden. Aber niemand — ich wiederhole das — in der CDU/CSU-Fraktion hat in den Ausschüssen andere, bessere, praktikable und in der EWG durchsetzbare und mit den EWG-Bestimmungen vereinbare Vorschläge gemacht oder dementsprechende Anträge gestellt nicht in den Ausschüssen und nicht hier im Plenum.
Die CDU/CSU-Fraktion — lassen Sie mich das hier ganz sachlich feststellen — hat keine einzige brauchbare Alternative zu diesem Gesetzentwurf vorgebracht.
Trotzdem verweigert sie die Zustimmung zu den Ausgleichszahlungen der Landwirtschaft. Wenn das Gesetz so schlecht wäre, wie Sie es hier dargestellt haben, Herr Krammig, dann hätten Sie schon die Konsequenzen ziehen und diesen Gesetzentwurf ab-
702 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1969
Porzner
lehnen müssen. Dann wären Sie allerdings auch gezwungen gewesen, einen eigenen Gesetzentwurf
vorzulegen. Aber dazu waren Sie nicht in der Lage.
Die SPD will die Verabschiedung dieses Gesetzes, weil damit folgende Ziele erreicht werden:
Erstens. Die Landwirtschaft erhält einen Ausgleich in voller Höhe der entstandenen Verluste im Zusammenhang mit der Aufwertung.
Zweitens. Die Zahlungen im Rahmen der Mehrwertsteuer erfolgen unverzüglich, ohne Verzögerung, ohne zusätzlichen Aufwand, und sie erreichen den Hof unmittelbar, um es mal so zu sagen. Wir erwarten übrigens von der Bundesregierung, Herr Landwirtschaftsminsiter Ertl, daß sie so bald wie möglich den angekündigten Gesetzentwurf über die Verteilung der 920 Millionen DM vorlegt. Wir zweifeln nicht daran, daß sich die CDU/CSU-Fraktion daran beteiligen wird, einen gerechten Verteilungsschlüssel zu finden.
Drittens, und das bitte ich zu beachten. Dieser Gesetzentwurf ist auch für die Verbraucher der beste Weg, den wir finden konnten. Das sollte in dieser Debatte nicht ganz vergessen werden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Verbraucher in den Genuß der Agrarpreissenkung kommen können.
— Das wird vom Markt abhängen. Die Erzeugerpreise jedenfalls werden am 1. Januar gesenkt werden. Damit ist Spielraum für Preissenkungen bei den Lebensmitteln gegeben. Die preisdämpfende Tendenz der Aufwertung der D-Mark wird also durch diesen Gesetzentwurf nicht beeinträchtigt.
Meine verehrten Damen und Herren, die Grenzausgleichsregelung, die die Bundesregierung angestrebt hat und von der auch Sie gesprochen haben, wäre für die Landwirtschaft die beste Möglichkeit gewesen. Sie war politisch nicht durchsetzbar. Das wissen Sie alle. —
— Sie war nicht durchsetzbar! Diese Grenzausgleichsregelung wäre für den Verbraucher neutral gewesen.
Eine allgemeine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel um 3 °/o würde dagegen direkt zu Lasten der Verbraucher gehen. Im Finanzausschuß ist ein Antrag auf Erhöhung der Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel, durchlaufend bis hin zum Verbraucher, der aus den Reihen der CDU/CSU- Fraktion gestellt wurde, mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Ich sage hier der Fairneß halber, daß auch Abgeordnete der CDU/CSU diesen Antrag mit abgelehnt haben.
Bundeskanzler Brandt hat in der Regierungserklärung am 28. Oktober folgendes gesagt — ich darf zitieren, Herr Präsident —:
Die vorzeitige Verwirklichung des gemeinsamen Agrarmarkts hat ohne Zweifel die internen Anpassungsprobleme der deutschen Landwirtschaft wesentlich verschärft. Wir halten es deshalb für unausweichlich, der Landwirtschaft bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten zu helfen.
Mit diesem Gesetzentwurf wird der Landwirtschaft geholfen. Wir bitten Sie deswegen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Ich muß der Geschäftsordnung halber noch ein paar Sätze sagen. Das Plenum des Bundestages hat am 5. Dezember 1969 den Gesetzentwurf Drucksache VI/79, also die Regierungsvorlage zum Aufwertungsausgleichsgesetz, an den Finanzausschuß überwiesen. Da dieser Gesetzenwurf identisch ist mit dem, der heute zur Beschlußfassung vorliegt, habe ich im Auftrag der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD an das Plenum die Bitte, daß der Entwurf in Drucksache VI/79 und die Vorlage in Drucksache zu VI/79 nach Beschlußfassung über dieses Gesetz für erledigt erklärt werden. Wir haben wegen dieser Formalie den Finanzausschuß nicht eigens einberufen wollen.
Auf Umdruck 1 *) liegt zu diesem Tagesordnungspunkt ein Entschließungsantrag der Fraktionen der Sozialdemokratischen Partei und der Freien Demokratischen Partei vor. Die Begründung dieses Entschließungsantrages ergibt sich aus dem Text selbst. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die wirtschaftliche Lage in strukturschwachen Wirtschaftszweigen im Laufe des kommenden Anpassungsprozesses zu überprüfen und dem Bundestag darüber zu berichten. Wir wollen damit Wünschen entgegenkommen, die in den Ausschüssen vorgetragen wurden, Wünschen, die unserer Ansicht nach durchaus berechtigt sind. Ich bitte das Plenum, auch diesem Entschließungsantrag zuzustimmen.