Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich dem Glückwunsch, den der Herr Präsident dem Kollegen Probst für seine Jungfernrede ausgesprochen hat, anschließen.
Ich bin Ihnen dankbar dafür, daß Sie hier ganz klargemacht haben, daß Ihre Fraktion nicht die Absicht hat, durch die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen den Weg zu einer Gesamthochschule prinzipiell zu verbauen. Wir sind Ihnen für diese Äußerung außerordentlich dankbar und hoffen, daß von der CDU noch eine gleiche Äußerung nachher zu erhalten sein wird.
Wir wären zudem auch sehr glücklich, wenn im Verlauf der weiteren Debatte klargemacht wird, wie die Frage des Herrn Ministers Leussink zu beantworten ist und wie wir zu verfahren haben: ob nämlich durch die Beratung Ihrer beiden Gesetzesänderungsvorschläge im Ausschuß eine zeitliche Verzögerung der bereits eingeleiteten Maßnahmen auf dem Gesamtsektor und in der Anwendung des Hochschulbauförderungsgesetzes eintreten soll, oder ob Sie bereit sind, mit uns im Verfahren dahin gehend übereinzustimmen, daß die Beratung Ihrer Anträge alle weiteren Maßnahmen und Entscheidungen nicht verzögert und beeinträchtigt. Dann, so meine ich, ist hier doch schon ein gewisser Konsensus hergestellt.
Herr Kollege Probst, Sie haben etwas gesagt, was ich nicht ganz unterstreichen kann. Sie haben hier gemeint, es sei nicht mehr nützlich, Rückschau zu halten, und es sei zuviel Rückschau gehalten worden. Ich glaube, Rückschau zu halten über die Entstehung eines Gesetzes ist doch dann immer berechtigt, wenn ein Gesetz bereits geändert werden soll, bevor es in Kraft getreten ist. Dann allerdings muß man sich die Entstehungsursachen und die Argumentation noch einmal vor Augen führen, um zu prüfen, ob es jetzt wirklich angebracht ist, schon zu einer Änderung zu kommen, obwohl es erst am 1. Januar 1970 in Kraft tritt. Insofern muß ich Ihnen, Herr Kollege Stoltenberg, leider doch sagen, daß ich die Wandlung Ihres Denkprozesses hier heute nicht mehr ganz habe nach- und mitvollziehen können. Es mag sein, daß Sie in den vergangenen Monaten der Meinung waren, daß dieses Gesetz nicht ausreicht.
Sie haben aber im Pressedienst Ihres Ministeriums vom 20. August dieses Jahres sehr deutlich dargelegt, wie Sie selbst — da gingen Sie wohl noch davon aus, daß Sie dieses Ministerium behalten würden; ich meine jedenfalls, es ist berechtigt gewesen, davon auszugehen — dieses Instrument zu nutzen gedächten. Sie haben gesagt: Ich schlage vor, daß die Bundesregierung künftig auch für die Fachhochschulen 50 % der Investitionskosten übernimmt. Sie haben bekräftigt, daß Sie mit den Kultusministern bereits verhandelt haben, daß Sie viele andere Dinge in Angriff genommen haben, daß eine Übereinstimmung bereits hergestellt ist und daß Sie der Meinung sind, daß das bald zu einer Verwirklichung führen kann. Sie haben später die anderen Dinge mit hineingenommen, nämlich das Problem der Fachhochschulen. Herr Kollege Stoltenberg, in dieser Äußerung Ihres Pressedienstes ist nicht ein einziges Wort darüber enthalten, daß das alles erst dann möglich sein kann, wenn es vorher zu einer neuen Gesetzesänderung und nicht nur dazu, sondern auch zu einer Grundgesetzänderung gekommen ist. Ich meine, diese Freiheit hätten Sie, ohne an Kabinettsbeschlüsse gebunden gewesen zu sein, im August wohl gehabt. Ferner bin ich der Meinung, daß Sie das damals hätten erkennen müssen.
Sie müssen uns doch erlauben, daß wir uns fragen: Was könnte denn den Sinneswandel des Herrn Stoltenberg herbeigeführt haben, die derzeitigen
682 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1969
Dr. Meinecke
Instrumente nicht für genügend zu halten? Sie müssich gefallen lassen, daß hier der Verdacht geäußert wird, daß Sie mit diesen gesetzgeberischen formalen Maßnahmen eine Entwicklung verhindern wollen, die Sie — das ist ja berechtigt - für falsch halten. Sie haben genug Äußerungen dahingehend getan, daß Sie sowohl der Gesamtschule - nicht aus Prinzip, das haben Sie nicht gewagt, aber wegen der finanziellen Konsequenzen — als auch der Gesamthochschule skeptisch gegenüberstehen.
Wir erwarten liier heute eine Antwort von Ihnen und Ihren Freunden auf die Fragen, ob in diesen kardinalen Fragen unserer Bildungspolitik Übereinstimmung bei der CDU/CSU besteht, ob hier keine Übereinstimmung besteht, ob Herr Stoltenberg hier etwas anderes sagt als Herr Mikat und die CDU etwas anderes als die CSU, oder ob die deutsche Öffentlichkeit annehmen kann, daß sich auf bildungspolitischem Gebiet in der CDU/CSU noch ein Denkprozeß vollzieht, während derselbe in der deutschen Öffentlichkeit fast schon abgeschlossen ist.
Das allerdings wollen wir heute hier wissen; wenn wir das wissen, können. wir weiter verhandeln.
Meine Damen und Herren, es ist doch in diesem „Anhürverfahren", auf das ich noch einmal ganz kurz zu sprechen kommen möchte, klargeworden, daß von allen Beteiligten, von allen Vertretern der beteiligten Verbände und Institutionen — Hochschulen, Bundesassistentenkonferonz und wie sie immer heißen —, die Modelle der Gesamthochschule und indirekt damit impliziert auch das Modell einer Gesamtschule als selbstverständliche Voraussetzung eines Bildungsmodells künftiger Zeiten bereits als existent betrachtet wurden und somit in den Vorstellungen bereits Realität geworden sind. Daran war nicht zu zweifeln. Daß Ihnen das natürlich ungemütlich erschien, kann ich verstehen. Wenn Sie hier berechtigte Bedenken gegen diese Modelle vortragen, sind wir bereit, darüber zu diskutieren.
Dann hat Herr Kollege Probst gesagt, es sei hier im wesentlichen nach „hinten betrachtend" diskutiert worden. Nun, Sie haben vergessen, daß der Kollege Lohmar das einzig Richtige getan hat, nämlich neben die formale Betrachtungsweise dieser vorgeschlagenen Gesetze das zu stellen, was in allernächster Zeit und wahrscheinlich sogar in Übereinstimmung aller Fraktionen an realen Maßnahmen durchgeführt und durchgesetzt werden muß.
Herr Kollege Lohmar hat seinen Beitrag so gestaltet, daß er uns mit dem Blick auf die Zukunft gerichtet dargestellt hat, was wir schon jetzt zu tun bereit sind, und zwar gleichzeitig oder meinetwegen auch neben der Diskussion über Ihre Gesetzesvorschläge.
Wir haben heute insofern ein interessantes Erlebnis gehabt, als wir nämlich eine Debatte, die uns zu Beginn des nächsten Jahres noch bevorstehen wird, vorweggenommen haben. Wir alle haben die berechtigte Große Anfrage der CDU/CSU zum Problem der Zulassungsbeschränkungen, wie ich es einmal nennen möchte, zur Kenntnis genommen. Sie haben in dieser Anfrage auf der letzten Seite als Begründung gelesen, daß die CDU/CSU-Fraktion Klarheit darüber erwartet, wie die Bundesregierung das Instrumentarium des Hochschulbauförderungsgesetzes zu nutzen gedenkt und ob sie eine wissenschaftlich fundierte Prognose des Bedarfs an Hochschulabsolventen sowie eine Analyse der subjektiven Berufswünsche der jungen Menschen bis zum Jahre 1980 ihrer Hochschulplanung zugrunde legen will.
Sie haben die Antwort auf diese Große Anfrage noch gar nicht erhalten und schlagen schon Gesetzesänderungen vor. Nun gut, das mag in Ihrem Sinne nützlich sein. Wir haben aber die Debatte heute deshalb vorgezogen, weil wir es nach unserer Meinung für notwendig halten, die politischen Maßnahmen, die zu treffen sind, um die unerträglichen Zulassungsbeschränkungen endlich abzubauen, im Zusammenhang mit den heutigen Vorschlägen zu sehen. So sind die Vorschläge des Herrn Kollegen Lohmar zu verstehen. Ich meine, wir sollten rasch darangehen, diese Vorschläge exakt im Ausschuß zu formulieren und der Regierung als eine gemeinsame Meinungsbildung der Fraktionen an die Hand zu geben und in der gleichen Zeit Ihre beiden Gesetzesvorschläge zu diskutieren, ohne daß dabei eine weitere und zusätzliche Verzögerung der Maßnahmen, die bereits vorbereitet sind, eintreten darf.