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ID0600624400

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    Deutscher Bundestag 6. Sitzung Bonn, den 29. Oktober 1969 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Barzel (CDU/CSU) 37 A, 67 C von Hassel, Präsident (zur GO) 46 D, 79 B Mischnick (FDP) 47 A Wehner (SPD) 54 D, 68 A Brandt, Bundeskanzler 61 C, 72 A, 93 C Dr. Schmid, Vizepräsident 68 A Rasner (CDU/CSU) (zur GO) 68 B Stücklen (CDU/CSU) 69 B Wehner (SPD) (Erklärung nach § 36 GO) 69 D Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) 69 D, 72 D von Hassel, Präsident 73 A Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) 73 B Dorn (FDP) 79 C Wischnewski (SPD) 82 C Scheel, Bundesminister 84 D Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 91 A Dr. Hallstein (CDU/CSU) 94 B Dr. Schiller, Bundesminister 97 D Dr. Apel (SPD) 104 B Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 104 C Ertl, Bundesminister 107 B Junghans (SPD) 109 A Dr. Zimmermann (CDU/CSU) 110 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 113 C Schmidt, Bundesminister 115 A Mattick (SPD) 117 C Borm (FDP) 119 D Dr. Gradl (CDU/CSU) 121 B Nächste Sitzung 124 D Anlage 125 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Oktober 1969 37 6. Sitzung Bonn, den 29. Oktober 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Amrehn ** 16. 11. Bergmann * 29. 10. Frau von Bothmer 29. 10. Bremm 29. 10. Dr. Dittrich * 31. 10. Frau Herklotz ** 17. 11. Gottesleben 31. 12. Dr. Jungmann 10. 11. Frau Kalinke ** 17. 11. Lücke (Bensberg) 31. 10. Frau Meermann ** 9. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 10. Petersen ** 17. 11. Pöhler 29. 10. Dr. Preiß 31. 10. Raffert ** 9. 11. Dr. Rinderspacher 14. 11. Schlee 31. 10. Dr. Schmidt (Offenbach) 31. 10. Weigl 31. 10. Dr. Wörner 30. 10. Frau Dr. Wolf ** 20. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Union
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier sind ein
    paar Fragen gestellt worden, die ich hoffentlich
    in aller Kürze und Knappheit beantworten
    möchte.
    Was die Organisation des Bundesverteidigungsministeriums angeht, so nehme ich an, daß es einige Änderungen im Laufe des Frühjahrs geben wird. Der Verteidigungsausschuß dieses Hauses wird Gelegenheit haben — und Gelegenheit nehmen, unterstelle ich —, darüber zu sprechen. Ich habe nicht die Vorstellung, daß abrupte Änderungen per sofort geschehen sollen.

    (Sehr gut! hei der CDU 'CSU.)

    Zweitens. Es ist ein weiteres Mal von der Problematik der Wehrgerechtigkeit gesprochen worden. Wenn Sie bitte so gut sein wollen, sich die sehr vorsichtige Formulierung, die die Regierungserklärung in diesem Punkte darbietet, noch einmal anzusehen, so werden Sie daraus erkennen, daß, was den Grundwehrdienst angeht, dort gesagt wird, die Regierung werde prüfen, ob sich daraus Konsequenzen für dessen Dauer ergeben. Wenn ich es richtig sehe, hat auch die vorige Regierung mit dieser Prüfung schon begonnen, hat sie aber nicht ganz abgeschlossen. Die alternativen Ergebnisse der sogenannten Adorno-Kommission sind ja bisher nicht endgültig beschieden worden. Ich will aber eins hier sehr deutlich sagen: Ich weiß, daß von militärischer Seite eine Kürzung vielleicht nicht ohne weiteres akzeptiert wird. Insbesondere nachdem Herr Zimmermann den neuen amerikanischen Oberkommandierenden für den europäischen Teil der NATO hier zitiert hat, bin ich mir dessen durchaus bewußt.
    Herr Zimmermann, unsere Soldaten sollen den Rechtsstaat verteidigen, so wie er im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewollt ist. Man kann den Rechtsstaat nicht verteidigen, wenn man ihn nur abstrakt gelernt hat. Man kann ihn im Grunde nur verteidigen, wenn man ihn konkret in der eigenen Person erlebt hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deswegen ist das Thema der Gleichbehandlung der Wehrpflichtigen von ungeheurer Bedeutung für den Kampfwert unserer Truppen.

    (Beifall bei cien Regierungsparteien und hei der CDU/CSU.)

    Der Kampfwert beruht einerseits auf den Faktoren der militärischen Ausbildung, aber andererseits auf der psychologischen Bereitschaft der Soldaten.

    (Erneuter allseitiger Beifall.)

    Deswegen bitte ich Sie, für möglich zu halten, daß man gegeneinander abwägen darf: eine theoretisch denkbare kleine Einbuße im Ausbildungsstand, wenn man dafür einen großen Zuwachs in der psychologischen Bereitschaft unserer jungen Männer gewinnen könnte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Abg. Köppler: Jetzt stimmt es wieder!)

    Nichts anderes als die Möglichkeit, dies abzuwägen oder es abwägen zu wollen, ist in der Regierungserklärung an dieser Stelle gesagt, nichts anderes.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Gut! — Darüber kann man reden!)

    Ich möchte drittens eine Bemerkung über die Kriegsdienstverweigerer machen dürfen. Sie wissen, daß ich keiner bin und wohl auch keiner mehr werde in meinem Leben.

    (Heiterkeit.)

    Aber, Herr Zimmermann, ich war einer von den damals sehr jungen Soldaten, die im Dritten Reich eine ganze Menge mitgemacht und erlitten haben unter der Vergewaltigung des Gewissens, der wir ausgesetzt gewesen sind. Deswegen habe ich genau wie viele in Ihrer Fraktion und auch in der FDP-Fraktion heute vor — wie lange ist es her? —14 Jahren hier in diesem Deutschen Bundestag zu denen gehört, die aus innerer Überzeugung, aus dem Erlebnis, das wir im Dritten Reich hatten, den Art. 4 Abs. 3 in das Grundgesetz hineingebracht und auch die Ausführungsgesetzgebung beschlossen haben. Sie wissen, wie tief das ganze Haus in jener Debatte damals engagiert gewesen ist. Ich habe keinen Grund gehabt, in den vergangenen 14 Jahren meine Einstellung zu dem Problem wesentlich zu ändern.
    Aber in einem Punkte habe ich dazugelernt — und ich könnte mir denken, daß sich das vielleicht auch noch bei anderen unter uns einstellt, daß man noch etwas dazulernt —, nämlich in dem Punkt, daß ich heute nicht mehr glaube, daß eine Gewissensmeinung ernsthaft durch demokratische Abstimmung in einem Komitee erforscht werden kann. Das glaube ich heute nicht mehr.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Vielleicht müssen wir daraus gemeinsam Konsequenzen ziehen. Das ist eine Sache der Gesetzgebung, wie Sie und ich beiderseits ja sehr wohl wissen.
    Eines jedenfalls darf es nicht geben. Ob, wie es der normale Fall ist, die große Mehrzahl unserer jungen Männer ihre Wehrpflicht leisten will oder ob eine kleine Zahl sagt „Wir wollen Kriegsdienstverweige-



    Bundesminister Schmidt
    rer sein", es darf nicht geben, daß dieser Staat Drückebergerei zuläßt. Das muß aufhören.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und bei der CDU/CSU.)

    Diejenigen, die Soldat sein wollen, und diejenigen, die als Kriegsdienstverweigerer Ersatzdienst leisten wollen, müssen beide ihren Dienst dann auch tatsächlich leisten.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Den kann man nicht durch Finanzkunststücke oder dergleichen abgelten wollen. Ich bin mir darüber klar, daß dies Schwierigkeiten aufwirft. Denn es fehlt nach allem Bisherigen z. B. für den Ersatzdienst an einer zureichenden Vorkehrung. Ich sehe Kollegen Katzer vor mir sitzen. Ich gucke ihn keineswegs mit innerem Vorwurf dabei an. Aber er wird mir zustimmen, daß hier im Augenblick noch nicht ganz das vorhanden ist, zum Teil schon vorhanden war und dann wieder ein bißchen abgebröckelt ist — —

    (Zuruf von der FDP: Das ist sehr zahm! — Abg. Katzer: Aber wieder heraufgekommen!)

    Ich freue mich darüber, und ich bin ganz gewiß, daß die Bundesregierung und daß das Ressort, das für diese Sache zuständig sein wird, sich viel Mühe geben werden.
    Viertens. Eine Antwort wegen der Trägerwaffen, Dr. Zimmermann! Es ist ganz richtig, wenn Sie darauf hinweisen, daß in diesem wie auch in anderen Punkten die Kollegen von der Freien Demokratischen Partei früher in Nuancen etwas anderes gesagt haben, als wir — in Nuancen — gesagt haben. In Koalitionsregierungen muß man sich zusammenraufen; das kennen Sie auch. Sie raufen sogar manchmal, wenn Sie gar nicht in einer Koalition sind.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Man muß sich zusammenraufen. Wir sind in diesem Punkt, was die Trägerwaffen angeht, der Meinung, daß die Verbände der Verbündeten und unsere eigenen Verbände die gleiche Ausstattung und die gleiche Ausrüstung brauchen, solange sie hier in Mitteleuropa auf demselben Feld stehen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und bei der CDU/CSU.)

    Ebenso sind wir übereinstimmend der Meinung, daß, wenn es z. B. im Zusammenhang mit den Gesprächen über die Begrenzung strategischer Waffen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, die jetzt anlaufen, möglich sein sollte, zu Absprachen zu kommen, oder wenn es später im Zuge einer europäischen Sicherheitskonferenz möglich sein sollte, zu Absprachen zu kommen, dann allerdings beiderseits und gleichwertig und gleichzeitig die Zahl — —

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Und gleich kontrollierbar!)

    — Ja, sicher, ich bin mit all den Begriffen, die das Wort „gleich" enthalten, die Sie noch hinzufügen können, einverstanden.

    (Abg. Wehner: Aber mit dem Ziel, es nicht zu machen! Das ist doch Ihre Tendenz! — Gegenruf des Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]. — Abg. Wehner: Man darf wohl mal so zur Seite zu Ihnen reden!)

    — Ja, ein Zwischenruf ist des anderen wert. — Ich nehme an, daß müßten Sie auch so akzeptieren, wie ich es gesagt habe.

    (Zuruf von der CDU CSU: O ja!)

    Bei solchen Voraussetzungen sind wir durchaus bereit, die Zahl dieser Waffen zu verringern.
    In einem anderen Absatz hat Herr Dr. Zimmermann mit Engagement die isolationistische Tendenz in einigen Teilen der amerikanischen Innenpolitik gegenüber Europa und gegenüber dem Bündnis hervorgehoben. Was er sagte, ist zutreffend. Ich habe mich etwas gewundert, daß er an dieser Stelle Beifall bekam, denn so erfreulich ist das für uns Europäer gar nicht.

    (Abg. Stücklen: Das war eine Bestätigung!)

    — Der Bestätigung bedarf es ja nicht. Wir sind alle Beobachter der Szenerie.
    Er hat dann vor der Welle gewarnt, die niemand aufhalten könne, wenn sie sich einmal in Bewegung setze. So habe ich es mitgeschrieben. Da gibt es doch gar nichts zu zweifeln, Herr Zimmermann. Diese Bundesregierung hat erklärt — und Sie stimmen diesem Teil der Regierungserklärung ja doch zu; das braucht die Bundesregierung nicht einen Tag später zu wiederholen , daß sie zu diesem Bündnis und ihren Verpflichtungen innerhalb dieses Bündnisses steht und daß sie erwartet, daß auch die anderen Partner zu ihren eingegangenen Verpflichtungen stehen. Viel mehr können wir dazu im Augenblick nicht sagen. Dies ist nicht der Ort, denke ich, sich allzu weit in die amerikanische Innenpolitik hineinzubegeben.
    Sechstens. Was den Haushalt und Ihre Bemerkungen über seine zukünftige Gestaltung angeht, so will ich nicht zu weit gehen und die Bemerkungen nicht als den Ansatz zu nachträglicher Kritik an der mittelfristigen Finanzplanung interpretieren, für die einer Ihrer eigenen Kollegen — —

    (Abg. Dr. Zimmermann: Auch das dürfen Sie!)

    — Wenn ich das soll, wäre ich für eine Spezifizierung dankbar. Dann würde ich mich mit dieser Allgemeinheit nicht zufrieden geben können, Herr Zimmermann.

    (Abg. Dr. Althammer: Vorsicht, sonst müssen wir etwas aus dem Haushaltsausschuß erzählen!)

    Dann ist schließlich eine Frage zur Strategie gestellt worden. Ich meine, eine allgemeine Aussprache über eine Regierungserklärung, die doch das ganze Feld der Politik abdecken soll, ist nicht der Ort für eine Debatte über dieses Spezialthema. Ich will mich



    Bundesminister Schmidt
    solcher Debatte nicht entziehen. Ich meine nur, daß heute hier nicht die richtige Gelegenheit dafür ist.
    Weiterhin wäre ich dankbar, wenn wir die Debatte über solche Spezialthemen so lange aufschieben könnten, bis diese Bundesregierung ihr erstes Weißbuch zur Verteidigung vorgelegt haben wird. Das wird im Laufe des Frühlings 1970 der Fall sein. Dann haben wir eine Diskussionsgrundlage. Sie werden sich erinnern, daß die vorige Bundesregierung eine sehr lange Frist gebraucht hat, bis sie ihre erste Diskussionsgrundlage zur Verteidigungspolitik vorlegen konnte. Wir sind in der glücklichen Lage, in gewisser Weise und gar nicht so wenig auf den Vorarbeiten, die uns hinterlassen worden sind, aufbauen zu können. Deswegen werden wir das zweite Verteidigungsweißbuch etwas früher vorlegen können, als es damals geschah. Aber es wäre vielleicht ganz gut, das würde abgewartet werden.
    Im übrigen — ich glaube, das hat Herr Schultz auch schon mit Recht hervorgehoben — enthält diese Regierungserklärung eine ganze Menge wichtiger strategischer Aussagen. Ich will nicht alles wieder vorlesen, aber hier steht z. B. — ich will mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten wenigstens diesen Satz noch einmal in die Erinnerung rufen —:
    Welche der beiden Seiten der Sicherheitspolitik wir auch betrachten, ob es sich handelt um unseren ernsten und nachhaltigen Versuch zur gleichzeitigen und gleichwertigen Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle
    — Herr Kollege Marx! —
    oder um die Gewährleistung ausreichender Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, unter beiden Aspekten begreift die Bundesregierung ihre Sicherheitspolitik als eine Politik des Gleichgewichts und der Friedenssicherung.
    Hier haben Sie in einem Satz eigentlich das ganze Prinzip. Vielleicht wollten Sie es gern etwas ausführlicher haben. Es geht dann sogar noch weiter und wird näher erklärt:
    Und ebenso versteht sie unter beiden Aspekten die äußere Sicherheit unseres Staates als eine Funktion des Bündnisses, dem wir angehören und als dessen Teil wir zum Gleichgewicht der Kräfte zwischen West und Ost beitragen.
    Ich verzichte auf die weitere Verlesung. Ich wollte nur sagen: Das, worauf es im Kern ankommt, ist hier durchaus gesagt worden.
    Eine vorletzte Bemerkung. Herr Kollege Schultz hat angeregt, die Verzahnung von Zivilverteidigung und militärischer Verteidigung noch einmal zu prüfen. Wir sind gern dazu bereit. Das berührt dann allerdings mehrere Ressorts in der Bundesregierung. Es muß auch vom Parlament her überlegt werden, in welchem parlamentstechnischen Rahmen man sich diesen Themen zuwenden will.
    Ich wäre sodann dankbar, wenn die Anträge, von denen die Rede war, zunächst dem Ausschuß überwiesen werden könnten.
    Ich möchte am Schluß gern meinen Respekt und meinen Dank für die guten Wünsche sagen, die hier ausgesprochen worden sind, und insbesondere an dieser Stelle — ich sehe den Herrn Kollegen Schröder dort noch sitzen — auch noch einmal meinen Dank sagen an den Herrn Kollegen Schröder,

    (Beifall im ganzen Hause)

    der seine Wünsche schon vor ein paar Tagen auf der Hardthöhe anläßlich der Übergabe ausgesprochen hat — so wie ich mich dort verpflichtet fühlte, für die Soldaten der Armee sprechend, auch deren Dank dem scheidenden Herrn Bundesverteidigungsminister zu sagen.
    Ich bin dankbar, daß hier heute abend, wenn auch ein bißchen eingebettet in polemische Nuancen, doch im Ergebnis sehr sichtbar und sehr hörbar geworden ist, daß Sprecher aller drei Fraktionen des Deutschen Bundestages sich darum bemühen — und nicht erst seit heute , daß in unserer Gesellschaft den Soldaten die Anerkennung zuteil werde, die sie ihren Leistungen nach verdienen.

    (Allgemeiner Beifall.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Kollege Mattick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Kurt Mattick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß Sie nun bitten, noch einmal auf den Ausgangspunkt der heutigen Diskussion zurückzukommen, da die Themen etwas durcheinandergekommen sind, was allerdings für die Gesamtdiskussion gar nicht schlecht sein kann. Ich möchte ein paar einleitende Bemerkungen vorweg machen.
    Der Herr Barzel hat heute in seiner Rede wieder davon gesprochen, daß die Sozialdemokraten hier in diesem Hause in den ersten Jahren so viel nein gesagt haben. Ich möchte zwei Dinge dazu sagen, meine verehrten Damen und Herren:
    Erstens. Das erste Nein in diesem Hause kam nicht von der Sozialdemokratischen Partei, sondern kam damals von der CSU zum Grundgesetz.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    Zweitens möchte ich gerne sagen: In den Fällen, wo die CDU in den ersten Jahren der Bundesrepublik überall ja gesagt hat, wird die Geschichte erst darüber entscheiden, welche Möglichkeiten damals unter Umständen zugeschüttet worden sind, die heute gar nicht sichtbar sind, aber später vielleicht noch einmal ergründet werden können.
    Die zweite Bemerkung, die ich machen möchte: Es wurde hier so viel von der Koalition und davon gesprochen, daß die CDU/CSU eigentlich den ersten Schritt zur Regierungsbildung hätte machen müssen. Meine Damen und Herren, die beiden Parteien, die hier jetzt die Regierung bilden, haben ihren Wahlkampf mit dem gemeinsamen Ziel geführt, die Regierung zu bilden, wenn sie eine Mehrheit erreichen. Insofern ist der Wählerwille in diesem Falle voll zur Geltung gekommen.
    Nun zu der allgemeinen Politik, die hier besprochen worden ist. Meine Damen und Herren, wie sieht denn die Weltlage heute aus? Wir befinden



    Mattick
    uns in dem Zustand — wie es genannt wird — des Gleichgewichts des Schreckens und — möchte ich hinzusetzen — des Gleichgewichts der Ohnmacht, der Ohnmacht der beiden Großmächte und der Blöcke, in der gegenwärtigen Situation mit ihren Machtpositionen irgendwo außerhalb dieser Blöcke gemeinsam für Frieden und Ordnung zu sorgen. Die Feuer, die an anderen Stellen entstehen, sind unbeeinflußbar durch die beiden Großmächte und durch die Blöcke, eben wegen der festgefahrenen Situation des Gleichgewichts des Schreckens. Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß dieser Zustand noch sehr lange Zeit dauern kann.
    In dieser Zeit, verehrte Damen und Herren, geht die Politik weiter, und wir müssen versuchen, unter dem Dach dieses Gleichgewichts, unter dem in Europa kein Krieg entsteht, sondern relativer Frieden herrscht, unsere Politik einzurichten. Niemand sollte heute von der Hoffnung ausgehen, daß China oder die Dritte Welt, von der man so gern spricht, uns in absehbarer Zeit dazu verhilft, daß sich diese Dinge wesentlich verändern.
    In dieser Zeit, meine Damen und Herren, wird der Prozeß, mit dem wir es auch in der deutschen Frage zu tun haben, leider weitergehen. Was ist das für ein Prozeß? Sie, die Sie hier jahrelang die Verantwortung getragen haben, und wir gemeinsam haben es nicht verhindern können, daß befreundete Mächte und uns nahestehende Nationen schrittweise Beziehungen mit der DDR entwickelt haben, verhandelt haben, Verträge abgeschlossen haben, Beziehungen auf kulturellem und auf wirtschaftlichem Gebiet begonnen haben. Das einzige, was diese Mächte nicht vollzogen haben, war die völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Aber der Staat DDR hat heute mit vielen der uns befreundeten Mächte Verträge auf allen möglichen Gebieten und Beziehungen, die weit über das Anfangsstadium hinausgehen.
    Sie selbst, verehrte Damen und Herren von der CDU/CSU, haben noch einen weiteren Schritt getan. Im Jahre 1972 bei den Olympischen Spielen in München treten die Sportler dieses Staates auf deutschem, auf bundesrepublikanischem Boden auf, und keiner wird dem widersprechen, daß sie mit ihren Fahnen und ihren Emblemen als Vertreter des zweiten deutschen Staates durch die Münchner Straßen ziehen. Das ist doch gemeint, wenn das in dieser Regierungserklärung heute als einfache Realität dargestellt wird, von der aus die Ausgangsposition für die heutige Politik zu suchen ist. Da entsteht dann die Frage: Was tun?
    Ich möchte mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus einem Bericht einer fremden Universität außerhalb Europas zitieren, die sich in einem Gespräch „Deutschland zwischen Ost und West" mit unserer Lage beschäftigt hat. Dort heißt es unter anderem:
    Das Schicksal des deutschen Volkes, in einem geteilten Land leben zu müssen, stellt für die politische Analyse ein interessantes geschichtliches Experiment dar. Im östlichen Teil Eures Landes wird der Versuch unternommen, nach
    dem sowjetischen Modell-Bild ein kommunistisches Macht-System aufzubauen. In der Bundesrepublik gelten die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie. Beide Systeme stehen sich in einer gesellschaftlichen Konfrontation gegenüber. Es ist das gleiche deutsche Volk hüben und drüben, dieselbe professionelle Qualifikation einer hochentwickelten Industrienation. Wir beobachten die Entwicklung in beiden Teilen Deutschlands, stellen Vergleiche an und ziehen unsere Schlußfolgerungen. Das ist der spezifische Beitrag Deutschlands zum geschichtlichen Wettbewerb der Systeme in unserer Zeit.
    Ich meine, meine Damen und Herren, die heutige Außenpolitik kann nicht besser untermauert werden als mit dem, was der Bundeskanzler als seine wichtigste Aufgabe bezeichnet hat: Reformen in der Innenpolitik zu entwickeln. Denn, wenn die Menschen in Leipzig, Magdeburg und Dresden, aber auch in Warschau und in anderen Städten und Ländern in absehbarer Zeit auf dieses Westeuropa zeigen und sagen können: Dort geht es auf demokratischem Wege auf allen Ebenen besser als bei uns, dann ist das ein Stück Außenpolitik in einer Phase, in der Außen- und Innenpolitik gar nicht getrennt werden können und die Konfrontation im Grunde genommen erst vorbereitet werden muß. Diese Konfrontation der beiden Systeme, von der hier gesprochen wird, ist im letzten Ende erst möglich, wenn Mauern und Stacheldraht aufgestoßen werden. Das scheint mir in dieser Phase die Frage zu sein, vor der wir heute stehen.
    Die Ostpolitik der Bundesregierung ist bemüht, mit anderen Ostblockländern in Beziehungen, in Kontakte zu kommen auf allen Ebenen, die möglich sind, um, wie wir sagen, aufzulockern und deutlich zu machen, daß wir eine Friedenspolitik betreiben, die auch für Osteuropa eine gute Politik sein muß. Wenn dann auch zwischen diesen Völkern und uns Tore aufgestoßen werden und die menschlichen Beziehungen sich erweitern, entsteht die Frage, ob Ulbricht dann auf die Dauer seine Mauer und seinen Stacheldraht aufrechterhalten kann. Das ist die Probe, die noch nicht zu Ende bestanden ist. Wir stehen vor der Frage, ob es eine Politik gibt, die dazu beiträgt. Jetzt, in einer Periode, in der wir nicht davon ausgehen können, daß sich international in absehbarer Zeit Grundlegendes ändert, müssen wir eine solche Politik betreiben.
    Herr Barzel hat über Berlin und die Tagungen in Berlin gesprochen. Ich möchte in diesem Zusammenhang als Berliner zunächst der Bundesregierung Dank sagen für die in der Regierungserklärung gegebene Zusage, mit den Alliierten und mit der Sowjetunion über die Berlin-Frage und über die Verbesserung der Berliner Lage ausgiebig zu verhandeln. Aber Herr Barzel hat mich in der einen Frage persönlich angesprochen, und dazu möchte ich eine Bemerkung machen.
    Ich habe mir einmal ausziehen lassen, wann der Deutsche Bundestag Plenarsitzungen in Berlin abgehalten hat. Das war am 19. und 20. Oktober 1955, am 10. und 11. Oktober 1956, am 15. Oktober 1957 und vom 1. bis 3. Oktober 1958, also zu der Zeit,



    Mattick
    als die CDU/CSU in diesem Hause die absolute Mehrheit hatte. Dann war Schluß. Seit 1958 ist das Parlament nie mehr in Berlin zusammengetreten. Auf unser Drängen haben wir im Jahre 1965 noch einmal einen Versuch gemacht. Damals kamen die Tiefflieger, und seitdem ist es ganz aus.
    Nun meine ich, es ist keine schlechte Idee, einmal zu überlegen, ob diese Art der Sitzungen, wie wir sie jetzt in Berlin durchgeführt haben, noch ein sinnvoller Ausgleich der Versäumnisse der Vergangenheit darstellt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Darüber kann man reden!)

    Als der Bundeskanzler Kiesinger am 4. März dieses Jahres nach Berlin kam, hat er folgendes gesagt — ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Die Bundesversammlung findet zum vierten Male in Berlin statt. Sie ist ein Zeichen unserer Verbundenheit mit dieser Stadt. Die Wahl des Bundespräsidenten in Berlin ist ein durchaus friedlicher Vorgang, der niemand stört, niemand bedroht, niemandes Recht verletzt. Trotzdem ist unser Entschluß, die Bundesversammlung in Berlin abzuhalten, Gegenstand heftiger Angriffe, die mit Bedrohungen verbunden sind. Drohungen verfangen bei uns nicht. Aber trotzdem sind wir ohne Preisgabe unseres guten Rechtes auch in Zukunft zu jeder vernünftigen und praktischen Verständigung bereit, die dieser Stadt und ihrer Bevölkerung zugute kommt und dem Frieden dient.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na und?)

    — Genau dabei sind wir jetzt. Genau das steht in dieser Regierungserklärung in bezug auf Berlin. Genau das hat etwas zu tun mit dieser Aussprache, die wir heute hier führen.
    Eine dritte Bemerkung. Herr Barzel hat mich wegen des Berlin-Bevollmächtigten angesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage ganz offen — ich weiß nicht, ob ich hier in Übereinstimmung mit meinen Freunden bin —, ich habe diese Position schon vor zehn Jahren als für Berlin nicht mehr angebracht angesehen. Welche Leistungen dann noch aus diesem Haus in bezug auf die Personen kamen, die als besondere Bevollmächtigte beauftragt waren, — das Urteil darüber überlasse ich Ihnen. Wenn heute jemand von der Regierung benannt wird, der seinen Hauptsitz in Berlin hat,

    (Abg. Köppler: Sie sollten zu Herrn Wehner sprechen!)

    dann ist das sicher von der Regierung gedacht als eine Verbindung, die notwendig ist unter anderen Auspizien als denen, unter denen die beiden letzten Herren im Berliner Bundeshaus gewirkt haben.

    (Abg. Köppler: Haben Sie das Herrn Wehner mal gesagt?)

    Und eine letzte Bemerkung möchte ich machen. Herr Barzel hat in seiner Rede der Regierung vorgeworfen, daß sie „hinter dem Rücken der Vertriebenen" Gespräche mit Polen führen würde. Ich
    weiß nicht, was das heißt, meine Damen und Herren: „hinter dem Rücken der Vertriebenen". Diese Bundesregierung steht hier vor diesem Hause, hat hier Rechenschaft abzulegen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und hier sitzen auch die Vertriebenen in allen Fraktionen, die sich damit auseinanderzusetzen haben. Hinter einem Rücken wird überhaupt nichts getan. Die Regierung hat erklärt, daß sie ihre Politik durchsichtiger machen wird, als das bisher der Fall war.
    Aber in diesem Zusammenhang gestatten Sie mir noch eine Erinnerung. Wir kennen zwei Telegramme, im Wortlaut beinahe gleich. Ich möchte dem Hause davon Kenntnis geben. Ein Telegramm des BdV an Helmut Schmidt:
    Der BdV nimmt mit Empörung von der in der Presse mitgeteilten Absicht einer zukünftigen SPD-FDP-Koalition Kenntnis, das Entwicklungsministerium aus politischen Gründen aufrechtzuerhalten, während ein Fortbestehen des Bundesvertriebenenministeriums aus politischen Gründen nicht für erforderlich gehalten wird. Der BdV hat nicht das geringste Verständnis dafür, daß die Interessen anderer Völker höher bewertet werden als die nationalpolitischen Interessen des eigenen Volkes, insbesondere eines Viertels seiner Bevölkerung.
    Ein Telegramm ist unterschrieben von Herrn Rehs und ein ähnlich lautendes von Herrn Edgar Jahn, MdB.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu kann man doch nur sagen: Niedriger hängen und sich nicht viel damit auseinandersetzen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn daß die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung heute deutlichgemacht hat, in welchem Sinne sie die Vertriebeneninteressen wahrnehmen wird, sollten auch diese Herren zur Kenntnis nehmen, die solche Telegramme schicken.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)