Vielleicht in der Nuancierung. Ich halte jedenfalls die Aufwertung für eine der objektiven Notwendigkeiten deutscher Innenpolitik, um ein Wort von Herrn Dr. Barzel hier zu gebrauchen.
Wir wissen selbstverständlich — das haben die Wirtschaftsforschungsinstitute und auch die Bundesbank bestätigt —, daß wir gerade infolge der Verspätung der Aufwertung erst zur Jahresmitte 1970 mit einer Dämpfung der Preisentwicklung rechnen können. Damit ist aber dann das vorrangige Ziel der D-Mark-Aufwertung, nämlich die Abschirmung des deutschen Binnenmarktes gegen die Inflationseinflüsse von außen, erreicht. Zugleich wird mit der D-Mark-Aufwertung die währungspolitische Unsicherheit in diesem Lande beendet.
— Keine Frage? Es ist doch dauernd spekuliert worden. Sie haben hier von Spekulanten gesprochen. Wer hat denn dieses Wort in den Deutschen Bundestag gebracht? Daß an der Währungsfront nur durch diesen Beschluß endlich Ruhe eingetreten ist, können Sie doch nicht leugnen.
Wir begrüßen den Aufwertungsbeschluß auch deshalb, weil die Bundesregierung damit nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ihre wirtschaftspolitische Handlungsfreiheit wiedergewonnen hat. Damit können wir der Politik des stetigen Wachstums in unserem Lande neue Impulse geben.
Sie werden auch nicht bestreiten können, daß durch unterlassene Infrastrukturmaßnahmen infolge der Umlenkung durch Kapitalexport viele für das wirtschaftliche Wachstum notwendige Investitionen zur Zeit unterlassen worden sind. Das IFO-Institut hat ja sehr deutlich festgestellt — wenn ich das auch einmal zitieren darf —:
Diese Entwicklung gibt volkswirtschaftlich in zweifacher Hinsicht zu denken. Zum einen werden zur Erledigung der Exportaufträge Produktivkräfte gebunden, die beim Ausbau der Infrastruktur fehlen, vor allem in der Bauwirtschaft, die seit Beginn der Rezession rund 10 % ihrer Beschäftigten verloren hat und unter erheblichem Arbeitskräftemangel leidet.
— Wissen Sie denn, wie lange die Lieferfristen für Autos sind? Erzählen Sie doch nicht, daß das noch Unterbeschäftigung sei. Das ist Überbeschäftigung. Sie wären froh, wenn sie schneller liefern könnten. Herr Stücklen, Sie müssen einmal zu Ihrer Automobilfabrik hingehen.
— Ich spreche hier vom Kapitalexport, mein lieber Stücklen, ich spreche hier im Moment nicht vom Arbeitsmarkt, von dem Herr Barzel meinte, die Vollbeschäftigung sei gefährdet.
Zum anderen wird Kapital exportiert, das wir im Infrastrukturbereich dringend nötig haben. Der Sachverständigenrat hat deshalb in seinem letzten Gutachten zusammengefaßt: Dem Weniger an interner Nachfrageexpansion steht ein Mehr an Außenbeitrag gegenüber. Was wir den inländischen Gebietskörperschaften und Unternehmen an Chancen zum Ausbau unseres Produktionsapparates und unserer Infrastruktur versagt haben, hat das Ausland zum Teil real erhalten. Ich will damit keineswegs den Kapitalexport verteufeln, Herr Müller-Hermann; damit wir uns recht verstehen. Hier geht es um einen unangemessen hohen Anteil, der zudem auch in die entwickelten Industrienationen und nicht in die Entwicklungsländer geflossen ist.
Wir begrüßen auch, daß die Bundesregierung — davon ist hier auch schon die Rede gewesen — einen vollen Ausgleich für die Landwirtschaft zugesichert hat, wie wir das in dieser Sache ja schon immer gemacht haben.
Meine Damen und Herren, Herr Dr. Barzel, zum Schluß möchte ich daran erinnern, was Herr Professor Erhard, der wahrscheinlich der Verfasser des Artikels im Deutschland-Union-Dienst vorn 6. März 1961 ist, und was auch Ihre Kollegen hier gesagt haben: Hurra, wir haben die Wahlen gewonnen! Wir haben das damals so beurteilt und beurteilen es auch heute so. Deshalb muß ich sagen, dies ist nicht ein kleines Problem, dies ist ein Stück wirtschaftlichpolitischen Erbes, das wir abzubauen gedenken. Bei dieser schwierigen Operation wünschen wir unserem Bundeswirtschaftsminister viel Erfolg.