Ich komme auf diese schwierige Frage jetzt gleich. Wenn Sie mir einen Augenblick zuhören, brauchen vielleicht gar keine Zwischenfragen mehr gestellt zu werden, weil ich auch auf das eingehen möchte, was Herr Dr. Birrenbach soeben schon gesagt hat. Am Ende dieses Gedankens mögen dann die Fragen vielleicht noch weiteres klären.
Ich will also noch einmal wiederholen: dann hätte Herr Dr. Kiesinger in der Vergangenheit genau das gleiche getan, als er nämlich in der Tat Briefe an den Ministerpräsidenten dieses Staates geschrieben hat, und zwar sicherlich in der Erwartung, daß die von ihm vorgeschlagenen Verhandlungen auf Regierungsebene zustande kommen.
Herr Dr. Birrenbach hat soeben hier erklärt, daß es darauf ankäme, ob solche Staaten auf Regierungsebene miteinander in Kontakt kämen; am Beispiel von China wurde das exemplifiziert. Nun, wenn es darauf ankommt, dann frage ich Herrn Dr. Kiesinger, ob er, als er diesen Brief mit diesen Vorschlägen schrieb, von vornherein hat ausschließen wollen, daß es zu solchen Kontakten kommt. Ich kann das nicht annehmen, sondern ich nehme an, daß er diese Kontakte unter bestimmten Voraussetzungen als möglich erachtet hat. Das gleiche ist ja unsere Absicht: unter ganz bestimmten Voraussetzungen zu vertraglichen Regelungen zu kommen, die in ihrem Text selbst die Voraussetzungen und die Besonderheiten der Beziehungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands nennen. Das ist unsere Politik, die wir verfolgen wollen.
Was das Verhältnis Dritter zur DDR angeht, muß ich sagen, daß wir hier vor der sehr schwierigen Frage stehen, wie wir unsere Interessen, die Interessen der Bundesrepublik Deutschland, in der Welt noch vertreten wollen, wenn wir durch unser Verhalten gezwungen sein könnten, in immer mehr Bereichen der Welt die eigenen Vertretungen zurückzuziehen. Dies ist ein ungewöhnlich schwieriges Problem, und wir wollen es mit der Vorsicht lösen, mit der diese Frage nur gelöst werden kann. Aber auch die vorige Regierung hat sich ja mit dieser Frage auseinandersetzen müssen. Das geht aus unserer Erklärung hervor. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich bereit erklären könnten, auch in diesem so schwierigen Teil unserer zukünftigen Politik mitzuarbeiten und auch daran mitzuwirken, daß wir nicht da stehenbleiben, wo wir sind. Herr Kiesinger hat gesagt, daß 20 Jahre lang ein Erdrutsch hat vermieden werden können. Aber ich muß doch ernsthaft fragen: was hat das denn den Menschen in der DDR in diesen 20 Jahren genützt? Ist es wirklich ein Vorteil gewesen, daß wir stehengeblieben sind, daß es uns nicht gelungen ist, zu einem höheren Grad an Normalisierung der Beziehungen zu kommen? Wenn uns das gelungen wäre, dann hätte es den Menschen auf jeden Fall mehr genützt. Das ist das Ziel unserer Politik in diesem Bereich. Ich spreche gar nicht voll zuständig darüber, weil der Außenminister hier ja nur eine Teilzuständigkeit hat. Aber ich wollte das sagen, damit das Ziel unserer Politik nicht falsch interpretiert wird, wie es so leicht geschehen kann, wenn man es in Schlagworten darstellt.
Ich will der Deutlichkeit halber sagen, daß wir die DDR natürlich nicht unkritisch als Partner hinnehmen. Mit unserer Absicht, zu vertraglichen Regelungen zu kommen, hat unsere Bewertung des Grades an demokratischer Entwicklung in der DDR überhaupt nichts zu tun. Natürlich hat die Regierung dort für uns keine demokratische Legitimation. Aber das braucht man uns ja nicht erst zu sagen. Darüber sind wir uns in diesem Haus völlig klar. Das wissen wir ja selbst, daß es so ist. Wir wissen auch, daß es andere Regierungen gibt, die keine demokratische Legitimation haben.