Rede von
Walter
Scheel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Dr. Kiesinger, wir haben uns in dieser Sendung schon darüber unterhalten, wer was gesagt hat. Ich muß auch hier wieder sagen, in dieser Sendung haben Sie auf die Sorgen hingewiesen, die Sie aus Freundeskreisen — ich habe gesagt: Nennen Sie die Freunde; Sie werden sich erinnern — erfahren haben über die Möglichkeit einer Regierungsbildung durch SPD und FDP,
— natürlich wegen deren Politik! Weswegen denn sonst?
Meine Damen und Herren, ich will das jetzt nicht fortsetzen, sondern ich möchte sagen, daß wir in den nächsten Jahren miteinander auskommen werden und auskommen müssen. Ich möchte ausdrücklich vermerken, daß in der Außenpolitik nicht nur eine Mehrheit der Koalitionsparteien hergestellt werden muß, sondern daß in der Außenpolitik um die Kooperation mit der Oppositionspartei gerungen werden muß und von uns geworben wird. Wir gehen nämlich davon aus, daß unsere Kollegen in der CDU/CSU genauso ernsthaft, so sachlich und so nüchtern wie wir nach gangbaren Wegen suchen, um in unseren außenpolitisch schwierigen Fragen weiterzukommen.
Der außenpolitische Teil der Regierungserklärung, meine Damen und Herren, läßt nun keinen Zweifel mehr darüber, daß das Wort, es handle sich um den Ausverkauf deutscher Interessen, etwas voreilig ausgesprochen worden ist; es wird durch diese Regierungserklärung eindeutig widerlegt. Für eine
faire Auseinandersetzung wäre es gut, wenn auch die Kollegen von CDU und CSU das im Laufe der Debatte einmal aussprächen.
Die Bundesregierung hat sich in der Außenpolitik zur Kontinuität bekannt, natürlich einer um neue Impulse zu ergänzenden Außenpolitik. Das schließt die Würdigung aller positiven Ansätze ein, die von früheren Bundesregierungen unternommen worden sind. Wir haben also weiterhin eine Basis der Gemeinsamkeit zwischen Regierung und Opposition gesucht. Wir haben deswegen ausdrücklich hingewiesen auf die Friedensnote vom Frühjahr 1966 und auf die Regierungserklärung auch der letzten Regierung, der ich als Sprecher der damaligen Opposition in ihren großen Zügen ja zugestimmt habe. Wir können dort aufbauen und wollen das tun. Die Gemeinsamkeit sollte also von keiner der beiden Seiten aufgekündigt werden. Wir versuchen auf jeden Fall, Möglichkeiten der Kooperation mit der Oppositionspartei immer wieder wahrzunehmen.
Herr Dr. Kiesinger hat über die Kontinuität gesprochen und zum Ausdruck gebracht, daß ihn die konsequente Weiterentwicklung der Außenpolitik besorgt mache. Hier ging es offenbar weniger um das „konsequent" als überhaupt um „Weiterentwicklung". Ich habe den Eindruck, daß die Weiterentwicklung in dem ganz bestimmten Teil, den er hier genannt hat, ihn mit Sorge erfüllt: die Weiterentwicklung im Bereiche des Verhältnisses der beiden Teile Deutschlands zueinander. Sobald man diesen Bereich diskutiert, gibt es auf beiden Seiten immer Emotionen. Ich möchte im Interesse eines Erfolges, den wir alle wünschen, in diesem Bereich auf jede Emotion verzichten.
Ja, die Regierung hat in ihrer Regierungserklärung von zwei Staaten in Deutschland gesprochen. Sie hat gesagt: Auch wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind sie doch füreinander nicht Ausland; ihre Beziehungen zueinander können nur von besonderer Art sein, nicht wie die Beziehungen der Bundesrepublik zu irgendeinem beliebigen ausländischen Staat. Wir haben deswegen eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR nicht in Betracht gezogen.
Meine Damen und Herren, diese Formulierung kann wohl nicht verdächtigt werden, als ob das eine das andere aufheben würde. Dann müßte ich Herrn Dr. Kiesinger auch verdächtigen, entweder immer etwas Falsches gesagt, interpretiert oder gewollt zu haben; denn wir haben uns soeben in seiner Abwesenheit — —