Rede von
Wolfram
Dorn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Bundeskanzler a. D. — —
— Nein, ich habe sie absichtlich so apostrophiert, Herr Dr. Kiesinger, damit das unmißverständlich bleibt.
Der Chef dieser neuen Regierung hat in der Regierungserklärung eine ganz klare Formulierung von sich gegeben. Zu dieser Formulierung in der Regierungserklärung werden wir uns als Freie Demokraten — nach dem, was Sie selbst im Wahlkampf vorhergesagt haben, darf Sie das gar nicht wundern; darauf komme ich nachher noch zu sprechen - ausdrücklich bekennen.
Da wir nun schon einmal beim Aufräumen, was die Vergangenheit angeht, sind, möchte ich noch ein Wort an den Vorsitzenden der CSU richten. Leider ist er im Augenblick nicht da.
— Entschuldigung, ich hatte ihn auf den Bänken der CSU gesucht, Herr Kollege Marx.
— Ja, ich weiß, darüber gibt es gar keinen Zweifel. Sie haben auch unser Einverständnis dazu bekommen.
Es ist sichtbar geworden, daß der „Bayern-Kurier" in entscheidenden politischen Aussagen nicht die Meinung des CSU-Vorsitzenden und seiner Partei vertritt. Herr Kollege Dr. Strauß, ich habe da Fragen zu zwei Sätzen, die die Freien Demokraten betreffen. Im „Bayern-Kurier" vom 11. Oktober stehen zwei Sätze, die ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten bitte vorlesen zu dürfen:
Hier und heute beginnt der Ausverkauf Deutschlands, und die FDP kann sagen, sie sei dabeigewesen. Der Links-Kanzler Brandt verhält sich wie ein Bilderbuchsozi. Er bestätigt unsere kühnsten Verdächte.
Das ist der eine Satz, Herr Kollege Strauß. Der andere Satz:
Die Unionsparteien sind durch die Manipulation der FDP dazu verdammt,
— als Anmerkung: auch sehr interessant, würde ich sagen —
um Deutschlands Souveränität aus der Opposition heraus zu kämpfen. Die Koalition von FDP und SPD wird das historische Verdienst haben, die Bundesrepublik an den Eingang zum Sowjetsystem gerückt zu haben.
Herr Kollege Dr. Strauß, ich meine, unter uns sollte eindeutig klar sein, daß Liberale in der politischen und geistigen Auseinandersetzung mit dem System der Unfreiheit immer die härtesten Gegner dieses
Systems in der Vergangenheit gewesen sind, heute sind und auch in Zukunft sein werden.
Meine Damen und Herren, in diesen Tagen wird zum Thema Wählerwille und Verfälschung des Wählerwillens von den Unionsparteien in einer Weise argumentiert, die mit sachlicher Logik über- haupt nicht mehr zu begreifen ist. Daß im Konzert dieser so vorgetragenen Kantate auch gelegentliche Mißtöne besonderer Art nicht fehlen, konnte man eigentlich voraussetzen. „Sie" — die Regierungsparteien — müssen jedoch mit allem Nachdruck der Behauptung entgegentreten, diese Koalition sei undemokratisch, weil sie eine Verfälschung des Wählerwillens bedeute. Das Prinzip der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie besagt, daß in jedem Parlament jede Mehrheit für eine Regierungsbildung gleiche demokratische Legitimität besitzt. Jede andere Betrachtung würde dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl, d. h. der Gleichwertigkeit jeder Wählerstimme, entgegenstehen. Das, meine Damen und Herren von der CDU, hat kein geringerer gesagt als Ihr früherer Ministerpräsident Dr. Franz Meyers am 26. .Juli 1966, als er auch gegen die stärkste Fraktion des Parlaments eine Mehrheit von zwei Stimmen dazu benutzte, eine Regierung zu bilden.
Ich meine also, die ganze Aufregung, Herr Kollege Balkenhol, ist doch an dieser Stelle völlig unwichtig. Hier geht es doch darum, ganz klar zu erkennen, daß die in diesem Hause sitzenden demokratischen Parteien untereinander in jeder Kombination regierungsfähig sein müssen, weil wir uns sonst nicht darüber wundern können, daß diese Demokratie einen Weg gehen kann, der nicht im Interesse der parlamentarischen Demokratie liegt, die wir alle vertreten.