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ID0600600400

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 6. Sitzung Bonn, den 29. Oktober 1969 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Barzel (CDU/CSU) 37 A, 67 C von Hassel, Präsident (zur GO) 46 D, 79 B Mischnick (FDP) 47 A Wehner (SPD) 54 D, 68 A Brandt, Bundeskanzler 61 C, 72 A, 93 C Dr. Schmid, Vizepräsident 68 A Rasner (CDU/CSU) (zur GO) 68 B Stücklen (CDU/CSU) 69 B Wehner (SPD) (Erklärung nach § 36 GO) 69 D Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) 69 D, 72 D von Hassel, Präsident 73 A Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) 73 B Dorn (FDP) 79 C Wischnewski (SPD) 82 C Scheel, Bundesminister 84 D Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 91 A Dr. Hallstein (CDU/CSU) 94 B Dr. Schiller, Bundesminister 97 D Dr. Apel (SPD) 104 B Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 104 C Ertl, Bundesminister 107 B Junghans (SPD) 109 A Dr. Zimmermann (CDU/CSU) 110 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) 113 C Schmidt, Bundesminister 115 A Mattick (SPD) 117 C Borm (FDP) 119 D Dr. Gradl (CDU/CSU) 121 B Nächste Sitzung 124 D Anlage 125 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Oktober 1969 37 6. Sitzung Bonn, den 29. Oktober 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Amrehn ** 16. 11. Bergmann * 29. 10. Frau von Bothmer 29. 10. Bremm 29. 10. Dr. Dittrich * 31. 10. Frau Herklotz ** 17. 11. Gottesleben 31. 12. Dr. Jungmann 10. 11. Frau Kalinke ** 17. 11. Lücke (Bensberg) 31. 10. Frau Meermann ** 9. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 10. Petersen ** 17. 11. Pöhler 29. 10. Dr. Preiß 31. 10. Raffert ** 9. 11. Dr. Rinderspacher 14. 11. Schlee 31. 10. Dr. Schmidt (Offenbach) 31. 10. Weigl 31. 10. Dr. Wörner 30. 10. Frau Dr. Wolf ** 20. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Union
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    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwanzig Jahre nach Bildung der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich, im Gegensatz zur Weimarer Republik, daß extreme Störungen bei uns auf radikale Ablehnung stoßen. Mit Befriedigung können wir heute feststellen, daß es dem gemeinsamen Bemühen aller Demokraten in diesem Hause gelang, den Extremisten den Einzug in dieses Parlament zu verwehren. Es zeigte sich wieder einmal mehr, daß der Wille zum Ausbau unserer parlamentarisch-demokratischen Ordnung in unserem Volke wächst.
    Nach unserer Auffassung ist der vollzogene Regierungswechsel nach zwanzigjähriger CDU/CSU-Herrschaft

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und der FDP!)

    ein Dienst an der Demokratie. Wir sind froh darüber, daß das möglich war.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Leider, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist aber der Wechsel zwischen Regierung und Opposition noch keine Selbstverständlichkeit, wie aus dem zahlreichen persönlichen Beleidigtsein bei vielen prominenten Vertretern der CDU/CSU unverhohlen zum Ausdruck kommt.

    (Zurufe von der CDU/CSU. Abg. Dr. Stoltenberg: Meinen Sie das Wort von der Pendler-Partei, oder was?)

    Nachdem mit der Bildung der Großen Koalition 1966 für jedermann deutlich sichtbar wurde, daß die Koalitionsfähigkeit bei jeder der drei Fraktionen dieses Hohen Hauses vorhanden war, mußte natürlich jede Fraktion auch mit der Oppositionsmöglichkeit rechnen, was offensichtlich bei der CDU/CSU damals nicht der Fall war.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die neue Koalition, die eine Koalition der Reformbereitschaft und des Fortschrittwillens ist, wird sich nicht beeindrucken lassen - so wie es eben wieder durch den Kollegen Barzel versucht worden ist
    — durch den Hinweis, daß wir eine zahlenmäßig schmale Mehrheit haben.

    (Abg. Köppler: Gegen Zahlen sind Sie allergisch!)

    — Im Gegenteil, bei Zahlen bin ich hellwach. Ich wäre froh, wenn Sie Zahlen immer so genau behalten könnten, wie es notwendig ist.

    (Abg. Dr. Barzel: Das Wort „zahlenmäßig" ist nicht vorgekommen!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben eine in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik einmalig zügige und trotzdem sachlich gründliche Regierungsbildung erlebt, und das hat
    schon sichtbar werden lassen, daß die gemeinsame Plattform für die Politik der nächsten vier Jahre, für die notwendigen Entscheidungen breiter ist, als es sich im Augenblick stimmenmäßig ausdrückt. Ich darf dabei mit Befriedigung feststellen, daß uns die Offenheit der Gespräche zwischen den Verhandlungspartnern und das beiderseits eingebrachte Vertrauenskapital die Garantie für eine gute menschliche Zusammenarbeit geben, auch wenn es in Sachfragen in diesem oder jenem Punkt zu unterschiedlichen Meinungen kommen wird. Die gegenseitige Achtung und der Respekt vor der eigenständigen politischen Auffassung wird eine loyale Zusammenarbeit gewährleisten, und das scheint uns die entscheidende Voraussetzung zu sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Barzel hat soeben davon gesprochen, er bedauere es, daß der Herr Bundeskanzler kein Wort für die Amtsvorgänger Erhard und Kiesinger gefunden habe. Wenn ich an die Regierungserklärung 1966 denke und wenn ich an die Beurteilung des Amtsvorgängers des Herrn Bundeskanzlers Kiesinger denke, dann muß ich sagen, es wäre besser gewesen, Herr Kollege Barzel, Sie hätten das hier nicht mehr erwähnt. Damals sah das ganz anders aus.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: Stimmt doch gar nicht!)

    Diese Bundesregierung hat unmittelbar nach ihrem Amtsantritt mit der Aufwertung der D-Mark der deutschen und der internationalen Öffentlichkeit demonstriert, daß sie entschlossen ist, die vom bisherigen Bundeskanzler zu verantwortende konjunkturelle Fahrlässigkeit unverzüglich zu beenden. Das ist geschehen, und die CDU/CSU wäre gut beraten, wenn sie diese Entscheidung der neuen Bundesregierung mit sachlichen Darlegungen, mit sachlicher Kritik begleiten würde, statt hier auf Stimmungsmache zu arbeiten.

    (Zurufe von der CDU/CSU.) Es ist einfach unseriös,


    (erneute Zurufe von der CDU/CSU)

    so zu tun, als würde diese Regierung durch die Aufwertung der deutschen Wirtschaft schwere Nachteile aufbürden, als würde diese Regierung ihr Klötze ans Bein binden.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die Opposition sollte doch endlich zur Kenntnis nehmen, daß es uns darum geht, die Milliardenverluste, die durch eine laufende —

    (Abg. Dr. Barzel: Herr Kollege Mischnick, mein Klotz war der Haushaltsklotz! Differenzieren Sie bitte!)

    — Aber entschuldigen Sie, Herr Kollege Barzel, ich werde gleich noch einmal zu dem „Klotz" kommen, keine Sorge!
    Uns geht es darum, die Milliardenverluste, die durch eine laufend steigende Geldentwertung bei den Sparern und Verbrauchern verursacht werden, in Grenzen zu halten. Wenn jetzt Grund zur Kritik



    Mischnick
    vorliegt, Herr Kollege Barzel, dann nur Grund zur Selbstkritik bei Ihnen und sonst niemandem.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: So selbstgerecht haben wir nie gesprochen, Herr Mischnick! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Wenn Sie selbst, Herr Kollege Barzel, diese Kritik nicht verdienen, dann bedaure ich, daß Sie sich damals als Fraktionsvorsitzender gegenüber Ihrer Regierungsmehrheit im Kabinett nicht haben durchsetzen können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: Das ist aber ein kleines Karo, mit dem Sie heute anfangen!)

    Wir begrüßen es dankbar, daß bei den Verhandlungen in Brüssel in den letzten Tagen die Bundesminister Ertl und Schiller für unsere Landwirtschaft eine sechswöchige Verschnaufpause erreicht haben,

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    was in den bisherigen Verhandlungen zu keinem Zeitpunkt möglich war. Das ist bisher ein einmaliges Ergebnis.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Heck: Sehr bescheiden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, heute die Schwierigkeiten in der Landwirtschaft kritisieren, müssen Sie sich an die eigene Nase fassen; denn das sind die Folgen der Politik der vergangenen 20 Jahre, die Folgen der Vorleistungen in Brüssel, die in erster Linie Sie vollbracht haben, niemand anders.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir Freien Demokraten gehen davon aus, daß, nachdem die Währungsparität verändert worden ist und hier Voraussetzungen geschaffen worden sind, das Ziel unserer Wirtschaftspolitik, nämlich Stabilität und Wachstum zu gewährleisten, nur erreicht werden kann a) durch das Bremsen von preissteigernder Übernachfrage auf allen Gebieten und b) durch umfassende Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität. Beides wird nach unserer Überzeugung hohe Anforderungen an die Flexibilität unserer Wirtschaft stellen. Dabei dürfen wir aber niemals vergessen, daß heute bereits 10 "/o des Kräftebedarfs nicht mehr aus den erwerbstätigen Jahrgängen unseres eigenen Volkes gedeckt werden können. Wir meinen deshalb, daß der alte Vorschlag der Freien Demokraten, Überstundenentgelte von der Lohnsteuer und von Sozialabgaben zu befreien sowie mehr Teilzeitarbeit zu ermöglichen, so lange aktuell bleibt, solange wir einen zusätzlichen Anreiz für Mehrarbeit brauchen. Wir werden deshalb diese Gedanken wie bisher weiter verfolgen.
    Unser Ziel ist es, die marktwirtschaftliche Ordnung zu festigen auf der Grundlage eines hohen Beschäftigungsgrades, die Stabilität der Währung zu sichern und ein stetiges volkswirtschaftliches Wachstum zu gewährleisten. Dabei gehen wir davon aus, daß sich staatliche Regelungen immer auf die Erhaltung und den Ausbau der Wettbewerbsvoraussetzungen in allen Bereichen unserer Volkswirtschaft konzentrieren.
    Der Kollege Barzel hat mit einigen Bemerkungen den Eindruck erweckt, als wäre das, was sich diese Koalition vorgenommen hat, eine Gefährdung unserer Finanzpolitik. Wenn ich nur einmal ganz kurz überdenke, was er selbst als „Notwendigkeiten" genannt hat, so muß ich sagen: ich habe feststellen können, daß im Grundsatz in weiten Bereichen durchaus Übereinstimmung besteht und in der Regierungserklärung dazu durchaus konkret Stellung genommen worden ist, soweit das heute schon möglich ist.
    Die Finanzpolitik soll nach unserer Meinung einer freien Gesellschaftsordnung entsprechen und soziale Gerechtigkeit gewährleisten. Das bedeutet, daß Regierung und Bundestag vorn Staatsbürger nicht mehr an Steuern und Abgaben verlangen dürfen, als zur Erfüllung dieser Aufgaben unbedingt notwendig ist. Wir begrüßen die Feststellung der Bundesregierung, daß die Steuerlastquote, insgesamt gesehen, nicht erhöht werden soll. Das Finanz- und Steuersystem muß nach unserer Überzeugung noch mehr als bisher die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der gesamten Bundesrepublik gewährleisten. Deshalb meinen wir, daß die Weiterführung der Finanzreform und der Steuerreform diesem Ziele dienen und eine sinnvolle Neuordnung der Aufgaben und der Ausgaben aller Gebietskörperschaften herbeiführen muß. Hier muß das, was in der letzten Legislaturperiode als Ansätze sichtbar wurde, weitergeführt werden, damit unser föderatives System in sich leistungsfähiger werden kann, als es bisher der Fall war.
    Die Fraktion der Freien Demokraten hat mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung die längst fällige Steuerreform mit aller Energie anpacken will. Sie begrüßt es — das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit feststellen , daß die Bundesregierung weder den Leistungswillen noch die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft durch konfiskatorische Steuern beschränken will. Im Interesse der Sicherheit der Arbeitsplätze und einer gerechten sozialen Weiterentwicklung dart deshalb die Steuerbelastung, wie angekündigt, nicht höher werden. Wir gehen allerdings davon aus, daß mit der Steuerreform auch endlich das Steuerdickicht zugunsten einer größeren Steuergerechtigkeit gründlich durchforstet wird. Es muß aufhören, daß jedermann einen Steuerberater braucht, um überhaupt seine Möglichkeiten voll nutzen zu können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wir unterstützen die Vorschläge, vorab den Arbeitnehmerfreibetrag zu verdoppeln und die unserer Meinung nach ungerechtfertigte Ergänzungsabgabe innerhalb eines Jahres völlig zu beseitigen. Damit würde eine mehrjährige Forderung der Freien Demokraten erfüllt.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: „Völlig" steht da gar nicht!)




    Mischnick
    — Entschuldigung, es ist beabsichtigt, daß sie zunächst einmal ab 1. Januar 1970 vermindert und daß sie ab 1971 ganz verschwinden soll.
    Wir lassen aber keinen Zweifel daran, daß im Zuge der Steuerreform keine zusätzlichen Belastungen insbesondere der lohnintensiven Wirtschaft kommen dürfen. Wir werden uns nicht nur mit aller Energie gegen etwaige, früher leider sehr verbreitete Überlegungen wenden, die Lohnsummensteuer obligatorisch einzuführen, sondern wir werden darüber hinaus bemüht bleiben, einen gemeinsamen Weg zu finden, um Steuerarten abzubauen, die sich wettbewerbsverzerrend innerhalb der EWG auswirken, weil sie nur bei uns in der Bundesrepublik vorhanden sind.

    (Zuruf des Abg. Haase [Kassel].)

    Ich denke dabei an die Diskussion um die Lohnsummen- und Gewerbesteuer, selbstverständlich unter dem Gesichtspunkt, daß ein Ausgleich bei den Gemeinden dafür erfolgen muß.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Das kann aber nur, Herr Kollege, im Zuge der Harmonisierung der Steuern in der EWG geschehen. Wir sind der Meinung, daß nicht nur der Agrarmarkt, sondern darüber hinaus die gesamte Wirtschafts- und Steuerpolitik in der EWG harmonisiert werden soll. In diesen Rahmen gehört es hinein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nichts Neues!)

    — Herr Kollege, wenn Sie sagen „Nichts Neues": zwanzig Jahre, darauf sind Sie doch so stolz, Sie hätten mindestens zehn Jahre intensiver daran arbeiten können. Das ist ja leider bisher nicht geschehen.

    (Beifall bei der FDP. — Abg. Lemmrich: Sie übersehen anscheinend, daß viele Jahre die FDP den Finanzminister stellte!)

    Wir wollen eine moderne, in die Zukunft weisende Gesellschaftspolitik unterstützen, die ohne dogmatische oder ideologische Scheuklappen die Probleme der heutigen Industriegesellschaft zu lösen versucht. Eine sinnvolle Weiterentwicklung unserer sozialen Gesetzgebung muß nicht automatisch zu einer schematischen Ausweitung staatlicher Einflußnahme oder gar zu unnötigen Bevormundungen durch den Staat führen. Die Möglichkeit der freien Wahl bestimmter sozialer Sicherungsarten braucht nicht den Gedanken der Solidargemeinschaft zu gefährden, wenn man Ausmaß und Umfang der sozialen Sicherung in stärkerem Maße als bisher der Entscheidung des einzelnen überläßt.
    Für uns ist auch die gesamte Eigentumspolitik — nicht erst seit heute, sondern schon über ein Jahrzehnt lang — eine gesellschaftspolitisch wie wirtschaftspolitisch besonders wichtige Aufgabe. Die bekannten Förderungsmöglichkeiten sind bereits in der Regierungserklärung angesprochen worden; sie können in den verschiedensten Formen ausgebaut und verbessert werden. Die Freien Demokraten werden aber auch darauf achten, daß der Möglichkeit breitgestreuter Eigentumsbildung am Wirtschaftsvermögen insgesamt die größte Aufmerksamkeit gewidmet wird. Dabei geht es nicht — um allen unsinnigen Gerüchten vorzubeugen und um allen böswilligen Interpreten gleich von vornherein den Stempel der Unglaubwürdigkeit aufzudrücken — um eine verbrämte Enteignung von Eigentum. Wer solche Auslegungen verbreitet, vergiftet bewußt die Atmosphäre für die Diskussion, die wir brauchen, um zu einer sinnvolleren Verteilung von Vermögen und Eigentum zu kommen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, was bereits in großen Betrieben jahrelang zur Selbstverständlichkeit gehört, nämlich die Möglichkeit der Mitarbeiter, Miteigentum zu erwerben, sollte in Zukunft für alle Interessierten — Arbeiter, Angestellte, Beamte und Selbständige — möglich gemacht und mehr als bisher auch vom Staat gefördert werden. Maßstab bei all diesen Überlegungen muß aber sein, die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft nicht zu gefährden und die Arbeitsplätze zu sichern.
    Meine Damen und Herren, es wäre verführerisch, in der Stellungnahme zur Regierungserklärung zu allen Sachbereichen einiges zu sagen. Wir werden nachher und morgen noch Gelegenheit haben, bestimmte Sachfragen im Detail zu diskutieren. Ich erspare es mir deshalb, hier den gesamten Bereich der vor uns liegenden Aufgaben auch nur partiell zu behandeln.
    Ich halte es aber für notwendig, auf einen Tatbestand hinzuweisen. Wir konnten mit besonderer Genugtuung feststellen, daß die Angestellten nunmehr endlich mit den Arbeitern gleichgestellt werden sollen. Die jahrelange Forderung der FDP, allen Angestellten, deren Einkommen oberhalb der Versicherungsgrenze liegt, auch den Arbeitgeberbeitrag zu zahlen, soll endlich erfüllt werden. Wir haben nie verstanden, warum entsprechende Vorschläge in der Vergangenheit in diesem Hause nicht die Mehrheit gefunden haben. Mit der Erfüllung dieser Forderung wird ein wesentlicher Schritt getan, um ungerechtfertigte Benachteiligungen der Angestellten zu beseitigen.
    Die vorgesehene Dynamisierung der Krankenversicherungspflichtgrenze für Angestellte darf aber nach unserer Überzeugung nicht dazu führen, daß die Entscheidungsfreiheit, ob der einzelne in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben will oder ob er sich privat -weiterversichern will, eingeschränkt wird. Beim Übergang muß ihm diese Entscheidungsfreiheit belassen werden. Wir werden auch in Zukunft den größten Wert darauf legen, daß erweiterte Schutzmöglichkeiten für Arbeiter und Angestellte immer mit der Möglichkeit verbunden werden, über Ausmaß und Umfang selbst mitentscheiden zu können.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in der letzten Regierungserklärung aus dem Jahre 1966 und auch wieder in dieser Regierungserklärung eine Reihe von Passagen gefunden, die sich mit der Kriegsfolgengesetzgebung befassen. Wir Freien Demokraten begrüßen die Absicht der Bundesregierung, auch die Kriegsfolgeleistungen — ich denke an die Kriegsopferrenten und an die Renten



    Mischnick
    für Flüchtlinge und Vertriebene — in Zukunft regelmäßig jährlich anzupassen. Auch hier geht es darum, eine Benachteiligung zu beseitigen. Wir hoffen, daß die erneute Ankündigung, daß man auch im Kriegsfolgenbereich endlich zu Abschlußgesetzen kommen will, verwirklicht werden kann. Wir wissen, daß es 20 Jahre nach Kriegsende höchste Zeit wird, daß es notwendig ist, Ungerechtigkeiten, ungerechte Behandlungen der verschiedenen Gruppen, die die Kriegsfolgen besonders zu tragen haben — ich denke hier insbesondere an die sozialpolitisch und rechtlich ungerechtfertigten Unterscheidungen und Benachteiligungen bei politischen Häftlingen und bei Flüchtlingen aus dem Bereich der DDR —, endlich zu beseitigen.
    Der Herr Kollege Barzel hat darauf hingewiesen, daß ihm der Termin, im Mai über die Bildungspolitik zu sprechen, etwas zu fern sei. Ich kann nur sagen: Wir freuen uns darüber, daß die Fraktion dieses Hauses, die sich mit am meisten dagegen gesträubt hat, Fragen der Hochschul- und Bildungspolitik überhaupt in diesem Hause zu diskutieren,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch gar nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    in den letzten zwei Jahren einen erfreulichen Wandel durchgemacht hat.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Lassen Sie mich ausreden! — Ich kann mich noch entsinnen, als wir Freien Demokraten in diesem Hohen Hause diese Fragen ansprachen, kam der Hauptwiderstand aus den Reihen der CDU/CSU.

    (Abg. Köppler: Und jetzt? Wo ist er denn jetzt, Herr Mischnick?)

    — Ich komme noch dazu, keine Sorge. — Erst jetzt sind wir so weit, daß wir endlich die Fragen der Bildungspolitik als eine gemeinsame Aufgabe ansehen. Die Freien Demokraten streben mit Unterstützung dieser Bundesregierung eine Gesellschaftsordnung an, in der jeder die seiner Begabung und seiner Leistung entsprechende wirtschaftliche und soziale Stellung einnehmen kann. Das ist nach unserer Überzeugung nur durch eine entsprechende Bildungspolitik möglich. Deshalb werden wir alle Versuche unterstützen, die jetzt vorhandenen Zuständigkeiten des Bundes voll auszunutzen. Wir lassen keinen Zweifel daran, daß wir gern eine Ausweitung sehen würden. Das wird aber nur möglich sein, wenn in diesem Hohen Hause eine entsprechende Zweidrittelmehrheit zustande kommt. Hier wird es an der Opposition liegen, ob sie in diesen Fragen, auch ohne Regierungsbeteiligung,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    wenn sie akut werden, mit der Regierungsmehrheit zusammenarbeiten will.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: Erst einmal müßt ihr mit uns reden!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die wichtigste Aufgabe eines modernen Bildungswesens
    in einem demokratischen Staat ist für uns die Sicherung von Geistesfreiheit und Toleranz durch die Heranbildung freier, selbstverantwortlicher und kritischer Bürger, die zur Zusammenarbeit mit anderen nicht nur willens, sondern auch in der Lage sind. Wirksame politische Bildung kann unserer Auffassung nach nicht ausschließlich Aufgabe eines bestimmten Unterrichtsfaches in der Schule sein. Die Vermittlung und Einübung sozialer und demokratischer Tugenden, die Erziehung zum kritischen Denken, zur politischen Urteilsfähigkeit muß im gesamten Unterricht und in einem eigenen Verantwortungsfeld der Schüler geleistet werden. Dazu bedarf es demokratischer Arbeitsformen in einer offenen Gestaltung der Schule und der Unterrichtsprozesse unter verantwortlicher Mitwirkung auch der Schüler. Nur so wird die politische Bildung mehr sein als ein bloßes Instrumentarium für bestimmte Stunden, mehr sein als Institutionenkunde oder ein wirkungsloses Sandkastenspiel.
    Wir meinen, daß wir uns zur Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre und des Studiums um eine kritische Überprüfung der deutschen Hochschultradition und um eine geschlossene Fortentwicklung im Hinblick auf den einzelnen und seine Aufgaben in der modernen Gesellschaft bemühen müssen. Ziel der FDP ist es, eine innere Reform des gesamten Hochschulwesens in Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung herbeizuführen, die die Hochschulen in die Lage versetzt, allen für eine Hochschulausbildung geeigneten Menschen in angemessener Zeit einen Studienabschluß zu ermöglichen.
    In eine Hochschulreform müssen unserer Auffassung nach die Bildungsangebote der heutigen höheren Fachschulen, der Fachhochschulen und der wissenschaftlichen Hochschulen einbezogen sein. Es muß ein Ganzes sein. Es darf nicht mehr auseinanderstreben, wie es bisher leider meistens noch der Fall ist. Dadurch kann ein System aufeinander aufbauender Studiengänge und abgestufter Studienabschlüsse erreicht werden, die den verschiedensten Anforderungen von Verwaltung und Wirtschaft, Forschung und Lehre gerecht werden. Wir meinen, Numerus clausus und starre Befristung der Immatrikulation können nicht Mittel der Hochschulpolitik sein. Wir lehnen sie ab.
    Wir meinen auch, daß das Bildungswesen, wenn winden Anschluß an die technische Entwicklung halten wollen, nicht in Formen der Tradition erstarren darf. Das Bildungssystem muß sich auch selbst als Gegenstand der Forschung verstehen und durch Bildungsforschung die Grundlagen der Bildungsplanung und Bildungspolitik mitgestalten.
    Der Bund hat die Aufgabe — und hier kann er selbst tätig werden —, in den Forschungseinrichtungen, die von ihm voll finanziert werden, unverzüglich mit gutem Beispiel beim Abbau hierarchischer Strukturen voranzugehen und ein Kollegialsystem einzuführen, das allen Wissenschaftlern volle Mitwirkungsrechte und Mitverantwortung sichert. Mit dieser Maßnahme könnte die Bundesregierung für die Hochschulpolitik ein Exempel des Fortschritts



    Mischnick
    statuieren, das für alle übrigen wissenschaftlichen Bereiche ein Vorbild sein kann.

    (Beifall bei der FDP.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die internationale Arbeitsteilung in diesem wissenschaftlichen Bereich muß zum Gegenstand der deutschen Forschungspolitik gemacht werden.
    In allen Ausbildungsbereichen und auf allen Qualifikationsstufen müssen künftig nach unserer Auffassung einmal erworbene Kenntnisse und Qualifikationen im ständigen Wechsel von Ausbildungs- und Berufsphasen immer wieder überprüft, erneuert und ergänzt werden. Dazu ist es allerdings notwendig, alle Formen der Erwachsenenbildung einschließlich Fern- und Funkunterricht entsprechend auszubauen und Methoden zu finden, um die Freistellung vom Beruf für diese Weiterentwicklung zu ermöglichen. Wir legen gerade auf dieses Gebiet besonderes Gewicht. Wir meinen, daß es unsere Aufgabe sein muß, hier in den nächsten vier Jahren Akzente zu setzen. Denn wenn wir die Fragen der Bildungspolitik als den wesentlichen Teil der Gesellschaftspolitik nicht lösen, wird es uns auch nicht möglich sein, die notwendigen Reformen der 70er Jahre auf Dauer durchzuhalten.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch ein paar Sätze zur Frage der Mitbestimmung sagen. Wir haben nie verheimlicht, daß hier zwischen den Koalitionspartnern in bestimmten Punkten unterschiedliche Auffasungen bestehen. Wir sind bereit, das offen zu sagen. Tiefgreifende Änderungen vollziehen sich nicht nur in den Berufen und ihren Anforderungen an jeden einzelnen. In einer immer stärker vom Wandel geprägten Welt wachsen die Ansprüche an die Selbstverantwortung der selbständig und der unselbständig Tätigen. An den jeweiligen Arbeitsplätzen ergeben sich neue Situationen und neue Verantwortungsbereiche. Diese Entwicklung muß nach unserer Überzeugung auch bei der Organisation der Zusammenarbeit von Menschen berücksichtigt werden. Sie muß sowohl eine umfassende Information aller an einem gemeinsamen Ziel im Betrieb tätigen Mitarbeiter sicherstellen als auch die Interessen und den Sachverstand dieser Mitarbeiter differenziert zur Geltung bringen. Es sollten auch nach unserer Überzeugung mehr Vereinbarungen abgeschlossen werden, durch die Mitarbeitern eine Zusatzvergütung zuteil wird, die am selbst beeinflußten Ergebnis orientiert und kontrollierbar ist, um hier den Leistungswillen des einzelnen steigern zu helfen. Die gesetzlichen Rahmenbestimmungen sollten solche Zielsetzungen ermöglichen und ihnen angepaßt werden.
    Die erforderliche Weiterentwicklung der Bestimmungen zur lebendigen Mitwirkung der Arbeiter, Angestellten und Beamten in ihren Wirkungsbereichen wird für die Wirtschaft durch eine Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes, für den öffentlichen Dienst durch eine Novellierung des Personalvertretungsgesetzes einzuleiten sein. Wir Freien Demokraten haben dazu ja bereits in der
    letzten Legislaturperiode Gesetzentwürfe vorgelegt. Sie werden gemeinsam mit den Vorschlägen der Kollegen der SPD Grundlage unserer Überlegungen sein.

    (Abg. Dr. Heck: Die sind aber sehr verschieden!)

    — Sie werden beide Grundlage sein. Das schließt nicht aus, daß zunächst einmal von verschiedenen Punkten ausgegangen wird. Das war ja auch in Ihrer Koalition so, Und so wie Sie sich in vielen Punkten gefunden haben, bin ich sicher, werden auch wir uns finden. Der Wille dazu ist auf beiden Seiten absolut vorhanden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die FDP will die Mitwirkung und Mitverantwortung der Arbeitnehmer in den Betrieben stärken. Ich sage in aller Offenheit: die paritätische Mitbestimmung des Montanmodells schafft dies unserer Überzeugung nach nicht. Wir lehnen es deshalb ab. Ich habe dazu in diesem Hohen Hause anläßlich der Beratung der entsprechenden Gesetzentwürfe ausführlich gesprochen. Alle Hoffnungen aber, meine sehr verehrten Kollegen von der CDU/CSU, daß das nun der Dollpunkt werden wird, sollten Sie sehr schnell begraben. Denn wir sind entschlossen, uns gerade auf diesem Gebiet durch Sie nicht provozieren zu lassen.

    (Abg. Stücklen: Auf anderen?)

    In der Regierungserklärung ist sehr deutlich davon gesprochen worden, daß die Umstrukturierung, die in unserer Wirtschaft und in unserer Gesellschaft insgesamt vorangegangen ist, weitergetrieben werden soll. Diese Umstrukturierung ist auf der einen Seite durch den technischen Fortschritt bedingt und auf der anderen Seite eine Folge des Krieges. Gerade diese Fragen der Umstrukturierung gelten in besonderem Maße für die Landwirtschaft, aber auch für einige andere Wirtschaftszweige. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie in ihrer Strukturpolitik keinerlei gewaltsame Lösungen vom grünen Tisch durchführt, sondern immer davon ausgeht, die betroffenen Wirtschaftszweige in ihrer Gesamtheit zu sehen und mit ihnen die notwendigen Maßnahmen abzustimmen.
    Eine Politik ständiger Vorleistungen allerdings — ich wiederhole, was ich im Zusammenhang mit der D-Mark-Aufwertung gesagt habe —, wie wir sie bei der EWG auf dem Agrarmarkt erlebt haben, kann auf die Dauer doch nur zu neuen Desastern führen. Wir halten sie deshalb für falsch. Wir bleiben dabei, daß das Leitbild unserer Agrarpolitik der rationell bewirtschaftete Familienbetrieb, der seine Selbständigkeit und seine wirtschaftliche Unabhängigkeit festigt, sein soll. Aber die Möglichkeiten, geeignete Formen der freiwilligen Kooperation zu finden, müssen nach unserer Überzeugung gefördert werden. Es muß auch Ziel der Agrarpolitik sein, national wie im europäischen Bereich durch Ausnutzung aller Möglichkeiten der Rationalisierung und durch Maßnahmen einer gerechten Preispolitik ein Marktpreisniveau sicherzustellen, das den Kosten im rationell geführten Betrieb entspricht. Die Integration der Agrarwirtschaft in die Gesamtwirtschaft,



    Mischnick
    die wir uns als Ziel gesetzt haben, soll nach unserer Überzeugung zu einer Gleichstellung der in der Landwirtschaft tätigen Menschen sowohl in der gesamten Sozial- und Einkommens- wie auch in der Bildungspolitik führen, um das Gefälle, das wir heute noch haben, abbauen zu können.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Regierungserklärung ist einiges gesagt worden zu den Fragen Länderneugliederung, Verwaltungsreform, Kabinettsreform. Wir begrüßen die Absicht der Bundesregierung, Art. 29 des Grundgesetzes zu erfüllen. Wir sind überzeugt, daß hier der Vorschlag der Freien Demokraten, zunächst einmal die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und Saar zusammenzufassen, ein guter erster Schritt zur Erfüllung dieses Artikels wäre. Wir stehen auch jenem Versuch aufgeschlossen gegenüber, im norddeutschen Raum zwischen den Küstenländern zu einer sinnvollen Neuordnung zu kommen. Wir halten allerdings nichts von der Parole, die öfter zu hören ist: „Alles oder nichts."

    (Abg. Stücklen: Wein- und Wasserstaat!)

    Auf den Bundesrat wird nach unserer Überzeugung eine große Bewährungsprobe zukommen, wenn diese Fragen zur Entscheidung anstehen. Aber hier wird sich auch zeigen, ob durch eine Neugliederung unser föderatives System effektiver gemacht und damit gleichzeitig das Gewicht des Bundesrates da, wo es notwendig ist, entsprechend gestärkt werden kann.

    (Beifall bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren! Für uns ist mit der Auflösung und Verschmelzung verschiedener Ministerien das Problem der Kabinettsreform noch nicht abgeschlossen. Wir erwarten, daß nach einem gewissen Erfahrungszeitraum — —

    (Abg. Majonica: Soll es noch größer werden, Herr Mischnick?)

    — Aber Herr Kollege Majonica, das war doch einer der billigsten Zwischenrufe, die wir heute gehört haben.

    (Abg. Majonica: Nein, der war teuer!)

    — Im Gegenteil! Sehen Sie, bei Ihrer Rechnung, die heute früh aufgemacht worden ist, ob mehr Parlamentarische Staatssekretäre gegenüber Ministern vorhanden sind, haben Sie natürlich nicht daran gedacht, was durch Verschmelzung von Häusern z. B. an Zentralabteilungen, die zweimal vorhanden waren, und was in anderen Positionen wegfallen kann.

    (Abg. Lemmrich: Das werden wir ja bei den Haushaltsberatungen sehen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Das werden Sie alles sehen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wenn die Stellenanforderungen kommen!)

    und Sie werden spüren,

    (Abg. Köppler: Also keine Mehranforderungen!?)

    daß die Reform der Regierungsarbeit nicht abgeschlossen ist, sondern fortgesetzt werden wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: Also Stelleneinsparungen! — Abg. Köppler: Sehr erfreulich zu hören!)

    Sie werden erleben,

    (Abg. Lemmrich: Können Sie sagen, was das in Geld ausmacht?)

    daß diese Regierung bemüht bleiben wird, eine optimale Zusammenfassung der Zuständigkeiten zu erreichen. Daß hier in den letzten Jahren vieles wild gewuchert, vieles falsch gelaufen ist, kann kein Mensch bestreiten, der sich den Haushaltsplan und die einzelnen Häuser einmal ansieht.

    (Abg. Baron von Wrangel: Werden Sie doch einmal genauer, Herr Mischnick!)

    — Herr Kollege, ich bin etwas erstaunt darüber, daß Sie auf der einen Seite in Ihrer Stellungnahme zum Ausdruck gebracht haben, was Sie alles machen wollen, ohne im Detail zu sagen, was es kosten soll, auf der anderen Seite aber, nachdem diese Regierung nicht einmal 14 Tage nach Konstituierung des Bundestages nicht nur steht, sondern eine Regierungserklärung abgegeben hat, glauben, daß entsprechende Gesetze schon verabschiedungsreif sein könnten. Das ist natürlich nicht möglich.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir erwarten, daß die Schaffung eines Rechtspflegeministeriums mit der Übertragung der Finanzgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf das Justizministerium nicht abgeschlossen ist, sondern weiter das Ziel geprüft wird, auch die Sozialgerichtsbarkeit und die Arbeitsgerichtsbarkeit in dieses Rechtspflegeministerium zu übernehmen. Wir wissen sehr genau, daß es hier noch manche Bedenken gibt und daß es vor allem darum geht, mit denen, die Bedenken haben, über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Maßnahmen noch zu beraten. Ich bin aber überzeugt, daß wir auch hier, wie in vielen Ländern bereits geschehen, zu einer Lösung kommen werden, die dem Rechtsuchenden, ganz gleich in welchem Bereich es ist, für die Zukunft bessere, schnellere Möglichkeiten, sein Recht zu finden, geben wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den Passagen der Regierungserklärung machen, die sich mit der Verteidigungspolitik befassen. Wir begrüßen es sehr, daß die Regierungserklärung auch dazu eindeutige Aussagen gemacht hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eindeutige?)

    — Aber Herr Kollege Klepsch!

    (Abg. Lemmrich: Andeutungen!)

    Sie unterscheidet sich doch damit wohltuend positiv von der Regierungserklärung 1966,

    (Abg. Dorn: Sehr wahr!)

    in der kein Wort von der Bundeswehr enthalten war. Das ist der entscheidende Unterschied.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Mischnick
    Hier werden die drängenden Fragen angesprochen und manche Überlegungen bereits dargelegt, wie es weitergehen soll.
    Wir hoffen, daß die neue Bundesregierung schnelle, wirksame Maßnahmen einleiten wird, um das drängende Problem der Wehrungerechtigkeit zu lösen. Wir sind überzeugt, daß das am Ende der Beratung nicht ohne eine Verkürzung der Dauer des Wehrdienstes geschehen wird. Sie haben natürlich recht, daß jetzt noch keine Festlegung — das gestehe ich freimütig — auf die Forderung der Freien Demokraten erfolgt ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ausgeklammert!)

    — Im Gegenteil, es steht ausdrücklich drin, daß diese Frage im Zusammenhang mit der Wehrgerechtigkeit geprüft werden soll. Sie haben immer davon gesprochen, Sie würden genau darauf achten, ob die Kontinuität auch gewahrt werde. Es gehört zur Kontinuität, daß diese Frage gemeinsam geprüft wird. Welches Ziel wir dabei verfolgen, haben wir offen dargestellt;

    (Zuruf des Abg. Lemmrich)

    das weiß jedermann. Sie können hier also gar keine Kritik üben, die berechtigt wäre.
    Mein Fraktionskollege Schultz wird zu diesen Fragen im einzelnen noch Stellung nehmen. Ich möchte aber schon hier sagen, mit einer Verkürzung der Wehrdienstzeit ist für uns nicht automatisch ein Verlust an Kampfkraft verbunden. Unserer Meinung nach kann er dadurch vermieden werden, daß das bisher weitgehend ungenutzte Reservistenpotential in Zukunft besser genutzt wird als bisher.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir erwarten jedenfalls, daß das für 1970 angekündigte Verteidigungsweißbuch erkennen läßt, wie die Verteidigungsanstrengungen der Bundesrepublik in Zukunft effektiver werden können.
    Herr Kollege Barzel hat bei seinen außenpolitischen Ausführungen sowohl zu Beginn als auch am Ende seiner Darlegungen davon gesprochen, daß dieser Regierung, diesem Bundeskanzler — so mußte man ihn verstehen — zu Beginn seiner Tätigkeit größere Möglichkeiten geboten werden, als es früher der Fall war.

    (Abg. Dr. Barzel: Nicht wegen des starken Koalitionspartners!)

    Da kann ich nur sagen: Vor Tische hörte es sich ganz anders an.

    (Abg. Dorn: Genau!)

    Denn noch bis zum 28. September mußten wir immer wieder hören, daß alles, was darauf aus sei, zu glauben, man könne in Gespräche mit Moskau kommen, daß sich das Klima verbessere, daß es sinnvoll sei, mit Polen ins Gespräch zu kommen, daß das alles eine Gefährdung der deutschen Position sei.

    (Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Haben Sie mich nicht gehört? Sechsmal habe ich das vorgeschlagen! — Abg. Majonica: Wer hat das gesagt? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

    — Sehr verehrter Herr Kollege Kiesinger, ich kann mich noch sehr genau erinnern, daß gerade Sie es waren, der vor der Wahlentscheidung immer wieder gesagt hat, Überlegungen in dieser Richtung, wie sie die Freien Demokraten anstellten, seien eine Gefährdung unserer Position

    (Abg. Köppler: Das allerdings!)

    und würden Erschwerungen für uns mit sich bringen. Offensichtlich ist hier die Beurteilung des bisherigen Bundeskanzlers eine andere als die des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU.
    Ich hatte allerdings auch früher schon den Eindruck, daß der Kollege Barzel in allen Fragen der Deutschlandpolitik

    (Abg. Stücklen: ... sehr vorsichtig ist!)

    die Dinge realistischer beurteilt, als es der damalige Regierungschef getan hat.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Barzel: Immer vorsichtig sein!)

    - Wenn Sie meinen, ich müßte hier vorsichtig sein, Herr Kollege Barzel — —(Abg. Dr. Barzel: Nein, nein, ich habe gesagt: Vorsichtig!)

    - Sie haben gesagt, Sie wären vorsichtiger. Herr Kollege Barzel, daß Sie als Chef der damaligen Regierungsfraktion in der Öffentlichkeit gegen Ihren Bundeskanzler natürlich vorsichtiger formulieren mußten, verstehe ich völlig.
    Daß wir hier gemeinsam in der Deutschlandpolitik zu einem Akkord kommen wollen, haben wir gern gehört. Wir können uns aber — leider muß ich das sagen — daran entsinnen, daß in den letzten zweieinhalb Jahren alle Versuche der damaligen Opposition nicht an unserem heutigen Koalitionspartner, sondern leider an der damaligen Regierungsmehrheit gescheitert sind.

    (Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Das ist ein starkes Stück! — Abg. Rasner: Er hat keine Ahnung! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

    - Wenn Sie sagen: „Das ist ein starkes Stück!", dann muß ich hier feststellen,

    (Abg. Rasner: Sie haben doch keine Ahnung!)

    daß mehrfach das Angebot, die Bitte, die Bereitschaft vorhanden war, mit Ihnen, Herr Kollege Kiesinger, als Bundeskanzler über diese Fragen zu sprechen. Nur einmal, als am 21. August 1968 eine besonders schwierige Situation war, wurden wir von vornherein zu den Beratungen gebeten. Aber anschließend gab es — bis auf eine Frage betreffend Berlin-Sitzung — leider keine Bereitschaft der Regierung, direkt mit uns zu sprechen. Zwischen den Fraktionen war dieses Gespräch immer vorhanden, aber zwischen Regierung und Opposition ist das leider nicht zustande gekommen. Wir gehen davon aus, daß es jetzt wieder so wird, wie es früher einmal war und wie es selbstverständlich sein sollte, daß nämlich in Fragen der nationalen Politik alle



    Mischnick
    Kräfte dieses Hauses mit der Regierung, soweit es irgend geht, zusammenarbeiten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Herr Bundeskanzler hat mit klaren Worten dargelegt, daß die Erhaltung und die Sicherung des Friedens in Europa und in der Welt die vorrangige Aufgabe der Außenpolitik dieser Bundesregierung sein wird. Wir sind überzeugt, daß wir nur dadurch die Probleme in Europa lösen können. Damit kommt dem europäischen Zusammenschluß, der Aussöhnung Deutschlands mit den osteuropäischen Staaten sowie der Errichtung einer europäischen Friedensordnung entscheidende Bedeutung bei der Überwindung der deutschen Teilung zu. In dieser europäischen Friedensordnung muß dem deutschen Volk das selbstverständliche Recht gewährt werden, nach seinen Vorstellungen zu leben. Davon werden wir nicht abgehen, und hier besteht volle Übereinstimmung mit dem, was Herr Kollege Barzel in dieser Richtung sagte.
    Wir sind der Meinung, daß der Weg zu diesem Ziel über Nichtangriffspakte zwischen den Staaten West- und Osteuropas führt, über die Schaffung von Zonen verminderter Rüstung in Europa, bis hin zu einem gesamteuropäischen Sicherheitssystem, und über den Verzicht der Bundesrepublik — aber auch der DDR und anderer europäischer Staaten — auf Herstellung und Mitbesitz von Massenvernichtungswaffen.
    Meine Fraktion begrüßt es daher, daß die neue Bundesregierung den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnen und die Bemühungen um eine europäische Sicherheitskonferenz unterstützen will.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir halten das für einen wesentlichen, notwendigen Auftakt.
    Eine Friedenspolitik erfordert zudem nach unserer Meinung den Ausbau der industriellen Zusammenarbeit zwischen Staaten verschiedener Gesellschaftsordnung, die gemeinsame Erforschung und Entwicklung neuer Produktionsmethoden sowie einen umfassenden wissenschaftlichen und kulturellen Austausch. Die europäische Zusammenarbeit ist nach unserer Überzeugung zugleich eine Voraussetzung für eine wirkungsvolle und umfassende wirtschaftliche Kooperation mit den Entwicklungsländern.
    Die Teilung unseres Vaterlandes erfordert neue Maßnahmen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen wachzuhalten, eine der weltpolitischen Entwicklung angepaßte Politik der Zusammenarbeit der beiden Teile Deutschlands zu versuchen und den Zugang sowie die Sicherheit Berlins zu garantieren. Wir unterstützen alle Überlegungen, die von der Bundesregierung in dieser Richtung dargelegt worden sind.
    Eine Politik des vertraglich geregelten Nebeneinanders von Bundesrepublik und DDR, wie es die FDP immer gefordert hat und wie es jetzt angestrebt werden soll, würde darüber hinaus nach unserer Überzeugung den Prozeß der europäischen Annäherung beschleunigen und allen Völkern Europas die
    Schritte zur europäischen Zusammenarbeit erleichtern. Wir meinen, daß unser Vertragsentwurf hierzu eine gute Diskussionsgrundlage bildet, die selbstverständlich der jeweiligen Entwicklung angepaßt werden muß.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden in den nächsten Tagen noch Gelegenheit haben, unsere Auffassung zu den Fragen, die hier aus zeitlichen Gründen in der ersten Stellungnahme nicht angesprochen werden konnten, darzulegen. Eines darf ich aber hier für meine Fraktion feststellen: Wir werden in der Koalition nicht wie eineiige Zwillinge handeln,

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    aber wir werden immer die gemeinsam übernommene Verantwortung vor die taktischen Erfordernisse der Partei stellen und das gemeinsame Ziel als das Entscheidende in dieser Koalition ansehen.
    In diesem Sinne sind wir überzeugt, daß wir nach vier Jahren Rechenschaft ablegen können über eine Politik der Reformen, die unserem Volk den Schritt in die Zukunft ermöglicht, den Sie mit Ihrer Parole in bezug auf die 70er Jahre versprochen haben und den die Koalition gemeinsam gehen wird.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rasner: Sie sind ein hübscher Zwilling!)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Herr Abgeordneter Wehner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte über die erste Regierungserklärung eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers kann natürlich nicht eine ausgewogene Gesamtbewertung alles dessen geben, was von wem in den ersten 20 Jahren Bundesrepublik Deutschland getan worden ist. Das nehme ich weder dem Sprecher der Opposition übel, noch erwarte ich es von jemand anderem. Auch kann diese Debatte nicht vorausnehmen, wie die zweiten 20 Jahre, die mit dieser Regierungserklärung eingeleitet worden sind, zu programmieren sind.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Ja, was lachen Sie? Ich hoffe, Sie erleben sie alle noch. Ich werde sie nicht mehr ganz erleben. Aber wir werden dann wieder sehen.

    (Zuruf des Abg. Lemmrich.)

    Es ist, so glaube ich, sehr schwierig für Sie, jene „Rosinen" zu entdecken, die es wert sind, in Ihren „Kuchen" gebracht zu werden.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Köppler.)

    — Wir wollen gern dabei helfen; in Ordnung, Herr Köppler.
    In Wirklichkeit, meine Damen und Herren, stehen wir vor der Notwendigkeit, den Konsequenzen aus der nun nicht mehr vermeidbar gewesenen Wechselkursänderung der D-Mark und den deswegen erfor-



    Wehner
    derlichen Maßnahmen gerecht zu werden. Es wird nicht zu umgehen sein, daß das von der Regierung in aller Ausführlichkeit auch den Mitgliedern dieses Hauses dargelegt wird und daß durch dieses Haus das, was in der Öffentlichkeit vielfach dunkel ist, etwas erhellt wird. Denn es wäre nicht gut, wenn wir hier, wie wir es zunächst einmal in einer Auflage erlebt haben, eine beträchtliche Fertigkeit im Auf-den-Tisch-Legen aller möglichen Probleme verschiedener Größenordnungen und verschiedener Herkunft unter Beweis stellten, wenn es jetzt darum geht, etwas in Ordnung zu bringen, das so, wie es jetzt ist, nicht zuletzt dadurch entstanden ist, daß seit dem Frühjahr unnötigerweise Schaden hat um sich greifen können.

    (Abg. Ott: Durch das Reden des Wirtschaftsministers Schiller!)

    — Seien Sie sehr vorsichtig! Das werden Sie noch erfahren.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Leider!)

    Ich würde mich also sehr hüten, jetzt schon mit Schiller anzufangen, ehe er auf dieser Tribüne überhaupt erschienen ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich meine, insofern relativiere ich das, was der Sprecher der Fraktion der CDU/CSU hier über die Vortrefflichkeit der Grundlage gesagt hat, von der aus diese neu gebildete Regierung nun einsteigen und weitersteigen kann. Ich danke, Herr Kollege Dr. Barzel, für die Anerkennung der Leistungen in den Jahren 1966 bis 1969, die damit von Ihnen wohl auch gemeint waren. Aber hinsichtlich der Ausgangsposition dieser Regierung und damit auch des ganzen Parlaments wird wohl noch einiges Aktuelle zu sagen sein. Denn es ergeben sich aus dem, was ich andeute, auch jene ganz besonderen Schwierigkeiten, die wohl vor allem dadurch zu erklären sind, daß der europäischen Agrarmarktordnung, für wie vortrefflich sie auch von manchen gehalten worden ist, nicht eine entsprechende europäische Konjunktur- und Währungspolitik und einiges, das dazugehört, entsprochen hat und entspricht. Auch damit wird man sich befassen müssen.
    Ich bin überzeugt: unsere Interessen, und zwar die Interessen aller Seiten dieses Parlaments, an einem Fortschreiten der europäischen Entwicklungen werden uns auch dort, wo manche besonders Lust haben sollten, mit anderem hervorzutreten, zwingen, auf dem Teppich zu bleiben — alle Seiten dieses Hauses. Es ist auch ganz gut, daß das so ist.
    Ich kann es verstehen, daß die Damen und Herren von der CDU/CSU einerseits versuchen werden, der gegenwärtigen Regierung und der Mehrheit des Bundestages anzulasten, was nun an Maßnahmen notwendig ist, sie aber gleichzeitig, wenn es geht, an anderer Stelle als unwirksam abzuqualifizieren.
    Auch aus diesen Gründen wird es notwendig sein, hier deutlich zu machen, worum es geht und worum auch in Luxemburg gerungen worden ist und wie das weitergehen muß. Die einen werden so tun, als hätte man nur weiterhin hart bleiben müssen, wie
    man das ja so gerne sagt, während andere uns die Schuld in die Schuhe schieben wollen an dem was nun nach vorangegangenen Versäumnissen aufgeholt werden muß.
    Das, was ich sage, ist nur das Präludium zu dem, was hier unausweichlich dargelegt werden muß und auch dargelegt werden wird, und zwar — natürlich von verschiedenen Seiten beleuchtet — zu dem Zweck, daß dann klar vor aller Augen liegt, welche Aufgaben wir zu bewältigen haben. Das kann ja auch ganz munter werden, wenn man das von den verschiedenen Seiten der Verpflichtungen dieses Hauses aus angeht.
    Denn so einfach ist das ja nun nicht, daß man über eine ganze Menge von Dingen, unter denen sehr viele sind, meine Damen und Herren von der CDU/CSU,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    die auch in den Zeiten vor uns standen, in denen Sie Regierungsverantwortung hatten und auch freudig getragen haben

    (anhaltende Heiterkeit bei den Regierungsparteien)

    — natürlich, wen freut das nicht —

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — Sie lachen so verständnisvoll, Herr Kollege —, einfach schreibt: „Gesellschaftspolitik", wissen Sie. Alles — ich meine, cum grano salis, vieles —, das meiste von dem, was Sie nicht gemacht haben, als Sie es hätten machen können — wobei ich noch nicht einmal unterstelle, ob Sie es gedurft hätten —,

    (große Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien)

    alles das wollen Sie uns jetzt wie Juckpulver in die Halskrause hineinstecken.

    (Erneute Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Das kennen wir noch aus der Schule, wissen Sie, und das wird nicht besser, wenn man älter wird.

    (Große Heiterkeit bei allen Fraktionen.)

    Ich wollte nur sagen: Sie werden ja noch lange nicht von der Übung wegkommen, daß in Offenburg und in Oldenburg Ihre sicher hochehrenwerten Sozialausschüsse sagen, sie hätten uns links überholt und wo denn im Gesellschaftspolitischen die SPD eigentlich geblieben sei.

    (Heiterkeit.)

    Da sitzt ein Kollege, der einmal von fünfzig Gerechten in diesem Hause gesprochen hat. Ich habe immer gestaunt, woher er diese Zahl geholt hat.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Wir haben es einmal erlebt, bei jener umstrittenen Lohnfortzahlung für die gewerblichen Arbeitnehmer im Krankheitsfalle, daß einer dieser Gerechten aus seiner Verkleidung hervorgetreten ist und mit den Sozialdemokraten solidarisch gestimmt hat, obwohl doch alle diese Gerechten die solidarische Gesell-

    Wehner
    schaft auf ihre Oldenburger Fahne geschrieben haben, Herr Kollege.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nein, nein, keine Angst vor Konkurrenz, Konkurrenz durch Qualität und durch Leistung! Und nicht, wer zuerst ein Städtebauförderungsgesetz vorlegt, sondern, wer das beste, das brauchbare vorlegt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Betonter Beifall bei der CDU/CSU. — Zwischenruf von der Mitte: Anders als das von Lauritzen!)

    Daran werden wir hier gemessen werden, an nichts anderem.
    Es ist Ihnen doch gar keine Initiative verwehrt. Seien Sie mal initiativ, dann wird man sehen, daß Sie noch nicht völlig verkrustet sind!

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das wollen wir ja alle gern.
    Meine Damen und Herren, das böse Wort — ich sage „böses Wort", ohne es zu dramatisieren — von der „leichten Hand" werden Sie noch einige Male hören.

    (Abg. Dr. Barzel: Das ist wahr! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Ja, ja, das ist zu billig, Herr, als daß Sie glauben könnten, uns damit hier etwas anhängen zu können.

    (Abg. Rasner: Hat aber getroffen!)

    — Gar nicht! Hören Sie mal, mich trifft nichts von dem — nichts, sage ich —, ich notiere es nur — nichts anderes — ganz kalt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Was sagen Sie vom Familienlastenausgleich? Im Regierungsprogramm der SPD steht klar, daß wir den aus den Unklarheiten und aus dem Nebel herausbringen werden. Aus diesem Grunde kommt das genau dann, wenn der Bundesminister der Finanzen und die Kollegen im Kabinett klar vor Augen haben und hier klar vor aller Augen legen können, was ist. Es sind ja drei Pfeiler, auf denen das ruhen muß: Steuergesetzgebung, Ausbildungsförderung und Kindergeld, und nicht irgendwelche anderen Scherzchen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Einverstanden!)

    Darüber werden wir reden. Wir nehmen das mit dem Familienlastenausgleich nämlich sehr ernst.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hoffentlich!)

    — Da seien Sie ruhig weiter guter Hoffnung, Herr!

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Lemmrich: Es wäre schön gewesen, wenn sich von dieser Hoffnung schon etwas in der Regierungserklärung niedergeschlagen hätte!)

    — Sie haben ja schon zuviel da drin gefunden. Sie werden im Laufe dieser Debatte doch immer wiederholen, daß da zuviel stünde. Aber keine Angst, wir kommen mit all diesen Sachen schon klar.
    Ich muß sagen — und ich sage das in aller Eindeutigkeit, weil ich hier keinen Gang durch diese Regierungserklärung zu machen beabsichtige —: Die Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands billigt und unterstützt vorbehaltlos die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Brandt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Regierungserklärung ist ehrlich in der Sache und maßvoll in der Form; sie läßt keinen Zweifel an der Entschlossenheit der Bundesregierung zur Reform in der Bundesrepublik und zur Versachlichung der Erörterung unserer auswärtigen Beziehungen und Angelegenheiten wie auch mancher anderer Themen, die der Versachlichung bedürfen.
    Für die Jahre des Aufarbeitens und des Ordnens und auch des nüchternen Orientierens, die mit dieser Erklärung eingeleitet worden sind, hat die Regierungserklärung dieser von den Sozialdemokraten und den Freien Demokraten gebildeten Bundesregierung die Leitlinien klar erkennbar gemacht. Das entspricht unserer Ansicht nach dem Willen der Mehrheit der Wählerinnen und der Wähler, denen wir danken. Wir danken den Wählerinnen und Wählern auch dafür,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Daß sie die FDP erhalten haben!)

    daß sie es diesem Volk erspart haben, daß Extremisten in dieses Haus — jedenfalls durch ihre Parteibezeichnung schon erkennbare Extremisten — hineingekommen sind.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Köppler: Wen meinen Sie da? Abg. Lemmrich: Sie reden von sachlich und sind selber unsachlich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die Bundestagsfraktion der SPD macht sich zu eigen, was Bundeskanzler Brandt zum Stil und zum Inhalt der bevorstehenden Debatten um die Probleme unseres Volkes und unseres Staates Bundesrepublik Deutschland erklärt hat — ich zitiere das wörtlich —:
    Im sachlichen Gegeneinander und im nationalen Miteinander von Regierung und Opposition ist es unsere gemeinsame Verantwortung und Aufgabe, dieser Bundesrepublik eine gute Zukunft zu sichern.
    Das halte ich für eine ehrenwerte Absichtserklärung des Bundeskanzlers und seiner Regierung, die wir voll unterstützen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das betrifft auch und nicht zuletzt die Verhältnisse hier in unserem Parlament. Denn wenn der Bundeskanzler am Schluß seiner Erklärung betont hat:
    Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an. Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden im Innern und nach außen,



    Wehner
    so sollten diese Zuversicht und diese Absicht alle Seiten dieses Parlaments teilen und auch teilen können; denn diese Auffassung trennt nicht, sondern sie verbindet, ungeachtet der Gegensätze, um die zu ringen ist.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Es ist doch eine Anerkennung auch der Rolle der parlamentarischen Opposition, wenn in einer Regierungserklärung vom ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler gesagt wird:
    Unsere parlamentarische Demokratie hat 20 Jahre nach ihrer Gründung ihre Fähigkeit zum Wandel bewiesen und damit ihre Probe bestanden. Dies ist auch außerhalb unserer Grenzen vermerkt worden und hat unserem Staat zu neuem Vertrauen in der Welt verholfen.
    Sie können es auch einmal so herum lesen; Sie müssen es nicht immer gleich mit wunden Augen, wenn mir dieses schlechte Bild erlaubt ist,

    (Abg. Rasner: Es ist schlecht!)

    weil sie ja voller Tränen sind von vorgestern, lesen.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Ach so, das, was passiert ist, war Ihnen zum Lachen? Auch in Ordnung — jeder nimmt's nach Temperament. Wir Sozialdemokraten jedenfalls danken der Bundesregierung ausdrücklich dafür, daß sie maßvoll in der Form und fest in der Sache gesprochen hat. Das gilt für das Innenpolitische wie für das andere.
    Die Bundesregierung hat verbindlich angekündigt, im kommenden Jahr in Ergänzung und in Ausführung der Regierungserklärung ihre Pläne und Vorhaben auf dem Gebiet der inneren Reformen dem Parlament und der Öffentlichkeit in Einzelberichten zu unterbreiten. Ich verstehe das als einen Gesamtplan und begrüße das, so wie alle meine Kollegen in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion das begrüßen; denn für die Arbeit des Bundestages ist diese so anspruchslos als „Übersicht" bezeichnete Festlegung der Aufgaben, die sich die Regierung auf dem Wege der Reform und der Versachlichung stellt, doch eine Übersicht über die Stationen, die im ersten dieser 70er Jahre zu erreichen sind. Das ist ein Gewinn und nicht etwas, was zu Befürchtungen Anlaß gibt. Wir werden jedenfalls als Parlament unsere eigenen Dispositionen entsprechend treffen und rationell arbeiten können.
    Die Übersicht, von der hier die Rede war und die eine etwas unwillige Bemerkung des Sprechers der Opposition ausgelöst hat — sie ist sicher nicht unüberlegt gewesen, wie nichts von dem, was von dieser Seite gesagt wird; das versteht sich, und dafür auch meinen Respekt —, sagt, daß die Regierung im Januar 1970 den Bericht zur Lage der Nation erstatten wird.

    (Abg. Katzer: Gesetzlicher Auftrag!)

    — Ja, das entspricht einem Antrag, den meine Fraktion früher gestellt hat. Das war eine Auseinandersetzung um die Regierungserklärung 1965, wo wir bemängelt haben, daß es so etwas nicht gebe. Es ist angefangen worden in der letzten Periode, und nun möchten wir das, so wie es gemeint war, wirklich sehen: daß das Jahr beginnt mit dem, was man sehen und sagen kann über das, was die ganze, wenn auch geteilt lebende Nation betrifft.
    Im Februar wird der Jahreswirtschaftsbericht zur Diskussion gestellt werden.

    (Abg. Katzer: Gesetzlich!)

    — Ja sicher, gesetzlich. Wir sind ja auch gesetzlich; Sie werden sich noch wundern, wie gesetzlich wir sind, Herr Kollege Katzer.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Natürlich, wir werden uns da schon aneinander gewöhnen. Hier ist ja auch nichts Erfundenes darin, sondern hier ist — deswegen auch bin ich ja froh, daß Sie mir Sukkurs geben für das, was ich als Entgegnung auf die Worte des Sprechers Ihrer Gesamtfraktion gerade ausführen wollte — eben eine Ordnung, die wesentlich auf gesetzliche Festlegungen zurückzuführen ist. Im März jedenfalls wird die Bundesregierung den Bericht über die Lage der Landwirtschaft, im April den Sozialbericht vertreten. Jeder weiß — auch Sie, Herr Kollege —, was man an Vorbereitungen darauf zu konzentrieren und zu investieren hat.

    (Abg. Katzer: Wie höflich!)

    — Ja, so kennen Sie mich gar nicht! (Heiterkeit.)

    Im Mai wird die Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Bundesregierung und im Juni das Weißbuch zur Verteidigungspolitik vorgetragen werden — das sind wichtige Schritte — und nach den Parlamentsferien der Bericht über die Verkehrspolitik. Das sind nicht irgendwelche Berichte. Sie wissen doch, wie umstritten der „Leber-Plan", wie man ihn genannt hat, gewesen ist und was da alles daran herumgeklimpert worden ist.

    (Abg. Rasner: Gott sei Dank!)

    und wieviel man ihm von der Emaille hat wegnehmen wollen. Nun, jetzt müssen wir mit dem, was damit zu machen ist, weiterkommen und machen das. — Dann die Gesundheitspolitik! Da nimmt niemand dem Bundestag etwas weg.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Das ist ja das Eigentümliche in diesem Hause: Die Fraktionen haben alle schon einmal miteinander koaliert und gegeneinander opponiert. Es ist aber
    — hoffentlich kann sich das noch ändern — manchem Ihrer Sprecher vorbehalten, daß Sie das bisher nur von oben erlebt haben und sich auch entsprechend geäußert haben. Aus allen Positionen heraus haben wir hier schon miteinander und auch gegeneinander gestanden. Ich hoffe, daß sich das einpendelt, auch im Bewußtsein und im Gefühl.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Barzel: Und wieder ändert!)




    Wehner
    — Nehmen Sie lieber Ihre geschriebenen Notizen her, sonst wird es immer nicht so gut wie sonst.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Dann kommen die Berichte über Raumordnung und Städtebau, über Vermögensbildung und über die Steuerreform, — das, was für die Zeit nach den Parlamentsferien angesagt worden ist.
    Ich möchte sagen und sage es nun ein wenig spitz nach dem, was ich hier vom Sprecher der Opposition gehört habe: wir werden darauf achten, daß diese Stationen eingehalten werden können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hier wird doch — sage ich noch einmal — dem Parlament nichts genommen. Denn natürlich ist die Terminplanung vom Bundestag selbst zu machen. Ich hoffe, daß sie auch bald in Ordnung kommt und daß Sie die Anfangsschwierigkeiten überwinden, die vorwiegend bei Ihnen zu liegen scheinen. Aber da geben wir gern eine gewisse Marge.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    — Jawohl! Ach, bleiben Sie doch ruhig! Natürlich kann ich das verstehen. Dies muß hier in Einklang mit dem Willen der Mehrheit dieses Hauses in Ordnung gebracht werden; man darf es nicht durch Knüppel zwischen die Räder aufhalten wollen. Nichts anderes! Ganz sachlich, meine Herren!

    (Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Rasner: Das ist nicht wahr! — Abg. Lemmrich: Bemerkenswerter Ton! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Natürlich, das sollten Sie ja auch.

    (Abg. Rasner: Sie sind in Ihrer Fraktion noch nicht einig!)

    Ich will Ihnen mal was sagen. Sie glauben, Sie können uns wie mit Konfetti mit Daten aus der Vergangenheit überschütten: von Resolutionen und anderen Sachen, ob wir uns an diese noch erinnern.

    (Abg. Lemmrich: Wir erinnern Sie nur an das, was Sie früher gesagt haben!)

    Worum es uns geht, ist, die Wegzeichen für die vor uns liegende Strecke klarzumachen, erkennbar zu machen und uns danach zu bewegen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Eine Diskussion mit diesen Voraussetzungen ist ja gar nicht so einfach, wenn der ehrenwerte Vorsitzende der Bundestagsfraktion der CDU/CSU — hier muß ich es einmal so sagen — selbst seine Hörfehler für sich als so wertvoll betrachtet, daß er noch am folgenden Tage eine Passage in seiner so bemerkenswerten Rede um einen dieser Hörfehler — oder war es ein Schaltfehler? —, um einen der Hör- oder Schaltfehler herumgruppiert. Die Sache mit der „Anhörung" ist doch wohl zu klein, als daß man darüber viel Zeit verschwenden müßte. Aber in Ordnung! Denn es ging doch darum: Hier ist von der Regierung gesagt worden — ich möchte das wegkriegen, daß man dauernd daran herumzieht —, daß Anhörungen, nämlich in bezug auf gesellschaftliche Verbände und Vereinigungen und Teile unserer
    Mitbürgerschaft, im Parlament aufgegriffen würden. Das ist eine Praxis, die wir alle schon begonnen haben, wenn auch sehr spät; wir hätten sie früher schon haben sollen. Das hat nun wieder tieferliegende und inzwischen schon ein wenig vergessene Gründe. Meine Damen und Herren, natürlich hat das Parlament Anspruch darauf, und zwar nicht nur den Anspruch, angehört zu werden. Das ist eben jene durch einen Hör- oder Schaltfehler entstandene Mißdeutung. Aber dann soll man sie doch am nächsten Tag souverän zu den Akten legen können. Ich möchte so etwas gerne machen. Man sollte solche Sachen selbst zu den Akten legen, anstatt darauf herumzureiten. Es muß doch allmählich weh tun.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Wenn man hier mit solchen Ansprüchen auftritt, muß ich sagen: die Eignungsprüfung — in diesem Fall als Führer der Opposition — muß jeder einmal machen. Das Gesellenstück war das, was wir heute gehört haben, noch nicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

    Hier bediene ich mich desselben Jargons, den Sie anzuwenden beliebt haben, und zwar wiederholt,

    (Abg. Rasner: Das können Sie gar nicht!)

    als Sie sagten — Sie hatten sich in die eigene Formulierung verliebt —: erst einmal einen ausgeben. Dieses Jargons bediene ich mich. Sie haben erst einmal in die Hände gespuckt und dabei häufig danebengespuckt.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Arbeiten können wir nämlich auch. Das verstehen wir.

    (Abg. Rasner: Das ist der alte Wehner!)

    — Ja, in Ordnung; natürlich, ich bin 63 geworden, da haben Sie recht.

    (Abg. Rasner: So haben wir es gern!)

    — Spielen Sie sich bitte nicht auf, Herr deutscher Abgeordneter von der Wasserkante!

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Wir haben hier sachlich zu diskutieren und nichts anderes.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rasner: Fangen Sie mal an!)

    — Ich bin doch schon längst dabei. Sie sollten versuchen, sich ein wenig von der Anmaßung abzugewöhnen, nichts anderes.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich finde, daß auch die präzise Ubersicht über eine Reihe von Entscheidungen, die die Bundesregierung kurzfristig zu treffen beabsichtigt, Anerkennung verdient. Sie hat sie in sechs Punkten, glaube ich, zusammengefaßt. Ich möchte dazu sagen, daß wir Wert darauf legen, daß auch tatsächlich in diesem Takt gehandelt wird. Ich betone das besonders, weil hier über einen der Punkte — es geht dabei um den



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    ) Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen — einiges gesagt worden ist und weil gestern in einem anderen Zusammenhang hinsichtlich dessen, was mit Polen ins Auge gefaßt ist, in Zwischenbemerkungen jedenfalls anderes gesagt worden ist. Ich denke, die Regierung wird nicht vergessen, was sie dem Parlament schuldig ist, und wir sollten unsererseits nicht an dem vorbeigehen, was das Recht und die Pflicht der Regierung ist.
    Ich bin dankbar und froh darüber, daß die Bundesregierung an einigen Stellen erkennbar gemacht hat, sie wolle auch darangehen, denjenigen unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen eine Chance zu geben, die zu keinem der großen Blöcke, zu keinem Verbands- oder Interessenblock gehören und die in kein Schema passen, die also im Schatten leben, wie an einer Stelle gesagt worden ist. Gemeint sind die besonders Beladenen, die Behinderten und Alleinstehenden, die sich nur unvollkommen helfen können. Ich wäre froh, wenn auch der Bundestag hier seinen Beitrag leisten könnte und würde, wenn er es möglich machen würde, daß einem Teil dieser Mitbürger und Mitbürgerinnen, z. B. in der Altenversorgung respektive in der Kriegsopfer- und Hinterbliebenenversorgung, durch strukturelle Veränderungen und Verbesserungen geholfen wird. Das sollten wir, über das Schematische hinausgehend, versuchen, so schwer das auch im Konkreten ist. Wir müssen auch versuchen, von denjenigen, deren Bezüge im Rahmen der strukturellen Verbesserung der Kriegsopfer- und Hinterbliebenenversorgung oder im Rahmen der strukturellen Verbesserung der Altenversorgung nicht angehoben werden können, die Last zu nehmen, daß die Entwicklungen stets an ihnen vorbeigehen. Manchmal — und als Abgeordneter sehr oft — erlebt man, wenn sich Menschen dieser Art an einen wenden, wenn sie den Weg finden und wenn sie ihre eigenen Nöte und Schwierigkeiten darlegen können, wie das ist und worum es sich dabei handelt. Jedenfalls, bei dem Bemühen um die Chancengleichheit — und das zieht sich ja durch die Regierungserklärung, ob es der Teil über Bildung, Wissenschaft, Forschung, ob es der Teil über Soziales und über das andere ist — handelt es sich darum, daß gleichgültig, als was eine oder einer geboren ist, und gleichgültig, wohin es sie oder ihn verschlagen oder vertrieben hat, sie in unserer Bundesrepublik Deutschland die gleichen Chancen geboten bekommen sollen nach der Grundgesetzbestimmung, die einheitliche Lebensverhältnisse auch strukturell und gebietlich verlangt. Ich glaube, daß wir in diesem Punkte, wenn auch mit verschiedenen Impulsen — das ist kein Manko, das ist sogar ein Vorzug —, auf dasselbe hinaus wollen: Chancengleichheit. Dabei ist nicht zu vergessen: Chancengleichheit ist für die Beladenen, für die besonders Behinderten, für die, die in anderen Ländern als Leute mit einem Handikap bezeichnet werden, auch nur etwas, was sie an anderen beobachten können. Wir müssen ihnen — da begrüße ich, daß das in der Regierungserklärung maßvoll gesagt worden ist — eine Chance geben, und wir können das, wenn wir die stabilen Grundlagen von Wirtschaft und Finanzen hüten und dann entsprechend auch für solches nutzbar machen.
    Ich hatte in den letzten Monaten wiederholt Gelegenheit, auf eine Äußerung des damaligen und jetzigen Bundeswirtschaftsministers zurückzugreifen, der gesagt hat, daß die Wirtschaftspolitik nun auch mehr in den Dienst des gesellschaftspolitischen Fortschritts gestellt werden kann. Manche haben das mißverstanden, als ob nun nicht mehr gewirtschaftet werden soll. Das ist sicher grob mißverstanden worden, aber das, was da als Richtung angegeben worden ist, stimmt schon.
    Meine Damen und Herren, zu einer Frage, die hier — unverständlicherweise — nicht nur gestellt worden ist, sondern sicher noch weiter gestellt werden wird, und die auch vor dieser Debatte öffentlich erörtert worden ist: Wie steht es mit dem Willen zur Wiedervereinigung oder zur Einheit der Deutschen bei denen, die als Koalition der Sozialdemokraten und der Freien Demokraten diese Regierung im Bundestag tragen? Ich sehe das so: Unser Volk soll wie andere Völker auch den Anspruch nicht aufgeben, über seine eigene gemeinsame Zukunft selbst bestimmen zu wollen und zu dürfen. Gäbe es diesen Anspruch auf, würde es von anderen als ein Volk nicht nur minderen Rechts, sondern auch - bitte — minderer Qualität betrachtet und wohl auch gelegentlich behandelt werden.
    Wenn wir unser Grundgesetz unter die Willenserklärung gestellt haben, daß wir als gleichberechtigtes Glied eines vereinigten Europas dem Frieden in der Welt dienen wollen, so haben wir jedenfalls — ich spreche hier für die Sozialdemokraten — davon nichts zurückzunehmen. Wir werden aber vieles tun und auch manches lassen müssen, um diesem Ziel in langer Frist wirklich allmählich näherzukommen. Daß sich die Väter des Grundgesetzes darüber andere Gedanken gemacht haben, mag erklärlich gewesen sein. Daß man das in den Debatten, nach denen sich manche zurücksehnen — ich habe sie mir auch noch einmal angesehen, auch die Regierungserklärungen seit 1949 —, unterschiedlich gesehen hat, war nichts anders als menschlich. Wir jedenfalls können es nicht der Zukunft überlassen, daß wir als gleichberechtigtes Glied in einem vereinigten Europa dem Frieden der Welt dienen können. Wir müssen auch im Zustand der Spaltung nach besten Kräften das Unsere tun, um dem Frieden dieser Welt zu dienen, also eben nicht erst, nachdem andere uns das Recht gewährt haben, insgesamt als gleichberechtigtes Glied dieses Europas dem Frieden dienen zu können.
    Meine Damen und Herren, unsere Aussichten wachsen nicht automatisch mit den Konflikten, die Dritte miteinander haben. Die Aussichten könnten sich — müssen nicht, können sich — in dem Maße verbessern, in dem wir mancherorts und schließlich vielerorts Sympathien, Vertrauen und hier und da auch Fürsprecher gewinnen.
    Nun hat die Regierungserklärung deutlich gemacht, was Deutschlandpolitik nicht ist und was sie ist. Sie ist nicht ein Ressort. Sie kann nur sein — jetzt in meiner Art ausgedrückt — die Summe der Bemühungen außenpolitischer, europapolitischer, sicherheitspolitischer Art und eben dessen, was wir hier selbst für die Entwicklung innerdeut-



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    scher oder zwischendeutscher Beziehungen und für den Zusammenhalt der Deutschen leisten können.
    Darüber sind auch früher schon Debatten geführt worden. Ich habe mir noch einmal eingehend jene vom Mai 1966 angesehen, mit all den skeptischen Bemerkungen darüber, wie groß z. B. das Wort vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen sei — wenn es auch nur die Fragen sind — und wie gering die möglichen Zuständigkeiten. Daß in diesem Zusammenhang das ein wenig in Ordnung gebracht wird, sollten alle dankbar, wenn nicht begrüßen, so hinnehmen, muß ich sagen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dankbar?)

    — Was heißt das denn? Hier wird doch an den eigentlichen Aufgaben und an dem, was möglich ist, gar nichts geändert. In Wirklichkeit wird es versachlicht; selbstverständlich, es wird versachlicht. Sie brauchen das. Sie werden sich täuschen. In zehn Jahren werden Sie denken: da haben Sie zehn Jahre Energie auf ein Objekt verwendet, die Sie besser anderswo angewendet hätten.
    Es geht um die Intensität der Bemühungen, um die Beziehungen und damit um den Zusammenhalt der Deutschen im gespaltenen Deutschland.

    (Abg. Stücklen: Dann hätte man ja auch „Gesamtdeutsche Beziehungen" sagen können!)

    — Beziehungen im gespaltenen Deutschland! Lesen Sie einmal nach, was frühere Minister über das Wort „gesamtdeutsch" gesagt haben. Soll ich hier noch einmal wiederholen, wie das, wenn Sie es übersetzen, im Französischen klingt, wie das im Englischen klingt? Sie müssen doch jedesmal erst erklären, daß das nicht „großdeutsch" heißt! Natürlich müssen Sie das jedesmal erklären; das ist doch ganz klar. Da das bei Ihnen noch eine Stelle ist, die Sie so behandelt zu sehen oder zu hören wünschen,
    — in Ordnung: Gemacht werden muß das, damit wir sachlich auf diesem Gebiet das Denkbare auch mit der richtigen Adresse versehen und nicht mit einer Wunschadresse.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie sich alte Regierungserklärungen ansehen, z. B. die erste, die Konrad Adenauer hier abgegeben hat, werden Sie, ich sage sehr höflich: wenig darüber finden, auch heute mit geschärften Augen wenig darüber finden, daß das Ziel Wiedervereinigung der Deutschen mit dem Ressort Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen zu erreichen gedacht war. Es gibt ja eine Aufgabendefinition — meines Wissens war es die erste formulierte — vom 30. September des Jahres 1959, immerhin, am Beginn des zweiten Jahrzehnts der Periode. Darin heißt es:
    Die Arbeit des Ministeriums soll der Pflege und Förderung einer Volksgesinnung dienen, die zu einer einheitlichen politischen Willensbildung, dem Willen zur Einheit der Nation in Freiheit, führt. Es soll die Aufgabe des Ministeriums sein, diesen Willen zum geistigen Allgemeingut unseres Volkes zu machen und ihn ebenso wie
    die Grundfragen der Außenpolitik dem Parteienstreit zu entziehen.
    Das ist eine Aufgabenstellung, so wie man sie damals verstand.
    Worum es jetzt geht, ist doch nicht, zu bestreiten, daß man heute davon auszugehen hat, die innerdeutschen Beziehungen zwischen diesem und dem anderen Teil des gespaltenen Deutschlands zu unterscheiden von Beziehungen, die wir zum Ausland, die das Ausland zu uns aufgenommen hat oder pflegt. Diese Beziehungen unterliegen also nicht dem Auswärtigen Amt und jenem Teil der Politik, sondern hier ist ein Besonderes erforderlich und notwendig. Das sollten Sie weniger schmerzhaft für sich selbst machen; denn das alles sind, soweit unsere Mittel überhaupt dazu ausreichen, Bemühungen um den Zusammenhalt dieses gespaltenen und getrennten Volkes, und zwar so, daß wir uns einander verständlich machen können, auch wenn inzwischen andere nachgewachsen sind, auch wenn inzwischen junge Generationen schon an die Stelle anderer getreten sind.
    Es ist immer meine Ansicht gewesen — und ich habe es hier im Bundestag in der vorigen Periode in einer umfassenden Debatte am 25. April auch noch einmal ausführlich darzulegen versucht —, daß das zentrale Problem dieser deutschen Frage oder dieses Bündels deutscher Fragen Berlin ist; denn damit steht und fällt, ob wir den Anspruch auf eine vertragliche — eine vertragliche! — Regelung der Nachkriegsprobleme, soweit sie nicht schon geregelt sind, aufgeben können, wollen, dürfen. Hier wird ja um etwas gerungen. Da will ja jemand, der das aus der Innenpolitik so gelernt hat und der sich dadurch von anderen unterschied, vollendete Tatsachen schaffen, um das, was er geschaffen hat, dann legalisieren zu lassen, so in der Innenpolitik, so auch in der Außenpolitik. Das ist gewiß eine Eigentümlichkeit nicht nur jener Seite, es machen auch manche andere sonst so in gewissen Breitengraden dieser Welt. Darum geht es.
    Hier muß man aufpassen; denn hier hilft einem, wenn man nicht selbst aufpaßt, kaum jemand. Berlin ist die Schlüsselstellung und wird es noch lange sein. Wie viele Jahrzehnte das alles auch noch dauern wird, es geht dabei immer um die schließliche Überleitung von nach dem Ende der militärischen Feindhandlungen für erforderlich gehaltenen, dann aber umstritten gewordenen und auch gebliebenen und manchmal sogar schon einseitig ausgelöschten Übergangsregelungen in endgültige vertragliche Regelungen. Um nichts anderes kann es dabei gehen. Da mag es in der Ausdrucksweise, da mag es auch in der Vorstellungsweise über die Zeit, die dazu gebraucht wird, diese Unterschiede geben. Aber in der Sache werden wir uns immer wieder an diesem Punkt zusammenfinden müssen.
    Das wollen Sie nun mit solchen Dingen beschweren wie — das sage ich nur wegen des Stichworts „Berlin" —, die Sozialdemokraten weigerten sich, nach Berlin zur Arbeitswoche zu gehen.

    (Abg. Stücklen: „Bisher nicht zugestimmt", hat es geheißen!)


    Wehner
    — Das haben sie auch nicht. Ich möchte das hier in aller Freimütigkeit deutlich machen, weil wichtiger als das Demonstrative das Effektive ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Aha-Rufe von der CDU/CSU.)

    — Ich bin doch schon mehr in Berlin gewesen als mancher andere. Das ist doch kein Ruhm. Es hat Ausschüsse gegeben, die schon früher viel häufiger in Berlin getagt haben, als seit es diese eigenartige Regelung der Präsenzpflicht für jeden Ausschuß in Berlin gegeben hat. Darüber ließe sich manches sagen. Ich würde es vorziehen, Sie ließen darüber mit sich und unter uns sachlich reden. Sonst müßten wir über einiges reden, was niemandem gut tun kann, weil dort nicht einer oder der andere die Alleinverantwortung zu tragen hat, sondern weil es hier um Porzellan, um Berliner Porzellan, geht. Das sollte man nicht vorher zerdeppern, um es dann noch einmal zusammenkitten zu müssen oder zu dürfen.

    (Abg. Stücklen: Ist da etwas im Gange, was wir nicht wissen?)

    — Nichts ist im Gange. Sie sind doch erfahren genug, um zu wissen, daß mancher sich interessant macht und so tut, als wüßte er etwas. Von mir wissen Sie, daß das meine Art nicht ist. Worum es geht, ist das Ordnen unserer Arbeitsweise, nichts anderes; und da brauchen wir uns nicht unbedingt an Gewohnheiten gebunden zu fühlen, die ihre Berechtigung gehabt haben, —

    (Aha-Rufe von der CDU/CSU)

    — Ja, sicher! Was wollen Sie denn mit Ihrem „Aha"? Darüber werden wir ja einmal in aller Ausführlichkeit, z. B. im Zusammenhang mit der Debatte über die Lage in der Zone, sprechen. Aber brechen Sie sich doch bitte keinen ab! Ich habe mir einiges herausgeholt, was ich für solche Fälle einmal in die Debatte werfen kann. Wir können das in diesen Tagen noch machen. Sie können nicht so verfahren: sozusagen Schlamm am Sonntag und in der Woche hier so tun, als wäre man fair miteinander. Nein, was wir wollen, ist, sachlich über die Arbeit reden und nicht von vornherein jeden Gesichtspunkt durch etwas abstempeln und dadurch die Klärung der Fragen, um die es geht, nur erschweren.
    Ich hätte gern noch einiges Spezielle, das mir besonders am Herzen liegt, auch zu dem polnischen Problem, gesagt. Vielleicht läßt sich das im Laufe dieser Debatte noch nachholen. Ich sehe, daß ich mich in der Redezeit ein wenig vergaloppiert habe, und bitte dafür um Entschuldigung.
    Am Schluß möchte ich noch einmal sagen, daß dieser Einstieg in die Debatte über die Regierungserklärung uns auch immer wieder daran erinnern soll, daß bei unterschiedlicher Stellung und damit unterschiedlicher Verpflichtung es über all dem auch eine gemeinsame gibt.
    Ich danke Ihnen für die Geduld.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)