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    Deutscher Bundestag 229. Sitzung Bonn, den 25. April 1969 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 12623 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 12623 A Amtliche Mitteilungen 12623 B Fragestunde (Drucksache V/4097) Fragen des Abg. Genscher: Ernennung eines neuen Mitglieds des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 12624 A, B, C, D, 12625 A, B Genscher (FDP) . . . 12624 C, D, 12625 A Spitzmüller (FDP) 12625 B Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Erhöhung der Zündwarenpreise Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . .12625 C, D Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . .12625 C, D Fragen des Abg. Dr. Pohle: Gründung einer europäischen Universität auf deutschem Boden — Verstärkung der Hochschulausbildung Brandt, Bundesminister . . . .12626 A, C Dr. Pohle (CDU/CSU) 12626 A, C Fragen des Abg. Lenders: Vorgänge bei einer Veranstaltung des griechischen Generalkonsulats in Düsseldorf 12626 C Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Lektoren des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an den französischen Universitäten Brandt, Bundesminister 12626 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Bemerkungen des Präsidenten Nasser betr. aus Deutschland stammende Flugblätter Brandt, Bundesminister . . . .12627 B, C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 12627 C Fragen des Abg. Prochazka: Vertiefung der Kontakte zu den Ostblockländern — Politik der Sowjetunion in den Fragen der Anerkennung der ,,DDR" Brandt, Bundesminister . 12627 D, 12628 D, 12629 A, B, C Prochazka (CDU/CSU) . . . 12628 D, 12629 A von Hassel, Präsident 12629 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 12629 B II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 Fragen des Abg. Baier: Dokumentation des Schicksals der deutschen Kriegsgefangenen des zweiten Weltkrieges Brandt, Bundesminister . . . . . 12629 C, 12630 B, C, D Baier (CDU/CSU) .. . . . . .12630 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . .12630 C, D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 12630 D Fragen des Abg. Dr. Rinderspacher: Geschäfte sogenannter Arbeitsvermittler mit „Leihkräften" Kattenstroth, Staatssekretär . . 12631 A, B, 12632 A, B, C Dr. Rinderspacher (SPD) . 12631 D, 12632 A Dr. Schwörer (CDU/CSU) . . . 12632 B von Hassel, Präsident 12632 C Fragen des Abg. Cramer: Bewertung der Verfolgungszeiten in der Angestelltenversicherung Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12632 C 12633 A, B Cramer (SPD) 12633 A, B Fragen des Abg. Hirsch: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung . . . 12633 B Fragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Dauer von Sozialgerichtsprozessen Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12633 C 12634 A, B, C Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 12634 A Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 12634 A Frage des Abg. Zebisch: Ärztliche Versorgung der Versicherten in strukturschwachen Regionen Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12634 C, 12635 A, B, C Zebisch (SPD) 12635 A, B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . 12635 B, C Frage des Abg. Dröscher: Vorgezogenes Altersruhegeld von arbeitslosen Arbeitern Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12635 D, 12636 A, B Dröscher (SPD) 12636 A von Hassel, Präsident 12636 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr Deutschlandpolitik (Drucksachen V/3769, V/4101) in Verbindung mit Antrag der Fraktion der FDP betr. Deutschlandpolitik (Drucksache V/3866) Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) • . 12636 C Wehner, Bundesminister . 12639 A, 12681 B Dr. Mommer, Vizepräsident 12645 A, 12654 A, 12685 B, 12689 D, 12691 A Baron von Wrangel (CDU/CSU) . . 12645 A Franke (Hannover) (SPD) . . . 12648 D Scheel (FDP) 12654 A Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler 12663 A Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 12666 D Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 12671 B Mischnick (FDP) 12677 B Neumann (Berlin) (SPD) 12683' D Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 12685 C Genscher (FDP) 12688 D Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 96) (Drucksache V/4085) — Erste Beratung — . . . 12690 A Entwurf eines Gesetzes zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen (Drucksache V/4086) — Erste Beratung — 12690 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (Drucksachen V/3960, zu V/3960) ; Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache V/4127) — Zweite und dritte Beratung — 12690 B Sänger (SPD) 12690 B Entwurf eines Eingliederungsgesetzes für Soldaten auf Zeit (Drucksache V/4113) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 12691 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 5/68 — Zollaussetzungen und Zollkontingente für Lachse usw.) (Drucksachen V/4001, V/4128) . . . 12691 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache V/4126) — Erste Beratung — 12691 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 III Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bilanzpublizistik (Abg. van Delden, Burgemeister, Dr. Giulini, Rawe u. Gen.) (Drucksache V/3771) — Erste Beratung — 12691 C Nächste Sitzung 12691 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 12693 A Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abg. Prochazka (CDU/CSU) zu Punkt 46 der Tagesordnung 12693 D Anlage 3 Schriftliche Erklärung der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) zu Punkt 25 der Tagesordnung 12696 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Geldner betr. Einfuhr von Trinkbranntwein aus EWG-Mitgliedstaaten 12697 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Peiter betr. Beförderungsteuer für die Landkreise Loreley, Unterlahn und Oberwesterwald . . . . 12697 C Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen der Abg. Frau Funcke betr. Vertraulichkeit der Beratungen der Steuerreformkommission . . . . . . 12698 A Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Ramms betr. Ermäßigung der Mineralölsteuer im öffentlichen Personennahverkehr 12698 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12623 229. Sitzung Bonn, den 25. April 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 8.00 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 227. Sitzung, Seite 12576 A, Zeile 24 statt „unverständlicherweise" : „verständlicherweise" Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12693 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Urlaubsanträge Dr. Abelein 25. 4. Dr. Aigner * 25. 4. Adams 25. 4. Frau Albertz 1. 5. Dr. Apel * 25. 4. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 26. 4. Bading * 25. 4. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 15. 5. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 25. 4. Behrendt * 25. 4. Berberich 9. 5. Bergmann * 25. 4. Frau Blohm 25. 4. Dr. Brenck 26. 4. Brück (Holz) ** 27. 4. Corterier * 25.4. Damm 25. 4. Dichgans * 25. 4. Dr. Dittrich * 25. 4. Draeger * 25. 4. Frau Dr. Elsner * 25. 4. Dr. Erhard 4. 5. Dr. Even 10. 5. Fellermaier 29.4. Flämig ** 26. 4. Dr. Franz 31. 5. Frau Funcke 25.4. Geiger 25. 4. Gerlach * 25. 4. Dr. Gleissner 25. 4. Graaff 25. 4. Dr. h. c. Güde 25. 4. Haage (München) 25. 4. Dr. Haas 25. 4. Haase (Kassel) 25. 4. Hahn (Bielefeld) * 25. 4. Hamacher 25. 4. Hellenbrock 31. 7. Frau Dr. Heuser 25. 4. Höhmann (Hessisch Lichtenau) 25. 4. Hörauf 25. 4. Hörmann (Freiburg) 25. 4. Frau Dr. Hubert 25. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) 15. 6. Jahn (Marburg) 25. 4. Junker 25. 4. Frau Kalinke 25. 4. Kahn-Ackermann 29. 4. Dr. Kliesing (Honnef) ** 27. 4. Klinker * 25. 4. Dr. Koch 25. 4. Kohlberger 25.4. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Kunze 30. 4. Lautenschlager * 25. 4. Lenze (Attendorn) 29. 4. Frau Dr. Maxsein ** 26. 4. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 25. 4. Mertes 25. 4. Metzger * 25. 4. Michels 25. 4. Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller 25. 4. Müller (Aachen-Land) * 25. 4. Neemann 25. 4. Peters (Norden) 3. 5. Picard 10. 5. Ramms 29. 4. Rasner 25. 4. Richter ** 26.4. Riedel (Frankfurt) * 25. 4. Rollmann 25.4. Dr. Rutschke ** 27. 4. Schmitt-Vockenhausen 25. 4. Schulhoff 25.4. Dr. Schulz (Berlin) 10.5. Dr. Schulze-Vorberg 25.4. Séibert 25. 4. Dr. Starke (Franken) * 25. 4. Steinhoff 30. 4. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell 25. 4. Weiland 29. 4. Welke 25. 4. Frau Wessel 25. 4. Dr. Wilhelmi 31. 5. Dr. Wörner 25. 4. Wuwer 25. 4. b) Urlaubsanträge Bals 2. 5. Burger 2. 5. Brück (Köln) 29.5. Glombig 2. 5. Maucher 2.5. Mick 2. 5. Riegel (Göppingen) 2. 5. Schmidt (Kempten) 2. 5. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Prochazka (CDU/CSU) zu Punkt 46 der Tagesordnung. Auf der Konferenz der kommunistischen Parteien Europas erklärte Walter Ulbricht in Karlsbad: Es gehört zu den geschichtlichen Aufgaben der Deutschen Demokratischen Republik, dazu beizutragen, daß auch die Bevölkerung Westdeutschlands den Weg heraus aus dem imperialistischen Lager findet. Erst wenn das erreicht ist, kann die Vereinigung der beiden deutschen Staaten aktuell werden. 12694 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 Und Professor Albert Norden folgerte: Da nur der Sozialismus dem deutschen Volk die sichere soziale, politische und nationale Zukunft gewährt, da nur der Sozialismus die Antwort auf die Probleme jedes werktätigen Menschen weiß, kann nur er die Zukunftslösung auch für Westdeutschland sein. Wir können diesen Prozeß dadurch beschleunigen, daß wir erstens unsere Republik in allen Bereichen unüberwindlich stark und unangreifbar machen; dadurch, daß wir zweitens den millionenfachen Dialog mit den westdeutschen Werktätigen so führen, daß sie vom Wunsch nach demokratischer Ordnung, nach radikaler Änderung der reaktionären westdeutschen Verhältnisse erfüllt werden. Bei der Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung der DDR geht es nicht darum, ob wir die Teilung Deutschlands zur Kenntnis nehmen, sondern darum, ob wir die Zone als selbständigen deutschen Staat anerkennen und legitimieren sollen. Daß es den Teil Deutschlands, der sich DDR nennt, gibt, steht außer Zweifel, jedoch ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob wir diesem Faktum staats- und völkerrechtliche Legitimität zuerkennen dürfen. Das natürliche und selbstverständliche Verlangen unserer Nation nach Zusammenleben muß sich nicht unbedingt in einem nationalen Einheitsstaat, sondern kann sich in einer Zeit, in der das nationalstaatliche Denken zurücktritt, auch in anderen, aus freier politischer Selbstbestimmung entwickelten Strukturen verwirklichen. Dabei bleiben die Prinzipien der politischen Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Selbstbestimmung für die Gestaltung unseres Verhältnisses zur Zone in jeder Weise maßgebend. Die Zone ist weder durch die Zustimmung ihrer Bürger zustande gekommen, noch hat sie diese Zustimmung nachträglich erhalten. Das verbietet eine eindeutige Legitimierung des Regimes im anderen Teil Deutschlands. Eine Anerkennung der Zone in dieser Situation würde auch für andere Prinzipien als die der politischen Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung für den Weg unseres ganzen Volkes in die Zukunft bestimmend sein. Das gilt um so mehr, als die Menschen im anderen Teil Deutschlands gegenwärtig in der Wiedervereinigung einen Weg zu Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung sehen können. Für Deutsche, die über das Gut freier politischer Entscheidungsmöglichkeiten verfügen, ist angesichts unserer totalitären Vergangenheit die Legitimation des deutschen Unrechtsstaates moralisch und rechtlich unmöglich. Ungeachtet der bestehenden prinzipiellen Gegensätze ist es die ständige Aufgabe aller in Deutschland lebenden und politisch handelnden Menschen, das zu ermöglichen, was praktisch getan werden kann, um die Not der Spaltung unseres Volkes zu erleichtern und dadurch einen Beitrag zur Entspannung innerhalb Deutschlands zu leisten. Abgesehen von diesen moralischen Argumenten gegen die völkerrechtliche Aufwertung einer Diktatur gibt es auch gewichtige rechtliche Gründe. 1 Sowjetrußland, das gegen die Bundesrepublik gern unter Berufung auf die Konferenzen von Jalta und Potsdam agiert, verletzt die völkerrechtliche Vereinbarung von 1945, wenn es um die Zone geht. Es ist nicht einzusehen, welcher Nutzen daraus entstehen sollte, die rechtliche Einheit Deutschlands in den Grenzen von 1937 deutscherseits aufzugeben, obgleich sie die Siegermächte des zweiten Weltkrieges noch — wenigstens teilweise — beachten. Wer die Anerkennung der sogenannten DDR befürwortet, schwört logischerweise damit einer Wiedervereinigung in Freiheit ab und unterstützt die dauernde Teilung Deutschlands. Er sollte dann auch den Mut haben, sich offen dazu zu bekennen. Es ist Augenauswischerei, den Anschein zu erwecken, als könnte man durch die Anerkennung Pankows einer Wiedervereinigung näherkommen. Nicht zuletzt ist den Befürwortern eines zweiten deutschen Staates die Frage vorzulegen, ob sie bereit sind, die von Ulbricht als unabdingbaren Bestandteil der Anerkennung verlangte Aufopferung West-Berlins zu verantworten. Wer die Zone anerkennen will, kommt nicht umhin, ihren Anspruch auf West-Berlin zu unterstützen. Er muß darüber hinaus auch den Mut haben, das Grundgesetz für sich als unverbindlich zu betrachten; denn diese Verfassung schließt eine Anerkennung der Zone aus. Ich möchte daher meinen, daß diese Forderung nach völkerrechtlicher Aufwertung des SED-Regimes offensichtlich mehr eine Folge der Ungeduld als der nüchternen Überlegung ist. Andere Völker würden niemals eine Teilung anerkennen, die praktisch von außen aufgezwungen wurde. Wer sich von der Anerkennung konkrete Verbesserungen der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten erhofft, unterliegt dem Wunschdenken. Ulbrichts System benötigt den Haß auf die Bundesrepublik Deutschland ebenso, wie Moskau den Buhmann des Bonner Revanchismus, um das System zu festigen. Gegenwärtig wird in Ostberlin das mangelnde Selbstvertrauen durch scharfe, pausenlose Propaganda ersetzt. Inhalt und Ton der kommunistischen Verlautbarungen und Veröffentlichungen sind kältester kalter Krieg. Die Behauptung im Zentralorgan der SED, man sehe sich unmittelbaren Aggressionsvorbereitungen der Bonner Regierung gegenüber, ist noch eine vergleichsweise milde Formulierung. Wer so sehr der Entstellung und Lüge bedarf wie das Zentralkomitee der SED, seine Sprecher und Publizisten, der muß sich in seiner politischen Position sehr schwach fühlen. Das Regime Walter Ulbrichts braucht eben ständig Schreckgespenster, um die Bevölkerung abzulenken und damit eine unbefangene Meinungsbildung zu verhindern. Es geht doch darum, die CDU/CSU zu denunzieren und die These, daß nur wir ein Recht auf Alleinvertretung besitzen, in Abrede zu stellen und uns als Störenfriede abzustempeln. Man kann sich sehr oft des Eindrucks nicht erwehren, daß gewisse politische Kreise vergessen zu haben scheinen, daß die SED anfänglich auf ein konföderatives System hinarbeitete und heute noch eine Neutralisierung der Bundesrepublik, das Disengagement, den Austritt der Bundesrepublik aus Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12695 der NATO anstrebt und damit nichts anderes betreibt als die Zerstörung der Front unserer staatstragenden demokratischen Parteien. Es gehört aber auch zu einer globalen Strategie der Sowjetunion, die westliche Anerkennung der Drei-Staaten-Theorie zu erreichen oder aber die Welt davon zu überzeugen, daß es zwei deutsche Staaten gibt. In der sogenannten Terminologie der kleinen Schritte sollte es damit zu keiner Abkehr von unserer Politik kommen, denn die Aufgabe von Rechtsansprüchen ist weitaus gefährlicher als das Quantum des Erreichbaren. In einer Anerkennung der Realitäten sähe Moskau lediglich einen Beweis der Schwäche und keinen Beweis für guten Willen. Die Befürworter eines Anerkennungsschrittes sollten ohne Selbsttäuschung noch einmal die wirklichen Realitäten durchdenken, wenngleich nicht geleugnet werden kann, daß Ulbricht, gestützt auf die 20 sowjetischen Divisionen, die Macht in Mitteldeutschland ausübt. Gleichzeitig ist es jedoch auch eine Realität, daß er ohne die Sowjettruppen sofort von der politischen Bühne verschwinden würde. 1. Bei einer Anerkennung der Zone würde daher die Oder-Neiße-Linie nicht mehr unsere Grenze sein. 2. Unsere diplomatischen Vertretungen im Ausland dürften sich nicht mehr um die Landsleute in der Zone kümmern. 3. Wir müßten Ulbricht und Genossen alle diplomatischen Ehrungen zubilligen. 4. Berlin würde seinen alliierten Schutz verlieren. 5. Alle Verkehrswege in der Zone würden souverän von Pankow beherrscht sein. Wenn wir von unserer geteilten Heimat sprechen, denken wir an unsere Brüder und Schwestern, die durch Mauer und Stacheldraht von uns getrennt sind. Wo aber hat es jemals einen solchen Wall von Sperranlagen gegeben, nicht schützend das Land und seine Bewohner, sondern ihnen drohend. In ihrer Gesamtlänge von 1350 km unterbricht die Demarkationslinie Eisenbahnen, Straßen, Wasserwege und unzählige Verbindungen von Dorf zu Dorf. Die Welt soll wissen, daß die Sperranlagen der Mittelzone inzwischen einen Umfang erreicht haben, den man sich perfektionierter kaum vorstellen kann. Mehr als 25 000 Betonpfähle stehen von der Ostsee bis nach Bayern, 30 000 cbm Beton wurden dazu verarbeitet, 50 qkm Wald- und Buschwerk sind abgeholzt worden. Das brachliegende Gelände umfaßt etwa 140 qkm. Neben über 1200 Betonbunkern, Beobachtungsständen, Signalanlagen, Minenfeldern und Lichtsperren, die mehr als 280 km ausleuchten, werden außerdem immer mehr Hundelaufanlagen eingerichtet. Dazu kommen die im Hinterland angelegten Sperren. Das Ganze wird überwacht von 50 000 Soldaten der NVA-Grenztruppe. Abseits vom großen politischen Geschehen spielen sich an der Demarkationslinie fast täglich furchtbare Tragödien ab, von denen die sachlichen Presse- und Rundfunkmeldungen so wenig aussagen: Fluchtversuch gescheitert, Flüchtling schwer verletzt im Doppelzaun, junges Mädchen überwand Minensperren, NVA erschoß Flüchtling an der Mauer, Flüchtling beim Durchschwimmen der Elbe ertrunken. Denken wir wirklich darüber nach, was sich dahinter verbirgt? Die Bundesregierung sollte in einer Freiheitsnote, die allen Verantwortlichen in dieser Welt zu unterbreiten wäre, auf die Tatsache hinweisen, daß in Mitteldeutschland Rechtssicherheit und Rechtsschutz für den einzelnen nicht existieren. Der Justizminister der Zone erklärte: Das Gesetz muß so angewandt werden, wie es den Zielen der Partei der Arbeiterklasse und der Regierung entspricht. So kann z. B. über unschuldige Menschen Zwangsaufenthalt verhängt werden für einen Zeitraum, an einem Ort und zu einer Arbeit, die völlig im Ermessen der dortigen Machthaber liegen. Seit dem 17. Juni 1953 bis zur Errichtung der Mauer 1961 wurden im unfreien Teil Deutschlands 158 Todesurteile gefällt. Die Gerichte erkannten in 457 Fällen auf lebenslängliche Zuchthausstrafe, nahezu 47 000 Menschen wurden aus politischen Gründen verhaftet und zu Freiheitsstrafen von zum Teil mehr als 20 Jahren verurteilt. Tausende politische Häftlinge befinden sich noch immer in den sowjetzonalen Strafanstalten. Seit dem Bau der Mauer wurden folgende Gewalturteile aus politischen Gründen gefällt und vollstreckt: 4 Todesurteile, 19 Verurteilungen zu lebenslänglichem Zuchthaus, 59 Verurteilungen zu Arbeitslager auf unbestimmte Zeit. Die Bundesregierung sollte sich an alle Regierungen und Völker wenden, die Wahrung der Menschenrechte im unfreien Teil Deutschlands zu erwirken. In einem Zeitalter, das die Selbstbestimmung zur Maxime der nationalen und internationalen Ordnung erhebt, hat auch das deutsche Volk Anspruch auf dieses Grundrecht. Wenn Menschenrechte und Selbstbestimmung in ganz Deutschland verwirklicht werden, verschwinden die Gegensätze, wird der Frieden gesichert und Deutschland geeint. Im Rahmen einer neuen Deutschlandinitiative sollten gefordert werden 1. die völlige Freizügigkeit im Reiseverkehr; das bedeutet im besonderen: Wegfall der Personenkontrolle und Aufenthaltsbedingungen; 2. Wiedereinführung der Rückfahrkarte innerhalb ganz Deutschlands, sofortige Erleichterung im Verkehr der Zonengrenzbewohner, Fortfall der Beschränkungen des Postverkehrs, Einstellung der Störsendungen beim Rundfunkempfang und freier Zugang zu allen Nachrichtenquellen innerhalb Deutschlands. Mit Rücksicht darauf, daß die Machthaber in Pankow in verstärktem Maße Bemühungen anstellen, in den internationalen Gremien und Institutionen, insbesondere bei den Vereinten Nationen, Aufnahme als ordentliches Mitglied zu finden, sollte in Hinblick auf die momentane Entwicklung abermals die Forderung nach Abhaltung freier Wahlen in beiden Teilen Deutschlands unter internationaler Kontrolle erhoben werden. Bei einer Weigerung des Pankower Regimes sollte die freie Welt einer Aufnahme Ostberlins in diese internationalen Gremien nicht zustimmen. Dem Treiben sowjetzonaler Rundfunk- und Fernsehreporter in der Bundesrepublik Deutschland 12696 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 sollte so lange ein Ende gesetzt werden, als die Machthaber in Pankow unseren Presse-, Rundfunk-und Fernsehgremien eine Gleichbehandlung versagen und damit eine eindeutige Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes praktizieren. Die Förderung des Zonenrand- und Grenzgebietes ist eine politische Aufgabe ersten Ranges. Es handelt sich primär um eine politische Frage, aus der sich wirtschaftliche und kulturelle Gesichtspunkte ableiten. Die Prioritäten des Bundes und aller Länder müssen dieser staatspolitischen Tatsache mehr denn je Rechnung tragen. Die Verbindung des Zonenrandgebietes mit dem Ausland muß nach Kräften gefördert werden. Ausländische Besuche sollten mehr als bisher auch . auf Städte und Gemeinden des Zonenrandes ausgedehnt werden. Partnerschaften zwischen den Gemeinden des Zonenrandgebietes und ausländischen Gemeinden sollten die Regel und nicht die Ausnahme sein. Das Zonenrandgebiet muß stärker als bisher in die staatsbürgerliche Erziehung einbezogen werden. Der Abwerbung aus dem Zonenrandgebiet und aus den Grenzgebieten muß stärker denn je entgegengetreten .werden. Es muß dementsprechend erwogen werden, gewisse steuerliche oder sonstige Vergünstigungen für die im Zonenrand- und Grenzgebiet wohnenden Arbeitnehmer zu schaffen. Zu erwägen wäre die Gewährung eines Ortszuschlages und die generelle Überprüfung der Ortsklassenregelung. In den Reihen der demokratischen Gegenkräfte beginnen sich Skepsis und Unmut auszubreiten. Nachdem die kommunistische Führung in Pankow jahrelang Hunderte von Millionen für ihre subversive Arbeit bei uns ausgegeben hat, während in der Bundesrepublik dringende Aufklärungspropaganda oft keine Finanzierung fand, scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, den Terrainverlust wieder aufzuholen. Die Flut der gegnerischen Propaganda abzufangen und einzudämmen, ist heute bereits ein schwieriges Unterfangen, dies um so mehr, als bestimmte intellektuelle Kreise sich dazu rüsten, das Unwerturteil, das über den Kommunismus und über die SED durch die ganze Nachkriegszeit bestand, abzubauen, ohne in Betracht zu ziehen, daß es in der Bundesrepublik viele Millionen von Menschen gibt, die mit dem kommunistischen Terror unmittelbar in Berührung kamen. Diese werden ihr Urteil nicht revidieren. Das Ulbricht-Regime in Pankow sollte endlich wissen, daß es auch Grenzen politischen Taktierens gibt. Ulbricht, der zur Zeit best-gehaßte Mann im Comecon, der stalinistische Novotny der Zone, wird eines Tages an seiner eigenen Politik scheitern. Die Welt sollte wissen, daß 95 Prozent unserer deutschen Brüder und Schwestern in Mitteldeutschland ihn mit stiller Verachtung strafen. Wir erklären uns aber bereit, mit Moskau in ein sofortiges Gespräch einzutreten. Das Sowjetvolk würde viele neue Freunde gewinnen, wenn sich seine derzeitige Führung bereit fände, auch dem deutschen Volke das Heimat- und Selbstbestimmungsrecht und damit die Einheit Deutschland zuzugestehen. Deshalb sind wir entschlossen, den Willen zu bekunden, das Selbstbestimmungsrecht für alle Deutschen durchzusetzen, für die demokratische Ordnung in ganz Deutschland einzutreten, jeder Art offene und versteckter Anerkennung der Teilung entgegenzuwirken und mit allen geeigneten friedlichen, geistigen und fruchtbaren Mitteln, allem Widerstand und aller Skepsis zum Trotz auf das Ziel der Herbeiführung der Einheit ganz Deutschlands hinzuarbeiten. Keiner unter uns ist gegen die Entspannung, jeder ist für eine Entspanung in Deutschland und Europa. Es kommt nur darauf an, ob man diese Entspannung durch Anerkennungsaktionen und Rechtsverzicht oder durch Verfassungstreue und Treue zum Selbstbestimmungsrecht erreicht. Ich halte es für töricht und unzweckmäßig, in diesem Zusammenhange, wie das geschehen ist, Erklärungen zu zitieren, die u. a. auch das Münchner Abkommen in diese Diskussion hineinziehen. Ich weise im Namen der Sudetendeutschen Volksgruppe die Behauptung, dieses Abkommen sei von Anfang an ungerecht gewesen, als eine falsche Geschichtsinterpretation deshalb zurück, weil sie das Unrecht negiert, von dem in diesem Falle eine gute deutsche Volksgruppe von Anfang an, nämlich seit 1918/19 betroffen wurde. Anlage 3 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) zu Punkt 25 der Tagesordnung. Die Freien Demokraten haben stets die Auffassung vertreten, daß eine Liberalisierung des materiellen politischen Strafrechts nicht genügt. Außerdem müsse das Strafverfahren so reformiert werden, daß auch in Staatsschutzsachen ein fairer Prozeß gewährleistet ist. Schon im Juli 1966 forderte sie deshalb, daß im Zusammenhang mit der Reform des materiellen Strafrechts für das Verfahren mindestens folgende Reformen erfolgen sollten: 1. Alle erstinstanzlichen Urteile sollten in einer Rechtsmittelinstanz überprüft werden können. 2. Geheime bzw. indirekte Zeugenaussagen dürfen nicht zulässig sein. 3. Die Sachverständigen müssen völlig unabhängig sein, sie dürfen also nicht dem Verteidigungsministerium angehören. 4. Auch sollten unabhängige Pressekommissionen gebildet werden, die vor Veröffentlichungen beratend tätig sein können. Leider konnte die FDP nicht erreichen, daß diese Mindestreform des Strafverfahrens gleichzeitig mit der Reform des materiellen politischen Strafrechts im vergangenen Jahr erfolgte. Immerhin erreichte sie auch im Zusammenhang mit der Diskussion einer entsprechenden Großen Anfrage der FDP die Zusage des damaligen Bundesjustizministers Dr. Heinemann, daß noch in dieser Legislaturperiode eine Rechtsmittelinstanz auch in den politischen Strafverfahren, in denen bisher der Bundesgerichtshof in 1. Instanz und ausschließlich zuständig ist, geschaffen werden solle. Die jetzt vorliegenden Gesetz- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12697 entwürfe sollen den zweiten Rechtszug in Staatsschutzsachen allgemein einführen und tragen damit auch einer Entschließung des Bundestages bei der Verabschiedung der Reform des materiellen politischen Strafrechts Rechnung. Langwierige und schwierige Verhandlungen mit den Ländern verzögerten die Vorlage. Die Zeit für die Beratungen ist jetzt am Ende der Legislaturperiode nur sehr kurz. Sie muß aber ausreichen, um diese Reform noch zu verwirklichen. Die vorgesehene Regelung entspricht den Vorstellungen, die von der FDP schon früher im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform vorgetragen wurden. Sie wird deshalb den Gesetzen zustimmen. Unerfüllt sind aber noch die anderen Forderungen für einen fairen Prozeß, nämlich das Verbot von geheimen bzw. indirekten Zeugenaussagen, von wirklich unabhängigen Sachverständigen und von unabhängigen Pressekommissionen. Diese Forderungen erhalten wir aufrecht. Der nächste Bundestag sollte diese Reformen verwirklichen, wie auch endlich die Strafverfahrenskommission bilden, die bereits der 3. Bundestag einmütig gefordert hatte. Die Reform des Strafverfahrens überhaupt kann nicht länger aufgeschoben werden. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Geldner (Drucksache V/4097 Frage 109) : Hält es die Bundesregierung für eine besonders mittelstandsfreundliche Politik, wenn sie durch die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein selbst von kleinsten Firmen verlangt, bei Einfuhr von Trinkbranntwein aus Mitgliedstaaten der EWG die Anträge im Januar zu stellen (im Februar sind die Kontingente schon erschöpft), die Ware dann innerhalb von drei Monaten einzuführen und sie monatelang zu lagern, weil sie in der Masse erst im Oktober/Dezember gebraucht wird? Die Bundesmonopolverwaltung hat von keiner Firma — weder von größeren noch von kleinen — verlangt, Anträge im Rahmen ihrer Ausschreibung für Trinkbranntweineinfuhren aus Mitgliedstaaten der EWG innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu stellen. Solche Ausschreibungen ergehen auf Grund einer Empfehlung der EWG-Kommission seit dem Jahre 1964. Die jeweiligen Quoten waren für Weinbrand erstmals im Laufe des Jahres 1966 voll ausgenutzt, diejenigen für Kornbranntwein und andere Trinkbranntweinerzeugnisse dagegen bis 1968 in keinem einzigen Kalenderjahr. Dieses Bild änderte sich nach Wegfall der Binnenzölle für Trinkbranntwein erstmals und schlagartig bei der Einfuhrausschreibung 1969, deren Weinbrandquote bereits am ersten Tage (2. 1. 1969) und deren Quote für andere Trinkbranntweine am 20. 2. 1969 erschöpft waren. Diese Entwicklung war nach den Erfahrungen der Vorjahre nicht vorauszusehen. Noch im Zeitpunkt der Einfuhrausschreibung 1969 am 2. 12. 1968 war von den Quoten 1968 nur die für Weinbrand voll, die für Kornbranntwein mit 44 % und die für anderen Trinkbranntwein mit 60,5% ausgenutzt. Die Bundesmonopolverwaltung prüft mit den Verbänden der Branntweinwirtschaft, wie bei künftigen Ausschreibungen die jetzt aufgetretenen Nachteile des bisher reibungslosen Verfahrens ausgeschlossen oder wenigstens gemildert werden können. Dabei wird sie allerdings an der Ausnutzung bewilligter Einfuhrgenehmigungen innerhalb einer bestimmten Frist (bisher drei Monate) wahrscheinlich festhalten müssen, um Scheinanträge — mit denen nur die Einfuhr durch Konkurrenten blockiert werden soll — auszuschließen. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter (Drucksache V/4097 Frage 110) : Ist die Bundesregierung bereit, für die Bundesausbaugebiete Landkreis Loreley, Unterlahn und Oberwesterwald, insbesondere für deren land- und forstwirtschaftlich orientierte Höhengebiete mit relativ geringer Verkehrsdichte, den § 5 des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs in Anwendung zu bringen, der eine 50%ige Eimäßigung der Beförderungsteuer ermöglicht? Um eine dem Zweck des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs entsprechende gleichmäßige Auswahl der in Betracht kommenden Gebietsteile zu ermöglichen und Berufungen zu vermeiden, ist das Institut für Raumordnung in Bad Godesberg mit einer gutachtlichen Stellungnahme zur Ausfüllung der Ermächtigung beauftragt worden. Im Zusammenwirken mit den beteiligten Ministerien sind danach die in Betracht kommenden Landkreise und kreisfreien Städte nach einheitlichen Grundsätzen ermittelt -worden. Die Verordnung wird in den nächsten Tagen erlassen werden. Nach den Auswahlgrundsätzen wurden solche Kreise als verkehrsmäßig schwach aufgeschlossen ermittelt, die zu mehr als 50 v. H. ihrer Fläche außerhalb von Umkreisen mit sechs Kilometer Radius um Güterverladebahnhöfe mit Waggon- und Stückgutabfertigung liegen. Als verkehrsungünstig (in Randlage) gelegen wurden solche Kreise ermittelt, die zu mehr als 50 v. H. ihrer Fläche außerhalb gewogener Entfernungsbereiche um die größeren Wirtschaftszentren und außerdem mehr als 50 km von der nächsten Autobahnauffahrt entfernt liegen. In beiden Fällen wurde die Begünstigung aber nur dann zur Vermeidung schwerwiegender volkswirtschaftlicher Nachteile für vertretbar gehalten, wenn die Wirtschaftskraft des jeweiligen Kreises, gemessen an Bruttoinlandsprodukt, Realsteuerkraft und Industriebesatz, unter dem Durchschnitt der Landkreise liegt. Die vom Bundesminister der Finanzen gebilligte Verordnung wird dem Hohen Hause in Kürze mit einer ausführlichen Begründung über die Herren Vorsitzenden der zuständigen Ausschüsse bekanntgegeben werden. Eine Begünstigung der Landkreise Loreley, Unterlahn und Oberwesterwald ist nicht vorgesehen. Nach den dargelegten Grundsätzen und den getroffenen Feststellungen können sie weder als ver- 12698 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 kehrsmäßig schwach aufgeschlossen noch als verkehrsungünstig in Randlage gelegen angesehen werden. Ich verkenne nicht, daß die wirtschaftliche Situation dieser Kreise nicht günstig ist. Es ist aber zu beachten, daß das Gesetz verkehrsstrukturelle Voraussetzungen vorschreibt. Im übrigen müßte das halbe Bundesgebiet begünstigt werden, wenn die genannten Kreise in die Steuerermäßigung einbezogen würden. Eine solche Ausweitung der Verordnungsermächtigung würde dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen und auf verfassungsmäßige Bedenken aus dem Gleichheitsgrundsatz stoßen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Funcke (Drucksache V/4097 Fragen 113 und 114) : Trifft es zu, daß der Vorsitzende der von der Bundesregierung berufenen Steuerreformkommission, Minister a. D. Eberhard, in der Steuerfachtagung Ende März in München bereits Andeutungen über vermutete Ergebnisse der Kommission gemacht hat, obwohl diese ihre Arbeit kaum begonnen hat? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die Objektivität und Unvoreingenommenheit der Kommission dadurch sicherzustellen, daß sie bei Berufung der Mitglieder die Vertraulichkeit der Beratungen bis zum endgültigen Abschluß zur Bedingung macht? Bei Eröffnung der ersten Sitzung der Steuerreformkommission hat der Bundesminister der Finanzen angeregt, die Beratungen in der Kommission vertraulich zu behandeln. Mir ist bekannt, daß die Kommission sich diese Auffassung zu eigen gemacht hat. Am 27. März 1969 hat der Vorsitzende der Kommission, Herr Dr. h. c. Rudolf Eberhard, Präsident der Bayerischen Staatsbank, auf der Münchner Steuerfachtagung einen Vortrag über Probleme der Steuerreform gehalten. Der Wortlaut der Rede liegt mir vor. Nach einem Rückblick auf frühere Reformpläne hat der Vorsitzende der Kommission allgemeine Zielvorstellungen erörtert und das Für und Wider einiger Überlegungen zur Gewerbesteuer, Grundsteuer, Erbschaftsteuer, Vermögensteuer, Körperschaftsteuer und Einkommensteuer angesprochen. Es handelt sich hierbei um Probleme, die seit langem in der Öffentlichkeit diskutiert werden und zum Beispiel in Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen oder im Gutachten der Finanzreformkommission behandelt werden. Die hierbei getroffene Auswahl bedeutet nach den Worten des Vortragenden nicht, daß die Reform bei den erörterten Problemen in jedem Falle ansetzen werde. Dr. h. c. Eberhard hat im Gegenteil ausdrücklich betont, daß die Arbeit der Kommission erst am Anfang stehe und sich daher noch nicht absehen lasse, welchen Sachproblemen die Kommission ihr besonderes Augenmerk widmen werde. Ich vermag hiernach dem Vortrag keine Andeutungen über mögliche Ergebnisse der Kommissionsberatungen zu entnehmen. Anderslautende Presseberichte geben die Ausführungen Dr. h. c. Eberhards nicht zutreffend wieder. Es besteht unter diesen Umständen keine Notwendigkeit, weitere Schritte zu unternehmen, um die für eine erfolgreiche Arbeit der Kommission unerläßliche Vertraulichkeit der Beratungen zu sichern. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramms (Drucksache V/4097 Frage 115) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung der Ermäßigung der Mineralölsteuer im öffentlichen Personennahverkehr (50 km) analog der Regelung der Mehrwertsteuer, um den Personenverkehr zu verbessern? Die Frage, ob überhaupt und gebenenfalls in welchem Umfang den Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs Erleichterungen bei der Mineralölsteuer gewährt werden können, wird zur Zeit in der Bundesregierung beraten. Eine Antwort in der Sache kann daher erst zu einem späteren Zeitpunkt gegeben werden.
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    Unser Rechtsstandpunkt soll und wird kein Hindernis sein. Wir begrüßen diese Erklärung. Wenn aber der Rechtsstandpunkt kein Hindernis sein soll und sein wird, dann heißt das doch nichts anderes, als daß die Bereitschaft vorhanden ist, trotz unterschiedlicher Rechtsauffassungen zu vertraglichen Vereinbarungen zu kommen. So steht am Ende des Vereinbarung — auch nach unserer Auffassung — fest, daß die beiden Partner eines solchen Vertrages nicht nur gleichberechtigt verhandelt, sondern auch gleichberechtigt unterschrieben haben und damit gleichberechtigt für seine Durchführung verantwortlich sind. Darum geht es uns bei der Frage des staatsrechtlichen Vertrags und um nichts anderes. Wer das nicht will, muß natürlich wissen, daß die Chance für ein Gespräch, für eine Verhandlung überhaupt nicht gegeben ist.
    Nun ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die DDR bis zur Stunde noch nicht die Vollmacht wahrgenommen hat — das hat der Gesamtdeutsche Minister gesagt, das ist später wiederholt worden —, die die Volkskammer ausgesprochen hat. Meine Damen und Herren, ich bin mir ziemlich sicher, daß es gar nicht lange dauern wird, bis auf Grund der Budapester Erklärung neue Initiativen kommen werden. Ich kann mir sogar vorstellen, daß man eine Initiative aus der DDR, um dem Budapester Appell, zu dem natürlich in diesem Zusammenhang noch einiges gesagt werden muß, die entsprechende Resonanz zu verschaffen — denn er ist das Ziel der Staaten des Warschauer Pakts —, nicht mit Forderungen, mit Vorbedingungen wie der völkerrechtlichen Anerkennung und so fort belasten wird. Wenn man das aber erwarten muß, ist es dann nicht für die



    Mischnick
    Position der Bundesrepublik besser, vorher mit eigenen Initiativen in diese Diskussion zu gehen?
    Leider muß ich feststellen, daß die Wertung des Budapester Papiers auch hier in diesem Hause noch vor 14 Tagen, drei Wochen weniger positiv — das ist vielleicht schon zuviel gesagt —, weniger nüchtern gewesen ist, als es heute der Fall war. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß der Kollege Barzel heute davon sprach, daß man das ausloten müsse. Als ich vor ein paar Wochen hier in einer Debatte davon sprach, man müsse die Budapester Erklärung darauf abklopfen, welche Möglichkeiten darin enthalten seien, wurde das noch als ein sehr gewagter Schritt nach vorn angesehen.

    (Abg. Dorn: Sehr richtig!)

    Heute ist man erfreulicherweise so weit, daß ein „Ausloten" erfolgt. Ich spreche jetzt von der Diskussion im Parlament, nicht von dem, was der Herr Bundesaußenminister hier gesagt hat. Er stimmte nämlich mit meinen Überlegungen überein.
    Die Budapester Erklärung — der Kollege Barzel nahm dazu Stellung — bringt tatsächlich einen Unterschied zur Bukarester Erklärung. Sie wird allerdings in Bezug dazu gebracht. Das veranlaßt mich zu der Feststellung, daß es dann von uns aus gar keine Schwierigkeit ist, auf diplomatischem Wege auszuloten — wir sollten nicht warten, bis uns etwa offiziell mitgeteilt wird, daß die Budapester Erklärung Gegenstand von Gesprächen sein soll —, ob dann nicht auch die Rede von Gromyko in Rom vor der Bukarester Erklärung von 1966, als er davon
    sprach, daß eine solche europäische Sicherheitskonferenz einberufen werden sollte, heute noch Gültigkeit hat. Er wurde nämlich damals gefragt, ob dabei die Vereinigten Staaten ausgeschlossen werden sollen oder nicht. Er hat dann ausdrücklich festgestellt, daß die Vereinigten Staaten selbstverständlich, wenn sie an einer solchen Konferenz interessiert seien, auch daran teilnehmen könnten. Hier wäre eine Aufgabe der deutschen Politik, festzustellen, ob das für die Budapester Erklärung genauso gilt, wie es von der Bukarester Erklärung zum Ausdruck gebracht worden ist. Ich bin überzeugt, daß sich diese Auffassung nicht geändert hat. Das bedeutet aber, daß der Verdacht, daß man hier die Vereinigten Staaten ausschalten wolle, eben nicht auf festen Füßen steht.
    Immer wieder — sowohl in der Erklärung des Bundeskanzlers wie auch in den Diskussionsbeiträgen der Kollegen Schmidt und Barzel — ist davon gesprochen worden, daß wir mit unseren Vertragsentwurf auf keinen Fall die Position Berlins schwächen dürfen. Wir teilen diese Meinung. Ich habe immer das Gefühl, daß der genaue Text unseres Art. 6 von all denen, die dagegen polemisieren, nicht — ich will es vorsichtig ausdrücken — Buchstabe für Buchstabe richtig aufgenommen worden ist; denn wir gehen ja ausdrücklich von der Viermächte-Verantwortung aus. Viermächte-Verantwortung bezieht sogar ein, daß sie ursprünglich ja einmal für ganz Berlin galt. Wir müssen aber leider feststellen, daß auch zu- Zeiten, als die CDU/CSU allein die Regierung stellte, gegen dieses langsame Aushöhlen bis zu einer Dreimächte-Verantwortung für West-Berlin damals nicht entschieden genug vorgegangen worden ist, wie es notwendig gewesen wäre. Wir sind, wenn im Rahmen der Ausschußberatung Verbesserungsvorschläge kommen, gern bereit, diese entsprechend einzubauen. Es geht uns darum, daß Sie alle, die Sie heute betont haben: „Wir sind bereit, vertragliche Regelungen abzuschließen; wir halten aber den Zeitpunkt im Augenblick noch nicht für gekommen", bereit sind, jetzt alles so vorzubereiten, daß im richtigen Zeitpunkt auch sofort ein solcher Vertragsentwurf zur Verfügung steht. Es gilt also eine Arbeit zu leisten, die uns in die Lage versetzt, auf der Stelle reagieren zu können und nicht erst, wie wir es oft erlebt haben, einen Zeitraum verstreichen lassen zu müssen, was die andere Seite dann wiederum berechtigt, zu sagen, hier fehle .es an entsprechender Reaktion.
    Es ist die Frage gestellt worden, ob wir uns noch zu der Entschließung bekennen, die in den meisten Punkten gemeinsam war. Wir gehen von keinem der Punkte ab, denen wir hier zugestimmt haben. Wir hatten einen Punkt, in dem wir leider unterschiedlicher Meinung waren; und das sind wir auch heute noch. Ich hoffe allerdings, daß sich die Meinungsbildung bei Ihnen fortentwickelt und Sie eines Tages einsehen werden, daß der Punkt 6 der Entschließung in der Fassung der Freien Demokraten der Situation besser gerecht wurde als Ihre Formulierung,

    (Abg. Scheel: Sehr richtig!)

    die doch wieder eine Barriere aufgebaut hat, wie wir sie eben nicht haben wollten.

    (Beifall bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, es ist am Freitag von einem gewissen Zeitpunkt ab schwierig, solche Debatten noch sehr intensiv zu führen. Lassen Sie mich deshalb zum Schluß nur noch einige wenige Bemerkungen zur Situation in der CSSR machen.
    Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß die Ereignisse in der Tschechoslowakei manches erschwert haben. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, machen wir doch nicht den Fehler, die tschechischen Ereignisse immer nur unter einem Blickwinkel zu ,sehen. Die tschechischen Ereignisse sind nach meiner Überzeugung Warnung und Mahnung zugleich: Warnung davor, leichtfertig zu glauben, daß alle Sicherheitsfragen nachrangig sind, Warnung davor, sich einzubilden, man könne leichtfertig vorhandene Sicherheitssysteme aufgeben; daran denkt niemand. Mahnung daran, daß alle die, die heute noch von einem vergangenen Blockdenken, von einer Einheitlichkeit der Auffassungen innerhalb des ganzen Waschauer Paktsystems sprechen, Monat für Monat erleben mußten, daß die Entwicklungen auch in diesem Bereich laufend weitergehen, trotz der bitteren Ereignisse in der Tschechoslowakei.
    Das bedeutet für uns, daß wir in unserer eigenen politischen Arbeit flexibel genug sein müssen, um die jeweiligen Nuancierungen, die sichtbar werden, durch eigene Aktionen da zu unserem Nutzen zu verwerten, wo es möglich ist, aber auf keinen Fall



    Mischnick
    durch Reaktionen zum falschen Zeitpunkt positive Entwicklungen erschweren.
    Ich bin fest überzeugt, meine politischen Freunde sind fest überzeugt, daß eine Initiative der Bundesrepublik mit einem solchen Vertragsvorschlag, mit einem konkreten Vorschlag, wie wir die Beziehungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands vertraglich geregelt wissen wollen, dazu beiträgt, die Position der DDR innerhalb des Warschauer Paktes nicht zu festigen, sondern deutlich zu machen, daß diese DDR selbst bereit sein muß, Entgegenkommen zu zeigen, wenn sie sich nicht innerhalb des Warschauer Paktbereichs auf die Dauer isolieren will. Das in die Diskussion in den Ausschüssen mit einzubeziehen, scheint uns unbedingt notwendig.
    Zum Abschluß noch eine Bitte. Es ist hier erfreulicherweise unterlassen worden, manches an Unterstellungen zu bringen, was draußen gern an Unterstellungen gebracht wird. Wir werden unserer gemeinsamen Aufgabe, die hier so oft beschworen worden ist, nicht gerecht, wenn jeder von uns, der entsprechende Überlegungen anstellt, selber — wie es eine Zeitlang leider geschah — schon als Kommunist abgestempelt wird oder wenn einer, der gar mal eine Reise in die DDR unternimmt, als ein Mensch hingestellt wird, der auf der anderen Seite steht. Wenn wir die Gemeinsamkeit wollen — ich wäre dankbar, wenn auch die Deutschlandgespräche aufgenommen würden —, dann muß die Bereitschaft bestehen, die Diskussion sachlich zu führen und nicht Dinge zu unterstellen, die keiner von uns gewollt oder gesagt hat.


Rede von Dr. Karl Mommer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sie gestatten eine Zwischenfrage von Herrn Kiep?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Bitte!