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    Deutscher Bundestag 229. Sitzung Bonn, den 25. April 1969 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 12623 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 12623 A Amtliche Mitteilungen 12623 B Fragestunde (Drucksache V/4097) Fragen des Abg. Genscher: Ernennung eines neuen Mitglieds des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 12624 A, B, C, D, 12625 A, B Genscher (FDP) . . . 12624 C, D, 12625 A Spitzmüller (FDP) 12625 B Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Erhöhung der Zündwarenpreise Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . .12625 C, D Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . .12625 C, D Fragen des Abg. Dr. Pohle: Gründung einer europäischen Universität auf deutschem Boden — Verstärkung der Hochschulausbildung Brandt, Bundesminister . . . .12626 A, C Dr. Pohle (CDU/CSU) 12626 A, C Fragen des Abg. Lenders: Vorgänge bei einer Veranstaltung des griechischen Generalkonsulats in Düsseldorf 12626 C Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Lektoren des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an den französischen Universitäten Brandt, Bundesminister 12626 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Bemerkungen des Präsidenten Nasser betr. aus Deutschland stammende Flugblätter Brandt, Bundesminister . . . .12627 B, C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 12627 C Fragen des Abg. Prochazka: Vertiefung der Kontakte zu den Ostblockländern — Politik der Sowjetunion in den Fragen der Anerkennung der ,,DDR" Brandt, Bundesminister . 12627 D, 12628 D, 12629 A, B, C Prochazka (CDU/CSU) . . . 12628 D, 12629 A von Hassel, Präsident 12629 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 12629 B II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 Fragen des Abg. Baier: Dokumentation des Schicksals der deutschen Kriegsgefangenen des zweiten Weltkrieges Brandt, Bundesminister . . . . . 12629 C, 12630 B, C, D Baier (CDU/CSU) .. . . . . .12630 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . .12630 C, D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 12630 D Fragen des Abg. Dr. Rinderspacher: Geschäfte sogenannter Arbeitsvermittler mit „Leihkräften" Kattenstroth, Staatssekretär . . 12631 A, B, 12632 A, B, C Dr. Rinderspacher (SPD) . 12631 D, 12632 A Dr. Schwörer (CDU/CSU) . . . 12632 B von Hassel, Präsident 12632 C Fragen des Abg. Cramer: Bewertung der Verfolgungszeiten in der Angestelltenversicherung Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12632 C 12633 A, B Cramer (SPD) 12633 A, B Fragen des Abg. Hirsch: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung . . . 12633 B Fragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Dauer von Sozialgerichtsprozessen Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12633 C 12634 A, B, C Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 12634 A Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 12634 A Frage des Abg. Zebisch: Ärztliche Versorgung der Versicherten in strukturschwachen Regionen Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12634 C, 12635 A, B, C Zebisch (SPD) 12635 A, B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . 12635 B, C Frage des Abg. Dröscher: Vorgezogenes Altersruhegeld von arbeitslosen Arbeitern Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12635 D, 12636 A, B Dröscher (SPD) 12636 A von Hassel, Präsident 12636 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr Deutschlandpolitik (Drucksachen V/3769, V/4101) in Verbindung mit Antrag der Fraktion der FDP betr. Deutschlandpolitik (Drucksache V/3866) Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) • . 12636 C Wehner, Bundesminister . 12639 A, 12681 B Dr. Mommer, Vizepräsident 12645 A, 12654 A, 12685 B, 12689 D, 12691 A Baron von Wrangel (CDU/CSU) . . 12645 A Franke (Hannover) (SPD) . . . 12648 D Scheel (FDP) 12654 A Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler 12663 A Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 12666 D Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 12671 B Mischnick (FDP) 12677 B Neumann (Berlin) (SPD) 12683' D Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 12685 C Genscher (FDP) 12688 D Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 96) (Drucksache V/4085) — Erste Beratung — . . . 12690 A Entwurf eines Gesetzes zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen (Drucksache V/4086) — Erste Beratung — 12690 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (Drucksachen V/3960, zu V/3960) ; Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache V/4127) — Zweite und dritte Beratung — 12690 B Sänger (SPD) 12690 B Entwurf eines Eingliederungsgesetzes für Soldaten auf Zeit (Drucksache V/4113) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 12691 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 5/68 — Zollaussetzungen und Zollkontingente für Lachse usw.) (Drucksachen V/4001, V/4128) . . . 12691 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache V/4126) — Erste Beratung — 12691 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 III Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bilanzpublizistik (Abg. van Delden, Burgemeister, Dr. Giulini, Rawe u. Gen.) (Drucksache V/3771) — Erste Beratung — 12691 C Nächste Sitzung 12691 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 12693 A Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abg. Prochazka (CDU/CSU) zu Punkt 46 der Tagesordnung 12693 D Anlage 3 Schriftliche Erklärung der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) zu Punkt 25 der Tagesordnung 12696 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Geldner betr. Einfuhr von Trinkbranntwein aus EWG-Mitgliedstaaten 12697 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Peiter betr. Beförderungsteuer für die Landkreise Loreley, Unterlahn und Oberwesterwald . . . . 12697 C Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen der Abg. Frau Funcke betr. Vertraulichkeit der Beratungen der Steuerreformkommission . . . . . . 12698 A Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Ramms betr. Ermäßigung der Mineralölsteuer im öffentlichen Personennahverkehr 12698 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12623 229. Sitzung Bonn, den 25. April 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 8.00 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 227. Sitzung, Seite 12576 A, Zeile 24 statt „unverständlicherweise" : „verständlicherweise" Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12693 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Urlaubsanträge Dr. Abelein 25. 4. Dr. Aigner * 25. 4. Adams 25. 4. Frau Albertz 1. 5. Dr. Apel * 25. 4. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 26. 4. Bading * 25. 4. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 15. 5. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 25. 4. Behrendt * 25. 4. Berberich 9. 5. Bergmann * 25. 4. Frau Blohm 25. 4. Dr. Brenck 26. 4. Brück (Holz) ** 27. 4. Corterier * 25.4. Damm 25. 4. Dichgans * 25. 4. Dr. Dittrich * 25. 4. Draeger * 25. 4. Frau Dr. Elsner * 25. 4. Dr. Erhard 4. 5. Dr. Even 10. 5. Fellermaier 29.4. Flämig ** 26. 4. Dr. Franz 31. 5. Frau Funcke 25.4. Geiger 25. 4. Gerlach * 25. 4. Dr. Gleissner 25. 4. Graaff 25. 4. Dr. h. c. Güde 25. 4. Haage (München) 25. 4. Dr. Haas 25. 4. Haase (Kassel) 25. 4. Hahn (Bielefeld) * 25. 4. Hamacher 25. 4. Hellenbrock 31. 7. Frau Dr. Heuser 25. 4. Höhmann (Hessisch Lichtenau) 25. 4. Hörauf 25. 4. Hörmann (Freiburg) 25. 4. Frau Dr. Hubert 25. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) 15. 6. Jahn (Marburg) 25. 4. Junker 25. 4. Frau Kalinke 25. 4. Kahn-Ackermann 29. 4. Dr. Kliesing (Honnef) ** 27. 4. Klinker * 25. 4. Dr. Koch 25. 4. Kohlberger 25.4. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Kunze 30. 4. Lautenschlager * 25. 4. Lenze (Attendorn) 29. 4. Frau Dr. Maxsein ** 26. 4. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 25. 4. Mertes 25. 4. Metzger * 25. 4. Michels 25. 4. Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller 25. 4. Müller (Aachen-Land) * 25. 4. Neemann 25. 4. Peters (Norden) 3. 5. Picard 10. 5. Ramms 29. 4. Rasner 25. 4. Richter ** 26.4. Riedel (Frankfurt) * 25. 4. Rollmann 25.4. Dr. Rutschke ** 27. 4. Schmitt-Vockenhausen 25. 4. Schulhoff 25.4. Dr. Schulz (Berlin) 10.5. Dr. Schulze-Vorberg 25.4. Séibert 25. 4. Dr. Starke (Franken) * 25. 4. Steinhoff 30. 4. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell 25. 4. Weiland 29. 4. Welke 25. 4. Frau Wessel 25. 4. Dr. Wilhelmi 31. 5. Dr. Wörner 25. 4. Wuwer 25. 4. b) Urlaubsanträge Bals 2. 5. Burger 2. 5. Brück (Köln) 29.5. Glombig 2. 5. Maucher 2.5. Mick 2. 5. Riegel (Göppingen) 2. 5. Schmidt (Kempten) 2. 5. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Prochazka (CDU/CSU) zu Punkt 46 der Tagesordnung. Auf der Konferenz der kommunistischen Parteien Europas erklärte Walter Ulbricht in Karlsbad: Es gehört zu den geschichtlichen Aufgaben der Deutschen Demokratischen Republik, dazu beizutragen, daß auch die Bevölkerung Westdeutschlands den Weg heraus aus dem imperialistischen Lager findet. Erst wenn das erreicht ist, kann die Vereinigung der beiden deutschen Staaten aktuell werden. 12694 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 Und Professor Albert Norden folgerte: Da nur der Sozialismus dem deutschen Volk die sichere soziale, politische und nationale Zukunft gewährt, da nur der Sozialismus die Antwort auf die Probleme jedes werktätigen Menschen weiß, kann nur er die Zukunftslösung auch für Westdeutschland sein. Wir können diesen Prozeß dadurch beschleunigen, daß wir erstens unsere Republik in allen Bereichen unüberwindlich stark und unangreifbar machen; dadurch, daß wir zweitens den millionenfachen Dialog mit den westdeutschen Werktätigen so führen, daß sie vom Wunsch nach demokratischer Ordnung, nach radikaler Änderung der reaktionären westdeutschen Verhältnisse erfüllt werden. Bei der Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung der DDR geht es nicht darum, ob wir die Teilung Deutschlands zur Kenntnis nehmen, sondern darum, ob wir die Zone als selbständigen deutschen Staat anerkennen und legitimieren sollen. Daß es den Teil Deutschlands, der sich DDR nennt, gibt, steht außer Zweifel, jedoch ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob wir diesem Faktum staats- und völkerrechtliche Legitimität zuerkennen dürfen. Das natürliche und selbstverständliche Verlangen unserer Nation nach Zusammenleben muß sich nicht unbedingt in einem nationalen Einheitsstaat, sondern kann sich in einer Zeit, in der das nationalstaatliche Denken zurücktritt, auch in anderen, aus freier politischer Selbstbestimmung entwickelten Strukturen verwirklichen. Dabei bleiben die Prinzipien der politischen Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Selbstbestimmung für die Gestaltung unseres Verhältnisses zur Zone in jeder Weise maßgebend. Die Zone ist weder durch die Zustimmung ihrer Bürger zustande gekommen, noch hat sie diese Zustimmung nachträglich erhalten. Das verbietet eine eindeutige Legitimierung des Regimes im anderen Teil Deutschlands. Eine Anerkennung der Zone in dieser Situation würde auch für andere Prinzipien als die der politischen Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung für den Weg unseres ganzen Volkes in die Zukunft bestimmend sein. Das gilt um so mehr, als die Menschen im anderen Teil Deutschlands gegenwärtig in der Wiedervereinigung einen Weg zu Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung sehen können. Für Deutsche, die über das Gut freier politischer Entscheidungsmöglichkeiten verfügen, ist angesichts unserer totalitären Vergangenheit die Legitimation des deutschen Unrechtsstaates moralisch und rechtlich unmöglich. Ungeachtet der bestehenden prinzipiellen Gegensätze ist es die ständige Aufgabe aller in Deutschland lebenden und politisch handelnden Menschen, das zu ermöglichen, was praktisch getan werden kann, um die Not der Spaltung unseres Volkes zu erleichtern und dadurch einen Beitrag zur Entspannung innerhalb Deutschlands zu leisten. Abgesehen von diesen moralischen Argumenten gegen die völkerrechtliche Aufwertung einer Diktatur gibt es auch gewichtige rechtliche Gründe. 1 Sowjetrußland, das gegen die Bundesrepublik gern unter Berufung auf die Konferenzen von Jalta und Potsdam agiert, verletzt die völkerrechtliche Vereinbarung von 1945, wenn es um die Zone geht. Es ist nicht einzusehen, welcher Nutzen daraus entstehen sollte, die rechtliche Einheit Deutschlands in den Grenzen von 1937 deutscherseits aufzugeben, obgleich sie die Siegermächte des zweiten Weltkrieges noch — wenigstens teilweise — beachten. Wer die Anerkennung der sogenannten DDR befürwortet, schwört logischerweise damit einer Wiedervereinigung in Freiheit ab und unterstützt die dauernde Teilung Deutschlands. Er sollte dann auch den Mut haben, sich offen dazu zu bekennen. Es ist Augenauswischerei, den Anschein zu erwecken, als könnte man durch die Anerkennung Pankows einer Wiedervereinigung näherkommen. Nicht zuletzt ist den Befürwortern eines zweiten deutschen Staates die Frage vorzulegen, ob sie bereit sind, die von Ulbricht als unabdingbaren Bestandteil der Anerkennung verlangte Aufopferung West-Berlins zu verantworten. Wer die Zone anerkennen will, kommt nicht umhin, ihren Anspruch auf West-Berlin zu unterstützen. Er muß darüber hinaus auch den Mut haben, das Grundgesetz für sich als unverbindlich zu betrachten; denn diese Verfassung schließt eine Anerkennung der Zone aus. Ich möchte daher meinen, daß diese Forderung nach völkerrechtlicher Aufwertung des SED-Regimes offensichtlich mehr eine Folge der Ungeduld als der nüchternen Überlegung ist. Andere Völker würden niemals eine Teilung anerkennen, die praktisch von außen aufgezwungen wurde. Wer sich von der Anerkennung konkrete Verbesserungen der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten erhofft, unterliegt dem Wunschdenken. Ulbrichts System benötigt den Haß auf die Bundesrepublik Deutschland ebenso, wie Moskau den Buhmann des Bonner Revanchismus, um das System zu festigen. Gegenwärtig wird in Ostberlin das mangelnde Selbstvertrauen durch scharfe, pausenlose Propaganda ersetzt. Inhalt und Ton der kommunistischen Verlautbarungen und Veröffentlichungen sind kältester kalter Krieg. Die Behauptung im Zentralorgan der SED, man sehe sich unmittelbaren Aggressionsvorbereitungen der Bonner Regierung gegenüber, ist noch eine vergleichsweise milde Formulierung. Wer so sehr der Entstellung und Lüge bedarf wie das Zentralkomitee der SED, seine Sprecher und Publizisten, der muß sich in seiner politischen Position sehr schwach fühlen. Das Regime Walter Ulbrichts braucht eben ständig Schreckgespenster, um die Bevölkerung abzulenken und damit eine unbefangene Meinungsbildung zu verhindern. Es geht doch darum, die CDU/CSU zu denunzieren und die These, daß nur wir ein Recht auf Alleinvertretung besitzen, in Abrede zu stellen und uns als Störenfriede abzustempeln. Man kann sich sehr oft des Eindrucks nicht erwehren, daß gewisse politische Kreise vergessen zu haben scheinen, daß die SED anfänglich auf ein konföderatives System hinarbeitete und heute noch eine Neutralisierung der Bundesrepublik, das Disengagement, den Austritt der Bundesrepublik aus Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12695 der NATO anstrebt und damit nichts anderes betreibt als die Zerstörung der Front unserer staatstragenden demokratischen Parteien. Es gehört aber auch zu einer globalen Strategie der Sowjetunion, die westliche Anerkennung der Drei-Staaten-Theorie zu erreichen oder aber die Welt davon zu überzeugen, daß es zwei deutsche Staaten gibt. In der sogenannten Terminologie der kleinen Schritte sollte es damit zu keiner Abkehr von unserer Politik kommen, denn die Aufgabe von Rechtsansprüchen ist weitaus gefährlicher als das Quantum des Erreichbaren. In einer Anerkennung der Realitäten sähe Moskau lediglich einen Beweis der Schwäche und keinen Beweis für guten Willen. Die Befürworter eines Anerkennungsschrittes sollten ohne Selbsttäuschung noch einmal die wirklichen Realitäten durchdenken, wenngleich nicht geleugnet werden kann, daß Ulbricht, gestützt auf die 20 sowjetischen Divisionen, die Macht in Mitteldeutschland ausübt. Gleichzeitig ist es jedoch auch eine Realität, daß er ohne die Sowjettruppen sofort von der politischen Bühne verschwinden würde. 1. Bei einer Anerkennung der Zone würde daher die Oder-Neiße-Linie nicht mehr unsere Grenze sein. 2. Unsere diplomatischen Vertretungen im Ausland dürften sich nicht mehr um die Landsleute in der Zone kümmern. 3. Wir müßten Ulbricht und Genossen alle diplomatischen Ehrungen zubilligen. 4. Berlin würde seinen alliierten Schutz verlieren. 5. Alle Verkehrswege in der Zone würden souverän von Pankow beherrscht sein. Wenn wir von unserer geteilten Heimat sprechen, denken wir an unsere Brüder und Schwestern, die durch Mauer und Stacheldraht von uns getrennt sind. Wo aber hat es jemals einen solchen Wall von Sperranlagen gegeben, nicht schützend das Land und seine Bewohner, sondern ihnen drohend. In ihrer Gesamtlänge von 1350 km unterbricht die Demarkationslinie Eisenbahnen, Straßen, Wasserwege und unzählige Verbindungen von Dorf zu Dorf. Die Welt soll wissen, daß die Sperranlagen der Mittelzone inzwischen einen Umfang erreicht haben, den man sich perfektionierter kaum vorstellen kann. Mehr als 25 000 Betonpfähle stehen von der Ostsee bis nach Bayern, 30 000 cbm Beton wurden dazu verarbeitet, 50 qkm Wald- und Buschwerk sind abgeholzt worden. Das brachliegende Gelände umfaßt etwa 140 qkm. Neben über 1200 Betonbunkern, Beobachtungsständen, Signalanlagen, Minenfeldern und Lichtsperren, die mehr als 280 km ausleuchten, werden außerdem immer mehr Hundelaufanlagen eingerichtet. Dazu kommen die im Hinterland angelegten Sperren. Das Ganze wird überwacht von 50 000 Soldaten der NVA-Grenztruppe. Abseits vom großen politischen Geschehen spielen sich an der Demarkationslinie fast täglich furchtbare Tragödien ab, von denen die sachlichen Presse- und Rundfunkmeldungen so wenig aussagen: Fluchtversuch gescheitert, Flüchtling schwer verletzt im Doppelzaun, junges Mädchen überwand Minensperren, NVA erschoß Flüchtling an der Mauer, Flüchtling beim Durchschwimmen der Elbe ertrunken. Denken wir wirklich darüber nach, was sich dahinter verbirgt? Die Bundesregierung sollte in einer Freiheitsnote, die allen Verantwortlichen in dieser Welt zu unterbreiten wäre, auf die Tatsache hinweisen, daß in Mitteldeutschland Rechtssicherheit und Rechtsschutz für den einzelnen nicht existieren. Der Justizminister der Zone erklärte: Das Gesetz muß so angewandt werden, wie es den Zielen der Partei der Arbeiterklasse und der Regierung entspricht. So kann z. B. über unschuldige Menschen Zwangsaufenthalt verhängt werden für einen Zeitraum, an einem Ort und zu einer Arbeit, die völlig im Ermessen der dortigen Machthaber liegen. Seit dem 17. Juni 1953 bis zur Errichtung der Mauer 1961 wurden im unfreien Teil Deutschlands 158 Todesurteile gefällt. Die Gerichte erkannten in 457 Fällen auf lebenslängliche Zuchthausstrafe, nahezu 47 000 Menschen wurden aus politischen Gründen verhaftet und zu Freiheitsstrafen von zum Teil mehr als 20 Jahren verurteilt. Tausende politische Häftlinge befinden sich noch immer in den sowjetzonalen Strafanstalten. Seit dem Bau der Mauer wurden folgende Gewalturteile aus politischen Gründen gefällt und vollstreckt: 4 Todesurteile, 19 Verurteilungen zu lebenslänglichem Zuchthaus, 59 Verurteilungen zu Arbeitslager auf unbestimmte Zeit. Die Bundesregierung sollte sich an alle Regierungen und Völker wenden, die Wahrung der Menschenrechte im unfreien Teil Deutschlands zu erwirken. In einem Zeitalter, das die Selbstbestimmung zur Maxime der nationalen und internationalen Ordnung erhebt, hat auch das deutsche Volk Anspruch auf dieses Grundrecht. Wenn Menschenrechte und Selbstbestimmung in ganz Deutschland verwirklicht werden, verschwinden die Gegensätze, wird der Frieden gesichert und Deutschland geeint. Im Rahmen einer neuen Deutschlandinitiative sollten gefordert werden 1. die völlige Freizügigkeit im Reiseverkehr; das bedeutet im besonderen: Wegfall der Personenkontrolle und Aufenthaltsbedingungen; 2. Wiedereinführung der Rückfahrkarte innerhalb ganz Deutschlands, sofortige Erleichterung im Verkehr der Zonengrenzbewohner, Fortfall der Beschränkungen des Postverkehrs, Einstellung der Störsendungen beim Rundfunkempfang und freier Zugang zu allen Nachrichtenquellen innerhalb Deutschlands. Mit Rücksicht darauf, daß die Machthaber in Pankow in verstärktem Maße Bemühungen anstellen, in den internationalen Gremien und Institutionen, insbesondere bei den Vereinten Nationen, Aufnahme als ordentliches Mitglied zu finden, sollte in Hinblick auf die momentane Entwicklung abermals die Forderung nach Abhaltung freier Wahlen in beiden Teilen Deutschlands unter internationaler Kontrolle erhoben werden. Bei einer Weigerung des Pankower Regimes sollte die freie Welt einer Aufnahme Ostberlins in diese internationalen Gremien nicht zustimmen. Dem Treiben sowjetzonaler Rundfunk- und Fernsehreporter in der Bundesrepublik Deutschland 12696 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 sollte so lange ein Ende gesetzt werden, als die Machthaber in Pankow unseren Presse-, Rundfunk-und Fernsehgremien eine Gleichbehandlung versagen und damit eine eindeutige Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes praktizieren. Die Förderung des Zonenrand- und Grenzgebietes ist eine politische Aufgabe ersten Ranges. Es handelt sich primär um eine politische Frage, aus der sich wirtschaftliche und kulturelle Gesichtspunkte ableiten. Die Prioritäten des Bundes und aller Länder müssen dieser staatspolitischen Tatsache mehr denn je Rechnung tragen. Die Verbindung des Zonenrandgebietes mit dem Ausland muß nach Kräften gefördert werden. Ausländische Besuche sollten mehr als bisher auch . auf Städte und Gemeinden des Zonenrandes ausgedehnt werden. Partnerschaften zwischen den Gemeinden des Zonenrandgebietes und ausländischen Gemeinden sollten die Regel und nicht die Ausnahme sein. Das Zonenrandgebiet muß stärker als bisher in die staatsbürgerliche Erziehung einbezogen werden. Der Abwerbung aus dem Zonenrandgebiet und aus den Grenzgebieten muß stärker denn je entgegengetreten .werden. Es muß dementsprechend erwogen werden, gewisse steuerliche oder sonstige Vergünstigungen für die im Zonenrand- und Grenzgebiet wohnenden Arbeitnehmer zu schaffen. Zu erwägen wäre die Gewährung eines Ortszuschlages und die generelle Überprüfung der Ortsklassenregelung. In den Reihen der demokratischen Gegenkräfte beginnen sich Skepsis und Unmut auszubreiten. Nachdem die kommunistische Führung in Pankow jahrelang Hunderte von Millionen für ihre subversive Arbeit bei uns ausgegeben hat, während in der Bundesrepublik dringende Aufklärungspropaganda oft keine Finanzierung fand, scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, den Terrainverlust wieder aufzuholen. Die Flut der gegnerischen Propaganda abzufangen und einzudämmen, ist heute bereits ein schwieriges Unterfangen, dies um so mehr, als bestimmte intellektuelle Kreise sich dazu rüsten, das Unwerturteil, das über den Kommunismus und über die SED durch die ganze Nachkriegszeit bestand, abzubauen, ohne in Betracht zu ziehen, daß es in der Bundesrepublik viele Millionen von Menschen gibt, die mit dem kommunistischen Terror unmittelbar in Berührung kamen. Diese werden ihr Urteil nicht revidieren. Das Ulbricht-Regime in Pankow sollte endlich wissen, daß es auch Grenzen politischen Taktierens gibt. Ulbricht, der zur Zeit best-gehaßte Mann im Comecon, der stalinistische Novotny der Zone, wird eines Tages an seiner eigenen Politik scheitern. Die Welt sollte wissen, daß 95 Prozent unserer deutschen Brüder und Schwestern in Mitteldeutschland ihn mit stiller Verachtung strafen. Wir erklären uns aber bereit, mit Moskau in ein sofortiges Gespräch einzutreten. Das Sowjetvolk würde viele neue Freunde gewinnen, wenn sich seine derzeitige Führung bereit fände, auch dem deutschen Volke das Heimat- und Selbstbestimmungsrecht und damit die Einheit Deutschland zuzugestehen. Deshalb sind wir entschlossen, den Willen zu bekunden, das Selbstbestimmungsrecht für alle Deutschen durchzusetzen, für die demokratische Ordnung in ganz Deutschland einzutreten, jeder Art offene und versteckter Anerkennung der Teilung entgegenzuwirken und mit allen geeigneten friedlichen, geistigen und fruchtbaren Mitteln, allem Widerstand und aller Skepsis zum Trotz auf das Ziel der Herbeiführung der Einheit ganz Deutschlands hinzuarbeiten. Keiner unter uns ist gegen die Entspannung, jeder ist für eine Entspanung in Deutschland und Europa. Es kommt nur darauf an, ob man diese Entspannung durch Anerkennungsaktionen und Rechtsverzicht oder durch Verfassungstreue und Treue zum Selbstbestimmungsrecht erreicht. Ich halte es für töricht und unzweckmäßig, in diesem Zusammenhange, wie das geschehen ist, Erklärungen zu zitieren, die u. a. auch das Münchner Abkommen in diese Diskussion hineinziehen. Ich weise im Namen der Sudetendeutschen Volksgruppe die Behauptung, dieses Abkommen sei von Anfang an ungerecht gewesen, als eine falsche Geschichtsinterpretation deshalb zurück, weil sie das Unrecht negiert, von dem in diesem Falle eine gute deutsche Volksgruppe von Anfang an, nämlich seit 1918/19 betroffen wurde. Anlage 3 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) zu Punkt 25 der Tagesordnung. Die Freien Demokraten haben stets die Auffassung vertreten, daß eine Liberalisierung des materiellen politischen Strafrechts nicht genügt. Außerdem müsse das Strafverfahren so reformiert werden, daß auch in Staatsschutzsachen ein fairer Prozeß gewährleistet ist. Schon im Juli 1966 forderte sie deshalb, daß im Zusammenhang mit der Reform des materiellen Strafrechts für das Verfahren mindestens folgende Reformen erfolgen sollten: 1. Alle erstinstanzlichen Urteile sollten in einer Rechtsmittelinstanz überprüft werden können. 2. Geheime bzw. indirekte Zeugenaussagen dürfen nicht zulässig sein. 3. Die Sachverständigen müssen völlig unabhängig sein, sie dürfen also nicht dem Verteidigungsministerium angehören. 4. Auch sollten unabhängige Pressekommissionen gebildet werden, die vor Veröffentlichungen beratend tätig sein können. Leider konnte die FDP nicht erreichen, daß diese Mindestreform des Strafverfahrens gleichzeitig mit der Reform des materiellen politischen Strafrechts im vergangenen Jahr erfolgte. Immerhin erreichte sie auch im Zusammenhang mit der Diskussion einer entsprechenden Großen Anfrage der FDP die Zusage des damaligen Bundesjustizministers Dr. Heinemann, daß noch in dieser Legislaturperiode eine Rechtsmittelinstanz auch in den politischen Strafverfahren, in denen bisher der Bundesgerichtshof in 1. Instanz und ausschließlich zuständig ist, geschaffen werden solle. Die jetzt vorliegenden Gesetz- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12697 entwürfe sollen den zweiten Rechtszug in Staatsschutzsachen allgemein einführen und tragen damit auch einer Entschließung des Bundestages bei der Verabschiedung der Reform des materiellen politischen Strafrechts Rechnung. Langwierige und schwierige Verhandlungen mit den Ländern verzögerten die Vorlage. Die Zeit für die Beratungen ist jetzt am Ende der Legislaturperiode nur sehr kurz. Sie muß aber ausreichen, um diese Reform noch zu verwirklichen. Die vorgesehene Regelung entspricht den Vorstellungen, die von der FDP schon früher im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform vorgetragen wurden. Sie wird deshalb den Gesetzen zustimmen. Unerfüllt sind aber noch die anderen Forderungen für einen fairen Prozeß, nämlich das Verbot von geheimen bzw. indirekten Zeugenaussagen, von wirklich unabhängigen Sachverständigen und von unabhängigen Pressekommissionen. Diese Forderungen erhalten wir aufrecht. Der nächste Bundestag sollte diese Reformen verwirklichen, wie auch endlich die Strafverfahrenskommission bilden, die bereits der 3. Bundestag einmütig gefordert hatte. Die Reform des Strafverfahrens überhaupt kann nicht länger aufgeschoben werden. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Geldner (Drucksache V/4097 Frage 109) : Hält es die Bundesregierung für eine besonders mittelstandsfreundliche Politik, wenn sie durch die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein selbst von kleinsten Firmen verlangt, bei Einfuhr von Trinkbranntwein aus Mitgliedstaaten der EWG die Anträge im Januar zu stellen (im Februar sind die Kontingente schon erschöpft), die Ware dann innerhalb von drei Monaten einzuführen und sie monatelang zu lagern, weil sie in der Masse erst im Oktober/Dezember gebraucht wird? Die Bundesmonopolverwaltung hat von keiner Firma — weder von größeren noch von kleinen — verlangt, Anträge im Rahmen ihrer Ausschreibung für Trinkbranntweineinfuhren aus Mitgliedstaaten der EWG innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu stellen. Solche Ausschreibungen ergehen auf Grund einer Empfehlung der EWG-Kommission seit dem Jahre 1964. Die jeweiligen Quoten waren für Weinbrand erstmals im Laufe des Jahres 1966 voll ausgenutzt, diejenigen für Kornbranntwein und andere Trinkbranntweinerzeugnisse dagegen bis 1968 in keinem einzigen Kalenderjahr. Dieses Bild änderte sich nach Wegfall der Binnenzölle für Trinkbranntwein erstmals und schlagartig bei der Einfuhrausschreibung 1969, deren Weinbrandquote bereits am ersten Tage (2. 1. 1969) und deren Quote für andere Trinkbranntweine am 20. 2. 1969 erschöpft waren. Diese Entwicklung war nach den Erfahrungen der Vorjahre nicht vorauszusehen. Noch im Zeitpunkt der Einfuhrausschreibung 1969 am 2. 12. 1968 war von den Quoten 1968 nur die für Weinbrand voll, die für Kornbranntwein mit 44 % und die für anderen Trinkbranntwein mit 60,5% ausgenutzt. Die Bundesmonopolverwaltung prüft mit den Verbänden der Branntweinwirtschaft, wie bei künftigen Ausschreibungen die jetzt aufgetretenen Nachteile des bisher reibungslosen Verfahrens ausgeschlossen oder wenigstens gemildert werden können. Dabei wird sie allerdings an der Ausnutzung bewilligter Einfuhrgenehmigungen innerhalb einer bestimmten Frist (bisher drei Monate) wahrscheinlich festhalten müssen, um Scheinanträge — mit denen nur die Einfuhr durch Konkurrenten blockiert werden soll — auszuschließen. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter (Drucksache V/4097 Frage 110) : Ist die Bundesregierung bereit, für die Bundesausbaugebiete Landkreis Loreley, Unterlahn und Oberwesterwald, insbesondere für deren land- und forstwirtschaftlich orientierte Höhengebiete mit relativ geringer Verkehrsdichte, den § 5 des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs in Anwendung zu bringen, der eine 50%ige Eimäßigung der Beförderungsteuer ermöglicht? Um eine dem Zweck des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs entsprechende gleichmäßige Auswahl der in Betracht kommenden Gebietsteile zu ermöglichen und Berufungen zu vermeiden, ist das Institut für Raumordnung in Bad Godesberg mit einer gutachtlichen Stellungnahme zur Ausfüllung der Ermächtigung beauftragt worden. Im Zusammenwirken mit den beteiligten Ministerien sind danach die in Betracht kommenden Landkreise und kreisfreien Städte nach einheitlichen Grundsätzen ermittelt -worden. Die Verordnung wird in den nächsten Tagen erlassen werden. Nach den Auswahlgrundsätzen wurden solche Kreise als verkehrsmäßig schwach aufgeschlossen ermittelt, die zu mehr als 50 v. H. ihrer Fläche außerhalb von Umkreisen mit sechs Kilometer Radius um Güterverladebahnhöfe mit Waggon- und Stückgutabfertigung liegen. Als verkehrsungünstig (in Randlage) gelegen wurden solche Kreise ermittelt, die zu mehr als 50 v. H. ihrer Fläche außerhalb gewogener Entfernungsbereiche um die größeren Wirtschaftszentren und außerdem mehr als 50 km von der nächsten Autobahnauffahrt entfernt liegen. In beiden Fällen wurde die Begünstigung aber nur dann zur Vermeidung schwerwiegender volkswirtschaftlicher Nachteile für vertretbar gehalten, wenn die Wirtschaftskraft des jeweiligen Kreises, gemessen an Bruttoinlandsprodukt, Realsteuerkraft und Industriebesatz, unter dem Durchschnitt der Landkreise liegt. Die vom Bundesminister der Finanzen gebilligte Verordnung wird dem Hohen Hause in Kürze mit einer ausführlichen Begründung über die Herren Vorsitzenden der zuständigen Ausschüsse bekanntgegeben werden. Eine Begünstigung der Landkreise Loreley, Unterlahn und Oberwesterwald ist nicht vorgesehen. Nach den dargelegten Grundsätzen und den getroffenen Feststellungen können sie weder als ver- 12698 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 kehrsmäßig schwach aufgeschlossen noch als verkehrsungünstig in Randlage gelegen angesehen werden. Ich verkenne nicht, daß die wirtschaftliche Situation dieser Kreise nicht günstig ist. Es ist aber zu beachten, daß das Gesetz verkehrsstrukturelle Voraussetzungen vorschreibt. Im übrigen müßte das halbe Bundesgebiet begünstigt werden, wenn die genannten Kreise in die Steuerermäßigung einbezogen würden. Eine solche Ausweitung der Verordnungsermächtigung würde dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen und auf verfassungsmäßige Bedenken aus dem Gleichheitsgrundsatz stoßen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Funcke (Drucksache V/4097 Fragen 113 und 114) : Trifft es zu, daß der Vorsitzende der von der Bundesregierung berufenen Steuerreformkommission, Minister a. D. Eberhard, in der Steuerfachtagung Ende März in München bereits Andeutungen über vermutete Ergebnisse der Kommission gemacht hat, obwohl diese ihre Arbeit kaum begonnen hat? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die Objektivität und Unvoreingenommenheit der Kommission dadurch sicherzustellen, daß sie bei Berufung der Mitglieder die Vertraulichkeit der Beratungen bis zum endgültigen Abschluß zur Bedingung macht? Bei Eröffnung der ersten Sitzung der Steuerreformkommission hat der Bundesminister der Finanzen angeregt, die Beratungen in der Kommission vertraulich zu behandeln. Mir ist bekannt, daß die Kommission sich diese Auffassung zu eigen gemacht hat. Am 27. März 1969 hat der Vorsitzende der Kommission, Herr Dr. h. c. Rudolf Eberhard, Präsident der Bayerischen Staatsbank, auf der Münchner Steuerfachtagung einen Vortrag über Probleme der Steuerreform gehalten. Der Wortlaut der Rede liegt mir vor. Nach einem Rückblick auf frühere Reformpläne hat der Vorsitzende der Kommission allgemeine Zielvorstellungen erörtert und das Für und Wider einiger Überlegungen zur Gewerbesteuer, Grundsteuer, Erbschaftsteuer, Vermögensteuer, Körperschaftsteuer und Einkommensteuer angesprochen. Es handelt sich hierbei um Probleme, die seit langem in der Öffentlichkeit diskutiert werden und zum Beispiel in Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen oder im Gutachten der Finanzreformkommission behandelt werden. Die hierbei getroffene Auswahl bedeutet nach den Worten des Vortragenden nicht, daß die Reform bei den erörterten Problemen in jedem Falle ansetzen werde. Dr. h. c. Eberhard hat im Gegenteil ausdrücklich betont, daß die Arbeit der Kommission erst am Anfang stehe und sich daher noch nicht absehen lasse, welchen Sachproblemen die Kommission ihr besonderes Augenmerk widmen werde. Ich vermag hiernach dem Vortrag keine Andeutungen über mögliche Ergebnisse der Kommissionsberatungen zu entnehmen. Anderslautende Presseberichte geben die Ausführungen Dr. h. c. Eberhards nicht zutreffend wieder. Es besteht unter diesen Umständen keine Notwendigkeit, weitere Schritte zu unternehmen, um die für eine erfolgreiche Arbeit der Kommission unerläßliche Vertraulichkeit der Beratungen zu sichern. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramms (Drucksache V/4097 Frage 115) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung der Ermäßigung der Mineralölsteuer im öffentlichen Personennahverkehr (50 km) analog der Regelung der Mehrwertsteuer, um den Personenverkehr zu verbessern? Die Frage, ob überhaupt und gebenenfalls in welchem Umfang den Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs Erleichterungen bei der Mineralölsteuer gewährt werden können, wird zur Zeit in der Bundesregierung beraten. Eine Antwort in der Sache kann daher erst zu einem späteren Zeitpunkt gegeben werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Egon Franke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der FDP an die Bundesregierung zur Deutschlandpolitik und die Beantwortung dieser Großen Anfrage sind Anlaß der heutigen Debatte. Sicherlich stimmen wir alle in diesem Hohen Hause darin überein, daß die Sorge um den Zusammenhalt der Menschen in Ost und West nicht unberechtigt ist und daß es in der Tat aller nur denkbarer Anstrengungen bedarf, um diesen Zusammenhalt zu wahren und zu festigen und zu einem geregelten Nebeneinander und Miteinander zu kommen.
    Um Klarheit darüber zu schaffen, was von der Bundesrepublik aus bisher getan wurde, getan wird und getan werden kann, ist die Große Anfrage der FDP durchaus zu begrüßen; denn sie gibt Veranlassung, hier darüber in aller Öffentlichkeit und sehr deutlich zu sprechen. Diskussionen über die Deutschlandfrage sind unentbehrlich; ich glaube, hierüber besteht in diesem Hause Klarheit. Jedoch werden sie leider wohl noch über eine langen Zeitraum geführt werden müssen; denn all die Bemühungen in den zurückliegenden Jahren haben deutlich gemacht, wie schwierig es ist, zu Ergebnissen zu gelangen, die den Interessen der Menschen in beiden Teilen Deutschlands gerecht werden können.



    Franke (Hannover)

    Aber das politische Gespräch und auch die kontroverse Auseinandersetzung besonders zu diesem Thema sollten in ausgeprägt sachlicher Weise geführt werden, sonst schadet es Deutschland, und das Vertrauen der Welt in die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland sowie der Bundesregierung wird durch demagogische Bemerkungen erheblich eingeschränkt. Dieses Thema Deutschlandpolitik sollte in der Tat für niemanden Veranlassung sein, damit sein parteipolitisches Süppchen kochen zu wollen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Die deutsche Teilung ist viel zu schmerzlich, als daß sie zu einem solchen Instrument erniedrigt werden dürfte.
    Deutschland braucht zuverlässige Helfer und dazu Freunde in der Welt, und es braucht viele Freunde, viele Länder, es braucht alle Länder dieser Erde insoweit, als es darum geht, daß sie wenigstens verstehen, was wir wollen. Auch darüber sollte, glaube ich, hier Einigkeit bestehen, daß die besten Freunde nichts tun werden, wenn wir nicht selbst mit Bereitschaft, Initiative und Leistung für die Lösung der deutschen Frage wirken.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

    Die deutsche Frage ist und bleibt ein europäisches Problem. Angesichts der vielen Krisenherde in der Welt wachsen das Bedürfnis und ebenso die Erkenntnis, daß hier in Europa, wo zwei verheerende Weltkriege tiefe Wunden hinterlassen haben, wo die beiden zum Teil auf ideologischer, zum Teil auf militärisch-strategischer Basis begründeten Machtblöcke der Welt — für uns besonders sichtbar und fühlbar — unmittelbar miteinander konfrontiert sind. Hier wird besonders deutlich, daß eine umfassende Friedensordnung notwendig ist. Eine europäische Friedensordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren, muß für alle Völker Ausgleich, Entspannung und Sicherheit bringen. Sie kann jedoch nicht Wirklichkeit werden, wenn in ihrem Zentrum die deutsche Frage ungelöst und als permanenter Spannungsherd erhalten bleibt. Deutschlandpolitik ist undenkbar ohne eine konsequente Friedenspolitik, ohne eine Politik der Verminderung der ,Spannungen in Europa und zwischen den Bündnissen. Sie ist außerdem für die Bundesrepublik Deutschland undenkbar ohne innere Handlungsfähigkeit im Rahmen der Bündnispolitik.
    Wir Sozialdemokraten unterstreichen gern, daß diese Bundesregierung an den vorhandenen Tatsachen nicht vorbeischleichen will unid daß sie in ihrer Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 erstmals die DDR nannte, in ihren Gewaltverzicht einbezog und an dieser Politik unbeirrt festhält. Wir sind der Meinung, daß das ein guter Schritt ist, um der Wirklichkeit zu entsprechen. Für denjenigen, der den Frieden will, kann es keine Alternative zur Politik der Entspannung geben, und der muß jede Chance nutzen, ,die sich bietet, und muß auch die Lücken, die sich anbieten, erkennen, um sie füllen zu können. Die Schaffung einer europäischen Friedensordnung, die die deutsche Frage umschließen wind, erfordert Geduld und Zeit, aber vor allem
    einen unbeirrbaren festen Willen. Es wird schwierige und komplizierte Situationen geben; dies steht außer Zweifel. Aber das darf für verantwortungsbewußte Politiker kein Anlaß zum Resignieren oder gar zum Kapitulieren sein.
    Mir stellt sich die Frage: Kann man eine Politik, die Zielen zustrebt, die greifbare Ergebnise erreichen will, mit der Unterbreitung ,eines umfangreichen Vertragstextes beginnen, wenn die andere Seite, die zum Abschluß eines solchen Vertragswerks notwendig ist, bisher nicht einmal bereit ist, das 'angebotene bedingungslose Gespräch im politischen Bereich zu führen? Wir meinen als Sozialdemokraten, .daß wir von dieser Wirklichkeit ausgehen sollten, um von daher mühsam, Schritt für Schritt, voranzugehen, um ,das, was erreichbar ist, auch zu verwirklichen, mit der Absicht, recht viele Einzelfragen einer verträglichen und erträglichen Lösung entgegenzuführen.

    (damit, das große 'Gespräch mit den Menschen einzuleiten, um das ,es uns geht. Es geht doch darum, für die Menschen etwas zu tun, und nicht staatliche Ordnungen und Organisationen so oder so besonders zu sehen. Aber die Tore blieben zu. Nach der Wahl unseres Kollegen Dr. Dr. Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten hörten wir von der anderen Seite, die Verschärfung .der Sicherheitsbestimmungen sei ein notwendiges Mittel, die Erhöhung der Mauer sei notwendig, um die Menschen anderen Teil Deutschlands vor den zu erwartenden Schalmeienklängen aus der Bundesrepublik bewahren zu können. Das ist die Wirklichkeit, mit der wir konfrontiert sind, und von dieser Betrachtungsund Verhaltensweise aus müssen wir uns bewegen. Wir waren und sind der Meinung, daß, wenn in grundsätzlichen Fragen keine Übereinstimmung zu erzielen ist, wenigstens versucht werden muß, festzustellen, ob praktische Regelungen möglich erscheinen, die für die Menschen die Teilung erleichtern. Die Sozialdemokratische Partei hat ihre Vorschläge gemacht. Die SED ist ausgewichen. Gefesselt in ihrer Ideologie, gefesselt von Doktrinen, die sie lieben, die aber längst ihren Sinn und ihre Gültigkeit verloren haben — wenn sie sie je gehabt haben sollFranke ten —, konnten sich die Machthaber in der DDR damals, als es um diese • Begegnung ging, nicht zu einer souveränen Entscheidung durchringen, die sowohl im deutschen Interesse gelegen hätte wie dem Frieden der Welt gedient hätte und durch die niemand im Ostblock provoziert worden wäre. Viele Menschen in der DDR, auch in anderen Ländern des Ostblocks haben es damals sehr bedauert, daß die von uns vorgeschlagene Gesprächsrunde nicht stattgefunden hat. Wir Sozialdemokraten wissen, daß auch unterschiedliche Gesellschaftssysteme miteinander leben und bei gutem Willen und gesicherter Überzeugung für die Menschen nützlich zusammenarbeiten können. Die Bundesregierung hat in ihrer Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 deutlich gemacht, daß es darauf ankomme, zu entkrampfen und nicht zu erhärten, daß es darauf ankomme, Gräben zu überwinden und nicht zu vertiefen. Deshalb wollen wir die menschlichen, wirtschaftlichen und geistigen Beziehungen zu unseren Landsleuten im anderen Teil Deutschlands mit allen Kräften fördern. Wir wollen doch nicht teilen, wir wollen heilen. Das ist unsere Devise. Wir wollen nicht herrschen, sondern dienen, und das dem gemeinsamen Volke gegenüber. Das ist unser aller Verpflichtung, und darum gilt es, immer wieder neue Anstrengungen zu unternehmen, um dieser Aufgabe gerecht werden zu können. Dabei helfen Einzellösungen. Sie sind wichtiger )


    (Beifall bei der SPD.)




    Es scheint geradezu utopisch zu sein, nachdem alle Denkmodelle, von denen so oft die Rede ist, durchgespielt sind, zu glauben, daß es sinnvoll sei, erneut die Runden zu beginnen, die sich bereits als erfolglos erwiesen haben. Komplette Vertragstexte, Vorschläge, was zuerst geschehen müsse, bevor man überhaupt miteinander spricht, haben sich als nicht realisierbar erwiesen. Darum sollte man sich mehr dem sachlichen Bemühen in den Ebenen und in der Weise, wie ich es soeben aufgezeigt habe, zuwenden, um das, was zum Wohle der Menschen im gespaltenen Deutschland notwendig ist, möglich zu machen. An Vorschlägen fehlt es doch wirklich nicht. Es kommt nur darauf an, daß die andere Seite von sich aus auch bereit ist mitzumachen. Da gilt es allerdings, durch eine vernünftige und sinnvolle Politik
    auf beiden Seiten ein Klima zu schaffen, das auch die Bereitschaft zu sachlichen Lösungen ergibt.
    Meine verehrten Damen und Herren, ich sagte schon, daß es an Vorschlägen nicht fehlt. Helmut Schmidt, unser Fraktionsvorsitzender, hat z. B. in einer Rede vor dem Hamburger Übersee-Club im Februar 1967 eine Reihe von Anregungen gegeben. Das war damals eine Rede, die in der deutschen und in der Weltöffentlichkeit sehr große Beachtung fand. Das war das Bemühen, einen umfangreichen Katalog von realisierbaren Vorstellungen anzubieten. Wir Sozialdemokraten sind erfreut, feststellen zu können, daß auf 'der gleichen Linie dieser Vorschläge sich die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung vom 12. Aprilbewegte, abs sie in ihrem 16 Punkte umfassenden Katalog ein ähnliches Angebot in offizieller Form unterbreitete, was praktisch getan werden könne, um die Not, die aus der Spaltung unseres Volkes entstanden ist, zu erleichtern.
    Mit besonderem Nachdruck möchte ich an dieser Stelle vermerken, daß der Bundeskanzler am 13. Juni 1967 an den Vorsitzenden des Ministerrates Stoph einen Brief gerichtet hat, in dem vorgeschlagen wird, von beiden Seiten zu bestimmende Beauftragte zu benennen, die ohne politische Vorbedingungen Gespräche über praktische Fragen des Zusammenlebens der Deutschen aufnehmen sollten. Es ist mit ein Ergebnis der Großen Koalition, daß es zu einer offensiven Deutschlandpolitik kommen konnte, daß dieses Angebot aus einer Übereinstimmung in der Erkenntnis unterbreitet werden konnte, daß man über diesen sachlichen Weg ohne große Vorbedingungen zunächst einmal ins Gespräch kommen sollte. Wir sollten erfreut darüber sein, daß von dieser Seite aus nicht nur das Angebot im Prinzip gemacht wurde, sondern daß es auch durch die Nennung des Staatssekretärs konkretisiert wurde, der diese Verhandlungen führen sollte.
    In einem Brief vom 28. September 1967 hat der Bundeskanzler diese Vorschläge noch einmal umrissen und erklärt, daß der für 'diese Gespräche vorgesehene Staatssekretär des Bundeskanzleramtes jederzeit in Bonn oder Berlin, wo es erwünscht sein sollte, zur Verfügung stehen würde. Von diesem Angebot ist bis heute keinerlei Gebrauch gemacht worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie will man denn überhaupt ins Gespräch kommen mit dem Ziel, einen Vertrag zum Abschluß zu bringen, wenn nicht einmal die erste Begegnung von möglichen Verhandlungspartnern zustande kommt, von der aus das erforderliche Gespräch eingeleitet werden könnte?
    Dieser Vorschlag, Beauftragte zu benennen, wurde vor einem Jahr in der Debatte über die Lage der Nation weitergeführt, als ,der Austausch von Generalbevollmächtigten vorgeschlagen wurde. Sie werden sich daran erinnern, daß es dabei darum ging, zu versuchen, zu umreißen, welchen protokollarischen Grad — oder wie immer man es nennen mag — dieser Beauftragte haben sollte. Da gab es die nette Formulierung, daß ein solcher Generalbevollmächtigter weniger Gewicht und Bedeutung haben solle als etwa der Botschafter der Republik Österreich, aber mehr abs der Bevollmächtigte des Freistaates



    Franke (Hannover)

    Bayern beim Bund. Man wollte — das war der Gedanke dieses Vorschlages — dem besonderen Anliegen durch einen Generalbevollmächtigten Rechnung tragen, der auch handlungsfähig sein sollte. Wir Sozialdemokraten machen heute diesen Vorschlag erneut und bitten über einen Debattebeitrag in diesem Hohen Hause darum, ihn auf höchster Ebene weiterzuverfolgen.
    Ein weiteres Beispiel aus der Praxis: Das Bemühen darum, auch die Interessen auf der anderen Seite zu erfassen und durch entsprechende Bereitschaft zu erkennen zu geben, daß wir bemüht sind, Gemeinsamkeiten anzustreben. Walter Ulbricht hat in seiner dem Kenner der Wirklichkeit bekannten Bitterfelder Rede vom 28. April 1964 den für die dortigen Verhältnisse geradezu sensationellen Vorschlag unterbreitet, 'einige westdeutsche Zeitungen — wie etwa die „Zeit" oder die „Süddeutsche Zeitung" — zum Verkauf auszulegen, wenn die Garantie dafür gegeben sei, daß bei uns in der Bundesrepublik das „Neue Deutschland" in gleichem Maße öffentlich verkauft weren könnte. Nun, dieser Vorschlag war nicht in Vergessenheit geraten. Sie werden sich daran erinnern, daß wir vor Jahresfrist im Mai 1968 gemeinsam in diesem Hohen Hause unter Zustimmung aller Fraktionen die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen haben, daß der Bezug von Zeitungen aus der DDR und vor allem der Verkauf des „Neuen Deutschland" an allen Kiosken der Bundesrepublik möglich wurde. Walter Ulbricht hat sich nicht an seine Offerte gehalten, sondern hat diese geschaffene Möglichkeit durch ein Nein beantwortet.
    Er hat noch ein übriges getan. Er hat nicht einmal zu erkennen gegeben, daß er bereit sei, die Zahl der gegebenenfalls notwendigen Exemplare des „Neuen Deutschland" zu erhöhen, und er hat auch nicht zugelassen, daß die „Süddeutsche Zeitung", „Die Zeit" oder irgendein anderes Presseorgan aus der Bundesrepublik Deutschland in der DDR verkauft werden kann. Mehr noch: er hat sich auch geweigert, das „Neue Deutschland" in einer solchen Zahl anzubieten, daß jeder hier im Lande, der diese Zeitung lesen möchte, sie auch kaufen könnte.
    Wir haben nichts zu fürchten. Wir wissen, daß in unserem Lande die Bürger zu diesem Problem eine ganz besondere und spezifische Auffassung haben und daß auch die Freiheit in der Information nützlich sein kann und sogar deutlich machen kann, daß wir eine demokratische Staatsordnung haben, in der dem Informationsbedürfnis des Staatsbürgers vollauf Rechnung getragen wird.
    Ich glaube, es ist der Beweis erbracht, daß mit dieser Entscheidung kein Unheil angerichtet wurde. Ich darf mit Freude feststellen, daß nach der ersten Probezeit, die als Kompromiß leider zunächst nur zu erreichen war, nunmehr wiederum durch einstimmigen Beschluß dieses Hohen Hauses der Zeitungsbezug aus der DDR um weitere zwei Jahre verlängert wurde. Damit ist deutlich gemacht, daß man nicht nur einer unbegrenzten freien Entfaltung grünes Licht geben will, sondern daß man auch beobachten möchte, ob es nicht gediegenere Wege gibt, um das Ziel des Zeitungsaustauschs erreichen zu können.
    Wir fragen uns nur: warum hat Ulbricht die Möglichkeiten, die sich bieten, nicht genutzt, um seine Zeitungen hier zum Verkauf anzubieten? Wahrscheinlich aus der Erkenntnis, daß durch den geringen Abruf dieser Zeitung gleichzeitig auch eine politische Ablehnung des politischen Systems deutlich wird, das er zu vertreten hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Unsere Entscheidung, die Zeitungen aus dem anderen Teil Deutschlands hier erwerben zu können, ist eine einseitige Maßnahme. Wir haben keine Gegenleistungen erwarten können und auch keine Gegenleistungen bekommen. Ich meine, es war eine gute politische Entscheidung, die dargetan hat, um was es uns geht. Es ist nicht der Fakt eingetreten — wie es in der gängigen Sprache heißt —, daß hier eine kommunistische Propaganda besonderer Art möglich wäre. Wir sind in guter Position. Die Bundesregierung hat eine Vielzahl von Angeboten unterbreitet. Die andere Seite hat nur ein Nein gehabt. Wir Sozialdemokraten sagen und meinen, daß alle Angebote von Verhandlungen Formen der Zusammenarbeit bringen sollen, die im beiderseitigen Interesse liegen. Wir Sozialdemokraten sind für ein beharrliches Fortsetzen und für Beständigkeit im Bemühen um ein geregeltes Nebeneinander. Andere Auffassungen scheinen uns der Verpflichtung nicht gerecht zu werden, vor Schwierigkeiten nicht zu kapitulieren. Wir müssen vielmehr unermüdlich bestrebt sein, das Leben in beiden Teilen Deutschlands zu erleichtern. Der Zeitpunkt ist mehr als überfällig, an dem Verantwortliche auf der anderen Seite den Beweis erbringen müssen, daß sie zu ihrem Teil dazu beitragen, die Spannungen nicht zu vermehren, sondern zu mindern. Wir warten auf eine solche Handlung und meinen, daß es Möglichkeiten der Gemeinsamkeit geben kann.
    Wir sind aber auch der Überzeugung, daß die Spaltung Deutschlands nicht durch Untätigkeit und nicht durch Deklamationen überwunden werden kann. Die deutsche Spaltung ist zu schmerzlich und zu gefährlich, als daß in dieser Frage eine Aufsplitterung der politischen Kräfte erträglich wäre. Wir würden es als Sozialdemokraten sehr begrüßen, wenn die Deutschlandpolitik in gemeinsamen Erörterungen zwischen der Bundesregierung und allen im Bundestag vertretenen Parteien, also einschließlich der Opposition, sooft es nur geht, behandelt würde.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der FDP.)

    Herr Bundeskanzler, wir Sozialdemokraten wissen die Gemeinsamkeit aller in diesem Hohen Hause in dieser Frage Verantwortlichen besonders zu schätzen. In jener Zeit, in der wir uns in der Opposition befanden, haben wir lange gedrängt, um diese Gemeinsamkeit erringen zu können. Sie wurde schließlich in einem gewissen Ausmaß erreicht.
    Unsere Meinung über das, was zur Deutschlandpolitik sinnvoll und notwendig sein könnte, die wir in der Zeit der Opposition für richtig gehalten



    Franke (Hannover)

    4 haben, halten wir auch jetzt, in der Zeit der Regierungsbeteiligung, für richtig und meinen, daß Gespräche über die Deutschlandpolitik im internen Kreis unter Hinzuziehung aller Fraktionen dieses Hauses geführt werden sollten.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP.)

    Bei dieser Gelegenheit ein Wort zu einer Frage, die bei uns in einem gewissen Schwebezustand gehalten wird. Ich möchte einiges zu den sportlichen Begegnungen sagen. Sehen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, sosehr es beim Sport um Leistungen einzelner und auch von Mannschaften geht, die sich zusammengefunden haben, só sehr hat doch der landsmannschaftliche Prestigegedanke Eingang in den Sport gefunden. Wir wissen, daß ein großer Teil der Sportler darüber selbst nicht glücklich ist, daß er sportliche Kameradschaft über den Grenzen höher schätzt als nationale Symbolik. Nur knapp hat in Mexiko ein Antrag sein Ziel verfehlt, bei sportlichen Veranstaltungen auf das Abspielen von Nationalhymnen ganz zu verzichten. Bei dieser Sachlage haben die Sportler selbst die Formen gefunden, mit denen sie einem offenbar vorhandenen Bedürfnis Rechnung tragen. Nirgendwo in der Welt wird diesen Formen diplomatische Bedeutung zugemessen, nirgendwo außer bei uns.
    Aber wenn die DDR-Regierung versucht, sportlichen Wettkampf zu politischen Aussagen hochzuputschen, müssen wir es dann gleichtun? Warum können und sollen wir nicht die Sportler in den Formen zusammenkommen lassen, die sie selbst geschaffen haben?

    (Abg. Dr. Barzel: Gegen wen reden Sie?)

    — Ganz allgemein. Ich komme noch auf ein praktisches Beispiel und auch auf das, was sich im Schwebezustand befindet. — Warum müssen wir denn das Spiel mitspielen, das sportlichen Wettkampf in politische Bedeutung ummünzen will?
    Und reden wir nicht mit zwei Zungen, wenn wir sagen: „Jawohl, 1972 in München dürft ihr die Becher-Hymne spielen, aber 1969 in Mainz holen wir euch die Fahne vom Mast"? Da gibt es doch noch etwas zu tun, um den Sport sich in sportlicher Weise begegnen zu lassen und daraus nicht ein Politikum übergewichtiger Art werden zu lassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP.)

    Dabei wissen wir, wie sehr solche Begegnungen mißbraucht werden können, aber doch nur dann, wenn man zu erkennen gibt, daß man durch solche Verhaltensweisen gereizt wird.
    Wir sollten uns stark genug erweisen. Wir können nicht mit zwei Zungen reden; denn wir haben eine gute Sache zu vertreten. Der Sport kann helfen, das Zusammenleben der Menschen aus der Bundesrepublik und der DDR zu erleichtern. Dieses Näherkommen der Sportler liegt, meine ich, doch wohl im beiderseitigen Interesse. Es sollte nicht kleinlich behindert oder durch Verhaltensweisen erschwert werden, die in einer längst überholten Zeit für richtig gehalten wurden. Es sollte uns in der Bundesrepublik nicht erschüttern, so meine ich,
    wenn Teilnehmer an sportlichen Veranstaltungen meinen, Fahnen zeigen oder Melodien vortragen zu sollen, die nicht die unseren sind. Ich weiß, wie schwierig es ist, dabei die Formel für alle Bereiche zu finden, und doch meine ich, sollte man sich darüber verständigen können. Sorgen wir doch dafür, daß Begegnungen zwischen Sportlern beider Teile Deutschlands zur Selbstverständlichkeit werden, denn das scheint mir ein guter Beitrag zu einem geregelten nicht nur Nebeneinander, sondern auch Miteinander zu sein. Sowenig die Zeitungen aus der DDR Unheil anrichten, sowenig kann es die fair ausgetragene sportliche Begegnung.

    (Beifall bei der SPD und der FDP.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschlandpolitik kann nicht debattiert werden ohne ein Wort zu Berlin. Die Bevölkerung West-Berlins hat mehr als einmal ihren Willen bekundet, unter dem Schutz alliierter Sicherheitsgarantien in enger Beziehung zur Bundesrepublik Deutschland zu bleiben. Wenn so oft von Realitäten die Rede ist: dies ist eine Realität, und dieser Realität ist Rechnung zu tragen. Die Sicherheitsgarantien der drei Schutzmächte für die Stadt müssen erhalten bleiben. Ebenso muß die Zugehörigkeit West-Berlins zum Wirtschafts-, Rechts- und Finanzsystem des Bundes erhalten bleiben. Die Bundesrepublik hat ihrer besonderen Verantwortlichkeit für die Lebensfähigkeit Berlins durch die Tat Nachdruck verliehen. Das muß so bleiben und sollte in jeder Situation so ausgebaut werden, daß das Erforderliche erreicht wird.
    In der Verfassung der DDR wird Berlin als die Hauptstadt der DDR bezeichnet. Soweit es sich um Ostberlin handelt, steht diese Feststellung nicht in Einklang mit den übernationalen Verträgen. Was West-Berlin angeht, so ist diese Behauptung nie wahr gewesen und wird es niemals werden. Wir setzen dem Gedanken, ganz Berlin für einen Teil Deutschlands zu reklamieren, die Zielsetzung entgegen: West-Berlin muß die Möglichkeit bekommen, zur Verbesserung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der beiden Teile Deutschlands beizutragen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade in dieser Zeit, da der Versuch unternommen wird, uns gegeneinander auszuspielen, und da auch von einigen der Versuch unternommen wird, das Thema der Deutschlandpolitik zum Wahlkampfthema werden zu lassen, scheint es mir wichtig zu sein, daß in aller Deutlichkeit die Positionen der einzelnen Parteien zu diesem Thema umrissen werden. Daher erlaube ich mir, zusammenfassend die Grundauffassungen der Sozialdemokratischen Partei zur Deutschlandpolitik hier darzutun.
    Erstens. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands lebt und wirkt im ganzen deutschen Volk. Sie steht zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. In seinem Sinne erstrebt sie die Einheit Deutschlands in gesicherter Freiheit. Die Spaltung Deutschlands bedroht den Frieden; ihre Überwindung ist für das deutsche Volk lebensnotwendig. Erst in einem wiedervereinigten Deutschland wird das ganze Volk in freier Selbstbestimmung Inhalt



    Franke (Hannover)

    und Form von Staat und Gesellschaft gestalten können.
    Zweitens. Das letzte Wort über eine gemeinsame Zukunft der Deutschen können nur alle Deutschen in freier Selbstbestimmung sprechen. Bis dahin ist es die Aufgabe der frei gewählten Bundesregierung, sich stets von den Interessen der gesamten Nation leiten zu lassen und sich so zu verhalten, daß ihre Politik möglichst bei allen Deutschen in beiden Teilen des Landes Verständnis und Zustimmung findet. Dies hat nichts zu tun mit Bevormundung der Menschen im anderen Teil Deutschlands.
    Drittens. Unser nationales Interesse erlaubt es nicht, zwischen dem Westen und dem Osten zu stehen. Unser 'Land braucht die Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Westen und die Verständigung mit dem Osten. Die Bundesrepublik braucht eine konsequente Politik zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs zwischen den Bündnissen von West und Ost, um zu einer dauerhaften Friedensordnung in Europa zu kommen. Auf der Grundlage der Regierungserklärung vom Dezember 1966 hat die Bundesregierung begonnen, konstruktive Vorschläge zur Verständigung mit der UdSSR, mit den Ländern Osteuropas und mit dem anderen Teil Deutschlands, der DDR, zum Gegenstand von Verhandlungen zu machen. Diese Politik muß konsequent weiterentwickelt werden.
    Viertens. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands setzt sich in Bundesregierung und Bundestag dafür ein, daß
    a) Bundesregierung und Ministerrat der DDR sich über ein gemeinsam zu entwerfendes und gemeinsam zu verwirklichendes Programm verständigen, das die Bürde der andauernden Spaltung Deutschlands für die Menschen vermindert und beide Seiten zu einem geregelten Modus vivendi befähigt;
    b) die besondere Viermächte-Verantwortung für Berlin bis zu einer friedensvertraglichen Regelung für Deutschland respektiert wird und einseitige Änderungen am Status von Berlin oder am ungehinderten Zugang von und nach Berlin für den Personen- und Güterverkehr nicht vorgenommen werden;
    c) West-Berlin die Möglichkeit bekommt, zur Verbesserung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der beiden Teile 'Deutschlands beitragen zu können;
    d) in aller Form klarzustellen ist: die Bundesregierung bietet dem Ministerrat der DDR an, Verhandlungen ohne jegliche Diskriminierung auf der Ebene der Regierungen zu führen; diese Verhandlungen sollen zu den Formen der Zusammenarbeit führen, die im beiderseitigen Interesse liegen;
    e) durch verbindliche Abkommen über Gewaltverzicht und Verzicht bis zu den endgültigen friedensvertraglichen Regelungen die territoriale Integrität und die Unverletzlichkeit der Demarkationslinien in Deutschland und der Grenzen im Osten gewährleistet wird;
    f) das unter Androhung von Gewalt zustande gekommene Münchener Abkommen, das von Anfang an ungerecht war und ungültig ist, ausgelöscht wird durch vertragliche Regelungen, die ein für allemal jede auf die Zerstörung des tschechoslowakischen Staatsverbandes gerichtete Politik unmöglich machen. Dabei wird es auch darum gehen, in Erfüllung der Obhutspflicht gegenüber den Vertriebenen dafür zu sorgen, daß den von den Folgen des Münchener Abkommens und der Nachkriegszeit betroffenen Menschen keine weiteren Nachteile entstehen.
    Fünftens. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bringt in Erinnerung, daß sie im Jahre 1966 auf ihrem ordentlichen Parteitag einstimmig beschlossen hat: „Der Parteitag begrüßt die durch den Vorstand eingeleitete offene Auseinandersetzung mit der kommunistischen SED und erklärt sich einverstanden mit den offenen Antworten vom 18. März und 15. April 1966. Der Parteitag fordert den Vorstand auf, seine Bemühungen fortzusetzen, um vor den Menschen in ganz Deutschland den Austausch von Argumenten über die Kernfragen der deutschen Politik in Gang zu bringen und den Menschen im gespaltenen Deutschland das Leben leichter zu machen."
    Sechstens. In den seit diesem Beschluß vergangenen Jahren haben sowohl der Parteivorstand durch seinen Brief an die Delegierten des Parteitages der SED im April 1967 als auch die Vertreter der SPD in Bundestag und Bundesregierung, im Abgeordnetenhaus und Senat von Berlin fortgesetzt konstruktive Vorschläge im Sinne der sozialdemokratischen Auffassungen, wie sie im Jahre 1966 beschlossen wurden, gemacht.
    Die Führung der SED und die Organe der DDR sind diesen Vorschlägen ausgewichen, so wie die SED-Führung im Sommer 1966 dem schon vereinbart gewesenen Redneraustausch ausgewichen ist; sie haben sich auf die Polemik beschränkt, während sie gleichzeitig in Deutschland und im Ausland behauptet haben, es seien die Sozialdemokraten und die Organe der Bundesrepublik, die einer Verständigung über Minderung der Spannungen entgegenstünden. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands konstatiert ausdrücklich die Verantwortlichkeit der Führungsorgane der SED und der DDR am bisherigen Ausbleiben konkreter Verhandlungen über die Verständigung, die zur Minderung der Spannungen im gespaltenen Deutschland führen könnten.
    Die DDR ist für uns kein Ausland. Die Deutschen im anderen Teil unseres Landes sind für uns kein anderes Volk. Es wäre aber wirklichkeitsfremd, die staatliche Existenz des anderen Teils Deutschlands leugnen oder nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Andererseits ist angesichts der Tatsache, daß die Führungsorgane von SED und DDR noch nicht einmal gewillt sind, in sachliche Verhandlungen über die Normalisierung der Verhältnisse in Deutschland einzutreten, die Anerkennungsforderung der Regierung der DDR kein konstruktiver Beitrag zu geregelten innerdeutschen Beziehungen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)






Rede von Dr. Karl Mommer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich möchte das Haus informieren, daß es bei der Abmachung bleibt, unsere Beratungen nicht durch eine Mittagspause zu unterbrechen. Ich habe optimistische Stimmen gehört, die meinten, wir könnten bis 14 Uhr das Ende dieser Beratungen erreichen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Scheel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Scheel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich mit dem auseinanderzusetzen, was die Kollegen von den Regierungsparteien zu unserer Anfrage als Parteimeinungen vorgetragen haben, und mit dem, was der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen für die Regierung gesagt hat. Vielleicht erlauben Sie mir zunächst ein paar allgemeine Bemerkungen.
    Ich beginne mit einem Zitat aus einer Studie der führenden Koalitionspartei, der CDU/CSU, zu Fragen der Deutschlandpolitik. Dort heißt es:
    Die CDU/CSU hält an ihrer Auffassung fest, daß der einzige Weg, um die deutsche Frage zu lösen, über eine Koordinierung der Außen-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik im europäischen Rahmen führt.
    Ich unterstreiche diese Feststellung in vollem Umfang und möchte an den Anfang die Bemerkung setzen, daß in unserer heutigen Debatte nach ihrer Anlage die Sicherheits- und die Außenpolitik kürzer kommen werden, als es das Thema verdient. Aber vielleicht wird das im Laufe der Debatte doch noch wieder in den Vordergrund treten. Nur möchte ich festhalten: es ist ein internationales Problem, in dessen Rahmen wir allein unsere nationale Frage, die vordringlich ist, lösen können. Die früher einmal vielleicht mit Recht vertretene Auffassung „erst Deutschland, dann Europa" ist durch die historischen Ereignisse überholt. Die deutsche Frage kann nur im europäischen und im weltpolitischen Rahmen gelöst werden.