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    Deutscher Bundestag 229. Sitzung Bonn, den 25. April 1969 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 12623 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 12623 A Amtliche Mitteilungen 12623 B Fragestunde (Drucksache V/4097) Fragen des Abg. Genscher: Ernennung eines neuen Mitglieds des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 12624 A, B, C, D, 12625 A, B Genscher (FDP) . . . 12624 C, D, 12625 A Spitzmüller (FDP) 12625 B Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Erhöhung der Zündwarenpreise Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . .12625 C, D Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . .12625 C, D Fragen des Abg. Dr. Pohle: Gründung einer europäischen Universität auf deutschem Boden — Verstärkung der Hochschulausbildung Brandt, Bundesminister . . . .12626 A, C Dr. Pohle (CDU/CSU) 12626 A, C Fragen des Abg. Lenders: Vorgänge bei einer Veranstaltung des griechischen Generalkonsulats in Düsseldorf 12626 C Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Lektoren des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an den französischen Universitäten Brandt, Bundesminister 12626 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Bemerkungen des Präsidenten Nasser betr. aus Deutschland stammende Flugblätter Brandt, Bundesminister . . . .12627 B, C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 12627 C Fragen des Abg. Prochazka: Vertiefung der Kontakte zu den Ostblockländern — Politik der Sowjetunion in den Fragen der Anerkennung der ,,DDR" Brandt, Bundesminister . 12627 D, 12628 D, 12629 A, B, C Prochazka (CDU/CSU) . . . 12628 D, 12629 A von Hassel, Präsident 12629 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 12629 B II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 Fragen des Abg. Baier: Dokumentation des Schicksals der deutschen Kriegsgefangenen des zweiten Weltkrieges Brandt, Bundesminister . . . . . 12629 C, 12630 B, C, D Baier (CDU/CSU) .. . . . . .12630 A, B Dr. Czaja (CDU/CSU) . . . . .12630 C, D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 12630 D Fragen des Abg. Dr. Rinderspacher: Geschäfte sogenannter Arbeitsvermittler mit „Leihkräften" Kattenstroth, Staatssekretär . . 12631 A, B, 12632 A, B, C Dr. Rinderspacher (SPD) . 12631 D, 12632 A Dr. Schwörer (CDU/CSU) . . . 12632 B von Hassel, Präsident 12632 C Fragen des Abg. Cramer: Bewertung der Verfolgungszeiten in der Angestelltenversicherung Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12632 C 12633 A, B Cramer (SPD) 12633 A, B Fragen des Abg. Hirsch: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung . . . 12633 B Fragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Dauer von Sozialgerichtsprozessen Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12633 C 12634 A, B, C Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 12634 A Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 12634 A Frage des Abg. Zebisch: Ärztliche Versorgung der Versicherten in strukturschwachen Regionen Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12634 C, 12635 A, B, C Zebisch (SPD) 12635 A, B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . 12635 B, C Frage des Abg. Dröscher: Vorgezogenes Altersruhegeld von arbeitslosen Arbeitern Kattenstroth, Staatssekretär . . . 12635 D, 12636 A, B Dröscher (SPD) 12636 A von Hassel, Präsident 12636 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr Deutschlandpolitik (Drucksachen V/3769, V/4101) in Verbindung mit Antrag der Fraktion der FDP betr. Deutschlandpolitik (Drucksache V/3866) Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) • . 12636 C Wehner, Bundesminister . 12639 A, 12681 B Dr. Mommer, Vizepräsident 12645 A, 12654 A, 12685 B, 12689 D, 12691 A Baron von Wrangel (CDU/CSU) . . 12645 A Franke (Hannover) (SPD) . . . 12648 D Scheel (FDP) 12654 A Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler 12663 A Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 12666 D Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 12671 B Mischnick (FDP) 12677 B Neumann (Berlin) (SPD) 12683' D Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 12685 C Genscher (FDP) 12688 D Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 96) (Drucksache V/4085) — Erste Beratung — . . . 12690 A Entwurf eines Gesetzes zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen (Drucksache V/4086) — Erste Beratung — 12690 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (Drucksachen V/3960, zu V/3960) ; Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache V/4127) — Zweite und dritte Beratung — 12690 B Sänger (SPD) 12690 B Entwurf eines Eingliederungsgesetzes für Soldaten auf Zeit (Drucksache V/4113) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 12691 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 5/68 — Zollaussetzungen und Zollkontingente für Lachse usw.) (Drucksachen V/4001, V/4128) . . . 12691 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache V/4126) — Erste Beratung — 12691 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 III Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bilanzpublizistik (Abg. van Delden, Burgemeister, Dr. Giulini, Rawe u. Gen.) (Drucksache V/3771) — Erste Beratung — 12691 C Nächste Sitzung 12691 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 12693 A Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abg. Prochazka (CDU/CSU) zu Punkt 46 der Tagesordnung 12693 D Anlage 3 Schriftliche Erklärung der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) zu Punkt 25 der Tagesordnung 12696 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Geldner betr. Einfuhr von Trinkbranntwein aus EWG-Mitgliedstaaten 12697 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Peiter betr. Beförderungsteuer für die Landkreise Loreley, Unterlahn und Oberwesterwald . . . . 12697 C Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen der Abg. Frau Funcke betr. Vertraulichkeit der Beratungen der Steuerreformkommission . . . . . . 12698 A Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Ramms betr. Ermäßigung der Mineralölsteuer im öffentlichen Personennahverkehr 12698 C Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12623 229. Sitzung Bonn, den 25. April 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 8.00 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 227. Sitzung, Seite 12576 A, Zeile 24 statt „unverständlicherweise" : „verständlicherweise" Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12693 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Urlaubsanträge Dr. Abelein 25. 4. Dr. Aigner * 25. 4. Adams 25. 4. Frau Albertz 1. 5. Dr. Apel * 25. 4. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 26. 4. Bading * 25. 4. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 15. 5. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 25. 4. Behrendt * 25. 4. Berberich 9. 5. Bergmann * 25. 4. Frau Blohm 25. 4. Dr. Brenck 26. 4. Brück (Holz) ** 27. 4. Corterier * 25.4. Damm 25. 4. Dichgans * 25. 4. Dr. Dittrich * 25. 4. Draeger * 25. 4. Frau Dr. Elsner * 25. 4. Dr. Erhard 4. 5. Dr. Even 10. 5. Fellermaier 29.4. Flämig ** 26. 4. Dr. Franz 31. 5. Frau Funcke 25.4. Geiger 25. 4. Gerlach * 25. 4. Dr. Gleissner 25. 4. Graaff 25. 4. Dr. h. c. Güde 25. 4. Haage (München) 25. 4. Dr. Haas 25. 4. Haase (Kassel) 25. 4. Hahn (Bielefeld) * 25. 4. Hamacher 25. 4. Hellenbrock 31. 7. Frau Dr. Heuser 25. 4. Höhmann (Hessisch Lichtenau) 25. 4. Hörauf 25. 4. Hörmann (Freiburg) 25. 4. Frau Dr. Hubert 25. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) 15. 6. Jahn (Marburg) 25. 4. Junker 25. 4. Frau Kalinke 25. 4. Kahn-Ackermann 29. 4. Dr. Kliesing (Honnef) ** 27. 4. Klinker * 25. 4. Dr. Koch 25. 4. Kohlberger 25.4. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Kunze 30. 4. Lautenschlager * 25. 4. Lenze (Attendorn) 29. 4. Frau Dr. Maxsein ** 26. 4. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 25. 4. Mertes 25. 4. Metzger * 25. 4. Michels 25. 4. Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller 25. 4. Müller (Aachen-Land) * 25. 4. Neemann 25. 4. Peters (Norden) 3. 5. Picard 10. 5. Ramms 29. 4. Rasner 25. 4. Richter ** 26.4. Riedel (Frankfurt) * 25. 4. Rollmann 25.4. Dr. Rutschke ** 27. 4. Schmitt-Vockenhausen 25. 4. Schulhoff 25.4. Dr. Schulz (Berlin) 10.5. Dr. Schulze-Vorberg 25.4. Séibert 25. 4. Dr. Starke (Franken) * 25. 4. Steinhoff 30. 4. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell 25. 4. Weiland 29. 4. Welke 25. 4. Frau Wessel 25. 4. Dr. Wilhelmi 31. 5. Dr. Wörner 25. 4. Wuwer 25. 4. b) Urlaubsanträge Bals 2. 5. Burger 2. 5. Brück (Köln) 29.5. Glombig 2. 5. Maucher 2.5. Mick 2. 5. Riegel (Göppingen) 2. 5. Schmidt (Kempten) 2. 5. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Prochazka (CDU/CSU) zu Punkt 46 der Tagesordnung. Auf der Konferenz der kommunistischen Parteien Europas erklärte Walter Ulbricht in Karlsbad: Es gehört zu den geschichtlichen Aufgaben der Deutschen Demokratischen Republik, dazu beizutragen, daß auch die Bevölkerung Westdeutschlands den Weg heraus aus dem imperialistischen Lager findet. Erst wenn das erreicht ist, kann die Vereinigung der beiden deutschen Staaten aktuell werden. 12694 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 Und Professor Albert Norden folgerte: Da nur der Sozialismus dem deutschen Volk die sichere soziale, politische und nationale Zukunft gewährt, da nur der Sozialismus die Antwort auf die Probleme jedes werktätigen Menschen weiß, kann nur er die Zukunftslösung auch für Westdeutschland sein. Wir können diesen Prozeß dadurch beschleunigen, daß wir erstens unsere Republik in allen Bereichen unüberwindlich stark und unangreifbar machen; dadurch, daß wir zweitens den millionenfachen Dialog mit den westdeutschen Werktätigen so führen, daß sie vom Wunsch nach demokratischer Ordnung, nach radikaler Änderung der reaktionären westdeutschen Verhältnisse erfüllt werden. Bei der Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung der DDR geht es nicht darum, ob wir die Teilung Deutschlands zur Kenntnis nehmen, sondern darum, ob wir die Zone als selbständigen deutschen Staat anerkennen und legitimieren sollen. Daß es den Teil Deutschlands, der sich DDR nennt, gibt, steht außer Zweifel, jedoch ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob wir diesem Faktum staats- und völkerrechtliche Legitimität zuerkennen dürfen. Das natürliche und selbstverständliche Verlangen unserer Nation nach Zusammenleben muß sich nicht unbedingt in einem nationalen Einheitsstaat, sondern kann sich in einer Zeit, in der das nationalstaatliche Denken zurücktritt, auch in anderen, aus freier politischer Selbstbestimmung entwickelten Strukturen verwirklichen. Dabei bleiben die Prinzipien der politischen Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Selbstbestimmung für die Gestaltung unseres Verhältnisses zur Zone in jeder Weise maßgebend. Die Zone ist weder durch die Zustimmung ihrer Bürger zustande gekommen, noch hat sie diese Zustimmung nachträglich erhalten. Das verbietet eine eindeutige Legitimierung des Regimes im anderen Teil Deutschlands. Eine Anerkennung der Zone in dieser Situation würde auch für andere Prinzipien als die der politischen Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung für den Weg unseres ganzen Volkes in die Zukunft bestimmend sein. Das gilt um so mehr, als die Menschen im anderen Teil Deutschlands gegenwärtig in der Wiedervereinigung einen Weg zu Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung sehen können. Für Deutsche, die über das Gut freier politischer Entscheidungsmöglichkeiten verfügen, ist angesichts unserer totalitären Vergangenheit die Legitimation des deutschen Unrechtsstaates moralisch und rechtlich unmöglich. Ungeachtet der bestehenden prinzipiellen Gegensätze ist es die ständige Aufgabe aller in Deutschland lebenden und politisch handelnden Menschen, das zu ermöglichen, was praktisch getan werden kann, um die Not der Spaltung unseres Volkes zu erleichtern und dadurch einen Beitrag zur Entspannung innerhalb Deutschlands zu leisten. Abgesehen von diesen moralischen Argumenten gegen die völkerrechtliche Aufwertung einer Diktatur gibt es auch gewichtige rechtliche Gründe. 1 Sowjetrußland, das gegen die Bundesrepublik gern unter Berufung auf die Konferenzen von Jalta und Potsdam agiert, verletzt die völkerrechtliche Vereinbarung von 1945, wenn es um die Zone geht. Es ist nicht einzusehen, welcher Nutzen daraus entstehen sollte, die rechtliche Einheit Deutschlands in den Grenzen von 1937 deutscherseits aufzugeben, obgleich sie die Siegermächte des zweiten Weltkrieges noch — wenigstens teilweise — beachten. Wer die Anerkennung der sogenannten DDR befürwortet, schwört logischerweise damit einer Wiedervereinigung in Freiheit ab und unterstützt die dauernde Teilung Deutschlands. Er sollte dann auch den Mut haben, sich offen dazu zu bekennen. Es ist Augenauswischerei, den Anschein zu erwecken, als könnte man durch die Anerkennung Pankows einer Wiedervereinigung näherkommen. Nicht zuletzt ist den Befürwortern eines zweiten deutschen Staates die Frage vorzulegen, ob sie bereit sind, die von Ulbricht als unabdingbaren Bestandteil der Anerkennung verlangte Aufopferung West-Berlins zu verantworten. Wer die Zone anerkennen will, kommt nicht umhin, ihren Anspruch auf West-Berlin zu unterstützen. Er muß darüber hinaus auch den Mut haben, das Grundgesetz für sich als unverbindlich zu betrachten; denn diese Verfassung schließt eine Anerkennung der Zone aus. Ich möchte daher meinen, daß diese Forderung nach völkerrechtlicher Aufwertung des SED-Regimes offensichtlich mehr eine Folge der Ungeduld als der nüchternen Überlegung ist. Andere Völker würden niemals eine Teilung anerkennen, die praktisch von außen aufgezwungen wurde. Wer sich von der Anerkennung konkrete Verbesserungen der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten erhofft, unterliegt dem Wunschdenken. Ulbrichts System benötigt den Haß auf die Bundesrepublik Deutschland ebenso, wie Moskau den Buhmann des Bonner Revanchismus, um das System zu festigen. Gegenwärtig wird in Ostberlin das mangelnde Selbstvertrauen durch scharfe, pausenlose Propaganda ersetzt. Inhalt und Ton der kommunistischen Verlautbarungen und Veröffentlichungen sind kältester kalter Krieg. Die Behauptung im Zentralorgan der SED, man sehe sich unmittelbaren Aggressionsvorbereitungen der Bonner Regierung gegenüber, ist noch eine vergleichsweise milde Formulierung. Wer so sehr der Entstellung und Lüge bedarf wie das Zentralkomitee der SED, seine Sprecher und Publizisten, der muß sich in seiner politischen Position sehr schwach fühlen. Das Regime Walter Ulbrichts braucht eben ständig Schreckgespenster, um die Bevölkerung abzulenken und damit eine unbefangene Meinungsbildung zu verhindern. Es geht doch darum, die CDU/CSU zu denunzieren und die These, daß nur wir ein Recht auf Alleinvertretung besitzen, in Abrede zu stellen und uns als Störenfriede abzustempeln. Man kann sich sehr oft des Eindrucks nicht erwehren, daß gewisse politische Kreise vergessen zu haben scheinen, daß die SED anfänglich auf ein konföderatives System hinarbeitete und heute noch eine Neutralisierung der Bundesrepublik, das Disengagement, den Austritt der Bundesrepublik aus Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12695 der NATO anstrebt und damit nichts anderes betreibt als die Zerstörung der Front unserer staatstragenden demokratischen Parteien. Es gehört aber auch zu einer globalen Strategie der Sowjetunion, die westliche Anerkennung der Drei-Staaten-Theorie zu erreichen oder aber die Welt davon zu überzeugen, daß es zwei deutsche Staaten gibt. In der sogenannten Terminologie der kleinen Schritte sollte es damit zu keiner Abkehr von unserer Politik kommen, denn die Aufgabe von Rechtsansprüchen ist weitaus gefährlicher als das Quantum des Erreichbaren. In einer Anerkennung der Realitäten sähe Moskau lediglich einen Beweis der Schwäche und keinen Beweis für guten Willen. Die Befürworter eines Anerkennungsschrittes sollten ohne Selbsttäuschung noch einmal die wirklichen Realitäten durchdenken, wenngleich nicht geleugnet werden kann, daß Ulbricht, gestützt auf die 20 sowjetischen Divisionen, die Macht in Mitteldeutschland ausübt. Gleichzeitig ist es jedoch auch eine Realität, daß er ohne die Sowjettruppen sofort von der politischen Bühne verschwinden würde. 1. Bei einer Anerkennung der Zone würde daher die Oder-Neiße-Linie nicht mehr unsere Grenze sein. 2. Unsere diplomatischen Vertretungen im Ausland dürften sich nicht mehr um die Landsleute in der Zone kümmern. 3. Wir müßten Ulbricht und Genossen alle diplomatischen Ehrungen zubilligen. 4. Berlin würde seinen alliierten Schutz verlieren. 5. Alle Verkehrswege in der Zone würden souverän von Pankow beherrscht sein. Wenn wir von unserer geteilten Heimat sprechen, denken wir an unsere Brüder und Schwestern, die durch Mauer und Stacheldraht von uns getrennt sind. Wo aber hat es jemals einen solchen Wall von Sperranlagen gegeben, nicht schützend das Land und seine Bewohner, sondern ihnen drohend. In ihrer Gesamtlänge von 1350 km unterbricht die Demarkationslinie Eisenbahnen, Straßen, Wasserwege und unzählige Verbindungen von Dorf zu Dorf. Die Welt soll wissen, daß die Sperranlagen der Mittelzone inzwischen einen Umfang erreicht haben, den man sich perfektionierter kaum vorstellen kann. Mehr als 25 000 Betonpfähle stehen von der Ostsee bis nach Bayern, 30 000 cbm Beton wurden dazu verarbeitet, 50 qkm Wald- und Buschwerk sind abgeholzt worden. Das brachliegende Gelände umfaßt etwa 140 qkm. Neben über 1200 Betonbunkern, Beobachtungsständen, Signalanlagen, Minenfeldern und Lichtsperren, die mehr als 280 km ausleuchten, werden außerdem immer mehr Hundelaufanlagen eingerichtet. Dazu kommen die im Hinterland angelegten Sperren. Das Ganze wird überwacht von 50 000 Soldaten der NVA-Grenztruppe. Abseits vom großen politischen Geschehen spielen sich an der Demarkationslinie fast täglich furchtbare Tragödien ab, von denen die sachlichen Presse- und Rundfunkmeldungen so wenig aussagen: Fluchtversuch gescheitert, Flüchtling schwer verletzt im Doppelzaun, junges Mädchen überwand Minensperren, NVA erschoß Flüchtling an der Mauer, Flüchtling beim Durchschwimmen der Elbe ertrunken. Denken wir wirklich darüber nach, was sich dahinter verbirgt? Die Bundesregierung sollte in einer Freiheitsnote, die allen Verantwortlichen in dieser Welt zu unterbreiten wäre, auf die Tatsache hinweisen, daß in Mitteldeutschland Rechtssicherheit und Rechtsschutz für den einzelnen nicht existieren. Der Justizminister der Zone erklärte: Das Gesetz muß so angewandt werden, wie es den Zielen der Partei der Arbeiterklasse und der Regierung entspricht. So kann z. B. über unschuldige Menschen Zwangsaufenthalt verhängt werden für einen Zeitraum, an einem Ort und zu einer Arbeit, die völlig im Ermessen der dortigen Machthaber liegen. Seit dem 17. Juni 1953 bis zur Errichtung der Mauer 1961 wurden im unfreien Teil Deutschlands 158 Todesurteile gefällt. Die Gerichte erkannten in 457 Fällen auf lebenslängliche Zuchthausstrafe, nahezu 47 000 Menschen wurden aus politischen Gründen verhaftet und zu Freiheitsstrafen von zum Teil mehr als 20 Jahren verurteilt. Tausende politische Häftlinge befinden sich noch immer in den sowjetzonalen Strafanstalten. Seit dem Bau der Mauer wurden folgende Gewalturteile aus politischen Gründen gefällt und vollstreckt: 4 Todesurteile, 19 Verurteilungen zu lebenslänglichem Zuchthaus, 59 Verurteilungen zu Arbeitslager auf unbestimmte Zeit. Die Bundesregierung sollte sich an alle Regierungen und Völker wenden, die Wahrung der Menschenrechte im unfreien Teil Deutschlands zu erwirken. In einem Zeitalter, das die Selbstbestimmung zur Maxime der nationalen und internationalen Ordnung erhebt, hat auch das deutsche Volk Anspruch auf dieses Grundrecht. Wenn Menschenrechte und Selbstbestimmung in ganz Deutschland verwirklicht werden, verschwinden die Gegensätze, wird der Frieden gesichert und Deutschland geeint. Im Rahmen einer neuen Deutschlandinitiative sollten gefordert werden 1. die völlige Freizügigkeit im Reiseverkehr; das bedeutet im besonderen: Wegfall der Personenkontrolle und Aufenthaltsbedingungen; 2. Wiedereinführung der Rückfahrkarte innerhalb ganz Deutschlands, sofortige Erleichterung im Verkehr der Zonengrenzbewohner, Fortfall der Beschränkungen des Postverkehrs, Einstellung der Störsendungen beim Rundfunkempfang und freier Zugang zu allen Nachrichtenquellen innerhalb Deutschlands. Mit Rücksicht darauf, daß die Machthaber in Pankow in verstärktem Maße Bemühungen anstellen, in den internationalen Gremien und Institutionen, insbesondere bei den Vereinten Nationen, Aufnahme als ordentliches Mitglied zu finden, sollte in Hinblick auf die momentane Entwicklung abermals die Forderung nach Abhaltung freier Wahlen in beiden Teilen Deutschlands unter internationaler Kontrolle erhoben werden. Bei einer Weigerung des Pankower Regimes sollte die freie Welt einer Aufnahme Ostberlins in diese internationalen Gremien nicht zustimmen. Dem Treiben sowjetzonaler Rundfunk- und Fernsehreporter in der Bundesrepublik Deutschland 12696 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 sollte so lange ein Ende gesetzt werden, als die Machthaber in Pankow unseren Presse-, Rundfunk-und Fernsehgremien eine Gleichbehandlung versagen und damit eine eindeutige Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes praktizieren. Die Förderung des Zonenrand- und Grenzgebietes ist eine politische Aufgabe ersten Ranges. Es handelt sich primär um eine politische Frage, aus der sich wirtschaftliche und kulturelle Gesichtspunkte ableiten. Die Prioritäten des Bundes und aller Länder müssen dieser staatspolitischen Tatsache mehr denn je Rechnung tragen. Die Verbindung des Zonenrandgebietes mit dem Ausland muß nach Kräften gefördert werden. Ausländische Besuche sollten mehr als bisher auch . auf Städte und Gemeinden des Zonenrandes ausgedehnt werden. Partnerschaften zwischen den Gemeinden des Zonenrandgebietes und ausländischen Gemeinden sollten die Regel und nicht die Ausnahme sein. Das Zonenrandgebiet muß stärker als bisher in die staatsbürgerliche Erziehung einbezogen werden. Der Abwerbung aus dem Zonenrandgebiet und aus den Grenzgebieten muß stärker denn je entgegengetreten .werden. Es muß dementsprechend erwogen werden, gewisse steuerliche oder sonstige Vergünstigungen für die im Zonenrand- und Grenzgebiet wohnenden Arbeitnehmer zu schaffen. Zu erwägen wäre die Gewährung eines Ortszuschlages und die generelle Überprüfung der Ortsklassenregelung. In den Reihen der demokratischen Gegenkräfte beginnen sich Skepsis und Unmut auszubreiten. Nachdem die kommunistische Führung in Pankow jahrelang Hunderte von Millionen für ihre subversive Arbeit bei uns ausgegeben hat, während in der Bundesrepublik dringende Aufklärungspropaganda oft keine Finanzierung fand, scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, den Terrainverlust wieder aufzuholen. Die Flut der gegnerischen Propaganda abzufangen und einzudämmen, ist heute bereits ein schwieriges Unterfangen, dies um so mehr, als bestimmte intellektuelle Kreise sich dazu rüsten, das Unwerturteil, das über den Kommunismus und über die SED durch die ganze Nachkriegszeit bestand, abzubauen, ohne in Betracht zu ziehen, daß es in der Bundesrepublik viele Millionen von Menschen gibt, die mit dem kommunistischen Terror unmittelbar in Berührung kamen. Diese werden ihr Urteil nicht revidieren. Das Ulbricht-Regime in Pankow sollte endlich wissen, daß es auch Grenzen politischen Taktierens gibt. Ulbricht, der zur Zeit best-gehaßte Mann im Comecon, der stalinistische Novotny der Zone, wird eines Tages an seiner eigenen Politik scheitern. Die Welt sollte wissen, daß 95 Prozent unserer deutschen Brüder und Schwestern in Mitteldeutschland ihn mit stiller Verachtung strafen. Wir erklären uns aber bereit, mit Moskau in ein sofortiges Gespräch einzutreten. Das Sowjetvolk würde viele neue Freunde gewinnen, wenn sich seine derzeitige Führung bereit fände, auch dem deutschen Volke das Heimat- und Selbstbestimmungsrecht und damit die Einheit Deutschland zuzugestehen. Deshalb sind wir entschlossen, den Willen zu bekunden, das Selbstbestimmungsrecht für alle Deutschen durchzusetzen, für die demokratische Ordnung in ganz Deutschland einzutreten, jeder Art offene und versteckter Anerkennung der Teilung entgegenzuwirken und mit allen geeigneten friedlichen, geistigen und fruchtbaren Mitteln, allem Widerstand und aller Skepsis zum Trotz auf das Ziel der Herbeiführung der Einheit ganz Deutschlands hinzuarbeiten. Keiner unter uns ist gegen die Entspannung, jeder ist für eine Entspanung in Deutschland und Europa. Es kommt nur darauf an, ob man diese Entspannung durch Anerkennungsaktionen und Rechtsverzicht oder durch Verfassungstreue und Treue zum Selbstbestimmungsrecht erreicht. Ich halte es für töricht und unzweckmäßig, in diesem Zusammenhange, wie das geschehen ist, Erklärungen zu zitieren, die u. a. auch das Münchner Abkommen in diese Diskussion hineinziehen. Ich weise im Namen der Sudetendeutschen Volksgruppe die Behauptung, dieses Abkommen sei von Anfang an ungerecht gewesen, als eine falsche Geschichtsinterpretation deshalb zurück, weil sie das Unrecht negiert, von dem in diesem Falle eine gute deutsche Volksgruppe von Anfang an, nämlich seit 1918/19 betroffen wurde. Anlage 3 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) zu Punkt 25 der Tagesordnung. Die Freien Demokraten haben stets die Auffassung vertreten, daß eine Liberalisierung des materiellen politischen Strafrechts nicht genügt. Außerdem müsse das Strafverfahren so reformiert werden, daß auch in Staatsschutzsachen ein fairer Prozeß gewährleistet ist. Schon im Juli 1966 forderte sie deshalb, daß im Zusammenhang mit der Reform des materiellen Strafrechts für das Verfahren mindestens folgende Reformen erfolgen sollten: 1. Alle erstinstanzlichen Urteile sollten in einer Rechtsmittelinstanz überprüft werden können. 2. Geheime bzw. indirekte Zeugenaussagen dürfen nicht zulässig sein. 3. Die Sachverständigen müssen völlig unabhängig sein, sie dürfen also nicht dem Verteidigungsministerium angehören. 4. Auch sollten unabhängige Pressekommissionen gebildet werden, die vor Veröffentlichungen beratend tätig sein können. Leider konnte die FDP nicht erreichen, daß diese Mindestreform des Strafverfahrens gleichzeitig mit der Reform des materiellen politischen Strafrechts im vergangenen Jahr erfolgte. Immerhin erreichte sie auch im Zusammenhang mit der Diskussion einer entsprechenden Großen Anfrage der FDP die Zusage des damaligen Bundesjustizministers Dr. Heinemann, daß noch in dieser Legislaturperiode eine Rechtsmittelinstanz auch in den politischen Strafverfahren, in denen bisher der Bundesgerichtshof in 1. Instanz und ausschließlich zuständig ist, geschaffen werden solle. Die jetzt vorliegenden Gesetz- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 12697 entwürfe sollen den zweiten Rechtszug in Staatsschutzsachen allgemein einführen und tragen damit auch einer Entschließung des Bundestages bei der Verabschiedung der Reform des materiellen politischen Strafrechts Rechnung. Langwierige und schwierige Verhandlungen mit den Ländern verzögerten die Vorlage. Die Zeit für die Beratungen ist jetzt am Ende der Legislaturperiode nur sehr kurz. Sie muß aber ausreichen, um diese Reform noch zu verwirklichen. Die vorgesehene Regelung entspricht den Vorstellungen, die von der FDP schon früher im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform vorgetragen wurden. Sie wird deshalb den Gesetzen zustimmen. Unerfüllt sind aber noch die anderen Forderungen für einen fairen Prozeß, nämlich das Verbot von geheimen bzw. indirekten Zeugenaussagen, von wirklich unabhängigen Sachverständigen und von unabhängigen Pressekommissionen. Diese Forderungen erhalten wir aufrecht. Der nächste Bundestag sollte diese Reformen verwirklichen, wie auch endlich die Strafverfahrenskommission bilden, die bereits der 3. Bundestag einmütig gefordert hatte. Die Reform des Strafverfahrens überhaupt kann nicht länger aufgeschoben werden. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Geldner (Drucksache V/4097 Frage 109) : Hält es die Bundesregierung für eine besonders mittelstandsfreundliche Politik, wenn sie durch die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein selbst von kleinsten Firmen verlangt, bei Einfuhr von Trinkbranntwein aus Mitgliedstaaten der EWG die Anträge im Januar zu stellen (im Februar sind die Kontingente schon erschöpft), die Ware dann innerhalb von drei Monaten einzuführen und sie monatelang zu lagern, weil sie in der Masse erst im Oktober/Dezember gebraucht wird? Die Bundesmonopolverwaltung hat von keiner Firma — weder von größeren noch von kleinen — verlangt, Anträge im Rahmen ihrer Ausschreibung für Trinkbranntweineinfuhren aus Mitgliedstaaten der EWG innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu stellen. Solche Ausschreibungen ergehen auf Grund einer Empfehlung der EWG-Kommission seit dem Jahre 1964. Die jeweiligen Quoten waren für Weinbrand erstmals im Laufe des Jahres 1966 voll ausgenutzt, diejenigen für Kornbranntwein und andere Trinkbranntweinerzeugnisse dagegen bis 1968 in keinem einzigen Kalenderjahr. Dieses Bild änderte sich nach Wegfall der Binnenzölle für Trinkbranntwein erstmals und schlagartig bei der Einfuhrausschreibung 1969, deren Weinbrandquote bereits am ersten Tage (2. 1. 1969) und deren Quote für andere Trinkbranntweine am 20. 2. 1969 erschöpft waren. Diese Entwicklung war nach den Erfahrungen der Vorjahre nicht vorauszusehen. Noch im Zeitpunkt der Einfuhrausschreibung 1969 am 2. 12. 1968 war von den Quoten 1968 nur die für Weinbrand voll, die für Kornbranntwein mit 44 % und die für anderen Trinkbranntwein mit 60,5% ausgenutzt. Die Bundesmonopolverwaltung prüft mit den Verbänden der Branntweinwirtschaft, wie bei künftigen Ausschreibungen die jetzt aufgetretenen Nachteile des bisher reibungslosen Verfahrens ausgeschlossen oder wenigstens gemildert werden können. Dabei wird sie allerdings an der Ausnutzung bewilligter Einfuhrgenehmigungen innerhalb einer bestimmten Frist (bisher drei Monate) wahrscheinlich festhalten müssen, um Scheinanträge — mit denen nur die Einfuhr durch Konkurrenten blockiert werden soll — auszuschließen. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter (Drucksache V/4097 Frage 110) : Ist die Bundesregierung bereit, für die Bundesausbaugebiete Landkreis Loreley, Unterlahn und Oberwesterwald, insbesondere für deren land- und forstwirtschaftlich orientierte Höhengebiete mit relativ geringer Verkehrsdichte, den § 5 des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs in Anwendung zu bringen, der eine 50%ige Eimäßigung der Beförderungsteuer ermöglicht? Um eine dem Zweck des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs entsprechende gleichmäßige Auswahl der in Betracht kommenden Gebietsteile zu ermöglichen und Berufungen zu vermeiden, ist das Institut für Raumordnung in Bad Godesberg mit einer gutachtlichen Stellungnahme zur Ausfüllung der Ermächtigung beauftragt worden. Im Zusammenwirken mit den beteiligten Ministerien sind danach die in Betracht kommenden Landkreise und kreisfreien Städte nach einheitlichen Grundsätzen ermittelt -worden. Die Verordnung wird in den nächsten Tagen erlassen werden. Nach den Auswahlgrundsätzen wurden solche Kreise als verkehrsmäßig schwach aufgeschlossen ermittelt, die zu mehr als 50 v. H. ihrer Fläche außerhalb von Umkreisen mit sechs Kilometer Radius um Güterverladebahnhöfe mit Waggon- und Stückgutabfertigung liegen. Als verkehrsungünstig (in Randlage) gelegen wurden solche Kreise ermittelt, die zu mehr als 50 v. H. ihrer Fläche außerhalb gewogener Entfernungsbereiche um die größeren Wirtschaftszentren und außerdem mehr als 50 km von der nächsten Autobahnauffahrt entfernt liegen. In beiden Fällen wurde die Begünstigung aber nur dann zur Vermeidung schwerwiegender volkswirtschaftlicher Nachteile für vertretbar gehalten, wenn die Wirtschaftskraft des jeweiligen Kreises, gemessen an Bruttoinlandsprodukt, Realsteuerkraft und Industriebesatz, unter dem Durchschnitt der Landkreise liegt. Die vom Bundesminister der Finanzen gebilligte Verordnung wird dem Hohen Hause in Kürze mit einer ausführlichen Begründung über die Herren Vorsitzenden der zuständigen Ausschüsse bekanntgegeben werden. Eine Begünstigung der Landkreise Loreley, Unterlahn und Oberwesterwald ist nicht vorgesehen. Nach den dargelegten Grundsätzen und den getroffenen Feststellungen können sie weder als ver- 12698 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. April 1969 kehrsmäßig schwach aufgeschlossen noch als verkehrsungünstig in Randlage gelegen angesehen werden. Ich verkenne nicht, daß die wirtschaftliche Situation dieser Kreise nicht günstig ist. Es ist aber zu beachten, daß das Gesetz verkehrsstrukturelle Voraussetzungen vorschreibt. Im übrigen müßte das halbe Bundesgebiet begünstigt werden, wenn die genannten Kreise in die Steuerermäßigung einbezogen würden. Eine solche Ausweitung der Verordnungsermächtigung würde dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen und auf verfassungsmäßige Bedenken aus dem Gleichheitsgrundsatz stoßen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Funcke (Drucksache V/4097 Fragen 113 und 114) : Trifft es zu, daß der Vorsitzende der von der Bundesregierung berufenen Steuerreformkommission, Minister a. D. Eberhard, in der Steuerfachtagung Ende März in München bereits Andeutungen über vermutete Ergebnisse der Kommission gemacht hat, obwohl diese ihre Arbeit kaum begonnen hat? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die Objektivität und Unvoreingenommenheit der Kommission dadurch sicherzustellen, daß sie bei Berufung der Mitglieder die Vertraulichkeit der Beratungen bis zum endgültigen Abschluß zur Bedingung macht? Bei Eröffnung der ersten Sitzung der Steuerreformkommission hat der Bundesminister der Finanzen angeregt, die Beratungen in der Kommission vertraulich zu behandeln. Mir ist bekannt, daß die Kommission sich diese Auffassung zu eigen gemacht hat. Am 27. März 1969 hat der Vorsitzende der Kommission, Herr Dr. h. c. Rudolf Eberhard, Präsident der Bayerischen Staatsbank, auf der Münchner Steuerfachtagung einen Vortrag über Probleme der Steuerreform gehalten. Der Wortlaut der Rede liegt mir vor. Nach einem Rückblick auf frühere Reformpläne hat der Vorsitzende der Kommission allgemeine Zielvorstellungen erörtert und das Für und Wider einiger Überlegungen zur Gewerbesteuer, Grundsteuer, Erbschaftsteuer, Vermögensteuer, Körperschaftsteuer und Einkommensteuer angesprochen. Es handelt sich hierbei um Probleme, die seit langem in der Öffentlichkeit diskutiert werden und zum Beispiel in Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen oder im Gutachten der Finanzreformkommission behandelt werden. Die hierbei getroffene Auswahl bedeutet nach den Worten des Vortragenden nicht, daß die Reform bei den erörterten Problemen in jedem Falle ansetzen werde. Dr. h. c. Eberhard hat im Gegenteil ausdrücklich betont, daß die Arbeit der Kommission erst am Anfang stehe und sich daher noch nicht absehen lasse, welchen Sachproblemen die Kommission ihr besonderes Augenmerk widmen werde. Ich vermag hiernach dem Vortrag keine Andeutungen über mögliche Ergebnisse der Kommissionsberatungen zu entnehmen. Anderslautende Presseberichte geben die Ausführungen Dr. h. c. Eberhards nicht zutreffend wieder. Es besteht unter diesen Umständen keine Notwendigkeit, weitere Schritte zu unternehmen, um die für eine erfolgreiche Arbeit der Kommission unerläßliche Vertraulichkeit der Beratungen zu sichern. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 24. April 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramms (Drucksache V/4097 Frage 115) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung der Ermäßigung der Mineralölsteuer im öffentlichen Personennahverkehr (50 km) analog der Regelung der Mehrwertsteuer, um den Personenverkehr zu verbessern? Die Frage, ob überhaupt und gebenenfalls in welchem Umfang den Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs Erleichterungen bei der Mineralölsteuer gewährt werden können, wird zur Zeit in der Bundesregierung beraten. Eine Antwort in der Sache kann daher erst zu einem späteren Zeitpunkt gegeben werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht wiederholen oder auszugsweise wiederzugeben versuchen, was in der schriftlichen Antwort auf die Große Anfrage dargelegt ist. Doch möchte ich einiges in zusammenfassender Form für diese Debatte und auch in Antwort auf die Begründung sagen, die mein verehrter Herr Vorredner hier gegeben hat.
    Der Herr Kollege Schultz hat gemeint, es sei kein ausreichendes Rezept, lediglich untätig besseres Wetter abzuwarten. Das ist wahrlich richtig. Nur trifft es auf die Bundesregierung bei der Beurteilung dessen, was sie auf diesem äußerst schwierigen, steinigen Felde tut, bestimmt nicht zu. Es ist sehr schwer — das gebe ich zu —, wenn man nicht in die für diesen Teil der Politik völlig unbrauchbare Art der Selbstreklame verfallen will, in aller Breite und Öffentlichkeit über das zu reden, was es im beiderseitigen Interesse gibt. Die Damen und Herren von der Fraktion der FDP wissen, daß, wenn sie wollen, darüber, wenn auch mit der gebotenen Zurückhaltung, in Details im Ausschuß Auskunft gegeben und nie verweigert wird. Insofern ziehe ich mir den Schuh von dem nicht ausreichenden Rezept, besseres Wetter abzuwarten, nicht an.
    Andererseits ist es schwer, mit der Beurteilung klarzukommen, die die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der FDP bei den Fragestellern gefunden hat und findet. Der Herr Kollege Schultz hat gesagt, in ihren Einzelheiten sei sie eine positive Antwort und beweise da-
    durch unter anderem, was von Angriffen zu halten sei, die schon in den Wochen, bevor wir hier zur Behandlung gekommen sind, in aller Öffentlichkeit gegen Intentionen und Motive gerichtet worden sind. Ich bin froh, wenn die Sachlichkeit der Antwort der Bundesregierung dazu beitragen wird, die Diskussion auf diesem äußerst heiklen Gebiet wieder von Invektiven, von Unterstellungen und von mehr als Unterstellungen frei zu machen, die in diesen und anderen Zusammenhängen leider immer wieder manche Teilnehmer an der öffentlichen Debatte zu übermannen scheinen. Aber das ist nicht bloß einseitig.
    Der Herr Kollege Schultz hat auch gesagt, die Bundesregierung sollte nicht so selbstgefällig sein, als brauchte sie nichts unter Beweis zu stellen. Über Wertungen will ich hier nicht streiten; aber ich bin überzeugt, Herr Kollege Schultz, daß auch Sie und Ihre ganze Fraktion, wenn es um die Frage der Aufrichtigkeit unserer Friedens- und Verständigungsbemühungen geht, diese nicht in Zweifel stellen wollen. Wir werden darüber streiten können, ob diese Bemühungen zureichend sind, ob sie effektiv sind. Es gilt dann einiges von dem, was ich vorhin gesagt habe. Aber selbstgefällig — wissen Sie, dazu, das von uns anzunehmen, liegt weder auf diesem noch auf anderem Gebiete Anlaß vor.
    Was die Antworten auf die Frage 1, wie die Bundesregierung die Chance beurteile, den Zusammenhalt der Deutschen zu wahren und zu festigen und damit die Voraussetzungen für eine Vereinigung in Frieden und Freiheit zu schaffen, und auf die Frage 2, welche konkreten Schritte die Regierung zu unternehmen gedenke, um dem eben genannten Ziele näherzukommen, angeht, so möchte ich nicht nur auf die schriftliche Antwort verweisen, in der dargelegt worden ist, was wir dazu zu sagen haben. Die Bundesregierung hat sich bemüht und ist auch weiter bemüht, im Sinne ihrer Erklärung vom Dezember 1966, soviel an uns liegt, zu verhindern, daß sich die beiden Teile unseres Volkes während der Trennung weiter auseinanderleben. Aus diesen Gründen — so haben wir gesagt, und so verhalten wir uns unter unsagbaren Schwierigkeiten, die die Gegenseite jedem Schritt gegenüber macht — wollen wir die menschlichen, wirtschaftlichen und geistigen Beziehungen zu unseren Landsleuten mit allen Kräften fördern. Wir haben auch klargemacht, daß unsere Rechtsauffassung kein Hindernis für die behördliche Regelung dieser Beziehungen ist und sein soll. Deshalb hat die Regierung auch zu verstehen gegeben, daß weder die Verhandlungsebene noch die Form der anzustrebenden Vereinbarungen ausschlaggebend sind, sondern die Qualität dessen, was im beiderseitigen Interesse erreicht werden soll. Vor allen Dingen in der schriftlichen Antwort auf die Frage 2 haben wir dann eine ganze Reihe von Hinweisen — und mehr als Hinweise — für die auf verschiedenen Gebieten bestehenden Beziehungen bzw. von uns angestellten Bemühungen, diese Beziehungen geregelter zu gestalten, als sie es bisher auf manchen Gebieten sein können, gegeben. Das also, so hatte ich gesagt, möchte ich nicht wiederholen.



    Bundesminister Wehner
    Herr Kollege Schultz, ich bedaure es, daß Sie in bezug auf die schriftliche Antwort — ich bin soeben noch einmal kurz auf sie zu sprechen gekommen —, in der wir klargemacht haben, daß unsere eigene Rechtsauffassung kein Hindernis für die behördlichen Regelungen solcherart Beziehungen ist und auch nicht sein soll, sagen, das wäre wohl ein Ausdruck für das, was Sie Alleinvertretungsanspruch nennen. Mir tut das leid. Sie haben gesagt, die Gründe müßten tiefer liegen als in der Antwort erkennbar. Ich weiß es nicht. Ich nehme an, daß die Kollegen aus dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen ihrer Meinung hinsichtlich des hier monierten Schicksals eines Antrags, der sich mit dem Begriff „Alleinvertretungsanspruch" beschäftigte, Ausdruck geben werden. Mir wäre es sehr lieb, wenn es einmal zu einer sachlichen Klärung dieses mißbrauchten und häufig sogar verunstalteten Begriffs käme, der ja inzwischen auf der Gegenseite ständig als Alleinvertretungsanmaßung bezeichnet wird, ungeachtet dessen, daß die Gegenseite auf bestimmten Kerngebieten der deutschen Politik nun wahrlich nicht nur behauptet, sondern sich anmaßt, alles allein zu wissen und bestimmen zu können, z. B., was die Arbeiter in Deutschland betrifft, und auch fast alles, nein, man darf auch hier sagen: alles, was die wirklichen Sicherungen des Friedens betrifft. Aber wir wollen nicht in eine solche Idealkonkurrenz mit denen eintreten. Wir setzen auf Verständigung.
    Ich komme zu einigen Bemerkungen zu der schriftlichen Antwort auf die Frage 3. Es ist die Frage nach der Bereitschaft der Bundesregierung, einen Vertrag zwischen beiden Teilen Deutschlands vorzuschlagen, dessen Ziel es sein soll, im Interesse des Zusammenhalts der Deutschen, der europäischen Sicherheit und des Friedens in der Welt die Beziehungen zwischen den beiden Teilen für die Übergangszeit bis zur friedlichen Lösung unserer nationalen Frage zu ordnen. Das ist von der Bundesregierung bejaht worden. Das heißt, wir schließen einen solchen Vertrag nicht aus. Sie, Herr Kollege Schultz, haben sich mit diesen Feststellungen hier befaßt. Insofern befindet sich die Bundesregierung nicht in einem Gegensatz zur Fraktion der FDP. Aber wir haben in unserer schriftlichen Antwort ausgeführt, daß es darüber, wie dieses Ziel zu erreichen ist, und darüber, wann und wie etwas auf den Tisch zu legen ist, Meinungsverschiedenheiten gibt. Wir haben heute noch einmal gehört, daß die FDP möchte, die Bundesregierung solle zu dem Vertragsentwurf der anderen Seite, der nun der Begriff eines Entwurfs eigentlich nicht verdiente, einen Gegenvertragsentwurf vorlegen.
    Auch die FDP hat ja den Text, den uns die andere Seite seinerzeit mit dem Schreiben von Herrn Stoph, dem Ministerratsvorsitzenden, hierhergeschickt hat, als nicht annehmbar bezeichnet. Insofern gibt es da keine Differenz. Die Differenz besteht darin, wie man es jetzt weiter behandeln soll.
    Ich möchte aus der Antwort, die wir schriftlich gegeben haben, in größter Kürze nur hervorheben: Während die Bundesregierung versucht, trotz der fortbestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen denen, die im anderen Teil Deutschlands die Verantwortung haben, und uns einen Modus vivendi zu erreichen, möchten die Verantwortlichen auf der anderen Seite Verhandlungen von vornherein von der vorherigen Anerkennung dessen abhängig machen, was sie alles anerkannt wissen wollen, bevor überhaupt in Verhandlungen eingetreten werden kann. Darauf werde ich noch einmal zurückkommen.
    Der Botschafter der UdSSR in der DDR, Herr Abrassimow, hat dieser Tage in einer Rede, die er öffentlich gehalten hat und die in den dortigen Blättern entsprechend Verbreitung gefunden hat, wieder einmal deutlich gemacht, von welchen falschen Voraussetzungen das Begehren ausgeht, das gleichermaßen von der Regierung der UdSSR und von • der DDR an uns gerichtet wird — man kann es auch anders sagen: was man uns alles unterstellt. Der Botschafter hat gesagt, in Bonn sei man der Meinung, daß die europäische Sicherheit nicht auf der Grundlage der Nachkriegsordnung in Europa gewährleistet werden könne, daß man mit dem Status quo nicht einverstanden sein könne und daß eine Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges notwendig sei. Soweit Herr Botschafter Abrassimow.
    Dagegen legen wir hier Wert darauf, unseren Beitrag zur Verständigung zu leisten und dafür zu sorgen, daß er auch als solcher erkannt werde, damit eine Friedensordnung in Europa zustande gebracht werden kann, zu der es ja vieler Beiträge bedarf, die niemand aus dem Stand schaffen bzw. einem anderen aufnötigen kann, selbst wenn er es wollte; von manchen muß man allerdings den Eindruck haben, daß sie es wollten. Es geht um eine Friedensordnung in Europa, die von allen Beteiligten als gerecht und als dauerhaft empfunden werden kann und in deren Rahmen alle europäischen Staaten zum Wohle ihrer Völker zusammenarbeiten können.
    Nun, man unterstellt uns statt dessen — und hier muß ich noch einmal Herrn Botschafter Abrassimow zitieren —, das Ziel der Bundesrepublik sei die Veränderung der existierenden europäischen Grenzen, anders gesagt — so betonte er —, Revanche und Revision der Ergebnisse des vom Hitler-Faschismus entfesselten zweiten Weltkrieges. So der Herr Botschafter Abrassimow laut „Neues Deutschland" vom 24. April dieses Jahres.
    In diesem Hause gibt es niemanden, der solche Unterstellungen nicht tief bedauert und zurückweist.

    (Beifall bei allen Fraktionen.)

    Dessen dürfen wir sicher sein. In Wirklichkeit bedürfte es lediglich des guten Willens der Verantwortlichen im anderen Teil Deutschlands, daß man miteinander in Gespräche kommt, die zu Verhandlungen führen würden.
    Die Bundesregierung hat durch den Brief, den der Bundeskanzler am 28. September 1967 dem Vorsitzenden des Ministerrats in Ostberlin geschrieben hat, angeboten, Gespräche aufzunehmen, die zu Verhandlungen führen sollen, und hat auch gesagt, wer dazu befugt sei, die Vorbereitungen zu treffen.



    Bundesminister Wehner
    Wir verstehen darunter Verhandlungen ohne Diskriminierung der einen oder der anderen Seite. Wir verstehen darunter Verhandlungen, in denen die Regelungen gesucht und gefunden werden können — sicher sehr allmählich und mühselig —, die den beiderseitigen Interessen entsprechen werden, Verhandlungen, in denen auch die Formen gefunden werden können, in denen beide Seiten miteinander verkehren können. Das ist es, was wir meinen, wenn auf unserer Seite von der Einleitung, von der Vorbereitung von Verhandlungen und von Verhandlungen selbst die Rede ist. Das ist ein Angebot. Keine Seite nötigt der anderen Seite die Form auf, in der beide miteinander verkehren sollen.
    Was wir in der schriftlichen Antwort auf Frage 5 erwähnt haben, das soll auch in diesem Zusammenhang in Erinnerung gebracht werden. Es gibt da keine Ausschließlichkeit, weder für Modelle noch für Gebrauchsanweisungen. Ich würde sehr vorsichtig sein mit dem Begriff, der zur Zeit wieder umhergeistert, was alles ein Modell für ein vereinigtes Deutschland sein könnte und was man alles als solches zu bieten habe. Die Bundesregierung verkennt also keineswegs, daß eine Verbesserung der innerdeutschen Beziehungen nicht gegen den Willen der Verantwortlichen in Ostberlin, sondern nur mit deren Zustimmung erreicht werden kann. Das sei hier noch einmal in aller Deutlichkeit und frei von allem Drum und Dran gesagt.
    Nun, auch in dieser Beziehung unterscheiden sich die Handlungen. Ich spreche hier auch von Handlungen der Bundesregierung; denn die Bundesregierung spricht nicht nur über etwas, was sie will, sondern im Bereich der Sachgebiete, in denen die Interessen der anderen Seite so gelagert sind, daß sie in Verkehr mit uns tritt bzw. bleibt, wird ja gehandelt.
    Auch hier unterscheidet sich das, was darunter unsererseits zu verstehen ist, nicht grundsätzlich von Vorstellungen, wie sie etwa die FDP in dem Zusammenhang ihres Vorschlages und ebenso heute vorgetragen hat. Aber ich möchte doch betonen, daß es eine entscheidende politische Ermessensfrage ist, ob und wann ein solch umfassendes Vertragsprojekt übergeben werden soll oder kann. Wir haben gesagt: Solange damit zu rechnen ist, daß die Gegenseite einen solchen Vertrag einfach nicht zum Gegenstand ernsthafter Verhandlungen zu machen bereit ist, diente es dem angestrebten Ziele nicht, Vertragsentwürfe gegeneinanderzustellen.
    Auch Herr Kollege Schultz hat hier eben das unterstrichen, was in der Begründung seiner Fraktion zu dem Entwurf geschrieben worden ist: wenn Ostberlin — d. h. die dortigen Instanzen — so einen Vorschlag ablehnten, hätte doch jedenfalls die Bundesrepublik ihren Friedens- und Verständigungswillen überzeugend unter Beweis gestellt.
    Ich will hier nicht den Ball zurückspielen, um damit das Tätigwerden zunächst einmal auf sich beruhen zu lassen; danach ist mir nicht zumute. Nein, ich muß sagen, die Bundesregierung hält jede auch nur partielle Regelung, die unter den gegenwärtigen widrigen Umständen erreichbar ist, für wichtiger als die Beweisführung, daß die andere Seite einen umfassenderen Vertrag ablehne oder ihm sogar nur polemisch gegenüberstehe. Das ist eine Sache, über die man sicher nicht nur diskutieren, sondern auch streiten kann; ich gebe das zu. Aber das wäre, soweit es sich um das Streiten handelt, wirklich eine Angelegenheit, zu der man sich regierungsseitig vielleicht nur in Ausschußberatungen deutlicher äußern könnte, bei denen man in die Sache eindringen kann.
    Jedenfalls möchte ich hier wiederholen, was wir in der schriftlichen Antwort in einem Absatz — nur in diesem! — betont haben: Nach dem Angebot der Bundesregierung zu Regierungsverhandlungen und der Benennung des Staatssekretärs des Bundeskanzleramtes zum Beauftragten der Bundesregierung ist es Sache der Gegenseite, von der dem Ministerrat am 9. August 1968 durch die Volkskammer erteilten Ermächtigung Gebrauch zu machen und einen Staatssekretär mit der Einleitung von Verhandlungen zu beauftragen. Wir haben es in anderen Teilen unserer Antwort deutlich gemacht: es gibt bei uns keine Ebenenbeschränkung. Ob Staatssekretäre, ob darunter oder darüber, das hängt vom Thema, vom Gegenstand ab. Das wollte ich nur noch einmal in Erinnerung gebracht haben, damit es hier nicht zu Mißverständnissen kommt.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Hier geht es um die Einleitung! Wenn sich die andere Seite dieses Angebots bedienen und von ihrer eigenen Vollmacht Gebrauch machen will, die — jedenfalls für diejenigen, die die dortigen Veröffentlichungen lesen können — seit dem 9. August des vorigen Jahres, mit fast einem Jahr Verzögerung, gegeben worden ist, dann kommt man auch allgemein einen Schritt weiter. Bis dahin müssen wir uns weiter mit partiellen Regelungen begnügen, die, wo es die beiderseitigen Interessen zulassen, getroffen werden und die auch, ich will nicht sagen: florieren, aber doch in Ordnung gehen.
    Der Bundeskanzler hat am 11. März des vorigen Jahres vor dem Bundestag erklärt, daß die zum Thema Gewaltverzicht gehörenden Fragen auch in den Kreis der zu behandelnden Gesprächs- und Verhandlungsgegenstände gehören und in ihn einbezogen würden, wenn es zu solchen Verhandlungen kommt. Das ist also ein Katalog, der keineswegs anderes ausschließt. Dazu haben wir in der schriftlichen Antwort auf die Frage 4 der FDP-Fraktion Weiteres ausgeführt.
    Darf ich mit aller Behutsamkeit — auch weil es ein sehr schwieriges Thema ist — hier noch andeuten, daß weder die Gewähleistung der Unkränkbarkeit oder Unverletzbarkeit des Territoriums noch der faktischen Souveränität der im anderen Teil Deutschlands verantwortlichen Behörden von uns in Frage gestellt oder tatsächlich eingeschränkt wird. Das sind ja Tatbestände, an denen man auch nicht einfach vorbei kann. Es sind jedenfalls, um auch das einmal deutlich zu sagen, nicht unsere Sicherheitsorgane, die z. B. von der Schußwaffe Gebrauch machen, wenn jemand versucht, von Deutschland



    Bundesminister Wehner
    nach Deutschland zu gelangen. Es sind auch nicht wir, die Minenfelder angelegt haben, in denen Menschen verbluten können, die hineingeraten. Ab und zu muß man darauf hinweisen, vor allen Dingen dann, wenn eine eigentümliche Kette von Schußwaffengebrauch wieder einmal aufeinander folgt; denn meist ist das kein Zufall.
    In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal auf die schriftlich gegebene Antwort auf die Fragen 6 'und 7 hinweisen, die sich mit Amnestie, mit Gefangenen, mit menschlichen Härten befassen.
    Nun einiges zu der Frage 8, die etwas anrührt, von dem ich gestehe, daß ich es für das Empfindlichste und Schwierigste im ganzen innerdeutschen Verhältnis halte. Die Sicherheit Berlins wird nach wie vor durch die Präsenz der alliierten Schutzmächte im Rahmen der für Berlin geltenden internationalen Vereinbarungen gewährleistet. Das gleiche gilt für die natürlichen Voraussetzungen der Lebensfähigkeit dieser Stadt, zu denen sowohl die mannigfachen politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zwischen dem Bund und Berlin als auch die Benutzung der Verbindswege von und nach Berlin gehören. Alle praktischen Überlegungen der Bundesregierung in bezug auf Berlin gehen davon aus, daß der im Rahmen der geltenden internationalen Vereinbarungen gewachsene Status Berlins nicht zum Nachteil der Stadt und ihrer Bevölkerung beeinträchtigt werden darf.
    Eine Regelung, die die gegenwärtige Situation der Verkehrsverbindungen mit Berlin verbessert, wäre durchaus wünschenswert und müßte in der entsprechenden Ordnung auch behandelt und verhandelt werden. Eine solche Regelung muß allerdings die grundlegenden Bedingungen für die Sicherheit und für die Lebensfähigkeit Berlins wirklich berücksichtigen, d. h., die Rechte, die Verantwortlichkeiten der Vier Mächte hinsichtlich des freien Berlin-Zugangs dürfen nicht eingeschränkt werden. Maßnahmen zur rechtlichen und politischen Absicherung des gewachsenen Status West-Berlins sind in erster Linie Sache der westlichen Schutzmächte, die gemeinsam mit der Sowjetunion im Rahmen der Viermächte-Verantwortung für ganz Berlin die internationale Verantwortung für das politische Schicksal der Stadt übernommen haben.
    Es darf dabei, meine Damen und Herren, nicht außer acht bleiben, daß der Viermächte-Status der Stadt für ganz Berlin gilt, wie ich schon sagte. Weder im Wortlaut der Großen Anfrage noch in ihrer Begründung ist dazu besonders Stellung genommen worden. Ich nehme an, daß es in dieser Frage keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten gibt und aus diesem Grunde nur einmal darauf hingewiesen werden muß, daß das ein sehr empfindliches Gewebe ist, um das es hier geht. Jedenfalls kann sich die Bundesregierung in ihrer Deutschlandpolitik über diese Rechtslage nicht hinwegsetzen; sie will es auch nicht. Im Gegensatz zu Ostberlin ist sie jedenfalls entschlossen, sich an den in gültigen internationalen Vereinbarungen festgelegten Status Berlins zu halten.
    Nun, ich muß zu dieser Bemerkung „im Gegensatz zu Ostberlin" einiges erläutern. Meine Damen und
    Herren, am 11. Juni 1960 hat der Erste Sekretär der SED, Walter Ulbricht, u. a. gesagt: „Die Lösung der" — wie er sich ausdrückte — „West-Berlin-Frage" —nämlich durch einen damals in der Diskussion befindlichen separaten Friedensvertrag zwischen UdSSR und DDR — so sagte er wörtlich, „kann die Entstehung eines Konflikts bedeuten." Es war Ulbricht, der dem hinzugefügt hat — ich zitiere ihn hier wieder wörtlich —: „Aber dieser Konflikt bringt weniger Gefahren als das Weiterbestehen der Herde des Krieges." Herde des Krieges, — das ist in diesem Fall West-Berlin, und es ist sehr intensiv, wenn auch unheimlich entstellend versucht worden, diese
    Beschuldigung zu belegen.
    Daß es sich bei derlei Äußerungen nicht um gelegentliche polemische Spitzen handelt, sondern daß
    darin eine böse Grundauffassung zum Ausdruck
    kommt, den Eindruck habe ich, wenn ich mir eine
    Rede ansehe, die später gehalten worden ist, nämlich am 1. Dezember 1967 in der Volkskammer. Da
    wurde vom Staatsratsvorsitzenden wörtlich gesagt:
    Für den Status West-Berlins, das auf dem Terri-
    torium der Deutschen Demokratischen Republik
    liegt und rechtlich zu ihr gehört, aber zur Zeit
    noch einem Besatzungsregime unterworfen ist,
    sowie für einige damit zusammenhängende Fragen, die Vereinbarungen zwischen den Vier
    Mächten betreffen, gilt bis auf weiteres die
    Regelung des Art. 6 des Vertrages über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Demokratischen
    Republik und der Union der Sozialistischen
    Sowjetrepubliken vom 12. Juni 1964.
    Hinzugefügt hat Herr Ulbricht:
    Die Volkskammer und die Regierung der DDR werden sich unablässig dafür einsetzen, daß Schritt für Schritt auch die letzten Überreste des zweiten Weltkriegs beseitigt werden, die von den imperialistischen Westmächten dazu benutzt werden, die DDR und ihre Bürger zu schädigen.
    Das, wohlgemerkt, gesagt mit der unmittelbaren Spitze auf West-Berlin.
    Nun, wir jedenfalls, die wir hier sind, wir wollen, daß die nach der Beendigung der militärischen Kampfhandlungen für die Zeit bis zu einer friedensvertraglichen Regelung mit einer vom ganzen deutschen Volk legitimierten Vertretung geschaffenen Viermächte-Regelungen einmal in die friedensvertragliche Regelung übergehen, d. h., daß sie abgelöst werden, aber nicht, daß sie durch systematische Handlungen ausgehöhlt werden und daß sozusagen der Ort abgesteckt wird, an dem man unter gewissem Schutz das, was man dort als Überreste aus Kriegs- und Nachkriegsbesatzungszeit bezeichnet, wegdrückt oder aushöhlt oder auch aushebt, während Deutschland im übrigen im Zustand der Teilung und ohne friedensvertragliche Regelung bleibt, bis genügend Tatsachen geschaffen sind, von denen diejenigen, die sie schaffen, annehmen, sie könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden. Mit dieser Grundauffassung haben wir es da zu tun. Wir müs-



    Bundesminister Wehner
    sen uns ihr jedenfalls politisch nicht nur stellen, sondern gewachsen zeigen durch unsere eigenen Handlungen, maßvoll, aber jedenfalls nicht, indem wir hier auch nur durch Unvorsichtigkeit oder Unbedachtsamkeit und Unachtsamkeit etwas mit zu verschulden oder zu verantworten hätten, das zu einem Gefälle führt. Denn von der anderen Seite sind systematisch Handlungen vorgenommen worden, durch die Viermächte-Verantwortlichkeiten gekränkt und ausgehöhlt worden sind.
    Man beruft sich auf Viermächte-Verantwortlichkeiten auf .der anderen Seite gern, wenn man etwas aussetzen, etwas rügen, etwas verändern möchte, an West-Berlin z. B. Aber der 'andere Teil Berlins ist faktisch in die DDR einverleibt. Das muß man sehen, und daran kann man bei allem ehrlich einzuschätzenden Bemühen um Verständigung nicht vorbeigehen.
    Immerhin, in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik — so ist ihr Titel — vom 6. April 1968 heißt es im Art. 1: „Die Hauptstadt der Deutschen Deutschen Demokratischen Republik 'ist Berlin." Meine Damen und Herren, da steht nicht, welche Straßenzüge, da steht nicht, welcher Teil und in welchem Ausmaß. Es ist mir schon oft geschehen, daß Ausländer, Abgeordnete, Journalisten, Wissenschaftler, die wissen wollen, was der Satz eigentlich bedeutet, wie man ihn fassen kann, fragen: Also, was gilt dann ,als Berlin? Das ist ein Begriff in der Verfassung, der es in sich hat. Bitte, das richtet sich jetzt nicht an die FDP, aber es richtet ,sich an andere, die zum Thema auch immer wieder ihre Beiträge geben. Diejenigen, die der Meinung sind, wir sollten — wie es heißt — anerkennen oder die DDR anerkennen, d. h. eben anerkennen, was SED und DDR-Organe von uns anerkannt wissen wollen, ehe sie überhaupt bereit wären, in Verhandlungen mit uns einzutreten, mögen jedenfalls bedenken, was dieser Satz: „Die Hauptstadt .der Deutschen Demokratischen Republik ist Berlin" so gesehen bedeutet, nämlich die Legitimierung einseitig vollzogener Akte. Ich unterstelle niemandem, daß er das wissentlich wolle oder fordere; aber ich weiß, daß viele es dennoch begehren in der Annahme, dann wäre alles leichter, und es ließe sich endlich unbeschwert miteinander reden. Aber hier geht es um die Legitimierung einseitig vollzogener Akte.
    Nun wird manchmal die Frage gestellt — auch mir ist sie in letzter Zeit wiederholt gestellt worden, auch wieder z. B. von achtbaren Persönlichkeiten aus dem Ausland —, ob wir denn meinten, Ost-Berlin, der andere Teil der Stadt, müsse oder könne nun in aller Form aus der DDR wieder ausgegliedert werden. Ich möchte den Betreffenden sagen — ich habe ihnen so geantwortet und werde ihnen auch weiter so antworten —: wir wollen jedenfalls nicht, daß West-Berlin aus der Obhut der drei westlichen Schutzmächte gelöst oder daß deren Verantwortlichkeit ausgehöhlt wird.

    (Beifall bei allen Fraktionen.)

    Das ist alles, was wir zur Zeit können. Das ist das
    Wenige, was wir bewirken können, angesichts dessen, was nicht mehr rückgängig zu machen ist, jedenfalls nicht, bevor es eine endgültige friedensvertragliche Regelung geben wird. Durch das Festhalten an diesem Recht der Ausübung der obersten Gewalt in Berlin (West) durch die Drei Mächte, die zusammen mit einer vierten sich in die Viermächte-Verantwortlichkeit für ganz Berlin teilen, solange es keine friedensvertragliche Regelung gibt, haben wir wenigstens eine gewisse Sicherheit dafür, daß der Prozeß, der mit Ostberlin vorgenommen worden ist und dem es ausgeliefert war, nun nicht auch in Zeiten, die ich jetzt hinsichtlich der Länge nicht definieren will — auch nicht partiell —, auf den anderen Teil der Stadt übergreift. Das sind wir allen schuldig, nicht nur denen, die Einwohner West-Berlins sind, und denen, die unter schwierigen Verhältnissen als Einwohner des anderen Teils Berlins leben müssen, nein, auch all den anderen, die zum Teil unter Verhältnissen leben, in denen sie nicht einmal wirklich ungefälscht vernehmen können, ob wir uns denn überhaupt noch Gedanken über sie und über das machen, was uns gemeinsam ist. Das jedenfalls möchte ich hier gesagt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)

    Die Vereinigten Staaten von Amerika und die UdSSR bleiben in Berlin für den Status Berlin verantwortlich. Daran darf nicht — selbst wenn wir meinen, daß das vielleicht etwas wäre, was das komplementieren könnte — gerührt werden. Ich sage das deshalb, damit wir uns das genau überlegen. Wenn West-Berlin — und das wollen wir in einer absehbaren Zeit auch erreichen — die Gelegenheit bekommen soll und muß, eine konstruktive Rolle auch für die Verbesserung des Verhältnisses zwischen West und Ost in Deutschland — und, wir hoffen, auch ein wenig darüber hinaus — zu spielen, so muß gesichert bleiben, daß die Vereinigten Staaten von Amerika und die UdSSR — ich will dabei Großbritannien und Frankreich nicht einfach unerwähnt lassen; aber hier geht es vor allen Dingen um diese beiden Großen — in Berlin für den Status von Berlin verantwortlich bleiben. Und insofern — bei allem Respekt vor den aufrichtigen Bemühungen, Berlin und die Teile Deutschlands durch vertragliche Regelungen zwischen Bonn und Ostberlin in geregeltere Verhältnisse zueinander zu bringen was Berlin betrifft: die Verantwortlichkeiten der Mächte, die in Berlin (West) de jure die Gewalt haben, nicht einschränken oder erschlaffen zu lassen, das ist es, worum es hier geht, und nicht da irgend einen Überbau zu versuchen. Ich unterstelle dem nichts; ich unterstelle, daß es aus ehrlicher Sorge geschieht. Ich habe die Hoffnung— ich nehme an, manche hier im Hause teilen sie mit mir — aus den Erklärungen des Präsidenten der Vereinigten Staaten bei seinem Berlin-Besuch unlängst geschöpft, daß er bemüht sein wird, das, was am Status Berlins verbesserungsfähig ist durch Garantien der Mächte zu verbessern, daß er sich aber eindeutig gegen einseitige Veränderungen des Status ausgesprochen hat. Ich halte das für verbindlich und für verbindlich zu nehmen. Wir sollten das nicht nur würdigen, sondern auch für unsere eigenen Überlegungen immer parat haben.



    Bundesminister Wehner
    Schließlich noch einiges ergänzend zu dem, was zu Frage 9 gesagt worden ist. Wir Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland sind nicht frei, uns entweder für Verständigung einzusetzen und konkret um Verständigung bemüht zu bleiben oder das Gegenteil zu tun bzw. die Dinge treiben zu lassen. Wir sind nur theoretisch frei. Wenn wir es ernst nehmen mit unserer eigenen Lage und mit der moralischen Verpflichtung, aber auch mit den Interessen, dann sind wir nicht frei in der Wahl. Wir können uns dann wirklich nur für Verständigung einsetzen und konkret um Verständigung bemüht bleiben. Da wird immer kritisch etwas zu verbessern sein, damit man nicht außer acht läßt, was unter diesen schwierigen Bedingungen vielleicht doch noch zusätzlich gemacht werden kann.
    Die Bundesrepublik hat sich, so möchte ich es ausdrücken, der Aufgabe verpflichtet, dem ganzen deutschen Volk zu helfen, in freier Selbstbestimmung über seine Zukunft entscheiden zu dürfen. Wir können das nicht an Stelle aller Deutschen schlechthin. Aber ohne uns, diesen Faktor der Politik, ginge es eben auch nicht. Wenn wir darüber ernsthaft reden, kommen wir zu einer Relativierung dessen, was z. B. über den Alleinvertretungsanspruch gesagt und in die Welt gesetzt und von manchen — allerdings auch noch sogar bis in den zwischenstaatlichen Verkehr hinein — mißverstanden wird.
    Aber um noch ein Wort von der Pflicht zu sagen: wer vermöchte uns aus dieser Pflicht, die wir uns auferlegt haben, zu entlassen? Meiner Ansicht nach theoretisch nur das ganze deutsche Volk. Wir haben, wenn wir dieser Pflicht gerecht werden wollen, eine Menge — und darunter sehr viel unbequeme —. reale Faktoren zu beachten. Wir haben sie so zu behandeln, daß wir durch sie nicht erdrückt werden oder am Bemühen um die Erfüllung unserer Pflicht gehindert werden.
    Wenn in diesem Jahr „20 Jahre Grundgesetz" in Erinnerung gebracht wird, dann wird es, nehme ich an, für manche reizvoll, für andere erschütternd oder packend sein, noch einmal zu hören, vielleicht auch sich selbst zu vergegenwärtigen und zu prüfen, unter welchen Vorstellungen man damals, vor 20 Jahren, das begriffen hat, was im Grundgesetz über die Verhältnisse der getrennten Deutschen zueinander steht und wie wir es nun weiter damit zu halten versuchen müssen.
    Wenn ich jetzt eine Frage stelle -- eine Frage, die viele andere sich auch stellen —, so ist es die: würde es zu einer objektiven Verbesserung der Lage für uns und im Sinne dieser Verpflichtung führen, lohnt es sich, sich etwa darüber zu zerstreiten, ob im anderen Teile Deutschlands staatliche Gewalt oder Staat existiert oder nicht oder ob wir oder ob wir nicht diese Existenz zu erkennen oder, insoweit sie eben Existenz ist, anzuerkennen hätten?
    Wir haben gesagt: Unser Rechtsstandpunkt soll kein Hindernis gegen Verhandlungen und Regelungen sein, die zwischen Behörden erforderlich werden können oder hier und dort schon erforderlich sind, wobei wir keine behördlichen Ebenenbegrenzungen aufgestellt haben. Das finde ich, ist eine Brücke. Ich
    wäre froh, wenn es ungeachtet der in dieser Beziehung nicht ohne weiteres zur Hoffnung berechtigenden Bemerkung des verehrten Kollegen Schultz, der hier für die FDP-Fraktion begründet hat, dort nicht als ein Vorwurf, sondern als eine ehrlich gemeinte Mahnung verstanden würde. Diese Brücke sollte niemand, auch die FDP nicht, in ihrem Wert herabsetzen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Es ist keiner vollkommen. Aber wenn es so ist, daß sich aus der Regierungserklärung ableiten läßt, daß unser Rechtsstandpunkt, über den es diese und jene Auffassung geben mag, kein Hindernis dort sein soll und wird, wo aus Gründen, die nicht bei uns, sondern in den Verhältnissen — wie sie von den anderen entwickelt worden sind — liegen, Verhandlungen über Regelungen mit den Behörden der anderen Seite notwendig sind, dann sollte man das als Brücke benutzen und sagen und zeigen: In diesem Punkt sind wir ungeachtet sonstiger Unzufriedenheiten miteinander einer übereinstimmenden Auffassung. Das kann doch einem Staat wie diesem einmal guttun, wenn er nicht nur Kontroversen auszutragen hat und schließlich damit — —

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, solange unser ganzes deutsches Volk nicht in der Lage ist, an den Umständen etwas Grundlegendes zu ändern, müssen wir zu unserem Teil und bescheiden in unserem Teil tun, was in unserem Vermögen steht, damit dieses Volk nicht mit sich selbst zerfällt. Das müssen wir auch in unserer Verantwortung gegenüber Europa und in unserer Verantwortung für den Frieden der Welt, die wir mittragen wollen, tun.
    Ich möchte noch einmal auf den Gegenstand zurückkommen, der diese Debatte ausgelöst hat. Herr Kollege Schultz hat hier gesagt, wenn die Bundesregierung nicht dem Vorschlag entspreche, der mit diesem Antrag verbunden ist, dann sei das von Vorteil für diejenigen, die er die Konservativen drüben nennt. Dazu möchte ich zu bedenken geben, auch wenn es in dieser Debatte noch nicht zu einer völligen Übereinstimmung in diesem Punkt kommen kann: es kommt auf diesem Feld auf Schritte an, ja, wie ich sagen möchte, sogar auf Millimeterveränderungen der Lage, nicht in dem Sinne, den man uns von drüben unterstellt, sondern im Sinne des Dichterwerdens eines Gewebes der Verhandlungsbereitschaft und auch der Verhandlungspraxis und der Regelungen, auch wenn sie keine komplette oder umfassende Form annehmen, zur Zeit annehmen können und vielleicht noch geraume Zeit nicht annehmen werden. Die einen werden das sogar für einen Vorteil halten. Andere werden finden: Schade. Selbst in diesem Punkt sollten wir eine übereinstimmende Stelle finden, nämlich, daß es auf Regelungen ankommt, so viele eben nur möglich sind, durch die im beiderseitigen Interesse etwas Positives für den Zusammenhalt unseres geplagten Volkes getan werden kann.
    Es ist eine bescheidene Bilanz. Sie würde im Ausschuß ein wenig belegt werden können. Aber



    Bundesminister Wehner
    es ist etwas, was wir nicht beliebig Wind und Wetter aussetzen dürfen, wenn wir nicht lebensgefährliche Beschädigungen mitverschulden wollen.
    Ich danke für Ihre Geduld.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Karl Mommer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren. Ich eröffne die Aussprache.
Ehe ich das Wort gebe, gestatten Sie mir eine Bemerkung. Während ich hier vorgestern amtierte und wir über die Finanzreform abstimmten, hat Herr Abgeordneter Neumann (Berlin) unserem Kollegen Dorn einen Zuruf gemacht, den weder ich noch einer der amtierenden Schriftführer gehört haben. Hätte ich den Zuruf gehört, hätte ich ihn scharf rügen müssen. Ich mußte diese Bemerkung jetzt machen, weil der Zuruf im Protokoll verzeichnet steht.

(Zuruf: Was hat er denn gesagt? — Weitere Zurufe.)

— Man soll Beleidigungen nicht wiederholen.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter von Wrangel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Baron Olaf von Wrangel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben allen Grund, der Bundesregierung für die Antwort dankbar zu sein, die sie den Fragestellern gegeben hat, und wir haben, Herr Bundesminister Wehner, auch allen Grund, Ihnen für die Ausführungen zu danken, die Sie hier gemacht haben. Es ist Ihnen gelungen — dies richtet sich auch an Sie, meine Damen und Herren von der FDP —, die öffentliche Diskussion über die Deutschlandfrage, die sich dann und wann in einem Höhenflug befindet, wieder auf den Boden der Realitäten zu bringen. Wir in diesem Hohen Hause haben doch alle die Pflicht, den Denkprozeß anzuführen und nicht irgendwelchen Hoffnungen nachzujagen, von denen wir genau wissen, daß sie sich nicht erfüllen lassen. Ich möchte davor warnen, immer wieder Spaziergänge in trügerische Gefilde zu unternehmen, in denen sich Diktaturen harmlos darstellen und Tyranneien verniedlicht werden. Das führt dann auch dazu — und das betrifft die Bundesrepublik Deutschland in hohem Maße —, daß z. B. auch Demokratien wie unsere eigene Demokratie abgewertet werden könnten. Dem müssen wir doch alle entgegenwirken.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich möchte nicht auf die Fülle von Äußerungen eingehen, die zum Thema Deutschlandfrage gemacht worden sind. Eines müssen wir aber und dürfen wir auch, wie ich glaube, in diesem Zusammenhang einmal klar sagen. Sehen Sie, Herr Schultz, die FDP z. B. wendet sich in Inseraten an unsere Mitbürger in der Bundesrepublik und fragt, ob diese Mitbürger für Beziehungen mit der anderen Seite sind. Hier wird doch einfach der falsche Adressat angesprochen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Frage müssen Sie doch an Ostberlin und nicht an uns stellen.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

    Dies sollte man außerdem dann nicht auch noch mit dem Etikett „Fortschritt" versehen.

    (Zuruf des Abg. Scheel.)

    Wir haben alle ein Interesse daran — und ich sage das jetzt wirklich nicht an Ihre Adresse, Herr Kollege Scheel —, daß die Deutschlandpolitik, wenn wir die innenpolitische und die außenpolitische Landschaft ansehen, nicht zu einer Art Exerzierplatz für Träumer, Demagogen und Schwätzer gemacht wird. Leider geschieht dies häufig in der öffentlichen Diskussion.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich gebe zu, daß Denkmodelle nötig sind, ja, es mag Situationen geben, wo sogar Vertragsentwürfe einen Wert haben könnten. Wir sollten aber eines nicht glauben und vor allen Dingen eines auch unserer jungen Generation nicht sagen: daß Denkmodelle am Grünen Tisch eine realistische und schwierige und so komplizierte Politik ersetzen könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der FDP: Das tut doch niemand! — Halten Sie Ihre Politik für realistisch? — Weitere Zurufe von der FDP.)

    — Herr Kollege von Gemmingen, ich habe gesagt: Das richtet sich an uns alle. Ich will hier keinen billigen Streit vom Zaun brechen; daran liegt mir nichts. Aber einige Gesichtspunkte muß man erwähnen, wenn man Äußerungen liest, die mißverständlich sind. Einige sind es mit Sicherheit.
    Herr Bundesminister Wehner hat Punkt für Punkt das gesagt, was die Bundesregierung zu Ihrer Anfrage zu sagen hat. Ich will das jetzt hier nicht wiederholen. Wir teilen den Standpunkt der Bundesregierung. Aber einen Gesichtspunkt möchte ich herausstellen. Ich glaube, daß gerade in unserer Lage Verhandlungen am Anfang und Verträge am Ende von Verhandlungen stehen müssen und nicht umgekehrt. Verträge sind nicht unbedingt ein Instrument, um das herbeizuführen, was Herr Bundesminister Wehner — so habe ich ihn verstanden — „ein Minimum an Interessenidentität" genannt hat. Solange es diese Interessenidentität nicht gibt, so lange wird man auch kein Verhandlungsziel erreichen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Wenn hier von „Schönwetter" und „Schlechtwetter" gesprochen wurde, so möchte ich dazu sagen: Niemand sollte sich hier als eine Art gesamtdeutscher Petrus betätigen. Es ist immer der tragische Irrtum vieler Plänemacher gewesen, daß sie glaubten, Schönwetterperioden mit Plänen herbeiführen und Schlechtwetterperioden durch Pläne abwenden zu können.
    Herr Bundesminister Wehner hat gesagt, daß vieles an diesem Entwurf Gedanken entspricht, die von der Bundesregierung entwickelt worden sind. Ich glaube, es ist — bis auf einige Punkte, von denen



    Baron von Wrangel
    ich dann noch sprechen will — in der Tat so, daß das, was vom Herrn Bundeskanzler dankenswerterweise vor zwei Jahren diesem Hohen Hause vorgetragen wurde, uns nun in gebündelter Form, zum Teil mit anderen Worten, von Ihnen nun vorgelegt worden ist.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    So entbehrt, muß ich sagen, dieser Vertragsentwurf der Originalität.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dorn: Dann können Sie ihm doch auch zustimmen!)

    Man sollte nicht so tun, meine Damen und Herren, als könne man die Partnerschaft allein herbeiführen. Zur Partnerschaft gehören zwei. Aber den kalten Krieg kann man leider allein führen; und dieser bedauerlichen Situation sehen wir uns ausgesetzt. Wir können nicht von Normalisierung sprechen, wenn der Partner, den wir suchen, aber nicht haben, sich so anomal verhält wie Ostberlin.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier ist von den Zielen der sowjetischen Politik gesprochen worden. Ich möchte das hier nicht in epischer Breite noch einmal sagen, aber feststellen. Wir müssen doch auch wieder erwähnen, welche Funktion Ostberlin im sowjetischen Konzept hat. Gerade die Vorgänge des vergangenen Jahres, aber auch die Vorgänge in diesen Tagen zeigen doch, daß sich Ostberlin leider als Speerspitze einer aggressiven, ideologischen, ja leider auch militaristischen
    Politik versteht oder sich als solche Speerspitze willig benutzen läßt.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Diese Meinung entspringt doch nicht einer öden, blutarmen, einfallslosen Anti-Haltung oder einem einfallslosen Kaltkriegerdenken, sondern dies ist eine Feststellung, die wir mit Bedauern treffen müssen.
    Ich möchte im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion besonders dem Herrn Bundeskanzler von dieser Stelle aus einmal dafür danken, daß er mit Beharrlichkeit und großem Mut, ohne sich durch einen falschen Mobilismus drängen zu lassen, immer wieder seine Verhandlungsangebote ohne Vorbehalte und ohne Ebenendiskussion bekräftigt. Wir, Herr Bundeskanzler, werden Sie in dieser offenen Politik immer unterstützen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir bedauern es nur, Herr Bundeskanzler, daß diese Ihre Verhandlungsbereitschaft und diese Ihre solide Politik durch die Deutschlanddiskussion, die oft mit falschen Akzenten geführt wird, von der Öffentlichkeit nicht so zur Kenntnis genommen wird, wie sie es verdient.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein anderer Fehler wird ebenfalls in der Diskussion gemacht. Ich denke an den Vertragsentwurf der FDP. — Ich wäre dankbar, Herr Kollege Scheel, wenn Sie mir eine Sekunde zuhörten, denn es handelt sich um eine sehr wichtige Frage.

    (Zuruf des Abg. Scheel.)

    — Ja, ich weiß, daß ein Parteivorsitzender, der auf Jagd geht, besonders viel zu tun hat, Herr Kollege Scheel.
    Aber, Herr Kollege Scheel, man darf doch nicht in die Versuchung verfallen, zu glauben, daß man durch eine verbale Anpassung an Teilforderungen der anderen Seite in der Substanz weiterkommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist ein großer Fehler, der immer wieder gemacht wird. Ich fürchte, wenn wir uns — .das muß man gerade jetzt sagen — auf solche verbalen Abkommen einließen, die die weitergehenden Ziele, von denen auch Herr Minister Wehner sprach, nicht im Auge behielten, wenn wir solche Verträge schlössen, dann würden diese Verträge nicht den Geist der Entspannung atmen, nicht den Geist der Partnerschaft, nicht den Geist des geregelten Nebeneinanders und auch nicht den Geist einer wirklichen Kooperation im weisteten Sinne, sondern — das müssen wir warnend erklären — den Geist von München, und eine solche Entwicklung wollen wir doch gerade verhindern.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Scheel: Was meinen Sie damit?)

    — Herr Kollege Scheel, ich glaube, daß es notwendig ist, immer wieder — das kam in der Begründung vom Herrn Kollegen Schultz viel zuwenig zum Ausdruck — zu sagen, daß die deutsche Frage in den ungewöhnlich komplizierten internationalen Zusammenhang gestellt werden muß

    (Abg. Scheel: Und was tun Sie dazu?)

    und daß die Deutschlandpolitik immer ein Stück der auswärtigen Politik ist. Man darf wohl sagen, daß die nationalen Interessen der Bundesrepublik Deutschland und des deutschen Volkes durchaus mit den nationalen und europäischen Interessen Deutschlands identisch sind. Das hat mit Nationalismus nichts zu tun.
    Wir haben gerade in der Deutschlandfrage die Pflicht, die Glaubwürdigkeit der deutschen Politik immer wieder in den Mittelpunkt aller unserer Überlegungen zu stellen. Wer den Katalog kennt — er fängt an mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie und setzt sich fort mit der Forderung nach Anerkennung eines zweiten deutschen Staates, natürlich nach völkerrechtlicher Anerkennung, mit der Forderung nach Umwandlung West-Berlins in eine freie Stadt, nach Denuklearisierung der Bundesrepublik Deutschland, sprich: Abbau der amerikanischen Präsenz; neuerdings werden noch die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland zur Debatte gestellt —, der kann doch nur eines feststellen: Diese Bundesregierung hat wie frühere Bundesregierungen auf Gewalt verzichtet. Sie hat Angebote gemacht. Sie hat auf ABC-Waffen verzichtet. Dies alles wird als revanchistisches Getue abgetan. Meine Damen und Herren, wer uns das nicht glaubt, wird uns die Unterschrift unter Kapitulationsurkunden auch nicht glauben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Bundeskanzler, erlauben Sie, daß ich in diesem Zusammenhang eine Frage — und eine



    Baron von Wrangel
    Bitte — an Sie richte, da ich weiß, daß Sie sich ganz besonders in dieser Frage engagiert haben. Wir beobachten alle mit Sorge, daß sich in die internationale Politik, wenn man die sowjetischen Forderungen berücksichtigt, mehr und mehr so etwas wie ein sektoraler Moralismus einzuschleichen beginnt. Ich glaube, daß die Bundesregierung gerade bei allen kommenden Verhandlungen die Frage in den Mittelpunkt stellen muß, ob eine deutsche Unterschrift geglaubt wird oder nicht und ob deutsche Unterschriften nur dazu benutzt werden, uns weiter in die Defensive zu drängen.
    Herr Bundesminister Wehner hat heute und bei früheren Gelegenheiten etwas gesagt, worin ich ihm nur von Herzen zustimmen kann. Wir wollen uns nicht auf juristische Haarspalterei einlassen, aber es ist ja in der Tat so, daß, wenn wir — und das möchten wir — an einer Friedensordnung, an einer funktionsfähigen Völkerrechtsordnung arbeiten, wir doch nicht selber Rechtstitel aus der Hand geben können, die eine solche Ordnung zerstören.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Ich möchte nicht die vielen Gründe anführen, die gegen eine völkerrechtliche Anerkennung Ostberlins sprechen. So viel steht fest: Wer den anderen Teil Deutschlands zum Ausland macht, wird über Menschlichkeit nicht mehr verhandeln können.
    Es gibt weitergehendere Probleme, die damit zusammenhängen. Ich will hier eines erwähnen. Stellen Sie sich einmal vor, daß zwischen Bonn und Ostberlin so etwas wie diplomatische Beziehungen bestünden. Würde es nicht bei dem Verhalten der anderen Seite das nächste Ziel sein, diese diplomatischen Beziehungen als Druckmittel zu benutzen, um Einfluß auf die innere Gestaltung der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen? Meine Damen und Herren, dies würde uns doch so stark in die Defensive drängen, daß der Spielraum der deutschen auswärtigen Politik vollends zusammenschrumpfen müßte.
    Ich wende mich hier noch einmal an die Fragesteller. Hier gehen die Worte „Alleinvertretung" und „Hallstein-Doktrin" um. Das sind Formeln, die einer Interpretation bedürfen. Daß es eine Vertretungspflicht gibt, hat Herr Minister Wehner ja gesagt. Mit Sicherheit gibt es eine nationale Sorgepflicht. Es würde aber zu weit führen, das hier zu interpretieren. Zu dem, was Sie Hallstein-Doktrin zu nennen pflegen, möchte ich nur eins sagen. Wenn wir in der internationalen Politik einer Entwicklung Vorschub leisten, die dazu führt, daß Staaten und Staatengruppen Ostberlin anerkennen, ist die völkerrechtliche Anerkennung nicht aufzuhalten. Deshalb müssen wir diese Nichtanerkennungspolitik ganz entschieden fortsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir leiden sicherlich alle unter dem inneren Drang, daß wir etwas erreichen wollen und etwas voranbringen möchten und müssen. Wir sollten uns aber davor hüten — um ein Bild zu gebrauchen —, eine eingebildete Einbahnstraße zu befahren, die angeblich aufgetaut ist,
    obwohl sie durch die Fortführung des kalten Krieges i der anderen Seite längst überfroren ist. Auf diese Weise kämen wir ins Schleudern, nicht nur eine Partei, sondern die Bundesrepublik als Ganzes.
    Erlauben Sie mir, daß ich nach der Begründung der Großen Anfrage und nach der Antwort von Herrn Bundesminister Wehner noch einmal die Frage stelle, ob dieses Hohe Haus sich an die Resolution vom 26. September 1967 gebunden fühlt. Herr Kollege Scheel, einem Teil haben Sie nicht zugestimmt; aber sonst haben Sie weiten Passagen der Resolution Ihre Zustimmung nicht versagt. Wenn Sie sich nicht an diese Resolution gebunden fühlen, muß dies hier heute erklärt werden. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur aus der Ziffer 6 zitieren:
    Sie
    — gemeint ist die Bundesrepublik —
    spricht auch für jene, denen bisher mitzuwirken versagt ist. Die Anerkennung des anderen Teils Deutschlands als Ausland oder als zweiter souveräner Staat deutscher Nation kommt nicht in Frage.
    Wir sagen dann in Ziffer 7 dieser Resolution:
    Der Deutsche Bundestag wird alle Verhandlungen und Maßnahmen der Bundesregierung unterstützen, die zum Wohle der Menschen im gespaltenen Deutschland und im Interesse des Zusammenhalts der Nation möglich sind.
    Dies sind entscheidende Punkte, und wir wollen wissen, ob wir uns alle weiterhin an diese Politik halten. Das ist auch für das Wahljahr entscheidend;

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    denn wenn es um die Frage der nationalen Existenz unseres Volkes geht, dürfen wir uns auch im Wahljahr nicht in kleinlichem demagogischem Streit verlieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist uns, der CDU/CSU, sicherlich erlaubt, daß wir auch in dieser Debatte — wir werden ja immer so gerne verketzert — auf eine Kontinuität unserer eigenen Politik hinweisen. Damals ist die Bundesregierung auch von Ihnen mit getragen worden. Es gibt Marksteine dieser kontinuierlichen CDU/CSU-Politik, zu der z. B. auch der westliche Friedensplan gehört, der später wiederholt modifiziert wurde. Bereits damals sind gesamtdeutsche Kommissionen von uns angeregt worden, und damals wurde doch der Zusammenhang zwischen allgemeiner kontrollierter Abrüstung, regionaler Abrüstung und deutscher Frage hergestellt. Ich darf Sie vielleicht an das Memorandum vom 21. Februar 1962 erinnern, dessen Verfasser, Herr Bundesminister Schröder, hier auf der Regierungsbank sitzt. Auch in diesem Memorandum war der Gewaltverzicht enthalten. Leider blieb dieser Vorschlag unbeantwortet. Ich darf an die Friedensnote des Jahres 1966 erinnern, die den Beifall des ganzen Hauses gefunden hat und in der gerade der Gewaltverzicht sehr gut und sehr klar präzisiert worden ist. Herr Bundeskanzler Kiesinger ist einen entscheidenden Schritt weitergegan-



    Baron von Wrangel
    gen — ich erwähnte es schon —, und wir folgen ihm gern auf diesem Weg der offenen Verhandlungsbereitschaft, der ausgestreckten Hand, die leider mit einer Faust von drüben beantwortet wird.
    Der Herr Bundesminister Wehner hat heute morgen etwas kritisch vor dem Begriff „Modell" gewarnt. Wenn wir sagen, daß die Bundesrepublik Deutschland als Modell entwickelt werden soll, so sollte dies nicht zu Mißverständnissen führen. Aber ich glaube, daß sich die Bundesrepublik, gerade wenn wir eine junge Generation für diesen Staat gewinnen wollen, als nachahmenswertes, demokratisches, friedfertiges Modell verstehen muß. Damit würden auch die sachlich orientierten Kräfte auf der anderen Seite aufgefordert, eines Tages mit uns — hoffentlich — in ein Gespräch zu kommen. So ist es auch gemeint, wenn wir sagen, daß wir die Provisoriumsdiskussion nicht mit falschen Akzenten führen dürfen. Ich glaube, daß der Modellcharakter immer etwas Vorläufiges hat, daß mit Sicherheit nicht Anschluß damit gemeint ist. Er ist als Angebot gedacht. Mein Berufskollege und Freund Dietrich Schwarzkopf hat dies heute morgen in der „Welt" sehr richtig dargestellt.
    Aber, meine Damen und Herren, wir dürfen dann bei der Obhutspflicht der Westmächte in Berlin und bei allen Vorbehalten, die man selbstverständlich durch den Berlinstatus machen muß, auch sagen, daß West-Berlin, wenn wir die Bundespräsenz nicht abbauen wollen — und das wollen wir nicht —, selbstverständlich auch zu diesem Modellbereich gehören sollte. Ich will hierzu nur ein paar Sätze sagen. Es scheint mir für Berlin tödlich zu sein, so etwas wie eine völkerrechtliche Anerkennung auch nur ins Auge zu fassen.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Wer dies tut, legt doch die Axt an die Wurzel von West-Berlin. Ich kann mir im Augenblick gar nichts davon versprechen, die Viermächte-Verantwortung auch nur irgendwo anzutasten oder gar zu demontieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir demontieren damit unsere eigene Verhandlungsposition. Dies ist nicht ein Alibi, um selber nichts zu tun, sondern dies gehört zu dem Kapitel, das Herr Bundesminister Wehner erwähnte. Die Viermächte-Verantwortung für Deutschland muß fortbestehen. Wir können doch nicht erwarten, daß andere Länder sich für uns engagieren, wenn wir sie selber aus ihrer Verantwortung für Deutschland entlassen.
    Ich möchte noch einmal das herausstellen, was ich eingangs gesagt habe: Vieles gehört zur Verhandlungsposition der Bundesrepublik Deutschland. Das Wichtigste ist das, was der Herr Bundeskanzler versucht, nämlich in zähem Ringen in allen internationalen Feldern voranzukommen. Dies ist sehr kompliziert. Hier kann man mit Schlagworten nicht arbeiten.
    Das Zweite ist, daß wir natürlich alles tun müssen, um unsere Politik im Westen abzusichern, und daß ein wesentliches Stück unserer Ostpolitik immer eine
    aktive Westpolitik sein muß. Und Westpolitik bedeutet nicht Verzicht auf Politik schlechthin.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es kommt hier aber noch ein Gesichtspunkt hinzu. Meine Damen und Herren, wenn eine Anerkennungspartei in diesem Lande wächst, muß man sich auch fragen, was wir morgen als Verhandlungspartner noch wert sind, wenn diejenigen, die mit uns vielleicht verhandeln würden, hoffen dürfen, daß ihnen alles ohne Verhandlungen in den Schoß fallen wird; sie hoffen, daß sich die Deutschen eben doch durch Pressionen in die Ecke drängen lassen, in die die Sowjetunion sie drängen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Deshalb verfolge ich mit großer Sorge — ich sage das ohne Schadenfreude — die Diskussionen, die sich auf der linken und rechten Seite in den Parteien in Fragen der völkerrechtlichen Anerkennung entwickeln. Wohlgemerkt, ohne Schadenfreude, aber mit großer Sorge.
    Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU weiß, daß es schwierig ist und immer schwieriger wird, eine maßvolle, vernünftige Politik im Zeitalter von Schlagworten und Formeln populär zu machen. Wir werden aber versuchen, dieser Popularitätseffekthascherei nicht zum Opfer zu fallen. Wir glauben, daß die CDU/CSU in jedem Fall dieser maßvollen, vernünftigen, realistischen Politik allen Widrigkeiten zum Trotz treu bleiben muß. Dies ist auch ein Stück unseres eigenen demokratischen Verständnisses.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)