Herr Kollege Damm, ich stimme Ihnen bei, daß Sie eine gewisse lokale oder regionale Erfahrung haben. Aber ich habe auch schon zu meinen Freunden in Hamburg gesagt: Zu gut gewonnene Wahlen können die besten Parteien verderben;
und Sie wissen ja, wer die Wahlen in Hamburg gewonnen hat.
Und nun, Herr Schultz, darf ich midi etwas mit der Frage auseinandersetzen, die Sie hier ins Spiel gebracht haben, ob das alles so gelaufen ist, wie Sie sich das wünschen, oder nicht. Es gab erst eine Geschäftsordnungsdebatte darüber. Ich rede
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von dem Organisationsgesetz. Da haben Sie so zu mir hingeguckt und mich auch direkt angesprochen. Sie ließen keine Fragen zu; daher muß ich jetzt, erst sehr lange danach, darauf zurückkommen. Sie nehmen mir das sicher nicht übel.
Die Sozialdemokraten bleiben bei dem, was sie 1964 in Karlsruhe als ihren Beitrag zur Diskussion geliefert haben. Das ist kein Glaubenssatz, der unabdingbar von allen Leuten übernommen werden muß, aber das ist unser Beitrag zu dieser Debatte. Wir glauben wirklich, daß das Verteidigungsministerium besser organisiert wäre, wenn wir einen Bundeswehr-Führungsstab mit dem Generalinspekteur an der Spitze hätten. Da fangen Sie nun schon an, darüber zu reden, ob der nach B 11 oder B 11 plus Zulage muß und ob er gleichgestellt werden muß. Das ist eine Frage, die wir in sehr ruhiger Abwägung und sehr nüchtern prüfen müssen. Ich habe nichts gegen den amtierenden Generalinspekteur, ich habe auch nichts gegen seine Vorgänger. Aber ich meine, wir sollten es uns nicht so einfach machen, daß man hier im Plenum einen Vorschlag macht und sagt: Da muß eine Gleichstellung erfolgen.
— 1964!
— Sie reden von mir. Ich habe natürlich meine Meinung. Es ist ja auch mein gutes Recht, meine Meinung zu haben. Aber das muß doch nicht die Meinung der Sozialdemokratischen Partei sein. Man muß dann nämlich auch darüber reden, welche Stellung dieser Herr haben soll, ob er wirklich über allen Soldaten stehen soll oder ob er eine Art Joint Chief of Staff sein soll, ob seine drei Inspekteure und er zusammen ein Teekränzchen bilden, das sich einig werden muß, bevor sie zu ihrem Minister gehen und sagen, was sie wollen. Ich meine, es kommt hier im wesentlichen darauf an, daß wir erst einmal ein paar Richtpunkte setzen.
Sie wünschen, daß wir über das Organisationsgesetz reden. Dazu wird es Gelegenheit geben.
— Ja, gut.
Jetzt komme ich zu den Reservisten, die Sie so angepriesen haben. Herr Ollesch, dabei nehme ich gleich ein Argument von Ihnen auf. Sie haben vorgetragen, ich hätte — korrekterweise haben Sie erwähnt, daß das vor der Krise in der CSSR war — mich geäußert, daß eine zu starke Bundeswehr eine außenpolitische Belastung sein könne. Ich habe das nicht mit dem Pathos gesagt, wie Sie es hier gemacht haben.
— Natürlich, Sie sind ja Opposition und müssen auch reden.
Aber 'ich erinnere Sie daran, Herr Ollesch, was der Kollege Kopf hier in anderem Zusammenhang gesagt hat:
Wir sind zur Zeit in der Situation, daß wir hier
in Europa eine der härtesten Währungen haben.
Wir sind in der Situation, daß wir wirtschaftlich eine Macht darstellen, die Beachtung findet und die als eine starke Handelsnation dasteht. Wir müssen darauf achten, daß wir auch im Rahmen befreundeter Mächte nicht das Odium erhalten: Man muß nur einen Krieg verbrecherisch vom Zaun brechen, und man muß dann nur noch den Krieg verlieren, dann dauert es etwa 20 Jahre, dann steht man am besten in der Welt ida.
So einfach ist die Sache leider nicht, Herr Ollesch, daß die stärkste konventionelle Macht uns ohne weiteres auf die Butterbrotseite schlagen würde.
Das ist auch mein Bedenken bei den Reservisten. Ich höre bei Ihnen immer in den Untertönen: wir haben 1,2 oder 1,3 Millionen ausgebildet. Es gibt schon Leute — ich sage nicht: bei Ihnen, aber in den Zeitungen —, die ausrechnen, wann es zwei und wann es drei Millionen Reservisten sind! Da müssen doch einige Leute in der Welt vor uns Furcht bekommen. Die Geschichte hat nicht erst heute angefangen, sondern sie hat einen langen Verlauf, und in unserer Geschichte gibt es ein paar undeutliche, dunkle Punkte, die wir mit einer klugen und behutsamen Politik langsam in eine Position bringen müssen, daß die anderen in der Welt, mit denen zusammen wir Politik betreiben müssen und auf deren Zusicherungen und Einhaltung von Zusicherungen im Bündnis wir angewiesen sind, Vertrauen zu uns erhalten und ihre Zusicherungen gern erfüllen.
Hier ist sehr viel von der atomaren Komponente gesprochen worden. Dabei kommt mir immer in den Sinn, daß der unbeteiligte Zuhörer oder derjenige, der das Protokoll einmal nachliest — das tun ja sehr viele Leute —, den Eindruck gewinnen muß, daß die Bundeswehr zwei gleiche Teile hat; da ist der konventionelle Teil, und da ist die atomare Komponente. Sie, Herr Jung, und Sie, Herr Ollesch, und Sie, Herr Schultz, wissen ganz genau, wie stark z. B. beim Strike unser Anteil an der atomaren Komponente ist. Vielleicht hätte ich sagen müssen: wie schwach. Ich weiß nicht, ob ich den Prozentsatz hier nennen darf. Er liegt weit unter 10 %. Und wenn Sie 10 durch 2 teilen, dann haben Sie den Anteil immer noch nicht erreicht. Ich weiß aber nicht, ob das ein 'Staatsgeheimnis ist; in Deutschland ist ja so viel geheim. Wir sind 'also dabei.
Herr Jung, Sie sagen immer wieder, wir könnten das aufgeben. Wir können das nur dann aufgeben, wenn jemand anders im Bündnis bereit ist, diese uns zugeteilte Arbeit zu übernehmen. Und das möchte zur Zeit keiner. Es hat auch gar keinen Sinn, immer wieder so zu tun, als würden die Amerikaner oder als würden die Engländer oder als würde sonst jemand uns das abnehmen; die anderen haben nämlich auch ihre Argumente, die dafür sprechen, uns zu beteiligen. Herr Jung, mancher in Zivil, mancher in Uniform und mancher in der Politik hat erst durch die Beteiligung an dieser Komponente in dem schwachen Prozentsatz gelernt, was diese Waffen zu leisten vermögen und was sie nicht zu leisten vermögen. Und für manchen waren diese Lektionen nützlich, und manchen haben sie nachdenklich gemacht. Einer sitzt ja hier.
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Sie haben das also irgendwann einmal gelernt, als eine Übung stattfand, von der Sie nun behaupten werden, wer den zweiten Teil dort nicht mitgemacht habe, der dürfte in diesem Hause eigentlich gar nicht reden.
— Jetzt rede ich genauso polemisch wie Sie, das weiß ich. — Sie haben so getan, als ob der richtige Blick eigentlich nur dem eröffnet wird, der den zweiten Teil mitgemacht hat. Ich habe den zweiten Teil auch nicht mitgemacht; aber wir haben uns an anderen Plätzen informiert und haben auch unsere Meinung dazu. Ich glaube also, daß man es zur Zeit aus Gründen des ausgeglichenen Gewichts im Bündnis keinem militärischen Führer in Mitteleuropa zumuten kann, daß er Divisionen führen muß, die ungleich bewaffnet sind.
Und zur Zeit wollen eben unsere Verbündeten nicht ein Sonderkommando. — Sie haben sich ja auf meinen Kollegen Wienand nicht hier bezogen, sondern in einem Zeitungsartikel habe ich das irgendwo gelesen; nein, ich glaube, Herr Schultz war es; entschuldigen Sie bitte. — Zur Zeit will eben kein Mensch im Bündnis — außer Karl Wienand also — so eine Sondergruppe schaffen. Und damit werden wir uns nicht so einfach durchsetzen. Zur Zeit muß es beim Heer schon so sein, wie es ist, und über die Luftwaffe habe ich eben im Zusammenhang des Strike gesprochen.
Herr Kollege Ollesch, das Schwierige ist ja immer, sich mit einer Opposition auseinanderzusetzen, die beim Richtigen ansetzt und dann in einem eleganten Sprung so tut, als hätte sie allein die Patentlösung, um nun auf die Ziele zuzukommen. Sehen Sie, diese kleine Kommission hatte nämlich nicht den Auftrag, das Parlament in Form zu bringen, sondern sie hatte den Auftrag, für das Parlament und für die Regierung Vorschläge auszuarbeiten, Vorschläge, sonst nichts. Und diese Vorschläge werden beraten. Nun kommen Sie und sagen, wie schön und wie richtig das alles ist, und dann kommen Sie noch mit ihrem wehrpolitischen Kongreß, der sehr nützlich und sehr vernünftig ist; und hoffentlich schicken Sie mir bald mal das gedruckte Protokoll, damit man sich mit den Einzelheiten auseinandersetzen kann und damit man genau weiß, was Sie denn da eigentlich alles gemacht haben. Sie picken sich nämlich nur die Rosinen heraus; da gibt es ja auch noch ein paar Sachen, über die man kritisch reden kann.
Ich bin nur im Gegensatz zu Ihnen — und da binde ich auch nicht die SPD — der Auffassung: Es tut dem Ansehen der Bundeswehr nicht gut, wenn wir einen Teil der jungen Männer, die beispielsweise bereit sind, ihrer Wehrpflicht nachzukommen, die wir aber nicht einberufen, auf zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre mit einer Abgabe belasten. Ich glaube nämlich im Gegenteil, daß die Stimmung zwischen den Betroffenen und der Bundeswehr schlechter würde. Und was wollen wir eigentlich einem jungen Inspektor sagen, der seine Dienstpflicht nicht ableistet, weil er nicht einberufen wird,
und der — nach Ihrer Auffassung — eine Wehrpflichtersatzabgab
e leisten muß? Und den vergleichen wir einmal mit dem jungen Leutnant, der Berufssoldat ist! Der leistet ja auch keinen Grundwehrdienst, sondern der wird vom ersten Tage an wie dieser Inspektor bezahlt. Wollen Sie den eigentlich hinterher noch zur Kasse bitten? — Da kommen ein paar Ungereimtheiten auf den Tisch, die ich erst geklärt haben möchte, bevor ich über so etwas hier im Parlament so deutlich und so absolut rede wie Sie.
Ich glaube, daß Sie recht haben, daß wir uns mit der schwierigen Wohnungssituation auseinandersetzen und beschäftigen müssen; aber die ist ja nicht neu. Es ist verdienstvoll vom Bundeswehrverband, wenn er eine solche Dokumentation gemacht hat; ich habe sie noch nicht lesen können. Nur: eine Patentlösung gibt es nicht. Meine Meinung kennen Sie seit langem. Ich glaube, daß man, auf die Dauer gesehen, für die unteren Dienstgrade nicht ohne Wohnungen auskommt, die im Bundesbesitz sind und die demnach auch durch die Bundeswehrverwaltung verwaltet werden. Aber da gibt es Auffassungsunterschiede. Da gibt es andere Leute, die sagen: das kann keineswegs Aufgabe des Bundes sein. Damit muß man sich einmal auseinandersetzen, was vernünftig und was zu machen ist.
Ich gehe nicht auf die Frage der Kriegsdienstverweigerer ein. Ich tue es darum nicht, Herr Kollege Ollesch, weil ich wirklich meine, daß wir das besser bei dem Bericht des Wehrbeauftragten beraten werden, der wahrscheinlich in der nächsten Woche zur Beratung steht. Da gehört es hin.
Sie haben sich hier so gewaltig für die Planung eingesetzt. Darf ich hier auch einmal ein bißchen Propaganda für meine Partei machen. Wem verdanken Sie es denn eigentlich, daß wir einen Rüstungsplan haben? Das verdanken Sie ausschließlich der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Wir haben die Vorlage des Rüstungsplanes immer wieder gefordert und haben schließlich und endlich auch diesen Minister soweit gebracht, daß er ihn auf den Tisch legte. Da war er aber schon soweit überholt, daß dieses Ministerium wenige Wochen später die erste Arbeit lieferte, die darüber hinausging. Es wurde dann ein überarbeiteter Bericht vorgelegt.
Wenn dann noch der Entwicklungsplan dazukommt und wenn eines Tages auch die Streitkräfteplanung und eine Personalplanung, die auf die anderen Dinge abgeglichen ist, vor uns liegen, dann werden wir wahrscheinlich hier sachlicher und vernünftiger miteinander diskutieren können.
Den Freien Demokraten würde ich empfehlen, in einer freien Minute einmal frei darüber nachzudenken,
ob es der Bundeswehr und unserem gemeinsamen Anliegen nützt, wenn man hier ununterbrochen so tut, als hätte man die Patentlösung in der Tasche.