Rede von
Josef
Rommerskirchen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten eine Debatte möglichst auch mit Entgegnungen vereinbart. In diesem Sinne ein paar Bemerkungen in der gebotenen Kürze, vornehmlich zu Feststellungen meines Kollegen Schultz.
Zunächst möchte ich mich aber doch an Herrn
Jung wenden. Verehrter Herr Kollege Jung, nehmen Sie zur Kenntnis: Wir verbreiten heute nicht, wir verbreiten nie Angst, sondern wir treiben reale und damit verantwortliche Verteidigungspolitik.
Wir hüten uns ganz bewußt vor einer Politik nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf!, was Sie allzu oft verfolgen.
Lassen Sie mich zu den Feststellungen sowohl von Herrn Schultz wie von Herrn Ollesch, daß die Verteidigungsplanung nicht langfristig genug betrieben würde, nur folgendes sagen. Ich bin der Meinung, daß es viel sinnvoller ist, im Rahmen der eindeutigen Verteidigungskonzeption sowohl des Bündnisses wie auch der Bundesrepublik Deutschland, d. h. der Bundesregierung, eine fortlaufende Anpassung der Verteidigungsplanung entsprechend der Veränderung der politischen Situation, also unter Berücksichtigung von Fakten, vorzunehmen. Das tut die Bundesregierung, unterstützt vom Verteidigungsausschuß, und das scheint mir der Ausweis einer realen Verteidigungspolitik zu sein.
Herr Kollege Schultz unterstrich erneut den Wert der Größe „politische Vorwarnzeit" und meinte, es wäre gut, wenn man sie zu entsprechenden Gegenmaßnahmen nütze. Herr Kollege Schultz, ich glaube, daß auch das nicht realistisch ist. Es wurde bereits von vielen gesagt — nicht hier, an anderer Stelle, wo es meines Erachtens völlig zu Recht festgestellt worden ist —, daß das, was nicht vorbereitet ist, in einer Situation, wie sie vor der Invasion in der Tschechoslowakei gegeben war, wahrscheinlich auch unterbleibt, um die Spannung nicht zu erhöhen, um dem Gegner keinen Vorwand zur Rechtfertigung seiner eigenen Maßnahmen zu liefern. Es muß doch die Gefahr der politischen Eskalation gesehen werden, wenn man allzu sehr auf die Größe „politische Vorwarnzeit" vertraut und das, was im Sinne der Möglichkeit konkreter militärischer Reaktion dringend notwendig ist, unterläßt. Sie führen Herrn General a. D. Graf Kielmansegg als Zeugen dafür an, daß sich das Kräfteverhältnis durch die Invasion nicht geändert habe. Ich vermute, daß Graf Kielmansegg dazu selber in
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gebotener Weise Stellung nimmt. Ich bin überzeugt, daß er Sie korrigiert. Ich habe ihn anders gelesen.
Ich kann Ihnen, Herr Kollege Jung, nur sagen, sowohl General Lemnitzer als auch der Generalsekretär Brosio bestätigen unentwegt die Ausführungen, die der Herr Bundesverteidigungsminister in der Regierungserklärung gemacht hat.
Herr Kollege Schultz, Sie haben auch heute wieder die Arbeitsteilung im Hinblick auf die atomare und nukleare Komponente beschworen. Mein Freund Lenze hat dazu schon trefflich Stellung genommen. Erlauben Sie mir nur, in Ergänzung dessen, was er ausführte, kurz noch einen Gedanken vorzutragen.
Ich bin der Meinung — und ich glaube, das Konzept, das dem zugrunde liegt, ist richtig —, daß alle bedeutenden Abschreckungs- und Verteidigungskräfte zusammen und jeweils für sich jeder aufgezwungenen Kampfart entsprechen müssen, fähig sein müssen, sie zu bestehen, weil nur dann der Sicherheitsbeitrag überzeugend ist. Für den Angreifer muß doch im Hinblick auf die Abschätzung der verschiedenen Verteidigungskontingente innerhalb eines solchen Bündnisses die Rechnung unkalkulierbar sein, weil der Verteidigungsauftrag sonst für dieses oder jenes Kontingent, das unterbewaffnet ist, unzumutbar ist.
Ich denke, wir dürfen in einem Bündnis nicht von vornherein dem einen oder anderen Partner nachteilige oder besonders schwierige Kampfbedingungen zumuten, ihm auferlegen. Das wäre nach meiner Auffassung allerdings ein ungerechter Verteidigungsbeitrag eines Bündnisses.
Von daher gesehen ist von Ihrer immerzu beschworenen Arbeitsteilung doch einfach nichts zu halten. Aber wenn Sie unterstellen, daß wir sowieso nicht sicher sein könnten, ob ein atomarer Waffeneinsatz je freigegeben würde, wir also — so sagen Sie es ja immer, ich hörte es erst vor kurzem erneut — einen Revolver in den Händen hielten, der ungeladen sei und über dessen Patrone andere verfügten, sie uns aber wahrscheinlich nie herausgäben, dann, das sage ich hier in aller Ehrlichkeit, halte ich das für ein ungerechtfertigtes und im Grunde auch verwerfliches Mißtrauensvotum gegenüber unserem Bündnispartner USA. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben sich wie alle anderen verpflichtet, zu wirksamer Verteidigung beizutragen, und gerade nach dem Konzept der flexiblen Reaktion gehört dazu die Möglichkeit der Abwehr mit allen Kräften und Mitteln. Wer wollte eigentlich unterstellen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika das letztlich doch nicht ganz ernst meinen?
Sie behaupteten dann — und ich halte das buchstäblich für die schwerwiegendste Ihrer Aussagen am heutigen Tage —, die konventionelle Bewaffnung sei nicht vorangetrieben worden. Ich hatte das mitgeschrieben, so haben Sie es wörtlich gesagt. Herr Kollege Schultz, ich halte diese Feststellung mit dem Blick vornehmlich auch auf die Soldaten der Bundeswehr, auf deren notwendiges Vertrauen zu ihrer Bewaffnung für fatal, weil es eine Behauptung wider besseres Wissen ist.
Ich darf es Ihnen kurz begründen. Es ist ein Jammer, daß jetzt durch eine Aufzählung meine Zeit so sehr verlorengeht.
— Ja, in Ordnung! Es ist doch in Ordnung! Ich bin ja einverstanden. Aber ich sage — —
— Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen. Ich verbrauche meine Zeit, indem ich Sie widerlege, indem ich Ihnen jetzt mal vorführe, was Sie eigentlich ganz genau wissen müssen im Hinblick auf die konventionelle Ausrüstung der Bundeswehr. Seit Jahren lief der Kampfpanzer Leopard ein. Mit ihm sind inzwischen rund 90 % der Bundeswehr ausgerüstet. Es lief der Bergepanzer Leopard ein. Es lief der Kanonenjagdpanzer ein. Raketenjagdpanzer: Sind im Zulauf. Die leichten Hubschrauber BU 1 D sind beschlossen; sie sind im Zulauf. Mittleres Transportflugzeug Transall: Es ist im Zulauf. Die Zerstörer DDG sind in Auftrag gegeben, teilweise im Zulauf. Die mittleren Transporthubschrauber CA 53 werden, um das Heer luftbeweglich zu machen, beschafft. Die Vorlage zur Beschaffung der Phantom ist abgeschlossen. Zusätzliche F 104, zusätzliche G 91, zusätzliche U-Boote sind in Auftrag gegeben.
Darüber hinaus — das wissen Sie genauso — sind in Entwicklung und Erprobung — und das ist ja nicht von heute auf morgen zu leisten, das ist also nicht gestern beschlossen, sondern das ist teilweise schon seit langem beschlossen —: der Schützenpanzer — neu — der leichte Feldraketenwerfer — konventionell —, der Spähpanzer auf Rad. Die Fla-Panzer, die Zwillings-Fla-Kanonen, der Kampfpanzer 70, die Aufklärungsdrohnen, die Flugkörperschnellboote und manches andere. Wie können Sie dann hier einfach feststellen, im Hinblick auf die Verbesserung der konventionellen Bewaffnung sei nichts geschehen! Ich denke, die Aneinanderreihung all dieser Waffen und Waffensysteme straft Sie geradezu Lügen.
— Auf Beifall kommt es nicht an, sondern auf Beweise scheint es mir mehr anzukommen.
Im Hinblick auf Ihre Auslassungen zur Wehrdienstdauer! Zunächst darf ich doch noch einmal feststellen, daß diese Frage ganz ursächlich mit dem Potential der Längerdienenden und gleichzeitig mit dem Prinzip der Präsenzstrategie zusammenhängt, d. h. dem Bereitschaftsgrad und -stand der sofort erforderlichen Verteidigungskräfte. Es geht eben
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nicht nur um den voll einsatzfähigen, ausgebildeten einzelnen Soldaten, sondern es geht gerade auch um den uneingeschränkt einsatzfähigen Kampfverband. Zuletzt kommt es nur darauf an, daß genügend voll ausgebildete und für den Einsatz verbundener Waffen geübte Soldaten möglichst lange Zeit zur Verfügung stehen.
Herr Jung, Sie beriefen Herrn General Lemnitzer, den wir ja zusammen in Lissabon erlebten. Herr General Lemnitzer sagte in Lissabon bereits das, was er am 12. November in Brüssel dann wiederholte und was er unentwegt sagt: daß das Minimum an Wehrpflichtdauer zur Beibehaltung der Präsenzstrategie, verbunden mit Vorneverteidigung, zur Leistung einer Einsatzbereitschaft, wie sie uns angesichts unserer militärischen Situation abverlangt wird, 18 Monate sei. Wenn also Herr Lemnitzer in dem einen Fall als eine entsprechende Autorität berufen wird — und ich meine, das sei er —, dann scheint mir das auch in diesem Falle nur konsequent zu sein. Oder lesen Sie, was gleichermaßen dazu etwa Generalsekretär Brosio gesagt hat!
Herr Schultz, Sie meinten dann heute hier, so ähnlich wie das in letzter Zeit von diesem und jenem Publizisten auch zum Ausdruck gebracht wurde, daß das mit der Bundeswehr nicht ganz hinhaue, weil sie nicht in der Lage sei, einen Gegner, der massiv angreife, entsprechend aufzuhalten, ihm Widerstand zu leisten. Ich darf sagen: mir scheint, daß es geradezu geboten ist, immer wieder festzustellen, daß die Bundeswehr ganz sicher diesen Auftrag alleine nicht erfüllen kann, aber die Bundeswehr diesen Auftrag eben auch alleine nicht hat, sondern die Bundeswehr diesen Auftrag im Rahmen des Bündnisses hat. Das Bündnis zusammen ist sehr wohl in der Lage, diese ihm zugemutete Aufgabe zu erfüllen.
Zum Thema Spitzengliederung wird sich vermutlich der Herr Verteidigungsminister selber im einzelnen ausführlich äußern. Ich darf Ihnen nur sagen: ich bin der Meinung, Ihr Gesetzentwurf enthält interessante, wenn auch nicht neue Gedanken, aber gerade auch in dem Zusammenhang muß das wohl noch einmal gesagt werden dürfen, was ich ganz am Anfang in einem anderen zum Ausdruck brachte: die Organisation der Landesverteidigung sollte nicht allzu starr festgelegt sein. Ich bin mehr für die Anpassungsmöglichkeiten an den fortlaufenden Prozeß. Ich bin dafür, daß man auch die Organisation dafür offenhält, daß man sich zu einer elastischen Errtsprechung der Organisation an die sich ändernden Erfordernisse bekennt. Ich habe gar nichts dagegen einzuwenden, daß im Verteidigungsausschuß diese Angelegenheit erneut überprüft wird. Dann werden wir ja die politische Führung des Ministeriums einerseits und sicher auch die militärische Führung der Streitkräfte dazu hören.
Sie haben auch das Thema Wehrdienstverweigerung angesprochen. Ich meine, Sie haben es sich dabei etwas allzu leicht gemacht, indem Sie allzu einseitige Vorwürfe gegen das Verteidigungsministerium richteten. Herr Kollege, wir haben vorige Woche und diese Woche halbtägig Klausursitzungen gehabt und uns ausschließlich mit dem Fragenkomplex befaßt. Ich kann Ihnen nur sagen, er ist erheblich schwieriger, weil vielschichtiger, als das in Ihren Ausführungen zum Ausdruck kam.
Wir sind der Auffassung, daß keine willkürlichen Verweigerungen geduldet werden dürfen, sondern daß die verfassungsmäßige Regelung, wie sie in den Artikeln 4 und 12 a des Grundgesetzes vorgesehen ist, beibehalten werden muß. Wir sind also der Meinung, daß keine willkürlichen Verweigerungen geduldet werden dürfen, weil das ein Unrecht gegenüber denen wäre, die aus gewissenhafter Verantwortung ihre Pflicht für das Gemeinwohl erfüllen.
In diesem Zusammenhang möchte ich hier feststellen, daß meines Erachtens angesichts der Sicherheitslage unseres Volkes und Staates die allgemeine Wehrpflicht bestehen bleiben muß. Solange das der Fall ist, ist die Pflichterfüllung das Normale und die Verweigerung die Ausnahme. Und ich sollte hinzufügen, weil das gelegentlich anders dargestellt wird, daß der Wehrbeitrag der Kriegsverhinderung gilt, der Friedenserhaltung dient, und daß damit der Wehrbeitrag nicht auch, sondern ein entscheidender und wesentlicher Friedensdienst ist.
Meine Zeit ist leider abgelaufen, ich hätte Ihnen sonst noch zu einigen anderen Punkten entgegnet. Das werden dann aber andere Freunde von mir ergänzen.