Rede von
Detlef
Haase
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von der NATO zurück zu den Unteroffizieren der Bundeswehr! Es geht ja heute in der Diskussion alles etwas durcheinander. Aber das Gesamtproblem ist so komplex, daß sich das nicht immer vermeiden läßt. Zurück zu dem Thema, das Herr Kollege Ollesch manchmal leider etwas zu polemisch behandelt hat, zu dem Thema der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr im Hinblick auf die Personalstruktur. Dem Deutschen Bundestag bzw. den zuständigen Ausschüssen liegen inzwischen Entwürfe der Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Regierung vor, die alle das Ziel haben, die unzulängliche Personalstruktur im Bereich der Landesverteidigung zu verbessern. Ich möchte mit der Vorlage zur Änderung des Soldatengesetzes beginnen, einer Vorlage, ,die zum Ziele hat, die besondere Dienstaltersgrenze von 52 Jahren einzuführen, und zwar erstens für die Offiziere des militärfachlichen Dienstes als neuer Laufbahn im Bereich der Offizierslaufbahn und zweitens für die heutigen Stabs- und Oberstabsfeldwebel. Diese Vorlage soll Ausgangspunkt sein für die Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung, die uns von ,der Regierung bisher noch nicht vorgelegt worden ist, höchstwahrscheinlich auch noch nicht vorlagereif ist. Wir erwarten jedoch, daß diese geänderte Soldatenlaufbahnverordnung auf der Grundlage der Beratungen in den zuständigen Fachausschüssen so rechtzeitig vorliegt, daß sie rechtzeitig zur Änderung und Verbesserung der Laufbahnstruktur, unter deren Mängeln die Bundeswehr und die Soldaten der Bundeswehr im Augenblick erheblich zu leiden haben, wirksam werden kann.
Aus dieser Vorlage ergibt sich als erstes die Möglichkeit der von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion seit langer Zeit geforderten Laufbahn des militärfachlichen Dienstes als Aufstiegslaufbahn für erfahrene und geeignete Unteroffiziere. Zu der Eröffnung dieser Möglichkeit durch Ergänzung der Soldatenlaufbahnverordnung bekennen wir uns uneingeschränkt. Wir bekennen uns gleichermaßen uneingeschränkt zu der Einführung der besonderen Dienstaltersgrenze sowohl für die Laufbahnbewerber dieser neuen Laufbahn im Bereich der Offizierslaufbahn als auch für die derzeitigen Stabs- und Oberstabsfeldwebel der Bundeswehr, die bisher der
allgemeinen Dienstaltersgrenze von 60 Lebensjahren unterstellt sind.
Wir bekennen uns zu dieser besonderen Dienstaltersgrenze für die Stabs- und Oberstabsfeldwebel allerdings nur im Rahmen der von uns gewünschten Überleitungsvorschriften mit dem Ziel, daß Stabs-und Oberstabsfeldwebeldienstgrade nach Einführung und Ausfüllung der neuen Laufbahn der Offiziere im militärfachlichen Dienst nicht mehr vorhanden sein werden, sondern daß diese Dienstgrade auslaufende Dienstgrade für die derzeitigen Inhaber dieser Dienstgrade und der entsprechenden Dienstposten sind, die mit oder nach Einführung der neuen Laufbahnvorschriften — soweit sie vom Lebensalter her noch für die Übernahme in die neue Laufbahn geeignet sind — die Möglichkeit haben sollen, selbst zu entscheiden, ob sie das wollen oder nicht, ob sie sich mit dem Übergang in die neue Laufbahn einer vielleicht vom Lebensalter her nicht mehr möglichen zusätzlichen physischen und psychischen Belastung aussetzen wollen oder ob sie auf der Grundlage des mit dem Dienstherrn zu Beginn der Laufbahn geschlossenen Dienstvertrages auslaufen wollen. Sie sollen gleichermaßen auch frei entscheiden können, ob sie, wenn sie auf dem alten Geleise auslaufen wollen, die Möglichkeit der Herabsetzung der Dienstaltersgrenze von 60 auf 52 Jahre für sich in Anspruch nehmen oder ob sie zur besseren Sicherung des Lebensabends wie bisher bis zum 60. Lebensjahr durchlaufen möchten. Das ist eine Frage der Überleitungsvorschriften, mit denen wir uns zu beschäftigen haben. Diese Absichten, die mit der Vorlage des Änderungsgesetzes zum Soldatengesetz verbunden sind, sind aber eine zu schmale Basis für eine Neuregelung, Modernisierung und Anpassung der Personalstruktur. Aus den Vorstellungen der sozialdemokratischen Fraktion, die Dienstposten der Stabsfeldwebel und der Oberstabsfeldwebel in Dienstposten der neuen Laufbahn zu überführen, d. h. diese Dienstgrade in Zukunft wegfallen zu lassen, ergibt sich zwangsläufig die Neuordnung auch der Unteroffzierslaufbahn. Für die Unteroffizierslaufbahn sind dann zumindest die Voraussetzungen geschaffen, unter Einschränkung der Zahl der Dienstgrade in absehbarer Zeit zu einer besoldungsmäßig glatten Durchstufung von A 5 — Unteroffizier — bis zu A 9 — Hauptfeldwebel als letzten auslaufenden Dienstgrad dieser Laufbahn — zu kommen.
Wir möchten dabei aber auch zu erwägen geben, ob nicht zur Verbesserung der Personalstruktur und zur Anpassung an veränderte Verhältnisse die gesamte Ausbildung etwa in der Art reformiert werden muß, daß für diese neugeformte Laufbahn wie in den zivilen Bereichen des öffentlichen Dienstes eine in sich abgeschlossene Laufbahnausbildung für alle Laufbahnbewerber geschaffen wird. Nach Abschluß dieser Laufbahnausbildung und nach erwiesener Qualifikation für diese Laufbahn sollten dann die Einweisung in die Laufbahn — selbstverständlich vorher zahlenmäßig festgelegt — und die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Beamten besonderer Art im Bereich der Landesverteidigung erfolgen. Durch eine solche rechtzeitige Übernahme
10872 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 201. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1968
Haase
würden wir von dem unglückseligen Zustand wegkommen, daß viele der langdienenden Soldaten deshalb verbittert sind, weil sie sich lange Zeit mit Hoffnungen getragen haben, die nach Ablauf von zehn oder elf Dienstjahren wegen Mangels an Planstellen und Beförderungsmöglichkeiten nicht erfüllt werden konnten.
Damit zusammenhängend stellt sich dann gleichzeitig die Frage einer frühzeitigen langfristigen Personalplanung im Rahmen der gesamten Umfangszahlen, die uns auf lange Zeit bekannt sind. Es stellt sich auch die Frage nach dem angekündigten Eingliederungsgesetz. Von denen, die über den Weg der neugeordneten Unteroffizierslaufbahn in das Dienstverhältnis eines Beamten übernommen werden, wird nur ein Teil in die neu zu schaffende Laufbahn des Fachoffiziers einmünden können. Ein anderer Teil wird nach Ablauf einer bestimmten Dienstzeit unter Inanspruchnahme der erdienten Versorgungsansprüche — ob in Form einer Kapitalabfindung oder in Form einer permanenten Pension, die gezahlt wird, ist eine technische Frage, die geprüft werden muß — ausscheiden müssen, während ein anderer Teil, insbesondere die, die zwölf und fünfzehn Jahre lang ihren Dienst geleistet haben, nach vorheriger Feststellung der Qualifikation in den zivilen Bereich des öffentlichen Dienstes eingegliedert werden.
Lassen Sie mich zu diesem Gesamtproblem eines sagen, um von vornherein Mißverständnisse auszuschalten. Wir wissen, daß es in vielen Bereichen unserer Gesellschaft zum Teil reaktionäre Ressentiments gibt. Wir wissen, daß es reaktionäre Ressentiments sowohl wegen der verbesserten Aufstiegsmöglichkeiten qualifizierter Unteroffiziere in die Offizierslaufbahn als auch wegen des Überganges langgedienter Unteroffiziere nach Qualifikation in den mittleren oder den gehobenen Bereich der Beamtenschaft gibt. Wir wissen das. Ich stelle das hier nur fest, um unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß diese Ressentiments bei der weiteren Beratung des Problems von uns absolut unberücksichtigt bleiben; sie werden nicht zur Kenntnis genommen.
Wir sind aber der Meinung, daß diese Maßnahmen nicht ausreichen. Um das Fehl an Unteroffizieren in den unteren Führungsbereichen auszugleichen, müssen andere Maßnahmen gefunden werden, mit denen hier mehr getan werden kann. Das gilt also für den Bereich der Zeitsoldaten Z 4, Z 6, Z 8 — Herr Kollege Ollesch hat darauf hingewiesen — im Zusammenhang mit der Vorlage zur Wiedereinführung der Z-2-Soldaten. Die Wiedereinführung des Z-2-Soldaten sollte nicht nur unter dem Gesichtspunkt beurteilt werden: Der Mann kostet in ;seiner Ausbildung viel Geld und steht nur für kurze Zeit voll ausgebildet für eine untere Führungsaufgabe zur Verfügung, sondern wir sollten auch die Erfahrung aus der Vergangenheit mit verwenden, daß aus den Reihen der erstverpflichteten Z-2-Soldaten eine ganze Reihe von Soldaten für eine Weiterverpflichtung auf 4, 6 oder 8 Jahre hat gewonnen werden können, die dann auf der Grundlage einer qualifizierten Ausbildung und möglicherweise auf der
Grundlage einer völlig neugeordneten und den Erfordernissen angepaßten Laufbahnstruktur bereit wären, nach dieser Ausbildung sich weiterzuverpflichten und einen qualifizierten Dienst im Bereich der Unteroffiziere leisten könnten.
Gestatten Sie mir noch eine kurze Bemerkung zu dem in Angriff genommenen Problem des Wehrausgleichs. Im Augenblick haben wir nur eine Vorlage zur Beratung mit dem Ziel, das Entlassungsgeld für Wehrpflichtige zu verdoppeln. Für die 15 Monate dienenden Wehrpflichtigen — dabei geht es um einen Teil der Kurzschulabiturienten, die schon nach 15 Monaten entlassen werden, um das Studium rechtzeitig aufnehmen zu können — soll eine zusätzliche Zwischenstufe eingeschoben werden. Dieses Thema ist schon vielfach angeschnitten worden. Es ist auch schon die Bitte geäußert worden, zu prüfen, ob nicht im Bereich des Wehrsoldes eine Anpassung erfolgen muß, und zwar aus zweierlei Gründen. Erstens ist der Wehrsold der wehrpflichtigen Soldaten seit 1965 unverändert. Wir wissen, daß in den Jahren von 1965 bis jetzt auf Grund gesetzlicher Dynamiken — nämlich Rechtsvorschriften, die eine Dynamik beinhalten — eine Einkommenserhöhung von durchschnittlich 30 % wegen der veränderten Lebensverhältnisse erfolgt ist. Von daher gesehen läge es nahe, das Tagesgeld des jungen Soldaten, für das er sich seine Zigaretten kauft und in der Kantine ein Glas Bier vernascht, um den gleichen Prozentsatz zu erhöhen. Ich sehe aber eine andere Begründung. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir durch Änderung des Wehrpflichtgesetzes das Einberufungsalter der Wehrpflichtigen von 20 auf 18 Jahre herabgesetzt. Das bringt es mit sich, daß immer weniger junge Menschen ihren Dienst in der Bundeswehr antreten, die im Anschluß an eine Berufslehre bereits ein Arbeitseinkommen hatten. Die Zahl derer, die ohne vorhergehendes eigenes Einkommen unmittelbar nach Lehrabschluß oder unmittelbar nach Schulabschluß zur Bundeswehr kommen, um ihren Wehrdienst abzuleisten, ist erheblich größer geworden, und für die ist es natürlich schwieriger, mit dem jetzigen Tagesgeld auszukommen.
Ich bin am Ende meiner Ausführungen und auch am Schluß der Zeit, die mir zur Verfügung stand. Herr Minister, Sie mögen diesen kurzen Bemerkungen entnehmen, daß wir, wenn wir im Anschluß an die Beratung der Gesamtproblematik herangehen, Sie und Ihr Ministerium erheblich fordern werden. Wir stellen Ihnen als parlamentarische Gruppe unsere Bereitwilligkeit zur Verfügung, und wir bitten Sie, dieser Bereitwilligkeit die Aktivität Ihres Ministeriums entgegenzusetzen.