Rede von
Walter
Scheel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Bühler ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Frage 6 des Herrn Abgeordneten Mick:
Hat die Äußerung des bekannten Regisseurs und Schriftstellers Pavel Kohout in einer Prager Massenversammlung „In der ganzen zivilisierten Welt gibt es nur zwei Länder, wo für Justizmorde verantwortliche Ankläger nicht ins Gefängnis müssen. Das sind die Bundesrepublik und die CSSR. Ich hoffe, daß dieser Zustand bald nur noch in der Bundesrepublik existiert.", soweit sie die Bundesrepublik Deutschland angeht, irgendeinen realen Hintergrund?
Die Frage wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 26. März 1968 lautet:
Soweit sich die von Ihnen zitierte Äußerung des tschechoslowakischen Schriftstellers Kohout auf die Bundesrepublik Deutschland bezieht, dürfte auf die Mitwirkung von Staatsanwälten bei nationalsozialistischen Unrechtsurteilen angespielt worden sein. Dieser Komplex war bei der Beratung des Deutschen Richtergesetzes, das sich auch auf Staatsanwälte bezieht, Gegenstand eingehender Erörterungen im Deutschen Bundestag.
Ich darf daran erinnern, daß der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung vom 14. Juni 1961 eine Entschließung gefaßt hat , wonach die an den Unrechtsurteilen des nationalsozialistischen Regimes beteiligten Richter und Staatsanwälte aufgefordert wurden, hieraus die Konsequenzen zu ziehen. Dieser Aufruf hat den Erfolg gehabt, daß der ganz überwiegende Teil der betreffenden Richter und Staatsanwälte aus dem Dienst ausgeschieden ist.
Die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Richter und Staatsanwälte wurde in jedem bekannt gewordenen Fall von den zuständigen Landesjustizverwaltungen sorgfältig geprüft. Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Staatsanwalt nicht belangt, worden wäre, obwohl ihm ein strafbares Verhalten im Zusammenhang mit einem rechtswidrigen Todesurteil hätte nachgewiesen werden können. Allerdings lassen sich mit den Mitteln unseres demokratischen Rechtsstaates heute nicht mehr alle Fälle völlig aufklären; die gilt vor allem bezüglich der der subjektiven Seite. Es ist daher nicht auszuschließen, daß es noch ehemalige Staatsanwälte gibt, bei denen der Verdacht einer strafbaren Mitwirkung an Unrechtsurteilen des nationalsozialistischen Staates bestehen geblieben ist.
Wir kommen zur Frage 7 des Herrn Abgeordneten Köppler:
Was ist tinter den „Heinemannschen Rechtsreformen" zu verstehen, die nach einer Mitteilung des Staatssekretärs im Bundesjustizministerium noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden müssen?
Auch diese Frage wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 27. März 1968 lautet:
Der Ausdruck „Heinemannsche Rechtsreformen" ist von Herrn Staatssekretär Ehmke als Kurzbezeichnung für die Reformen, deren Verwirklichung der Bundesminister der Justiz noch in dieser Legislaturperiode für erforderlich und möglich hält, verwandt worden.
Hier sind insbesondere zu nennen:
1. die Reform des Unehelichenrechts;
2. die Reform des Eherechts;
3. die Reform des Strafrechts; hierher gehören
die Teilreform des Strafgesetzbuches und im Vorgriff dazu die Reform des politischen Strafrechts sowie im Zusammenhang damit die Frage des Zeitungsaustausches, ferner die Frage der freiwilligen Kastration und anderer Behandlungsmethoden bei Triebverbrechern
die Reform des Rechts der Ordnungswidrigkeiten, d. h. Umstellung aller Bagatelldelikte auf Ordnungswidrigkeiten, Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
die Einführung einer 0,8 Promille-Grenze
die Förderung der Resozialisierung durch die Reform des Strafregisterrechts
die Unverjährbarkeit von Mord und Völkermord;
4. im Vorgriff zur Justizreform: '
die Novellierung des Rechtspflegergesetzes. Der Aufgabenkreis des Rechtspflegers soll erweitert und seine Stellung als selbständiges Rechtspflegeorgan gestärkt werden
das Beurkundungsgesetz, das die Urkundstätigkeit auf den Notar konzentriert und die Gerichte entlastet
das Erste Gesetz zur Neuordnung der Zivilgerichtsbarkeit .
5. Ferner nenne ich nur: das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
das Gesetz zur Entlastung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
das Gesetz über die Rechnungslegung von Großunternehmen und Konzernen
das Gesetz über die Umwandlung von Personengesellschaften und von Unternehmen eines Einzelkaufmanns sowie von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit