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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 156. Sitzung Bonn, den 14. Februar 1968 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg Porten 8019 A Amtliche Mitteilung . . . . . . . . 8019 A Zur Tagesordnung Windelen (CDU/CSU) . . . . . . 8019 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 8019 C Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Diätengesetz 1968) (Abg. Windelen, Rawe, van Delden, Haase, Dr. Rutschke u. Gen.) (Drucksache V/2575) . . . . . . . . 8019 C Fragestunde (Drucksachen V/2564, V/2573) Frage des Abg. Dr. Emde: Kritische Äußerungen deutscher Parteien zur Vietnam-Frage — Mögliche Verhärtung des amerikanischen Standpunktes bei den Devisenausgleichsverhandlungen Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 8019 D Dr. Emde (FDP) 8020 A Moersch (FDP) 8020 B Frage des Abg. Geldner: Anteil der amerikanischen Touristen an den Ausländerübernachtungen — Deviseneinnahmen aus dem amerikanischen Reiseverkehr 1966 Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8020 C Geldner (FDP) . . . . . . . . . 8020 D Moersch (FDP) . . . . . . . . 8021 A Dr. Hofmann (Mainz) (CDU/CSU) . . 8021 B Frage des Abg. Geldner: Auswirkung der bisherigen Konjunkturprogramme auf die Arbeitslosenanfälligkeit in Bayern und Niedersachsen Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8021 C Geldner (FDP) . . . . . . . . . 8021 C Dr. Müller (München) (SPD) . . . 8022 A Schlager (CDU/CSU) . . . . . . 8022 B Hofmann (Kronach) (SPD) . . . . 8022 D Varelmann (CDU/CSU) . . . . . 8022 D Schmidhuber (CDU/CSU) . . . . . 8023 A Porsch (FDP) . . . . . . . . . 8023 B Hösl (CDU/CSU) . . . . . . . . 8023 B Unertl (CDU/CSU) . . . . . . . 8023 C Kiep (CDU/CSU) . . . . . . . . 8023 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 Fragen des Abg. Barche: Notwendigkeit eines Verbots der Vernichtung unbrauchbar gewordenen Sprengstoffs unter Tage wie in der Grube Lengede Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 8023 D, 8024 B Barche (SPD) . . . . . . . . . 8024 A Frage des Abg. Schlee: Vergünstigungen für die Ansiedlung industrieller Betriebe in NordrheinWestfalen Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8024 B Schlager (CDU/CSU) . . 8024 C, 8025 B Dr. Aigner (CDU/CSU) . 8024 D, 8025 A Dr. Hofmann (Mainz) (CDU/CSU) . . 8024 D Porsch (FDP) . . . . . . . . 8025 C Scheel, Vizepräsident 8025 D Frage des Abg. Schlee: Schaffung eines Ausgleichs für diese Maßnahmen im Zonenrandgebiet und in anderen strukturschwachen Gebieten Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8025 D Schlee (CDU/CSU) . . . . . . . 8026 A Hösl (CDU/CSU) . . . . . . . 8026 B Ertl (FDP) 8026 B Frage des Abg. Schlee: Schaffung neuer Arbeitsplätze — Förderung der industriellen Ansiedlungen durch öffentliche Mittel Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 8026 C Schlee (CDU/CSU) . . . . . . 8026 C Dr. Aigner (CDU/CSU) 8026 D Schlager (CDU/CSU) . . . . . 8027 A Ertl (FDP) . . . . . . . . . 8027 B Frage des Abg. Dorn: Preiserhöhungen der Versorgungs- und Verkehrsunternehmen unter dem Vorwand der Mehrwertsteuer Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8027 B Dorn (FDP) . . . . . . . . . . 8027 C Geiger (SPD) . . . . . . . . . 8028 A Dr. Emde (FDP) 8028 A Fragen des Abg. Dr. Lohmar: Präsenz der Bundesrepublik auf der Weltausstellung Osaka 1970 Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 8028 B, 8028 D Dr. Lohmar (SPD) . . . 8028 C, 8029 A, 8029 C Schmidhuber (CDU/CSU) 8029 A Josten (CDU/CSU) 8029 B Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung für die niederbayerischen-oberpfälzischen Grenzgebiete angesichts der dortigen Arbeitslosenzahlen Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8029 D Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 8030 A Unertl (CDU/CSU) . . . . . . 8030 C Hörauf (SPD) 8030 C Niederalt (CDU/CSU) 8030 D Dr. Aigner (CDU/CSU) 8031 A Hösl (CDU/CSU) 8031 B Frage der Abg. Frau Dr. Maxsein: Symposium über Fragen der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8031 C Frau Dr. Maxsein (CDU/CSU) . . . 8031 D Erklärungen nach § 36 GO Kiep (CDU/CSU) . . . . . . . . 8031 D Dorn (FDP) . . . . . . . . . . 8032 B Jahn (Marburg) (SPD) . . . . . 8032 C Begrüßung von Mitgliedern des Britischen Unterhauses 8032 B Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das vom Bundestag beschlossene Gesetz über eine Zählung im Handel sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (Handelszählungsgesetz 1968) (Drucksache V/2576) Scheel, Vizepräsident 8032 C Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das vom Bundestag beschlossene Bundeswasserstraßengesetz (Drucksache V/2568) Scheel, Vizepräsident 8033 A Dr. Mommer (SPD) 8033 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 III Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das vom Bundestag beschlossene Gesetz über die Handwerkszählung 1968 (Handwerkszählungsgesetz 1968) (Drucksache V/2569) Scheel, Vizepräsident . . . . . . 8033 B Beratung des Jahresgutachtens 1967 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache V/2310) in Verbindung mit Beratung des von der Bundesregierung beschlossenen Jahreswirtschaftsberichts 1968 der Bundesregierung (Drucksache V/2511) und Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Konjunkturbelebung durch steuerliche Anreize für verstärkte private Investitionen (Drucksache V/2471) Dr. Schiller, Bundesminister 8033 D, 8068 B Dr. Staratzke (FDP) 8040 C Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . . 8043 C Stein (Honrath) (CDU/CSU) . . . 8050 D Ravens (SPD) 8054 A Dr. Haas (FDP) . . . . . . . 8060 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 8062 D Frau Dr. Krips (SPD) 8063 D Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) . 8064 B Schoettle, Vizepräsident 8064 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 8065 C Lenders (SPD) . . . . . . . . 8066 B Mertes (FDP) 8067 B Dr. Luda (CDU/CSU) 8067 B Lange (SPD) 8067 D Genscher (FDP) . . . . . . . 8072 C Ravens (SPD), zur GO 8072 C Nächste Sitzung 8072 D Anlagen 8073 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8019 156. Sitzung Bonn, den 14. Februar 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 14.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Apel 17. 2. Arendt (Wattenscheid) 17. 2. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 17.2. Dr. Arnold 14.2. Auge 18. 2. Bading * 15. 2. Bäuerle 15. 2. Dr. Bardens 25.2. Bauer (Wasserburg) 16. 2. Dr. Besold 18.2. Dr. Bucher 14.2. Buchstaller 31. 3. van Delden 14. 2. Dr. Dittrich * 16.2. Dröscher * 14. 2. Frau Dr. Elsner 17.2. Eschmann 17.2. Faller 17.2. Frehsee 29.2. Dr. Frey 16.2. Hamacher 6. 4. Hölzle 29.2. Jahn (Marburg) 14. 2. Frau Kalinke 17.2. Frau Klee 17. 2. Klinker * 14. 2. Frau Korspeter 17.2. Kriedemann * 16. 2. Krug 14.2. Freiherr von Kühlmann-Stumm 29. 2. Kunze 1. 6. Lemmer 6. 4. Lenz (Brühl) 15.3. Lücker (München) * 14. 2. Mattick 17.2. Mauk * 14.2. Dr. von Merkatz 17.2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 16. 2. Müller (Aachen-Land) * 16. 2. Nellen 16.2. Dr. Prassler 29.2. Rasner 16.2. Richarts * 14.2. Dr. Ritz 14.2. Dr. Schulz (Berlin) 13.2. Schmidt (Hamburg) 14.2. Dr. Starke (Franken) 16.2. Weigl 17.2. Weimer 13.2. Frau Wessel 18.2. Frau Dr. Wolf 29.2. Zink 14.2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 361 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1968 der Bundesregierung - Drucksache V/2511 -. Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag begrüßt den im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts 1968 der Bundesregierung - Drucksache V/2511 - vorgelegten energiepolitischen Bericht. Er erwartet, daß die Bundesregierung auch in den künftigen Jahreswirtschaftsberichten eine gesonderte Darlegung der für das laufende Jahr geplanten Energiepolitik gibt. II. Der Deutsche Bundestag begrüßt es, daß die Bundesregierung die Entwicklung des Einsatzes der einzelnen Primärenergieträger mit ihrer Energiepolitik aktiv beeinflussen will. Er erwartet, daß durch eine aktive, langfristige Energiepolitik die erwartete Entwicklung des Verbrauchs der Primärenenergieträger immer mehr den energiepolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung entspricht. Bonn, den 14. Februar 1968 Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Erklärung des- Abgeordneten Dr. Pohle (CDU/CSU) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Mit Recht hat die Bundesregierung den Vorschlag des Sachverständigenrats abgelehnt, mit konjunkturpolitischen Maßnahmen ein reales Wachstum von 6,4 % im Jahr 1968 anzustreben. Der vorgeschlagene Senkrechtstart würde nicht nur die Konjunkturausschläge verstärkt haben, sondern er brächte auch unberechenbare Gefahren für die Stabilität. Die Position der Bundesregierung ist weitaus realistischer. Das Wachstumsziel von 4 % vermeidet mit größerer Sicherheit die Gefahr einer erneuten Überforderung der Produktionsfaktoren mit anschließender Geldentwertung. Ich möchte hier nicht auf die sich widersprechenden Sachverständigengutachten eingehen. Die Sachverständigen haben selbst zugegeben, daß sie sich bei ihren Prognosen teilweise geirrt haben. Immerhin darf ich mir die Bemerkung erlauben, ohne damit eine Respektlosigkeit vor den Sachverständigen zu begehen, daß vieles für uns leichter gewesen wäre, wenn die Sachverständigen bereits im Jahresgutachten 1966/67 und nicht erst im Frühjahr 1967 uns den „ganzen Ernst der Situation" vorgetragen hätten. Wir hätten uns dann im Winter 1966/67 möglicherweise einige Debatten ersparen können. Der Übergang von der Überhitzung zur Stabilität oder Stagnation und Rezession ist stets von gewissen Fieberausschlägen begleitet, ohne daß eine Sache nun be- 8074 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 reits zu einer allgemeinen Vertrauenskrise oder zu dem in jener Zeit ach so beliebten Schlagwort der Notstände auf den verschiedenen Gebieten sich verdichtet. Die Absage der Tarifpartner an den Gedanken der Lohnleitlinien bringt die wichtigste Voraussetzung des von den Sachverständigen vorgeschlagenen Rahmenpakts zum Einsturz und beraubt damit den Rahmenpakt seiner Grundlagen. So interessant die Gedankenführung der Sachverständigen im einzelnen auch sein mag - der Auffassung der Bundesregierung haben wir größere Aufmerksamkeit zu schenken. Wie richtig die Beurteilung der Konjunkturlage durch die Bundesregierung ist, beweist der soeben erschienene Monatsbericht der Deutschen Bundesbank. Die Prognosen der Bundesbank sind bisher vielfach richtiger als die der Sachverständigen. In ihm wird festgestellt, daß die Initialzündung durch die Ingangsetzung eines neuen Lager- und Investitionszyklus gelungen ist. Die Antwort auf die sorgenvolle Frage, ob die Konjunkturmaßnahmen des Bundes wirklich die erwünschte Kettenreaktion auslösen würden, war bisher offen. Jetzt liegt das erste Ja von kompetenter Seite vor. Die Belebung der Auftragsbestände ist nicht mehr nur mit den beiden Konjunkturprogrammen zu erklären, sondern nach Meinung der Bundesbank auf „eigenständige Ursachen" zurückzuführen. Dies zeigt sich durch die Zunahme der Aufträge auch in solchen Bereichen, die von den staatlichen Konjunkturprogrammen unmittelbar nicht begünstigt werden, wie z. B. die Grundstoff- und Verbrauchsgüterindustrie. Bereits im vierten Quartal des vorigen Jahres zeigten sich mit einer Zuwachsrate des Sozialprodukts von 3 % breite Wiederbelebungstendenzen. Jetzt sieht es so aus, als ob diese Wiederbelebung sicheren Boden erreicht hat. Die realistische Beurteilung der Konjunkturlage durch die Bundesregierung enthebt den sachkundigen Finanzpolitiker der großen Sorge, daß die Möglichkeiten der antizyklischen Fiskalpolitik überzogen oder überbewertet werden. Ihre falsche Beurteilung könnte zu verhängnisvollen konjunkturpolitischen Fehlentwicklungen führen. Die Hauptschwierigkeiten für die Konjunkturbeeinflussung durch Fiskalpolitik liegen in ihren Vorbedingungen. Der Zeitablauf, die mögliche Konzeptionsänderung im Verlauf der parlamentarischen Beratung sowie föderale Gegentendenzen nehmen fiskalischen Maßnahmen viel von ihrer konjunkturpolitischen Wirkung. Besonders schwierig wird jedoch ihr Einsatz, wenn bereits größere konjunkturpolitische Störungen vorliegen und damit die Dosierung der Maßnahmen unverhältnismäßig groß sein müßte. Schließlich können nicht einmal auf dem Reißbrett genau Zeitpunkt und Umfang der zu ergreifenden steuerlichen oder haushaltsmäßigen Maßnahmen fixiert werden, um ein reibungsloses antizyklisches Überlappen zu erreichen. Bei einer Phasenverschiebung erwächst jedoch immer die Gefahr eines prozyklischen Umschlags. Diese Feststellungen sollen nicht etwa eine Absage an den antizyklischen Einsatz fiskalischer Instrumente bedeuten, sondern sie sollen die Grenzen ihrer Wirkungsweise unterstreichen. Die Beachtung dieses Sachverhalts führt zu der unbestreitbaren Einsicht, daß die Fiskalpolitik nicht in der Lage ist, allein die Hauptlast der Konjunkturbeeinflussung zu tragen. Ein Wort zur sogenannten Investitionsteuer, die rechtlich gar nicht existiert. Sie ist ein Teil des Stufenplans, der zu dem von der Wirtschaft gewünschten Sofortabzug der Neuinvestitionen bei der Mehrwertsteuer führen soll. Der Stufenplan ist — wie jeder Kenner der Materie weiß — auf das engste mit der Entlastung der Altvorräte verknüpft. Ganz abgesehen von dem fiskalischen Ausfall, führt jede Ankündigung einer solchen Steuererleichterung nur zu neuem Attentismus. Die von der FDP-Fraktion angeregte Steuermilderung ist mit Sicherheit ohne Anhebung der Verschuldungsgrenze nicht durchführbar, konjunkturpolitisch aber nicht notwendig. Auch die Verschuldung stellt kein Allheilmittel dar. Hier bewegen wir uns dicht an der Grenze des noch Vertretbaren. Was alles kommt in diesem Jahr auf den deutschen Kapitalmarkt zu? — Eine Bruttoneuverschuldung aller öffentlichen Hände von über 27 Milliarden DM. — Zusätzlich weitere Milliarden, die durch die immer mehr ins Gewicht fallenden Zinssubventionen mobilisiert werden. — Die etwaigen Ansprüche aus der Devisenhilfe für die USA und Großbritannien in Höhe von rund 3,5 Milliarden DM. — Das Auftreten von US-Firmen auf Grund des US-Sparprogramms. — Schließlich will und soll auch noch die Wirtschaft ihren Kapitalbedarf befriedigen können. — Gleichzeitig verstärkt das Zinsgefälle gegenüber dem Inland den Kapitalexport. Der Bewegungsspielraum für eine Politik des „leichten Geldes" wird also immer enger, und die Grenze ist in dem Augenblick erreicht, in dem die erstrebte Vollausnutzung der Produktionsfaktoren eingetreten ist. Andernfalls würde ein neues monetäres Ungleichgewicht drohen. Deswegen ist es besonders wichtig, daß die öffentliche Kreditnachfrage elastisch bleibt, um sich der Konjunkturlage schnell anpassen zu können. Welch hohe Anforderungen die Konjunktur in diesem Jahr an alle Beteiligten stellen wird, zeigt der fiskalpolitische Unterschied zwischen 1967 und 1968. Im vorigen Jahr diente die Verschuldung dem Ausgleich der Steuerrückgänge. 1968 wird sich der Bund trotz steigender Steuereinnahmen wiederum stark verschulden. Dem Bundesfinanzminister wird also 1968 nicht weniger, eher sogar mehr an konjunkturellem Fingerspitzengefühl abverlangt werden. Die Bundesregierung verweist darauf, daß in der gegenwärtigen Phase die Schwierigkeiten und folglich auch das Risiko einer Prognose besonders groß sind. An die Adresse des Sachverständigenrats und Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8075 der Bundesregierung möchte daher folgender Hinweis gerichtet werden: Die Angabe von Dezimalziffern in den verschiedenen Prognosen erweckt den irreführenden Eindruck einer Genauigkeit und Zuverlässigkeit, die aus der Sache heraus bei derartigen Prognosen niemals erreicht werden kann. Es wird gefährlich, wenn daraufhin wirtschafts- und finanzpolitische Beschlüsse gefaßt werden. Allein der Vergleich der vorliegenden Prognosen zeigt so starke Unterschiede, daß daraus schon der nur bedingte Genauigkeitsgrad sichtbar wird. Ich glaube, daß irrige Interpretationen weitgehend vermieden werden können, wenn derartige Prognosen in Zukunft sich auf die Angabe von Bandbreiten konzentrieren, die die Größenordnung unvermeidbarer Schätzungsfehler kennzeichnen, und sich darüberhinaus auf die Herausarbeitung zu erwartender Trends beschränken. Auch die Vollausnutzung der Produktionsfaktoren wird in der Realität einer Volkswirtschaft nicht zu erreichen sein, die erheblichen Strukturwandlungen unterliegt. In der Marktwirtschaft läßt sich nun einmal Kaufkraft nicht nach Belieben zwecks Kapazitätsausnutzung lenken, auch wenn die Nachfrage noch so sehr mit öffentlichen Schulden gesteigert wird. Erhöhte Kaufkraft wird sicherlich nicht die Nachfrage nach Steinkohle steigern und auch die Zonenrand- und Bundesausbaugebiete nicht primär fördern. Zugegeben: In den bisherigen Konjunkturprogrammen der Bundesregierung sind auch diese regionalen Strukturmaßnahmen angesprochen. Was ich aber sagen will, ist, daß ohne forcierte regionale Strukturpolitik die volle Ausnutzung der Produktionsfaktoren uns allein nicht weiterbringt. Es besteht die viel größere Wahrscheinlichkeit, daß sich die Kaufkraft Dienstleistungen, modischen Verbrauchergewohnheiten und Erzeugnissen vollbeschäftigter Wachstumsindustrien zuwendet. In diesen Bereichen werden dann die Kapazitäten überfordert. Die Folge sind Lohnerhöhungen und Preissteigerungen. Ein ökonomisch bedingter struktureller Umstellungsprozeß führt zwangsläufig zu vermindertem Wachstum. Wenn man auf die Umstellung zugunsten hoher nomineller Wachstumsraten verzichten würde, wäre ein Ergebnis sicher: statt Bereicherung der Volkswirtschaft eine allgemeine Verarmung. Die von den Sachverständigen angestrebte Vollausnutzung des Produktionspotentials wäre im übrigen nur bei unendlicher Anpassungsgeschwindigkeit an die Nachfrage möglich. Dies ist jedoch in der Strukturkrise logischerweise nicht der Fall. Deswegen ist weder die Vollausnutzung noch die These von 30 Milliarden Wachstumsverlust von absoluter Überzeugungskraft. Auch der außenwirtschaftlichen Lage widmet die Bundesregierung in ihrem Bericht im Anschluß an die Sachverständigen ihre Aufmerksamkeit. Dabei kann der in der Zahlenzusammenstellung der Bundesregierung aufgeführte sogenannte Außenbeitrag mit einem Saldo von plus 14 Milliarden DM nicht mit dem Zahlungsbilanzüberschuß gleichgesetzt werden. Es ist sicher, daß bei wesentlich verstärktem Wachstum sich die Einfuhr schneller, die Ausfuhr langsamer entwickeln wird. Dann wird der Außenbeitrag wesentlich geringer. Die Sachverständigen rechnen mit 7 bis 8 Milliarden DM. Dies müssen wir festhalten. Denn bei den jetzt anlaufenden Devisenausgleichsverhandlungen dürfen wir nicht von dem Aktivsaldo des Außenbeitrags mit 14 Milliarden DM ausgehen. Es ist verständlich, daß unsere ausländischen Partner so argumentieren werden. Demgegenüber müssen wir auf die Zahlungsbilanzsituation verweisen und vor falschen Argumentationen warnen. 1967 beträgt nach der Jahresprojektion der Bundesregierung der Außenbeitrag 16,2 Milliarden DM. Die Zahlen der Bundesbank sind anders. 1967 ergab sich nur ein Aktivsaldo von 1440 Millionen DM — wie im Dezember-Bericht der Bundesbank nachzulesen ist —, natürlich unter Berücksichtigung der Kapitalbilanz. Aber die Kapitalbilanz ist ebenso wichtig wie die Handelsbilanz. Für die Beurteilung der Devisenausgleichsmöglichkeiten können wir nur von dem Aktivsaldo von 11/2 Milliarden DM ausgehen. Mit anderen Worten: 1967 betrug der Zahlungsbilanzüberschuß nur 9 % des Außenbeitrags. Auch 1968 kann nicht damit gerechnet werden, daß der Saldo der Zahlungsbilanz und der Außenbeitrag die gleiche Größe erreichen. Der Saldo der Zahlungsbilanz wird vielmehr auch 1968 nur einen verschwindend geringen Bruchteil des Außenbeitrags ausmachen. Ich möchte dies mit aller Deutlichkeit auch im Hinblick auf die mit den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich schwebenden Verhandlungen hervorheben. Mit der Bundesregierung sind wir der Ansicht, daß von einem Abwertungseffekt der Mehrwertsteuer nicht gesprochen werden kann. Vielmehr ist die deutsche Wettbewerbsposition gegenüber ausländischen Produzenten durch den Systemwechsel nicht verbessert worden. Berichtigt wurde lediglich die im Außenhandel bestehende Wettbewerbsbenachteiligung. Die Altinvestitionen sind nicht entlastet; die Neuinvestitionen werden erst stufenweise an den Sofortabzug herangeführt. Hinzu kommt die Abwertung von 18 ausländischen Währungen. Die Mehrwertsteuer kann also nicht zur Kompensation für die in den Vereinigten Staaten beschlossenen Sparmaßnahmen herangezogen werden. Auch die in der Zielprojektion zugrunde gelegte Arbeitslosenquote von 0,8% erscheint problematisch. Berücksichtigt man unvermeidbare Reibungsverluste und Fluktuationen, bedeutet sie einen Zustand, der wahrscheinlich alle Eigenschaften und Folgen der Überbeschäftigung wieder mit sich bringen wird, wie wir sie aus zurückliegenden Jahren kennen. Der Jahreswirtschaftsbericht weist auf die erstrebenswerte Arbeitslosigkeit 1961-1966 hin. Dies sind aber bekanntlich die Jahre der Überbeschäftigung. Wie problematisch die angestrebte Zahl von 0,8 % ist, zeigt beispielhaft ein Vergleich mit der höheren Arbeitslosenquote des September 1967. Hierfür liegt eine aufgeschlüsselte Untersuchung vor: Arbeitslosenquote: 1,6 %; Zahl der Arbeitslosen: 341 078; 8076 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 davon waren 42 800 = 12,6 % über 65 Jahre alt 57 400 = 16,8 % zwischen 60 und 65 Jahre alt 10 666 = 3,1 % erhielten eine Rente wegen Berufsunfähigkeit 76 400 = 22,4 % weniger als 1 Monat arbeitslos (Fluktuation) Ergebnis: Ein Drittel der September-Arbeitslosen war zwar zu vermitteln, fast ein Viertel entfiel auf die normale Fluktuation. Erst für den Rest, also 155 000 Arbeitslose = 45 %, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um konjunkturelle Arbeitslosigkeit handelt. Die Bundesbank stellt dazu in ihrem Januarbericht fest, daß sich jetzt immer mehr der Kern der „strukturellen Arbeitslosigkeit" herausschäle. Damit dürfte sie recht haben. Jedenfalls führt diese Überlegung zu der Erkenntnis, daß die undifferenzierte Arbeitslosenquote — und mehr gibt die Statistik leider nicht her — ein wenig geeignetes Instrument für konjunkturpolitische Entscheidungen ist. Abschließend noch ein Wirt zur Einkommenspolitik: Auf den Seiten 10 und 11 des Jahreswirtschaftsberichtes wird die sog. „Jahresprojektion 1968" gegeben. Hierbei wird eine Erhöhung des „Bruttoeinkommens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen (ohne Entlastung der Altvorräte)" im Jahr 1968 gegenüber dem Vorjahr um 7,9 % geschätzt. Die Erhöhung des „Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit" dagegen beläuft sich im Jahr 1968 auf 4,7 % gegenüber dem Vorjahr. Diese Zahlen zeigen nicht die reale Entwicklung, denn im Jahre 1967 sind die Unternehmereinkommen um 3,7 % gesunken, während sich das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit um 0,1 % erhöht hat. Wenn man die Zahlen der Jahresprojektion 1968 aber nicht mit den Zahlen 1967, sondern mit 1966 vergleicht, dann ergeben sich nach meiner Berechnung wesentlich andere Prozentsätze: Erhöhung des „Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit" plus 4,7 %, Erhöhung des Bruttoeinkommens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen (ohne Entlastung der Altvorräte) plus 3,9 %. Vergleicht man etwa die tatsächliche Entwicklung mit der Zielprojektion, so zeigt sich, daß die Unternehmereinkommen 1967 nicht, wie veranschlagt, um 3,6 % stiegen, sondern um 3,7 % zurückgingen, d. h. es ergab sich eine Diskrepanz um minus 7,3% zu Lasten der Unternehmereinkommen mit allen sich hieraus ergebenden Folgen einer unzureichenden Eigenkapitalbildung und Ertragsgestaltung. Hier liegt einer der entscheidenden Punkte, der der Wiederbelebung der Investitionstätigkeit entgegenstand. Es ist eine unbestreitbare konjunkturpolitische Gesetzmäßigkeit, daß im Konjunkturaufschwung die Unternehmereinkommen den unselbständigen Einkommen vorauseilen. Im Jahreswirtschaftsbericht steht dazu der Satz: „Die Bundesregierung ist wie der Sachverständigenrat der Ansicht, daß die Selbstfinanzierung der Unternehmen mit der Konjunkturbelebung beträchtlich zunehmen wird, ja zunehmen muß." Erfahrungsgemäß wird dieser Vorsprung im Konjunkturverlauf durch allmählich stärker wachsende Einkommen der Unselbständigen wieder eingeholt. Bei der Beurteilung des Umfangs und des Tempos der einkommenspolitischen Entwicklung sollte aber - wie die eben dargelegten Zahlen zeigen — von der kurzfristigen jährlichen Betrachtungsweise abgegangen werden und die Entwicklung im zyklischen Verlauf zugrunde gelegt werden. Dann werden wir auch zu einer realitätsgerechteren Einkommenspolitik gelangen. Der Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, die Harmonisierung der Sparförderung in die Wege zu leiten. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat die Bundesregierung in der vorigen Legislaturperiode eingebracht. Jedoch wurden diese Vorschläge vom Hause nicht mehr verabschiedet. In der 5. Legislaturperiode hat der Bundestag das Kumulationsverbot als wichtigste Änderung der bisherigen Sparförderungsmaßnahmen beschlossen. Die übrigen Gesichtspunkte der Sparförderung sind damit nach wie vor nicht gelöst. Der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers im Jahreswirtschaftsbericht auf Einführung eines Sparbriefes ohne Kursrisiko läßt den Gesichtspunkt der Harmonisierung außer Betracht. Insoweit besteht ein Widerspruch zur Aufassung des Bundestages. Wenn neue Sparformen eingeführt werden sollen, so müßten diese sich in das Gesamtpaket der Harmonisierungsvorstellungen einfügen. Die Harmonisierungsvorschläge des Steueränderungsgesetzes 1966 liegen im Finanzausschuß, werden aber auf Wunsch des Bundesfinanzministeriums nicht weiterberaten. Wie die Risikofreiheit des Sparbriefs beschaffen sein soll, wird von der Bundesregierung nicht weiter dargelegt. Deswegen kann vorerst nur darauf hingewiesen werden, daß eine neue Sparform nicht etwa zu Verzerrungen am Kapitalmarkt führen darf. Lassen Sie mich zusammenfassen: Im Grundsatz stimmen wir dem Jahresbericht der Bundesregierung zu. Anlaß zur Kritik geben einige mehr oder weniger bedeutsame Einzelfragen. Weder die Arbeitslosenquote noch die in der Zielprojektion niedergelegte Einkommensverteilung stellen brauchbare Zahlen für wirtschafts- und finanzpolitische Entscheidungen dar. Das Errechnen von Dezimalstellen ist sinnlos, und dafür sollte mit Bandbreiten, die den Schätzungsspielraum verdeutlichen, gearbeitet werden. Positiv ist anzumerken, daß die auf den Jahresbericht aufbauende Konjunkturpolitik der Bundesregierung den Realitäten zu entsprechen scheint. Die tatsächliche Entwicklung gibt denjenigen Recht, die eine Wachstumspolitik auf mittlerer Linie bei Erhaltung der mühsam errungenen Stabilität anstreben. Der Januarbericht der Bundesbank bestätigt die Richtigkeit des Verzichts auf weitere konjunkturanregende Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt. Die Grenzen der antizyklischen Fiskalpolitik und der Deficit-spending-Politik sind deutlich sichtbar geworden. In beiden Bereichen befinden wir uns dicht vor dem Punkt, an dem die erwarteten Vorteile ihres Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1958 8077 weiteren Einsatzes in Nachteile für die gesamte Volkswirtschaft umschlagen würden. Der Schwerpunkt der künftigen Wirtschafts- und Finanzpolitik sollte daher auf dem Gebiet der Strukturverbesserung liegen. Hier sind noch Reserven erschließbar. Eine so verstandene Wirtschafts- und Finanzpolitik wird die Ziele Wachstum und Stabilität überzeugend zum Wohle des Ganzen ansteuern können. Gleichzeitig geben wir damit eine Antwort auf das Hauptmotiv des hinter uns liegenden Konjunktureinbruchs, nämlich auf die Unsicherheit, die seinerzeit im Hinblick auf die Unsicherpolitik und den Regierungswechsel um sich gegriffen hat. Je größer das Vertrauen in die Beständigkeit unserer Politik ist, um so sicherer werden wir mit ihrem Erfolg rechnen können. Anlage 4 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Dr. Krips (SPD) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Wirtschaftswachstum ist nicht die fixe Idee übereifriger Nationalökonomen, sondern die Grundbedingung einer modernen Gesellschaft. Ohne ständige Einkommensexpansion, die gesamtwirtschaftlich abgesichert sein muß, wird unser System der sozialen Sicherheit zusammenbrechen. Nur wenn das Realeinkommen der aktiven Generation steigt, wird man ihr zumuten können, für eine rasch wachsende Zahl alter Menschen erhebliche Einkommensteile abzuzweigen. Im Mittelpunkt aller Überlegungen muß daher zunächst noch einmal die Projektion der Bundesregierung stehen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hätte es begrüßt, wenn die veröffentlichten Daten auch die Angebotsseite differenziert nach den wichtigsten Wirtschaftsbereichen enthalten hätte, obwohl wir natürlich wissen, daß sie bei der speziellen Konjunktursituation dieses Jahres lediglich einen Reflex der Nachfrageentwicklung darstellt. Auch die Finanzierungsrechnung würde uns weiterhelfen. In diesem Zusammenhang hoffen wir auch darauf, daß die zur Zeit laufenden Arbeiten für die Erstellung einer Umsatz- und Produktionsmatrix beim Statistischen Bundesamt zügig fortgesetzt werden. Wir sind der Meinung, daß diese Angaben dazu beitragen könnten, die Konsistenz im Kreislauf zu sichern. Überhaupt ist es eine Frage, ob es nicht gelingen könnte, den Wirtschaftsprozeß mit Hilfe der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der Projektion für die Öffentlichkeit durchschaubarer zu machen. Das gehört zur Information und ist Voraussetzung echter Meinungsbildung. In der Tat brauchen wir uns der ökonomischen Bilanz des Jahres 1967 nicht zu schämen. Das Zustandekommen der großen Koalition am 1. Dezember 1966 hat eine neue Phase der deutschen Nachkriegspolitik eingeleitet, die notwendig geworden war, weil die zuvor entstandenen wirtschaftlichen und finanziellen Probleme anders nicht mehr lösbar waren. Aus der Gleichzeitigkeit einer zu lange anhaltenden monetären Restriktionspolitik und einer prozyklischen Haushaltspolitik zog die Wirtschaft den Schluß, daß sie die Last der Stabilisierung allein zu tragen habe. Der Kumulationsprozeß nach unten drohte zu gefährlicher Arbeitslosigkeit und einem anhaltenden Produktionsrückgang zu führen. Unter Führung des sozialdemokratischen Wirtschaftsministers wurde erstmals die Phase einer rationalen Wirtschafts- und Wachstumspolitik durch Kombination von Marktwirtschaft und Globalsteuerung — gegen oft erheblichen Widerstand — eingeleitet. Ich möchte hier nur daran erinnern, welche Bedenken gegen den 1. Eventualhaushalt geltend gemacht wurden, und auch bei der Verwirklichung des 2. Konjunktur- und Strukturprogramms gab es immer noch Unbelehrbare. Das Konjunkturbelebungsprogramm wurde begleitet von Diskontsenkungen und Ermäßigungen der Mindestreservesätze, denn es war dem Wirtschaftsminister gelungen, die Bundesbank davon zu überzeugen, daß sie nach der Durchforstung des Bundeshaushalts und der Streichung von Steuerprivilegien die expansionsfördernde Politik der Bundesregierung unterstützen müsse. Die Aufhebung der staatlichen Bindung der Soll- und Haben-Zinsen, die Sonderabschreibungen auf bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter, die Verbesserung der Entlastung der Altvorräte seien nur der Vollständigkeit halber nochmals erwähnt. Ein solches umfassendes konjunktur- und wachstumspolitisches Aktionsprogramm war das erste seiner Art in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Maßnahmen haben einer weiteren Verschärfung der Krisensituation entgegengewirkt. Die Erfolge liegen auf der Hand. Wir sind auf dem Wege, die Ziele des Stabilitätsgesetzes zu erfüllen. Die Konjunktur hat sich im Zuge des Herbstaufschwungs spürbar gebessert. Die Erholung ist auf die Konjunkturprogramme des Bundes, aber auch auf eigenständige Faktoren zurückzuführen. Bei Investitionen und Erträgen bahnt sich eine Wende nach oben an. Gleichzeitig wurde die Kreditnachfrage der Unternehmen lebhafter. Der Preisanstieg war 1967 der geringste seit 1960. Die Firmen konnten ihre Auftragsbücher weiter auffüllen: Lag die Entwicklung des Auftragseingangs im Dezember 1966 bei —9,8 %, so konnte im Dezember 1967 ein Plus von 16,4% verzeichnet werden. Die Nachfragebelebung hatte deutliche Rückwirkungen auf Produktionstätigkeit und Wareneinfuhr. Die Produktion setzte ihren Anstieg auch im Dezember fort. Gegenüber Dezember 1966 war sie um 91% höher (66/65: —1,8 %). Die konjunkturanregenden Maßnahmen des Jahres 1967, die erst 1968 voll effektiv werden, und der Umschwung bei der Vorratsentwicklung müssen allerdings ergänzt werden durch eine Ausweitung des privaten Verbrauchs u n d der privaten Investitionen. Noch sind nämlich Rückwirkungen der Pro- 8078 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 duktionsausweitung auf die Beschäftigung kaum feststellbar. Die Erreichung einer optimalen Kapazitätsauslastung muß daher im Mittelpunkt unseres Interesses stehen. Leider hat das Kabinett entschieden, keine zusätzlichen konjunkturanregenden Maßnahmen zu ergreifen. Andernfalls hätte uns das Bundeswirtschaftsministerium sicher eine andere Projektion vorlegen können. Vermutlich hätten dann auch einige Maßnahmen dazu gehört, die der Sachverständigenrat in Ziff. 321 des Jahresgutachtens 1967/68 genannt hat. Ich könnte mir vorstellen, daß man dann eine Zunahme des Bruttosozialprodukts — gleichbleibende Preisrate unterstellt — von 5 % real und 7 % nominal hätte schätzen können. Selbstverständlich kann man, wenn die Entwicklung einmal hinter dem aus den realen Bestimmungsfaktoren theoretisch abgeleiteten Wachstumspotential in einer bestimmten Periode zurückbleibt, nicht einfach ziffernmäßig einen Wachstumsverlust berechnen und den Gap gleichfalls durch Gewaltmaßnahmen auszugleichen versuchen. Aber ein entstandenes Wachstumsloch zeigt stets die Richtung an, in die wirtschafts- und währungspolitische Maßnahmen zielen müssen. In diesem Sinne würden wir ein etwas anderes Bild der Verteilungs- und Verwendungsseite begrüßen. Natürlich würde eine solche Projektion in ihrer Realisierung davon abhängen, inwieweit eine Kreditfinanzierung ermöglicht werden kann. Hier können keine Vorurteile, sondern nur rationale Argumente weiterhelfen. Die Verschuldung des Bundes allein ist in den letzten 16 Jahren um 11,8 Milliarden DM gewachsen. Gemessen am Volumen des Bundeshaushalts war dies wenig. Bezieht man die Zunahme der öffentlichen Schuld auf die Gesamtausgaben der öffentlichen Hand, dann zeigt sich, daß im großen und ganzen immer noch mehr als 90% dieser Ausgaben aus öffentlichen Einnahmen bestritten worden sind. Trotzdem scheint es heute nach wie vor eine Ideologie eigener Art zu geben, wenn über die Zunahme öffentlicher Verschuldung gesprochen wird. Niemand wundert sich oder hat Bedenken, wenn die Verschuldung der Wirtschaft gegenüber dem Bankenapparat steigt. Man geht im Gegenteil davon aus, daß eine andere Entwicklung deflatorisch wirken würde. Ob und inwieweit eine Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben vertretbar oder sogar notwendig ist, läßt sich sinnvoll nur im Rahmen gesamtwirtschaftlicher Betrachtungen und im Hinblick auf die allgemeinen wirtschafts- und finanzpolitischen Zielsetzungen entscheiden; denn die staatliche Finanzwirtschaft kann und darf in der modernen Volkswirtschaft nicht allein nach fiskalischen Gesichtspunkten oder sogar nach dem Prinzip des sparsamen Hausvaters geführt werden. Die öffentliche Finanzwirtschaft ist heute ein wichtiges Instrument zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Das gilt einmal für die — von der öffentlichen Meinung inzwischen weitgehend akzeptierte — kurzfristige konjunkturelle Steuerung im Sinne der antizyklischen Finanzpolitik, wofür die gegenwärtigen konjunkturfördernden Haushaltsprogramme des Bundes ein deutliches Beispiel sind. Zum anderen gilt es aber auch für die Beeinflussung der mittel- und längerfristigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die staatlichen Ausgaben und ihre Finanzierung sind heute ein wichtiges Instrument der mittelfristigen Wirtschaftspolitik. Aus diesem Grunde muß die für die Zeit bis 1971 geplante Ausgabenentwicklung und Neuverschuldung des Staates im Zusammenhang mit der angestrebten und in der gesamtwirtschaftlichen Projektion quantifizierten mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung betrachtet werden. Nur gegenwärtiges Wachstum sichert aber die mittelfristige Projektion und die davon abhängige Finanzplanung, die nach dem Stabilitätsgesetz durch eine rollierende Schätzung Jahr für Jahr den tatsächlichen Gegebenheiten angepaßt werden kann. In der Bundesrepublik herrscht jedoch nach wie vor weitgehendes Fiskaldenken, bei dem man einem deficit spending generell inflatorische Einflüsse nachsagt. Hier muß ich wieder auf die Durchschaubarkeit der wirtschaftlichen Vorgänge zu sprechen kommen. Man hat zu lange vom „Maßhalten" gesprochen und davon, daß derjenige, der nicht maßhalte, automatisch Preissteigerungen befürworte. So einfach geht das nicht. Wichtigstes Kriterium für die Stabilität des Preisniveaus ist die Höhe der Gesamtnachfrage im Verhältnis zur Kapazitätsauslastung und nicht die Frage, wie man Haushaltsdefizite finanziert. Die dem Jahreswirtschaftsbericht beigefügte Aufstellung über die Einnahmen und Ausgaben des Staates (S. 16) verdeutlicht überdies, daß keine Korrelation zwischen Inflationsrate und Haushaltsdefizit nachweisbar ist. So hat im Jahre 1966 der Ausgabenüberschuß 0,8 Milliarden DM betragen; die Preisrate des Bruttosozialprodukts und des privaten Verbrauchs lag gleichzeitig bei 3,6 %, während wir im Jahre 1967 bei einem Finanzierungsdefizit von 9,5 Milliarden eine Preisrate des Bruttosozialprodukts von weniger als 1 % und beim privaten Verbrauch von knapp 2 % finden. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Sachverständigen verweisen (Gutachten S. 95 Ziff. 187) : „Eine Kreditaufnahme des Staates hat inflatorische Wirkungen in der Zeit, in der sie zu zusätzlichen Ausgaben führt — oder niemals." In der gegenwärtigen Lage ist diese Befürchtung also gegenstandslos. Es bleibt mir daher nur übrig, dem Bundeswirtschaftsminister zu wünschen, daß es ihm gelingen möge, etwas mehr Keynesianismus in in das Bewußtsein der anfangs zitierten konservativen Kräfte zu rücken. Anlage 5 Schriftliche Erklärung des Abgeordenten Dr. h. c. Menne (FDP) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8079 Da zu den allgemeinen Konjunkturfragen bereits meine Vorredner ausführlich Stellung genommen haben, will ich mich in meinen Ausführungen auf die Energie- und Strukturpolitik beschränken. Im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung nehmen beide Themen einen breiten Raum ein. Ich habe schon wiederholt darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik kein Land der hohen Energiekosten bleiben darf. Allein .der Nahostkonflikt hat durch die Verteuerung des Öls die deutsche Wirtschaft mit Mehrkosten von 1,1 Milliarden DM belastet. Der Energiepreis darf deshalb auf keinen Fall weiter erhöht werden, sondern die Bundesregierung muß sich bemühen, ihn so schnell wie möglich zu senken. In dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung ist mir in diesem Zusammenhang folgender Satz aufgefallen: „Der Wettbewerbsschutz für den Steinkohlenbergbau wird fortgeführt." Ich hoffe, daß dieser Satz nicht bedeutet, daß an einen noch weitergehenden Wettbewerbsschutz von selten .der Bundesregierung gedacht wird. Bereits jetzt ist das Energiekostenniveau in der Bundesrepublik viel zu hoch. Es würde außerdem den Grundsätzen der Bundesregierung zur sektoralen Strukturpolitik widersprechen, wenn die im Wettbewerb zur Kohle stehenden Energieträger langfristig behindert würden. Wir dürfen bei allen Maßnahmen für die Kohle nicht vergessen, daß der Energieträger der Zukunft die Kernenergie ist und daß es deshalb auch eine wesentliche Aufgabe des Staates ist, dein Einsatz der Kernenergie nachdrücklich zu fördern. Die Kernenergie ist zum Teil schon heute und in Zukunft mit Abstand der billigste Energieträger. Kein Industriestaat kann deshalb auf diesen neuen Energieträger verzichten, wenn er mit seinen Industriegütern international wettbewerbsfähig bleiben will. Obwohl in der Bundesrepublik ,die Bedeutung der Kernenergie voll erkannt worden ist und in dien vergangenen Jahren seitens der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft beträchtliche Mittel in diese Entwicklung investiert worden sind, machen sich heute schon Anzeichen bemerkbar, daß insbesondere durch die Verstromungsgesetze der Bau von Kernkraftwerken verzögert wird. Ich halte es für außerordentlich wichtig, daß die Maßnahmen zum Schutze der Kohle nicht dazu führen dürfen, die Kernenergie in ihrer weiteren Entwicklung zu beeinträchtigen. Wenn man den Energiepreis senken will, so muß das Kohleanpassungsgesetz so schnell wie möglich verabschiedet werden. Das Ergebnis im Jahre 1967 für den Absatz im deutschen Steinkohlenbergbau von 114,7 Millionen Tonnen bei einer Förderung von 112 Millionen Tonnen darf nicht zu der Annahme verführen, die Krise sei überwunden und man könne sich mit der Verabschiedung des Kohlenanpassungsgesetzes Zeit lassen. Die Probleme, die in diesem Gesetz beraten werden, sind alles andere als einfach. Die Beratungen haben sich schon sehr in die Länge gezogen. Jetzt hat die Gewerkschaft, nachdem sie den Regierungsentwurf zunächst unterstützt hatte, plötzlich ihre Mitarbeit eingestellt und eine privatrechtliche Lösung des Problems anscheinend abgelehnt. Der Grund soll zum Teil in der selbstverständlichen Tatsache liegen, daß bei Fusionen eine Reihe von Vorständen und Aufsichtsräten überflüssig werden, was in .diesem Falle das Ausscheiden vieler Arbeitsdirektoren und Mitbestimmungs-Aufsichtsräte bedeutet. Für ein solches Taktieren habe ich keinerlei Verständnis, denn die Probleme der Umstrukturierung von Ruhr und Saar sind nach Auffassung der FDP viel zu ernst, als daß auf das Aufsichtsräte-Sterben Rücksicht genommen werden könnte. Ich glaube, daß die Gewerkschaften noch einiges über .die Prinzipien der freien Marktwirtschaft lernen müssen. Wenn ein Unternehmen zu klein ist oder aus sonstigen Gründen den Wettbewerb nicht mehr durchstehen kann, hat es die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Eis kann nichts tun und muß abwarten, bis es bankrott ist, oder es überlegt sich, ob es durch den Zusammenschluß mit einem oder mehreren anderen Unternehmen seine Wirtschaftlichkeit wiederherstellen kann. Derartige Fusionen erhalten nicht nur der Belegschaft die Arbeitsplätze, sondern sie verringern zwangsläufig die Zahl der Vorstands- und Aufsichtsratmitglieder. Ich habe noch nie gehört, daß eine wirtschaftlich notwendige Fusion unterblieben ist, weil ein Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglied seine Stellung verlor. Die Gewerkschaften scheinen diesen absolut normalen Vorgang anscheinend anders als jeder private Unternehmer einzuschätzen. Für sie ist der Wegfall von Aufsichtsratsitzen für Arbeitnehmervertreter eine „Aushöhlung der Mitbestimmung". Es ist anscheinend für die Gewerkschaften keine Selbstverständlichkeit, daß in einer Einheitsgesellschaft nicht sämtliche Arbeitsdirektoren der Altgesellschaften in den neuen Vorstand gelangen können. Für die Neuansiedlung von Industriebetrieben an Ruhr und Saar ist der § 26 des Kohleanpassungsgesetzes entscheidend wichtig! Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Investitionsprämie dieses Paragraphen als wesentlicher Teil des Strukturplanes Ruhr/Saar schon bald ihre investitionsfördernde Wirkung entfaltet. Die genannte Investitionsprämie ist ein Kernpunkt der Struktur- und Steuerpolitik, und damit der allgemeinen Konjunkturförderung. Die FDP ist ebenfalls der Auffassung, daß diese Investitionsprämie der Bundesregierung die von ihr erhofften Wirkungen erfüllen kann. Wenn dies aber der Fall sein soll, so muß die Investitionsprämie so rasch wie möglich in Kraft gesetzt werden. Nach den Erfahrungen, welche wir bei der Beratung des Kohleanpassungsgesetzes gesammelt haben, teile ich jedoch nicht den Optimismus .der Bundesregierung, daß diese Investitionsprämie schon bald ihre Wirkung entfalten kann. Die Schwierigkeiten bei der Neuordnung der Kohlenbergbaugesellschaften dürfen nach Auffassung der FDP auf keinen Fall die Umstrukturierung an Ruhr und Saar weiter behindern. Deshalb schlagen wir vor, den § 26 aus dem Kohleanpassungsgesetz herauszulösen und als gesondertes Steuergesetz sofort in Kraft zu setzen. Nur wenn der § 26 Kohleanpassungsgesetz jetzt vorgezogen wird und sofort in Kraft gesetzt wird, kann .er die Ansiedlung von 8080 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 neuen Industrien an Ruhr und Saar mit der nötigen Geschwindigkeit fördern. Außerdem schlägt die FDP vor a) die Verlängerung des am 31. 12. 1969 endenden Begünstigungszeitraums — oder zumindest die Gewährung der Investitionsprämie auch für solche Investitionen, die bis zum 31. 12. 1969 bestellt und angezahlt sind, sofern sie bis Ende 1970 geliefert werden —, b) die Verlängerung des Zeitraums für die Abzugsfähigkeit der Investitionsprämie von zwei auf fünf Jahre, c) die Investitionsprämie auch bei Organschaftsverhältnissen zu gewähren. Die FDP erwartet, daß die Bundesregierung diesem Vorschlag folgt, da nach unserer Auffassung nur auf diese Weise die schnelle Umstrukturierung von Ruhr und Saar gewährleistet ist. Es kommt nicht nur darauf an, daß eine Maßnahme geplant wird, sondern daß sie rechtzeitig in Kraft gesetzt wird. Die Wirtschaft kann bei den Großinvestitionen, die an Ruhr und Saar erforderlich sind, nicht ein noch nicht verabschiedetes Gesetz zur Grundlage für ihre Investitionsbeschlüsse machen. § 26 des Kohleanpassungsgesetzes sollte deshalb sofort verabschiedet werden. Der Bundeswirtschaftsminister hat heute in dieser Debatte gesagt: „Jeder verlorene Tag verzögert die Sanierung". Ich stimme ihm zu! Das gilt auch für den § 26. Die Bundesregierung hat in ihren Grundsätzen zur sektoralen Strukturpolitik als einen der wichtigsten Grundsätze festgelegt, daß staatliche Anpassungshilfen in keinem Fall der Erhaltung dienen dürfen. Auch die FDP ist der Ansicht, daß es keine Erhaltungssubventionen geben darf. Die Bundesregierung hat ferner festgestellt, daß alle Hilfen zeitlich befristet und degressiv gestaltet sein müssen. Auch insofern stimmt die FDP mit den Ansichten der Bundesregierung überein. Leider vermissen wir jedoch eine Aussage darüber, wie lange der Zeitraum für Anpassungshilfen ausgedehnt werden kann. Hierauf kommt es aber an. Ich kann eine Subvention äußerlich als eine Anpassungshilfe deklarieren. Wenn sie jedoch 20 Jahre lang gewährt werden soll, so besteht kein Zweifel daran, daß es sich in Wirklichkeit um eine Erhaltungssubvention handelt. Hier bitte ich die Bundesregierung um eine klare Stellungnahme. Nach meiner Auffassung darf eine Anpassungssubvention allenfalls 5 Jahre lang gewährt werden. In Extremfällen vielleicht 10 Jahre; was darüber geht, ist in jedem Fall eine unzulängliche Erhaltungssubvention. Nur wenn die Bundesregierung sich hier an echte Grenzen hält, kann dem Subventionsunwesen ein Ende bereitet werden; nur so kann die soziale Marktwirtschaft erhalten bleiben. Zu den Grundsätzen der Strukturpolitik der Bundesregierung gehört auch eine Verbesserung der Mobilität der Arbeitnehmer. Die FDP begrüßt diesen Grundsatz. Ich habe jedoch den Eindruck, daß das Bekenntnis der Bundesregierung zur stärkeren Mobilität der Arbeitskräfte ein bloßes Lippenbekenntnis sein wird, wenn sie nicht ihren ganzen Einfluß geltend gemacht, den Abschluß von Arbeitssicherungsabkommen zu unterbinden. Der Bundeswirtschaftsminister könnte gewiß im Rahmen der Konzertierten Aktion in diesem Sinne auf die Sozialpartner einwirken, denn wenn in Tarifverträgen von den Gewerkschaften eine immer stärkere Sicherung des Arbeitsplatzes gefordert wird, so wird hierdurch die Mobilität der Arbeitskräfte nicht gefördert, sondern weiter eingeschränkt. Wenn wir auf diesem Wege weitermachen, dann kommen wir eines Tages zu Zuständen, die denen in England ähneln, daß nämlich Heizer auch auf Elektrolokomotiven mitfahren, nur damit ihr Arbeitsplatz geschützt bleibt. Der Schutz, den der deutsche Arbeitnehmer über das Kündigungsschutzgesetz genießt, ist nach meiner Meinung ausreichend. Die Bundesregierung sieht in einer Steigerung der Tariflöhne von mehr als 4-5% eine Gefahr für das wirtschaftliche Wachstum und die notwendigen Investitionen. Hierbei geht die Bundesregierung bereits von einem Wachstum des Bruttosozialprodukts von real 4 % aus. Wenn das Wachstum geringer ist, wird also schon eine Steigerung der Löhne in Höhe von 4 % das Wachstum gefährden. Die Sachverständigen haben sich sehr deutlich für eine Zurückhaltung in der Lohnpolitik ausgesprochen. In der Lohnpolitik wird sich deshalb die Konzertierte Aktion bewähren müssen. Die FDP fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der Konzertierten Aktion ihren ganzen Einfluß in diesem Sinne auf die Sozialpartner auszuüben. Zu hohe Lohnforderungen gefährden nicht nur das konjunkturelle Wachstum, sondern auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Zurückhaltung in der Lohnpolitik bringt dagegen volle Beschäftigung. Anlage 6 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Burgbacher (CDU/CSU) zu Punkt 9 der Tagesordnung. 1. Die Wirtschaft der Bundesrepublik befand und befindet sich nicht in einer Krise. Wir erleben lediglich die Phase des Konjunkturabschwunges. Als Beweis mag die Feststellung dienen, daß das Bruttosozialprodukt im Jahre 1967 fast genauso hoch war wie 1966, nämlich etwa 480 Milliarden DM. Dieses Bruttosozialprodukt wurde mit einer geringeren Zahl von Beschäftigten erreicht; das bedeutet also Rationalisierung und Leistungssteigerung. Der Konjunkturabschwung hätte allerdings zu einer Krise führen können, wenn keine konjunkturfördernden Maßnahmen getroffen worden wären. Der Übergang von der Überbeschäftigung zur Vollbeschäftigung hätte sich unter erheblich größeren Schwierigkeiten vollzogen. 2. Unsere Zahlungsbilanz ist fast ausgeglichen. Dem Aktiv-Saldo der Handelsbilanz von fast 17 Milliarden DM stehen langfristige und kurzfristige Kapitalanlagen im Ausland von 8 Milliarden Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8081 DM, Übertragungen (Überweisungen der Gastarbeiter, Zahlungen an internationale Fonds) in Höhe von 6 Milliarden DM und ein Negativ-Saldo der Kapital- und Dienstleistungsbilanz von 2 Milliarden DM gegenüber. Der beste Abbau der Exportüberschüsse wäre eine Anregung der Investitionen im Inland. Damit erfolgte langfristig eine Verbesserung der Situation unserer Wirtschaft. Eine Ausweitung des Konsumbereichs durch Hereinholen der Beträge aus dem Ausland würde allerdings preisgefährdend wirken. 3. Das Wachstum in den einzelnen Wirtschaftsbranchen lag im Jahre 1967 bei minus 10 und plus 10 %. In den einzelnen Bundesländern ergab sich ein Spielraum zwischen minus 4 und plus 4 %. Die Festlegung des Wachstums durch eine Durchschnittszahl erscheint auf Grund dieser starken Schwankungen problematisch. Diese unterschiedliche Entwicklung zeigt aber auch die Verantwortung der Länder und Gemeinden für eine gezielte Konjunktur-und Strukturpolitik. 4. Außer der Problematik von Durchschnittszahlen ergibt sich eine Unsicherheit bei Prognosestellungen. Die Voraussagen für das wirtschaftliche Wachstum im Jahre 1967 sind nicht eingetreten. Das sollte uns dazu veranlassen, keine exakten Prozentzahlen anzugeben, sondern eine gewisse Bandbreite zu lassen — für 1968 z. B. zwischen 3 bis 7 % reales und 4 bis 9% nominales Wachstum. Ein solcher Spielraum ist insbesondere deshalb notwendig, weil außenwirtschaftliche Einflüsse nicht im voraus auch nur einigermaßen genau erfaßt werden können. 5. Die öffentlichen Investitionen betrugen 1965, 1966 und 1967 etwa je 30 Milliarden DM. 1968 sind etwa 34 Milliarden DM vorgesehen. In jedem Jahr betragen die Gesamtinvestitionen der deutschen Volkswirtschaft rund 120 Milliarden DM = 25 % eines Bruttosozialproduktes. Für die Haushalte des Bundes sind für 1968 bis 1971 65 Milliarden DM Investitionen vorgesehen. Von der Wirtschaft wird auch eine stärkere Investitionsbereitschaft erwartet. Vor allem in den Wachstumsindustrien, die in Zukunft entscheidend für das volkswirtschaftliche Wachstum überhaupt sein werden, wird eine weitere Investitionsneigung erwartet. Nur die Gleichgewichtigkeit zwischen öffentlichen und privaten Investitionen ist die Voraussetzung für eine normale Wachstumsentwicklung. Daher ist auch die Selbstfinanzierung bei der Wirtschaft über die Preise und der öffentlichen Hand über die Steuern notwendig; wenn möglich, sollten beide Größen in etwa relativ gleich sein. Im Falle der Kapitalknappheit könnte die öffentliche Hand ihre Investitionen mehr durch Kredite finanzieren als die private Wirtschaft. Die ideale Finanzierung für Investitionen würde erreicht, wenn die Summe der Selbstfinanzierung bei der Wirtschaft und beim Staat zuzüglich der Sparprozesse aller Art genau dem Investitionsbedarf der Volkswirtschaft entspräche. 6. Die Grenze der Staatsverschuldung ist nicht genau zu ziehen. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis des Sparprozesses, Investitionen und der Steigerung des Bruttosozialproduktes. Die Staatsverschuldung ist nur dann gesund, wenn der Zins- und Amortisationsdienst im wesentlichen aus der Steigerung des Bruttosozialproduktes geleistet werden kann. Daher ist verständlich, daß bei steigendem Bruttosozialprodukt der Amortisationsdienst relativ leichter wird. Gleichzeitig ist aber darauf zu achten, daß beim Konjunkturanstieg zusätzliche Einnahmen zur Schuldentilgung verwandt werden. Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand ist nicht beunruhigend. Sie beträgt bei Bund, Ländern und Gemeinden ca. 100 Milliarden DM; das bedeutet weniger als 20 % des Bruttosozialproduktes des letzten Jahres. Es wird eine Staatsschuldenverwaltung angeregt, die alle öffentlichen Wertpapiere betreut und damit gleichzeitig auch Kurspflege betreiben kann; darüber hinaus wird damit die Einsicht und Durchsicht durch scharfe Trennung der öffentlichen Haushalte in Konsumhaushalt und Investitionshaushalt erleichtert. 7. Der Eigentumspolitik kommt in diesem Zusammenhang größte Bedeutung zu. Auch nach Meinung der Sachverständigen ist jede eigentumsfördernde Maßnahme stabilitätsneutral. Meiner Meinung nach dürfen aber die vorhandenen eigentumsfördernden Maßnahmen nicht nur nicht eingeschränkt, sondern sie müssen noch weiter entwickelt werden. Zum Beispiel wird das Beteiligungssparen ausgebaut werden müssen, damit alle Unternehmen, die bisher nicht an den Kapitalmarkt herantreten können, in Zukunft auch über Möglichkeiten der Verstärkung des Eigenkapitals verfügen können. Ein eventueller Sparbrief des Bundes darf mit keiner anderen staatsfördernden Maßnahme ausgestattet sein als Sparbriefe oder eigentumsbildende Maßnahmen für jedweden Zweck. Es wird nochmals angeregt, daß auch der Investivlohn bei den Maßnahmen zur Stärkung des Kapitalmarktes in Betracht zu ziehen ist. 8. Schwierigkeiten für unsere Konjunkturpolitik ergeben sich aus dem zu stark betonten Föderalismus. Der staatspolitisch zweckmäßige Föderalismus ist wirtschaftspolitisch und sozialpolitisch nur zu vertreten und aufrechtzuerhalten, wenn er mit einem gesunden Solidarismus gepaart ist. Die Einigung zwischen Bund und Ländern über die Gemeinschaftsaufgaben ist ein erfreulicher Ansatz für weitere Zusammenarbeit. Eine weitere Gefahr für die Konjunkturpolitik ist die zu getrennte Betrachtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Beides sollte in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Die Fortentwicklung der Wirtschaft ist vorrangig als unverzichtbare Voraussetzung für gesunde Finanzen. 9. Auf europäischer Ebene sind die Ansätze einer Harmonisierung der Konjunktur- und Strukturpolitik weiter zu entwickeln. Eine ständige Abstimmung auf der Ebene der Wirtschafts- und Finanzminister, aber auch gleichzeitig Konsultationen zwischen den Leitern der nationalen Notenbanken sind erforderlich, um zu einer gemeinsamen Konjunktur- und Währungspolitik zu kommen. Die Frage der festen Wechselkurse hängt auf die Dauer gesehen von einer einheitlichen europäischen Währung ab. Die Abstimmungen der nationalen Wirtschafts- und 8082 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 Finanzpolitik im EWG-Rahmen können nur als vorübergehende Hilfsmittel angesehen werden. 10. Für die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik der Zukunft wird es von entscheidender Bedeutung sein, wie das Verhältnis der im Arbeitsprozeß stehenden Bevölkerung zu den Marktinaktiven steht. Die Konsequenzen aus der Verlängerung der Lebenserwartung sind dabei zu berücksichtigen. Die Höhe der Sozialleistungen ist nicht gefährdet, wenn das Bruttosozialprodukt prozentual so stark anwächst, wie das Verhältnis von aktiver zu passiver Bevölkerung sich verschlechtert. Wenn das nicht erreicht wird, bleibt nur eine Kürzung der Leistungen oder eine Erhöhung der Beiträge übrig, es sei denn, man würde sich zu einer Änderung des Pensionierungsalters entschließen. Der Anteil der nichttätigen Bevölkerung wächst laut Sozialenquete in den Jahren von 1966 bis 1971 um 15 %, im Durchschnitt der Jahre also um 3 %, und von 1971 bis 1976 um 10%, also im Durchschnitt der Jahre um 2 %. Anlage 7 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Lenders (SPD) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Ohne Zweifel begrüßen wir die Tatsache, daß dem Parlament zum erstenmal der Wirtschaftsbericht einer Bundesregierung vorliegt, dessen Herzstück eine volkswirtschaftliche Zielprojektion ist. Damit sind die Voraussetzungen für eine planvolle und vorausschauende Wirtschaftspolitik geschaffen. Die Bundesregierung hatte im Jahr 1967 die schwierige Aufgabe, den schwerwiegenden Rückgang der Wirtschaftstätigkeit aufzufangen und durch geeignete konjunkturpolitische Maßnahmen Produktion und Beschäftigung wieder nach oben zu führen. Dieser Prozeß ist nicht abgeschlossen, und die von der Bundesregierung vorgelegte Zielprojektion ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Das wirtschaftspolitische Ziel ist ein reales Wachstum des Bruttosozialproduktes von 4 %. Dieses Wachstumsziel stützt sich vor allem auf eine projektierte Zunahme der öffentlichen Investitionen von 11 %, der privaten Investitionen von 7,5% und einer Aufstockung der Lagervorräte. Die Zunahme des privaten Verbrauchs ist mit 3,9 % veranschlagt. Hier möchte ich anknüpfen. Unangetastet soll die Notwendigkeit bleiben, kurz- und langfristig die öffentlichen Investitionen zu steigern. Hier bleibt aber die Frage, die Herr Ravens schon stellte: werden die 11 % erreicht, da die Gemeinden die Hauptlast der Zuwachsrate aufbringen müßten? Es ist auch richtig, daß die private Investitionstätigkeit wieder aufholen muß, nachdem sie an der Spitze des Rückschlages in den beiden vergangenen Jahren stand. Mit finanziellen Erleichterungen, mit Investitionsanreizen allein ist es jedoch nicht getan. Wie ein roter Faden durchzieht alle Wirtschaftsberichte und Konjunkturanalysen die Feststellung, daß ungenutzte Kapazitäten reichlich vorhanden sind. Wir brauchen also vor allem Nachfrage, die in die brachliegenden Kapazitäten hineinwächst und neue Investitionen lohnend macht. Diese Nachfrage kann aus der überproportionalen Zunahme der Ausgaben im Bereich der öffentlichen Wirtschaft kommen (+ 11 % öffentliche Investitionen), aber selbst die OECD - und nicht nur diese — hat darauf hingewiesen, daß als Aufschwungstütze der private Verbrauch hinzukommen muß. Der aber ist in der Zielprojektion der Bundesregierung unterentwickelt. Unter Berücksichtigung der erwarteten Preisentwicklung bleibt kaum eine reale Steigerung der Massenkaufkraft. Bei den Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit liegt diese Steigerung pro Kopf unter 1 %. Das ergibt sich aus den Orientierungsdaten für die Lohn-und Gehaltsentwicklung und der eingeplanten Steigerung des Preisniveaus. Dabei ist bemerkenswert, daß die durch die Mehrwertsteuer (Übergang Dezember 67/Januar 68 und Erhöhung Mitte des Jahres 1968) und die durch die Anhebung administrativ geregelter Preise (Mieten, Agrarpreise, Verkehrstarife) eintretenden Preiserhöhungen in erheblichem Maße zu Lasten der kaufkräftigen Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern ausschlagen. Auch eine solche Entwicklung kann den projektierten Aufschwung gefährden, zumal die außenwirtschaftliche Entwicklung offensichtlich nicht kompensierend verlaufen wird. Die Bundesregierung hat angekündigt, daß sie die Wirtschaftsentwicklung sehr sorgfältig beobachten und notfalls weitere konjunkturpolitische Maßnahmen ergreifen werde. Sie sollte der privaten Verbrauchsnachfrage ihr besonderes Augenmerk schenken und auch für diesen Bereich stützende Maßnahmen in Vorbereitung nehmen, insbesondere auch dann, wenn sich der bei den öffentlichen Investitionen mit 11 % angesetzte Zuwachs als nicht realisierbar erweisen sollte. Einer Stagnation des privaten Verbrauchs, insbesondere bei langlebigen Verbrauchsgütern, könnten natürlich auch Industrie und Handel durch eine verbrauchsanregende Preisgestaltung begegnen. Der Anstieg der Lebenshaltungskosten von Dezember 1967 auf Januar 1968 zeigt zwar, daß der Übergang zur Mehrwertsteuer nicht die vielfach befürchtete Höhe der Preissteigerungen gebracht hat. Das ist dem Verhalten der Verbraucher und der konjunkturellen Situation zu verdanken. Trotzdem — und darauf weist der Index des Statistischen Bundesamtes hin — hat es Preiserhöhungen gegeben, die über die effektive Mehrbelastung durch die Mehrwertsteuer hinausgingen. Im Einzelfall wurde die Verschiebung des Preisgefüges durch die Mehrwertsteuer in sehr schamloser Weise zu Lasten der Verbraucher ausgenutzt. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8083 Dies gilt insbesondere für den Dienstleistungsbereich. Selbst öffentliche Unternehmen waren nicht immer vorbildlich in ihrem Verhalten. Vor allem ist zu kritisieren, daß in irreführender Weise durch ganz andere Kostenfaktoren bedingte Preiserhöhungen in nicht wenigen Fällen einfach auf die Mehrwertsteuer abgeschoben wurden, was nicht gerade zur Beruhigung der Öffentlichkeit und zur Klarheit für den Verbraucher beigetragen hat. Auf der anderen Seite sind Preissenkungen da unterblieben, wo sie durch die Umstellung auf die Mehrwertsteuer möglich wurden. Bei all dem muß noch einmal betont werden, daß der Bundestag bei der Festlegung des Mehrwertsteuersatzes für die Umstellung davon ausgegangen ist, daß sich zwar Preisverschiebungen ergeben müssen, daß aber das Preisniveau als ganzes und das Gesamtaufkommen aus dieser Umsatzsteuer gleichbleibt. Ich will nicht von Verantwortung reden, aber private und öffentliche Wirtschaft, Produktion, Handel und Dienstleistungsgewerbe sollten sich darüber klar sein, daß- die Entwicklung der privaten Verbrauchsnachfrage in dieser konjunkturellen Situation auch eine Frage der Preisgestaltung ist und daß sie sich ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie diesen Umstand nicht berücksichtigen. Der Verbraucher sollte wissen, und er hat es zum Teil bewiesen, daß die Preisentwicklung in diesen Monaten auch von seiner Wachsamkeit abhängt und daß er gerade zur Zeit eine nicht zu unterschätzende Stellung am Markte hat. Die Bundesregierung aber muß dem Verbraucher helfen, seine Marktstellung weiter zu stärken. Wir warten dringend auf die angekündigten wettbewerbspolitischen Maßnahmen, insbesondere auf die Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand, die im Wirtschaftsministerium vorbereitet wird. All das, was zur Transparenz des Marktes für den Verbraucher beitragen kann, muß von der Bundesregierung und von diesem Hause ohne große Verzögerung getan werden. Ich denke an das Eichgesetz, an das Textilkennzeichnungsgesetz, ich denke vor allem auch an die Unterstützung des Warentestinstitutes in Berlin, das unserer vollen Unterstützung bei seiner wichtigen verbraucherpolitischen Aufgabe bedarf. Nun noch einmal zu den privaten Investitionen. Ich spreche nicht gegen die Wachstumsrate von 7,5 %, ich frage nur nach dem verteilungspolitischen Effekt. Wir können uns nicht damit zufrieden geben, daß der Vermögenszuwachs, der die Kehrseite der Investitionen ist, weit überwiegend dem Investor zufließt, obwohl, um ,es einfach aber deutlich zu sagen, die Arbeitnehmer durch erzwungene oder freiwillige Zurückhaltung bei ihren Einkommen diese Investitionen mitfinanziert haben. Mein Kollege Ravens hat darauf hingewiesen, daß mit der vorgelegten Zielprojektion und den darin enthaltenen Orientierungsdaten die Last der Stabilität im Aufschwung in hohem Maße der Lohn-und Tarifpolitik aufgebürdet wurde. Ich möchte ergänzend dazu feststellen: Wenn der vor uns liegende Aufschwung so, wie dies bei früheren Konjunkturzyklen ohne die Verpflichtung des Stabilitätsgesetzes üblich war, zu einer sehr einseitigen Einkommensverteilung führen sollte, so wird die Konzertierte Aktion und damit die an sich wünschenswerte lohnpolitische Absicherung eines stetigen, gleichgewichtigen Wirtschaftswachstums beeinträchtigt, wenn nicht gar gefährdet. Die Bundesregierung sieht zwar die Notwendigkeit, durch vermögenspolitische und andere Maßnahmen dem Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit gerade für die einkommensschwachen Schichten mehr als bisher Geltung zu verschaffen. Die entsprechenden Maßnahmen zeichnen sich aber nur sehr zögernd ab. Anlage 8 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Mertes (FDP) zu Punkt 9 der Tagesordnung. In allen Debatten in diesem Hohen Hause und in Erklärungen über die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Großen Koalition — vor allem im Zusammenhang mit den Investitionsprogrammen — wurden der deutschen Öffentlichkeit in den letzten 14 Monaten großartige Voraussagen über das Wachstum der Wirtschaft gemacht. Als das Statistische Bundesamt jedoch zu Beginn dieses Jahres die Wirtschaftsdaten der „Konzertierten Aktion" gesichtet hatte, mußte es feststellen: Von Wachslum war wenig zu spüren. Was war geschehen? Genau das, was die parlamentarische Opposition behauptet hatte: Der Bundeswirtschaftsminister ist dem Irrglauben verfallen, die zunehmend diffizileren Konjunkturprobleme könne man mehr oder minder mit dem Instrument öffentlicher Aufträge bewältigen. Eingetreten waren auch die Voraussagen der FDP, die Steuerpolitik der Bundesregierung werde keine Vertrauensbasis zwischen Wirtschaft und Regierung schaffen helfen. Denn die vielen Gegenläufigkeiten der wirtschaftspolitischen Maßnahmen, wie Steuererhöhungen, hohe Zinsen und Konjunkturprogramme haben den Staat und den Steuerzahler zwar viel Geld gekostet, aber nicht viel eingebracht. Den wesentlichsten wirtschaftspolitischen Grundsatz hatte die Regierung nämlich sträflich vernachlässigt: Ein Aufschwung kann nur dann von nachhaltiger Dauer sein, wenn er von der privaten Wirtschaft getragen wird. Aber aus allen diesen Pannen — das hat der Verlauf der Debatte gezeigt — wurden weder von der Regierung noch von den Koalitionsfraktionen Lehren gezogen. Statt die steuerlichen Maßnahmen zu überprüfen und der Wirtschaft mehr Spielraum zu geben, wich man der politischen Entscheidung mit 8084 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 fiskalischen Scheinargumenten aus. Dazu kommt noch eine politisch sehr bedenkliche Maßnahme von Finanzminister Strauß. Noch vor Verabschiedung des Bundeshaushaltes 1968 hat er die im Etat vorgesehenen Investitionsausgaben von ca. 15 Milliarden DM bis auf einen bescheidenen Rest bereits vergeben. Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage! Dadurch hat die Regierung schon jetzt dem Etat jede konjunkturpolitische Beweglichkeit genommen. Vor allem aber hat man die Möglichkeit aus der Hand gegeben, genügend Reserven für steuerliche Anregungen der privaten Investitionstätigkeit zu haben. Nach Ansicht der FDP müßte die Regierung den konjunkturellen Aufschwung gerade in der jetzigen Phase durch Förderung der privaten Investitionstätigkeit untermauern. Vernünftige steuerliche Anreize — wie in dem Antrag meiner Fraktion angeregt — wären dafür das richtige Mittel. Dazu bedarf es keiner neuen, teuren Millionen-Verschuldung, sondern vielmehr weiterer Arbeit an der notwendigen Umstrukturierung der Ausgaben und Einnahmen des Bundeshaushaltes. Als weitere wichtige Konjunkturstützen könnten verbindliche Erklärungen der Regierung dienen, daß sie in Zusammenarbeit mit der Bundesbank dafür sorgen wird, daß die Zinssätze stabil bleiben; daß die öffentliche Hand den Kapitalmarkt nicht überbeanspruchen wird; daß die Bundesregierung keine Steuererhöhungen mehr vorschlägt und daß keine Ausdehnung der Mitbestimmung erfolgt. Solche Entscheidungen würden der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung eine klare Linie geben. Leider — diesen Eindruck können Sie auch mit den schönsten Reden nicht wegdiskutieren — bleibt die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition ein Spiegelbild der tiefgreifenden Uneinigkeit und Unentschlossenheit in der Regierung. Und die Finanzpolitik bleibt weiter arm an Kasse, aber reich an Widersprüchen. Anlage 9 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) zu Punkt 9 der Tagesordnung. 1. Die Sachverständigen lassen in ihren Ausführungen über die Ursache der Wirtschaftsflaute ein wesentliches Motiv völlig unberücksichtigt: die politische Krise vom Herbst 1966. Die Wirtschaftsforschungsinstitute hatten noch in ihrer Gemeinschaftsprognose von Anfang Oktober 1966 für 1967 ein reales Wirtschaftswachstum von +2,6 % angenommen, die Sachverständigen in ihrem im November 1966 veröffentlichten 3. Jahresgutachten von +3,5 %. Erst nachdem diese Prognosen erarbeitet worden waren, fiel die Konjunktur rapide ab. Das waren die turbulenten Wochen vor dem Sturz der letzten Regierung. Andererseits wissen wir seit Sommer 1967, daß in den sensitiven Bereichen der Wirtschaft schon im Februar/März die konjunkturelle Wende eingetreten ist, also schon bevor auch nur das 1. Konjunkturprogramm der Bundesregierung sich hat auswirken können. Diese Frühsymptome einer Konjunkturbelebung sind also offenbar wesentlich auf das von der neuen Regierung erzeugte Vertrauen zurückzuführen. Für diese psychologischen Faktoren gibt es natürlich keinen statistischen Maßstab, weshalb die Ökonometrie ihn einfach ausklammert. So leicht kann es sich die Wirtschaftspolitik jedoch nicht machen. 2. Das Ifo-Institut hat ermittelt, daß 3/4 des 2. Konjunkturprogramms der Bundesregierung erst im, Laufe des Jahres 1968 konjunkturwirksam werden wird. Also ist der Aufschwung, der inzwischen von niemandem mehr angezweifelt wird, schon mit dem geringeren Teil der vom Bund beschlossenen Mittel und mit einem noch geringeren Teil der früher von den Sachverständigen geforderten Impulse erreicht worden. Ich begrüße daher die Ablehnung weiterer Konjunkturanreize durch die Bundesregierung. Daß die Sachverständigen die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft unterschätzen, ergibt sich auch aus folgendem: Bis einschließlich September 1967 erhöhten sich die Investitionsausgaben des Bundes nur um 0,87 Mrd. auf 7,56 Mrd. In derselben Zeit stieg die Ausfuhr von Erzeugnissen allein der Investitionsgüterindustrie um 2,1 Mrd. auf 33,7 Mrd. Die Wirtschaftsflaute hat also die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft erneut bestätigt. 3. Die in dem Sachverständigengutachten vertretene Meinung, die Wirtschaftsflaute des Jahres 1967 sei die im Europa der Nachkriegszeit bisher stärkste Rezession gewesen, entspricht nicht den Tatsachen. Während das Bruttosozialprodukt in der Bundesrepublik Deutschland 1967 real um 0,5% schrumpfte, hatte die Schweiz 1958 einen realen Rückgang von 1,8 %, Belgien von 1 % zu verzeichnen. In den USA betrug im 1. Halbjahr 1958 der Rückgang der Industrieproduktion sogar 12 %. Das amerikanische Beispiel ist am besten geeignet, die Bedeutung unserer Wirtschaftsflaute des Jahres 1967 klarzumachen, weil die europäischen Industriestaaten sich in den 50er und in den ersten 60er Jahren noch im Stadium des Wiederaufbaus befanden, der inzwischen abgeschlossen ist und daher 1967 der Konjunktur keinen Rückhalt mehr geben konnte. Die Behauptung der Sachverständigen wird auch durch die Rückschläge widerlegt, welche die Wirtschaft Großbritanniens im 1. Halbjahr 1958, die Industrie Belgiens 1952 und die italienische Industrie Anfang 1965 erlitten haben. 4. Die von den Sachverständigen behaupteten „Wachstumsverluste" beruhen auf der Annahme eines Arbeitskräftepotentials, das beim besten Willen mit der Wirklichkeit nicht in Einklang zu bringen ist. Die Sachverständigen unterstellen, im ersten Halbjahr 1967 seien 290 000 Personen aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden, ohne sich arbeitslos zu melden. Es ist richtig, daß während der Hochkon- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8085 junktur viele Hausfrauen, Studenten und dergleichen einer Nebenbeschäftigung nachgegangen sind, die sie inzwischen aufgeben haben. In welchem Umfange dies geschehen ist, läßt sich mangels konkreter Anhaltspunkte ebensowenig feststellen wie der volkswirtschaftliche Nutzeffekt dieser Grenzarbeitskräfte. Die angenommene Zahl von 290 000 erscheint daher willkürlich und als weit überschätzt. Ebenso fragwürdig ist es, die zurückgewanderten Gastarbeiter einfach dem heimischen Potential zuzurechnen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es ein Vorteil oder ein Fehler war, Menschen zu importieren statt Kapital in diese südlichen Partnerstaaten zu exportieren. Es soll auch nicht auf die in der Literatur aufgeworfene Frage eingegangen werden, ob die temporäre Beschäftigung von Gastarbeitern einen Gewinn oder eine Belastung für unsere Volkswirtschaft darstellt. Eine Zahl von 1,3 Mio. Gastarbeitern kann jedoch keinesfalls als Normalzustand akzeptiert werden. Während vermeintlich negative Erscheinungen also überbewertet werden, finden Entwicklungen, welche dem früheren Eintreten der Gutachter für Stabilität und ihrem heutigen Eintreten für Steigerung des künftigen Wirtschaftswachstums durchaus entsprechen, zwar Erwähnung, aber kaum positive Würdigung. Der Preisauftrieb, der noch in der Jahresprojektion der Bundesregierung für 1967 mit 2% angenommen worden war, ermäßigte sich auf 1,4 %, während das Produktionsergebnis je Arbeiterstunde um über 8 % anstieg und daher bedeutend höher war als in den vorangegangenen Jahren. Wachstumsverluste sind eben meist Produktivitäts- und Stabilitätsgewinne. Das war 1967 verstärkt der Fall. Anlage 10 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Lange (SPD) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt den energiewirtschaftlichen Teil des Jahreswirtschaftsberichts. Damit löst die Bundesregierung ihre Zusage vom 8. November 1967 ein. Gleichzeitig sieht die sozialdemokratische Fraktion in diesem Teil des Jahreswirtschaftsberichts den Versuch, ihrer Forderung nach einer energiewirtschaftspolitischen Vorstellung gerecht zu werden. Meine Fraktion betrachtet dies als einen Anfang, dem weitere verbindliche Aussagen der Bundesregierung folgen müssen. In eine solche nationale energiewirtschaftspolitische Vorstellung, die die Existenz des Gemeinsamen Marktes nicht außer acht lassen kann, müssen nach unserer Aufassung alle uns zugänglichen Primärenergieträger (das sind im wesentlichen Steinkohle, Braunkohle und im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften Erdgas) eingebettet sein, um die Energieversorgung unserer Volkswirtschaft sicherzustellen. Zum entsprechenden Zeitpunkt muß auch die aus Atomenergie abzuleitende Elektrizitätsversorgung unter volkswirtschaftlichen Rentabilitätsgesichtspunkten hinzutreten. In diese Vorstellungen sind die importierten Primärenergieträger selbstverständlich einzubeziehen. Es soll durch die Energiewirtschaftspolitik sichergestellt werden, daß die Energieversorgung einerseits von durch uns nicht zu kontrollierenden Störungsfaktoren weitgehend fernbleibt, andererseits Wirtschaftlichkeits- und Wettbewerbsgesichtspunkte unter Sicherstellung des technischer. Fortschritts berücksichtigt werden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erwartet, daß in künftigen Jahreswirtschaftsberichten Energiepolitik als jeweilige Absichtserklärung der Bundesregierung eingebaut bleibt. Das bedeutet, daß unter diesen Voraussetzungen künftig Kohlepolitik nicht mehr losgelöst von der Energiewirtschaftspolitik betrieben werden kann. Hieraus folgt für meine Fraktion: Die Bundesregierung muß für eine in diesen Rahmen eingepaßte Kohlepolitik ein Instrument in Gestalt eines Kohleamtes erhalten. Mit Hilfe dieses Kohleamtes wird es der Bundesregierung möglich sein, die Unternehmen in den einzelnen Steinkohlebergbaugebieten zu beeinflussen. Aus der Notwendigkeit einer in die allgemeine Energiewirtschaftspolitik eingebetteten Kohlepolitik folgt weiter, daß für jedes der Bergbaugebiete eine Gesamtoder Einheitsgesellschaft bestehen muß. Nur diese Voraussetzung gewährleistet, daß auch im Ruhrgebiet die Wettbewerbsfähigkeit der Kohle durch einheitliche Förder-, Absatz- und Investitionspolitik sowie Personalpolitik gesteigert werden kann. Die geschilderten Notwendigkeiten sind unbeschadet der kurzfristig stabilisierten Absatzlage an der Ruhr unabweislich. Der Ernst der Situation erlaubt es niemandem, aufgrund dieser kurzfristigen Stabilisierung auf weitere Maßnahmen zu verzichten. Damit würden nur, wie schon in den Jahren seit 1956, künftig die wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten in den Steinkohlegebieten und im Ballungsgebiet Ruhr unerträglich gesteigert. Durch Untätigkeit oder Zögern würden Legislative und Exekutive später zu Recht für Entwicklungen verantwortlich gemacht, mit denen Bundestag und Bundesregierung dann schwerlich fertig werden können. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erwartet, daß die außerhalb von Parlament und Regierung Beteiligten und Betroffenen alles tun, um Hindernisse auf dem Wege einer solchen erfolgversprechenden Politik auszuräumen. Die Fraktion erwartet weiter, daß sich Unternehmens- und Arbeitnehmerseite über die Bedingungen der Errichtung einer Einheitsgesellschaft an der Ruhr unverzüglich verständigen. Das Kohleamt, das sich jederzeit im Rahmen der Energiewirtschaftspolitik der Bundesregierung voll über den Stand und die Entwicklung der Steinkohlenunternehmen unterrichten können muß, soll nach unserer Auffassung befähigt werden, solchen Betroffenen, die seinen volkswirtschaftlich begründeten Vorschlägen nicht nachkommen, die Subventionen zu entziehen, Stillegungsprämien zu verweigern und steuerliche Vorteile, die das Kohleanpassungsgesetz vorsieht, zu versagen. 8086 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 Im Rahmen der energiewirtschaftlichen Vorstellungen ist zu prüfen, ob die Bundesregierung nicht auch für den Ölsektor ein eigenes volkswirtschaftliches Instrument schaffen soll. Es ist hierbei nicht an eine staatlich geführte Gesellschaft zu denken. Ebenso. muß die Bundesregierung auf längere Sicht bestrebt sein, im Rahmen des gemeinsamen Marktes auf eine einheitliche Energiewirtschaftspolitik der Organe der Gemeinschaft hinzuwirken; dabei darf allerdings nicht die EWG-Agrarmarktordnung zum Vorbild genommen werden. Alle gegenwärtig noch notwendigen Subventionen für Primärenergieträger sind nur für begrenzte Zeit gedacht. Damit zu beseitigende Krisen im Bereich eines Energieträgers dürfen selbstverständlich nicht auf einen anderen übertragen werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt sieht die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die unabweisliche Notwendigkeit zur Steuerung aller Primärenergieträger durch eine aktive Energiepolitik. Anlage 11 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Frerichs (CDU/CSU) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Im Jahreswirtschaftsbericht hat die Bundesregierung in Ziffer 55 erklärt, daß sie auch 1968 den Wettbewerb weiter fördern wird, um das Preisniveau stabil zu halten und die Leistungskraft der Wirtschaft zu stärken. Dieser These stimmt die CDU/CSU voll zu mit dem ausführlichen Hinweis, daß wir hierunter die bewußte Förderung des Leistungswettbewerbs verstanden wissen wollen, also „eines Wettbewerbs, in dem die Wettbewerber ihre eigene sachliche Leistung anbieten und zum Vergleich stellen", wie es das Bundeskartellamt ausführt. Mit Befriedigung haben wir zur Kenntnis genommen, daß durch eine entsprechende Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. der leistungssteigernden Kooperation ausreichend Spielraum gegeben werden soll. Unsere ganz konkrete Bitte an den Herrn Bundeswirtschaftsminister geht nun dahin, diesen goldenen Worten im Bericht auch durch entsprechendes Verhalten des Bundeskartellamtes in der wirtschaftlichen Wirklichkeit Glanz und Erfolg zu verleihen und gegebenenfalls mit § 49 GWB, also mit allgemeinen Weisungen, zu arbeiten. Ich denke hierbei beispielsweise an die verschiedenen Gemeinschaftsmaßnahmen mittelständischer Unternehmer, wie die Herausgabe von gemeinsamen Katalogen, Anzeigen, Werbeträgern und ähnlichen Wettbewerbsmitteln, deren sie sich durch kooperatives Wirken bedienen müssen, um sich in der Konkurrenz mit größeren und großen Marktpartnern bewähren zu können. Hier spielt z. B. auch die Frage der Überprüfung der sogenannten Mittelstandsempfehlung im § 38 Abs. 2 Satz 3 GWB hinein, die einer Revision zugunsten einzelunternehmerischer Initiativen dringend bedarf, um gleiche Startverhältnisse zu schaffen. Auch die Anwendung der Bestimmungen über die Wettbewerbsregeln, die bekanntlich einem den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs zuwiderlaufenden Verhalten entgegenwirken und ein diesen Grundsätzen entsprechendes Verhalten im Wettbewerb anregen sollen, könnte bis zu einer notwendigen Reform soweit wirtschaftsfreundlich gehandhabt werden, wie es § 1 GWB und die wandelbare Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eben zulassen. Hier liegen noch gewisse Möglichkeiten, um im Selbstverwaltungswege den Leistungswettbewerb zu fördern. Die Wirtschafts- und Berufsvereinigungen müssen wieder Mut bekommen, ihren Bereich vor Entartungen des Wettbewerbs und Deroutierung der Märkte zu bewahren, die stets auch einen gesamtwirtschaftlichen Schaden zur Folge haben. Wir begrüßen die Ankündigung der Bundesregierung, daß eine „Arbeitsgruppe Wettbewerbspolitik" gegenwärtig prüft, welche Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen notwendig sind. Nun wird es in dieser Legislaturperiode zu keiner weiteren Novelle dieses Gesetzes kommen, aber die Arbeitsgruppe sollte ihre Überprüfung rasch vollziehen und die gewonnenen Erkenntnisse in der Öffentlichkeit zur Diskussion stellen. Die CDU/CSU ist wie bisher der Auffassung, daß es das Ziel der Wettbewerbspolitk bleiben muß, einen funktionsfähigen Wettbewerb auf dem Markt aufrechtzuerhalten und dabei auch die individuelle wirtschaftliche Freiheit zu schützen. Dazu gehert auch der Bestand eines breitgestreuten, leistung fähigen und den Wettbewerb bejahenden Mittelstandes als einem Grundpfeiler der marktwirtschaftlichen Ordnung. Das war unser Leitbild und soll es auch in Zukunft bleiben. Ich sage das so betont, weil gegenwärtig erneut ein Theorienstreit der Professoren über die zukünftige Wettbewerbspolitik im Gange ist, als ginge es darum, ein völlig neues wettbewerbspolitisches Leitbild zu schaffen. Die zukünftige Wettbewerbspolitik muß die „Freiheit des Marktzugangs" ebenso sicher gewährleisten, wie die Verhinderung von Wettbewerbsbeschränkungen bei den sogenannten dynamischen Funktionen, also Forschung, Entwicklung und Investitionen, also das, was man auch „Innovationen" nennt. Allerdings bleibt sehr ernsthaft zu prüfen, ob in Zukunft jede Wettbewerbsbeschränkung verboten bleiben soll oder ob es nicht richtiger wäre, es von den tatsächlichen Wirkungen einer Vereinbarung auf den Markt abhängig zu machen. Dies würde eine grundsätzliche Änderung des § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bedeuten, der heute auf der sog. „Gegenstandstheorie" basiert — nämlich, ob die Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung zum Gegenstand hat oder nicht — und zukünftig auf der sogenannten „Folgetheorie" — nämlich, ob oder welche Folgen auf dem Markt danach einträten — gründen würde. Eine Reihe von sogenannten „Bagatellkartellen" und kleineren, beschränkenden Vereinbarungen würden damit möglich sein. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8087 Meine Aufforderung zur rascheren Durchdringung dieser schwierigen Materie soll zugleich eine Ermunterung und Bitte an die Bundesregierung sein, das Ergebnis der „Arbeitsgruppe Wettbewerb" bald darzustellen, damit die gesetzgeberischen Novellierungsarbeiten zügig folgen können. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Zebisch (Drucksache V/2527 Frage 44) : Ich bitte um Auskunft, warum das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium ab 1. Januar 1968 die Frachthilfe für Ostbayern auf dem Gebiet des Flachglases (ausgenommen Fensterglas unbearbeitet) von 18 auf 14 % gesenkt hat? Am 7. November 1967 wurde eine Prüfung der Zonenrandfrachthilfe abgeschlossen, die von den Referenten für Frachthilfe des Bundes und der vier Zonenrandländer zusammen mit den Industrie- und Handelskammern des Zonenrandgebietes durchgeführt worden war. Als Ergebnis wurde festgestellt, daß die Zonenrandfrachthilfe fortgeführt werden muß. Die erforderlichen Bundesmittel werden demgemäß nicht gekürzt. Bei der gründlichen Überprüfung aller Einzelfälle zeigte sich aber auch, daß die Frachthilfesätze bei einigen Gütern geändert werden mußten. So war die Umsatzentwicklung bei Flachglas in den Jahren 1963 bis 1966 erheblich günstiger als die Umsatzentwicklung der gesamten deutschen Industrie, wobei die Umsatzzunahme bei Flachglas im Zonenrandgebiet sogar noch etwas stärker war als im übrigen Bundesgebiet. Der Erstattungssatz bei Flachglas konnte deshalb — und so wurde auch bei anderen Gütern mit überdurchschnittlich guter Entwicklung verfahren — geringfügig, nämlich von 18 v. H. auf 16 v. H. herabgesetzt werden. Solche gezielte Einsparungen machten schließlich eine globale Kürzung der Erstattungssätze entbehrlich, die ursprünglich unvermeidbar erschien, weil die finanziellen Anforderungen bei normaler Wirtschaftsentwicklung infolge steigender Gütertransporte von Jahr zu Jahr zunehmen und an die Grenze der für Frachthilfe verfügbaren Mittel anstoßen. Der Erstattungssatz für Flachglas wurde endgültig auf 14 v. H. festgesetzt. Die weitere Differenz von 2 Punkten beruht jedoch nur auf einer Umstellung aus technischen Gründen. Gleichzeitig ist nämlich der bei Versand auf der Straße bis dahin übliche Abzug von 2 DM je Tonne weggefallen, so daß die Flachglaserzeuger im Zonenrandgebiet durch diese Korrektur keinen finanziellen Nachteil haben. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schmidhuber (Drucksache V/2527 Fragen 48, 49 und 50) : Sind der Bundesregierung Fälle bekanntgeworden, in denen ausländische Investmentgesellschaften beim Vertrieb ihrer Zertifikate gegen gesetzliche Vorschriften, insbesondere gegen § 56 h der Gewerbeordnung, verstoßen haben? Welche Investmentfonds, die in der Bundesrepublik Deutschland Anteile vertreiben, haben ihren Geschäftssitz in Staaten, in denen es keine dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften entsprechndo gesetzliche Regelungen gibt? Welchen Anteil am Bruttoabsatz von Investmentzertifikaten in den Jahren 1966 und 1967 haben die in Frage 49 genannten Fonds gehabt? Einige Wirtschaftsministerien der Länder haben berichtet, sie hätten Grund zu der Annahme, daß ausländische Investment-Zertifikate entgegen dem Verbot des § 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h der Gewerbeordnung im Reisegewerbe vertrieben würden. Konkrete Angaben liegen aber bisher nicht vor. 24, d. h. rund 1/3 der hier mit ihren Zertifikaten am Markt befindlichen ausländischen Investment-Gesellschaften haben ihren Sitz in Ländern, in denen keine gesetzlich angeordnete Fachaufsicht über Investment-Gesellschaften besteht. Die Verkäufe durch unbeaufsichtigte ausländische Investment-Gesellschaften machten 1966 und 1967 jeweils etwa die Hälfte des Bruttoabsatzes ausländischer Investment-Zertifikate aus. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schlager (Drucksache V/2527 Fragen 51 und 52) : Wann beabsichtigt die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Zulassung des Vertriebs ausländischer Investmentzertifikate von bestimmten Mindestanforderungen abhängig macht? Wie beurteilt die Bundesregierung die Aktivität der auslandischen Investmentfonds im Hinblick auf die Beanspruchung des deutschen Kapitalmarkts durch inländische Emittenten? Die Bundesregierung beabsichtigt, noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Zulassung des Vertriebs ausländischer Investment-Zertifikate regelt. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß die Freiheit des Kapitalverkehrs auch unseren Interessen am besten dient. Der Kapitalexport, der über ausländische Investment-Gesellschaften stattfindet, hat im Rahmen der gesamten Zahlungsbilanz kein besonderes Gewicht. Er betrug im Jahre 1967 schätzungsweise 3/4 des Gesamtabsatzes inländischer Investment-Gesellschaften und unter 1 % der inländischen Geldvermögensbildung. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündliche Anfrage des 8088 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 Abgeordneten Buschfort (Drucksache V/2527 Frage 53) : Wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag Glas angekündigte Textilkennzeichnungsgesetz vorlegen? Der Bundesminister für Wirtschaft wird den Entwurf dieses für den Verbraucher wichtigen Gesetzes auf einer der nächsten Kabinettsitzungen vorlegen. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Petersen (Drucksache V/2527 Fragen 54, 55 und 56) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die mittelständische Schuhindustrie durch Einfuhrlieferungen, insbesondere aus dem EWG-Bereich, in ihrer Existenz bedroht ist und ihre Lage durch zusätzliche Einfuhren aus den Ostblockländern weiter erschwert wird? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Hauptlieferländer Italien und Frankreich Wettbewerbsvorteile gewähren, die sich in der Lohnstruktur und der unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Belastung zeigen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Wettbewerbsverzerrungen gegenüber den ausländischen Konkurrenten zu beseitigen und so die Arbeitsplätze und Betriebe der Schuhindustrie zu schützen? Die mittelständische Industrie ist durch Einfuhrlieferungen nicht bedroht. Sie war allerdings in ihrer Substanz durch den Konjunkturrückgang und damit verbundenen Schwächung der Massenkaufkraft ernsthaft gefährdet. Die Rezession ist durch die Maßnahmen der neuen Bundesregierung, die vom Bundestag und Bundesrat beschlossen wurden, mit Erfolg bekämpft worden. Dementsprechend übertraf der Auftragseingang bei der deutschen Schuhindustrie im IV. Vierteljahr 1967 wieder den Vorjahresstand. Auch die Produktion hat sich gegen Ende des Jahres belebt, nachdem sie im I. Quartal 1967 um 13 % und im II. Quartal um nicht weniger als 19% unter dem Stand des Jahres 1966 lag. Bei den Geschäftserwartungen überwiegen für die nächsten 6 Monate ebenfalls die Vorteile: die zügige Auftragserteilung des Einzelhandels für Frühjahrs- und Sommerartikel erlaubt für die Mehrzahl der Schuhfabriken in den kommenden Monaten eine hohe Beschäftigung. Des weiteren ist der Export der Schuhindustrie im vergangenen Jahr um rund 30 % gestiegen. Die Dominanz des Konjunkturfaktors für die Lage der Betriebe und der Arbeitnehmer der deutschen Schuhindustrie zeigt sich auch in der Entwicklung der Schuheinfuhren. Ihr Wert ist 1967 um 6% gefallen, nachdem er in den vorausgegangenen 4 Jahren um 20% bis 40% jährlich gestiegen war. Künstliche Wettbewerbsvorteile der italienischen oder französischen Schuhindustrie konnten bisher nicht festgestellt werden. Sollten derartige Verfälschungen nachgewiesen werden können, würde die Bundesregierung selbstverständlich mit allem Nachdruck gegen sie vorgehen. Etwaige Differenzen in der Wettbewerbslage aufgrund des Umsatzsteuerrechts werden nunmehr durch die Nettoumsatzsteuer beseitigt worden sein. Soweit Unterschiede im Lohnniveau der einzelnen EWG-Länder arbeitsintensiven Fertigungen Vor-oder Nachteile verschaffen, kann nur eine kräftige wirtschaftliche Entwicklung in allen Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die weitere Integration des europäischen Marktes zu einer Angleichung der Einkommen und damit zu einer Harmonisierung dieses Kostenfaktors führen. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Josten (Drucksache V/2527 Frage 57): In welchem Umfang kann die Bundesregierung zur Verbesserung ländlicher Gaststättenbetriebe Zinszuschüsse bereitstellen? Für die Gewährung von Zinszuschüssen zur Verbesserung ländlicher Gaststättenbetriebe sind weder im Bundeshaushalt noch im ERP-Wirtschaftsplan Mittel vorgesehen. Die Bundesregierung hat aber im Rahmen verschiedener Kreditprogramme die Möglichkeit, dem ländlichen Gaststättengewerbe zinsgünstige Kredite zur Verfügung zu stellen. Ich darf hier auf die ERP-Kreditprogramme zur Förderung kleiner und mittlerer gewerblicher Betriebe hinweisen. Hiernach können günstige Kredite gewährt werden zur Gründung selbständiger Existenzen durch Nachwuchskräfte, zur Errichtung von Betrieben in neuen Wohnsiedlungen und Gewerbgebieten sowie zur Unterstützung von Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen von Vertriebenen, Flüchtlingen und Kriegsgeschädigten. Weiterhin können Gaststättenbetriebe in Bundesfördergebieten Investitionskredite aus Mitteln des ERP-Sondervermögens und —. soweit sie auch Beherbergungsmöglichkeiten anbieten — des Bundeshaushalts erhalten. Von den vorgenannten Krediten wird reger Gebrauch gemacht. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Kulawig (Drucksache V/2527 Fragen 58, 59 und 60) : Welche Menge und Sorte der verfügbaren Kohlenvorräte käme bei Anwendung der heute bekannten Hydrierverfahren für die Kohlehydrierung in Frage? Beabsichtigt die Bundesregierung, einen eigenen Forschungsauftrag über die Verbesserung der Methoden der Kohlehydrierung zu erteilen oder sich an Forschungsvorhaben auf internationaler Ebene zu beteiligen? Ist die Bundesregierung nicht der Ansicht, daß man in der Bundesrepublik in Zukunft dem Problem der Kohlehydrierung mehr Aufmerksamkeit widmen sollte? Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Hydrierung sind bei keiner der in der Bundesrepublik geförderten Kohlen gegeben. Vom technischen Standpunkt würden sich hierfür — abge- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8089 sehen von Braunkohle — insbesondere Steinkohle mit einem hohen Gehalt an flüchtigen Bestandteilen eignen, die etwa ein Viertel der Förderung und der Vorräte der Bundesrepublik ausmachen. Diese Absicht besteht nicht, da das Bundesministerium für Wirtschaft durch die zuständigen amerikanischen Stellen über die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Kohleforschung unterrichtet wird und sich auch an Ort und Stelle in den Vereinigten Staaten unterrichtet hat. Die Entwicklung eines der neueren Verfahren in den USA hat z. B. bisher über 50 Mio DM gekostet. Da die Bundesregierung sich davon überzeugt hat, daß die industrielle Forschung in den USA alle Möglichkeiten nützt, hat sie es für zweckmäßiger gehalten, verfügbare Beträge in derartigen Größenordnungen zur Absatzsicherung der deutschen Steinkohle an anderer Stelle zu verwenden. Im übrigen hofft die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, bereits in nächster Zeit ein mittelfristiges Programm vorlegen zu können, das der Förderung der Produktivität und der Sicherheit dient und auch die Möglichkeiten der Untersuchung neuer Verwendungsmöglichkeiten für Kohle berücksichtigen wird. Die Kohlehydrierung wird, wie bereits mehrfach erklärt, in absehbarer Zeit in der Bundesrepublik nicht wettbewerbsfähig sein können. Bei den gegenwärtigen Verhältnissen wäre dafür eine Subvention von mindestens 40 DM/je t Steinkohle erforderlich. Unabhängig davon muß selbstverständlich die Entwicklung auf dem Gebiet der Kohlehydrierung auch in Zukunft aufmerksam verfolgt werden. Anlage 19 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Becher (Pullach) (Drucksache V/2527 Fragen 61 und 62) : Wie begründet der Bundeswirtschaftsminister seinen Auftrag an die deutsche Verhandlungsdelegation, bei den japanischen Handelsvertragsverhandlungen für das Jahr 1968 eine erhöhte Importmenge von 2,3 Millionen Stück Schirme zu vereinbaren, nachdem die Japaner bereits durch Steigerung ihrer DumpingPreis-Importe von Schirmen auf über 2,1 Millionen Stück im Jahre 1966 im vergangenen Jahr schwerste Störungen auf dem deutschen Schirmmarkt, verbunden mit Arbeitsentlassungen und Betriebseinschränkungen durch Kurzarbeit, ausgelöst hatten? Welche Maßnahmen beabsichtigt der Bundeswirtschaftsminister zum Schutze der deutschen Schirmindustrie zu ergreifen, nachdem die deutsche Verhandlungsdelegation über ihren Auftrag hinaus der japanischen Forderung Rechnung trug, gewisse Gruppen von Schirmen aus der Beschränkung auszuklammern, so daß wir im Jahre 1968 mit 2,8 Millionen Stück japanischen Importschirmen statt nur mit 2,3 Millionen solcher Schirme zu rechnen haben? Der Grund für den Verhandlungsauftrag lag in dem scharfen, nicht vorwiegend konjunkturbedingten Rückgang der deutschen Schirmproduktion im Jahre 1967, die die Einführung der Selbstbeschränkung unumgänglich machte. Da es keine derartige Regelung gab — sie war aufgrund der guten Produktionsentwicklung der deutschen Schirmindustrie 1964/65 und 1966 auch nicht erforderlich —, wurde für den Übergang zur Selbstbeschränkung eine be- stimmte Importmenge als maximal erreichbar angesehen. In einer derartigen Verhandlung fällt natürlich die aktuelle Entwicklung des gesamten Warenverkehrs ins Gewicht: 1967 ist die deutsche Einfuhr aus Japan um 10% gefallen, der deutsche Import dagegen um 46 % gestiegen. Im übrigen muß ich zu meinem Bedauern darauf hinweisen, daß das Schirmabkommen auf japanichen Wunsch vertraulichen Charakter hat. Über den Verlauf und das Ergebunis der Verhandlungen ist der Beirat des Bundestages für handelspolitische Vereinbarungen unterrichtet worden. Die Bundesregierung wird die Entwicklung auf diesem Markt besonders sorgfältig beobachten. Für das Jahr 1967 sind die Einfuhrzahlen für den Zeitraum Januar bis September bekannt. Danach ist die japanische Einfuhr gegenüber 1966 nicht gestiegen. Diese Daten scheinen Ihre Befürchtungen also nicht zu rechtfertigen. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Unertl (Drucksache V/2527 Fragen 63 und 64) : Treffen Meldungen zu, nach denen im Handelsvertrag mit Rumänien die Lieferungen von Graniterzeugnissen, d. h. von Bordsteinen, Leistensteinen und Granitblöcken, in die Bundesrepublik Deutschland vorgesehen sein soll? Würde nicht eine solche in Frage 63 erwähnte Einfuhr eine schwere Schädigung der ohnehin um ihre Existenz ringenden heimischen Granitindustrie Bayerns bedeuten? Meldungen, wonach im Handelsvertrag mit Rumänien die Lieferung von Graniterzeugnissen, d. h. von Bord- und Leistensteinen in die Bundesrepublik Deutschland vorgesehen sein soll, treffen nicht zu. Weder wurde ein Kontingent vereinbart, noch können diese Erzeugnisse nach dem Verfahren der Ausschreibung mit laufender Antragstellung ohne mengenmäßige Beschränkungen aus Rumänien eingeführt werden. Allerdings wünscht die rumänische Regierung die Einräumung eines Kontingents für Graniterzeugnisse. Dieser Wunsch wird nicht lange ohne Antwort bleiben können. Ein Kontingent für Graniterzeugnisse würde nur dann eröffnet werden, wenn hiervon keine Schädigung der bayerischen Granitindustrie zu erwarten ist. Die Lage der bayerischen Granitindustrie hat sich im übrigen im IV. Quartal 1967 verbessert. Die Lageberichte des Verbandes, die vom Bundeswirtschaftsministerium laufend verfolgt werden, zeigen, daß die Produktion in diesem Vierteljahr abgesetzt werden konnte. Die konjunkturfördernden Maßnahmen der Bundesregierung haben sich also auch hier ausgewirkt. Es konnte sogar ein Abbau der Lagerbestände erreicht werden. Auch hat die Bundesregierung wiederholt betont, daß die Lage der bayerischen Granitindustrie wie 8090 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 des ostbayerischen Raumes überhaupt nur durch ein spezielles Strukturprogramm nachhaltig verbessert werden kann. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 9. Februar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) (Drucksache V/2527 Frage 86) : Hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, wenn in Anwendung des § 80 AVAVG Sperrfristen gegen Arbeitslose verhängt werden, wo die Dauer der Sperrfrist — auch unter Berücksichtigung des § 81 AVAVG — wesentlich länger ist als ein möglicher, ungerechtfertigter Anspruch auf Arbeitslosengeld? Mit der Festsetzungeiner Sperrfrist lehnt die Arbeitslosenversicherung die Übernahme des Versicherungsrisikos — mit anderen Worten, die Zahlung von Arbeitslosengeld — für eine begrenzte Zeit ab, wenn dem Arbeitslosen die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit zum Vorwurf gemacht werden kann oder er ihre Beendigung vereitelt hat. Die Dauer der Sperrfrist beträgt nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen mindesten zwei Wochen höchstens acht Wochen. In vielen Fällen ist wegen dieser Höchstgrenze die Sperrfrist kürzer als die Dauer der Arbeitslosigkeit, deren Herbeiführung dem Arbeitslosen zum Vorwurf gemacht wird. In einzelnen Fällen ist die Sperrfrist wegen ihrer Mindestdauer allerdings auch länger, was wohl für die von Ihnen angesprochenen Fälle gilt. Derartige Folgen ließen sich nur durch eine Regelung vermeiden, wonach die Dauer der Sperrfrist durch den Umfang des im Einzelfall von dem Versicherten verursachten Risikos begrenzt wird. Inwieweit die Dauer der Arbeitslosigkeit im Einzelfall von dem Arbeitslosen verursacht worden ist, läßt sich in der Regel nur mit erheblichen Schwierigkeiten, vielfach sogar überhaupt nicht feststellen. Bekanntlich können sich die Verhältnisse am Arbeitsmarkt, z. B. unter dem Einfluß konjunktureller oder saisonaler Faktoren, von Tag zu Tag ändern. Die Bundesregierung ist in Anbetracht dieser Probleme der Auffassung, daß nur eine Regelung mit fester Mindest- und Höchstdauer der Sperrfristen für die Arbeitsämter praktikabel ist und die erforderlichen schnellen Entscheidungen ermöglicht. Eine auf den Einzelfall abgestellte Regelung würde das Verfahren erheblich erschweren und ,die Bearbeitung der Leistungsanträge verzögern. Ich verkenne nicht, daß die gesetzliche Regelung von den Betroffenen im Einzelfall als Härte empfunden werden kann. Bedenken Sie aber bitte auch, daß die deutsche Regelung ohnehin erheblich milder ist als die der meisten europäischen Länder, die in solchen Fällen die Gewährung von Leistungen meist völlig ausschließen.
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    Rede von Karl Ravens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte, Herr Kollege!


Rede von Hans-Dietrich Genscher
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Würden Sie und die Kollegen der Koalition, die Ihnen eben Beifall gespendet haben, zur Kenntnis nehmen, daß ein entsprechender Vorschlag der Opposition im Ältestenrat auf den entschiedenen Widerstand der Koalitionsparteien und der Bundesregierung gestoßen ist?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Ravens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich nehme das gern zur Kenntnis, Herr Kollege Genscher. Ich habe das hier als eine Feststellung eines Abgeordneten gesagt, der sich heute nachmittag gefragt hat, wie denn wohl eine solche Geschichte, wie wir sie jetzt hier erleben, zustande kommt und wie das eigentlich vertretbar ist.

    (Beifall bei der FDP.)

    Hier geht es gar nicht darum, irgend jemandem Vorwürfe in einer Richtung zu machen, sondern hier geht es darum, nachdenken zu helfen, damit wir solche Dinge hinterher nicht nur beklagen, sondern auch den notwendigen weiteren Schritt tun. Ich glaube, das sollte einmal gesagt werden. Damit genug zu der Situation, in der wir uns hier befinden; nur diese paar Worte, um Verständnis dafür zu erwecken, daß dieses Hohe Haus diese, so meine ich
    jedenfalls, nicht unwichtige Debatte nur in einer so schwachen Präsenz verfolgen kann.
    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Thema kommen.. Selten hat ein parlamentarischer Antrag der Neugestaltung der Wirtschaftspolitik in so präziser Weise vorgegriffen wie der „Gesetzentwurf zur Förderung des stetigen Wachstums der Gesamtwirtschaft", eingebracht von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion am 6. Juni 1956. Der in diesem Gesetzentwurf geforderte jährliche Wirtschaftsbericht der Bundesregierung ist durch das „Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" vom 14. August 1963 und durch das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" vom 8. Juni 1967 fester Bestandteil unserer Wirtschaftspolitik geworden. Die entscheidenden Grundlagen einer vorausschauenden Wirtschaftspolitik hätten wir also bereits vor über zehn Jahren schaffen können, wenn die Zeichen der Zeit, wenn. die immer unabweisbarer gewordene Notwendigkeit einer gesamtwirtschaftlichen Rahmenplanung und einer Steuerung des gesamtwirtschaftlichen Ablaufs erkannt worden wären. Erst die einschneidenden Erfahrungen der Rezession führten zu einem wirtschaftspolitischen Umdenken. Mit der Planung und Steuerung des gesamtwirtschaftlichen Ablaufs hat die Bundesregierung nach Jahren der wirtschaftspolitischen Abstinenz ihre Verantwortung für das soziale Gesamtschicksal der Nation übernommen.
    Der Sachverständigenrat hat mit seinem Jahresgutachten 1967/68 wieder eine hochqualifizierte Analyse unserer volkswirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Die Leistung und das Bemühen des Sachverständigenrates finden unsere Anerkennung. Er ist in den Jahren seiner Tätigkeit zu einem bedeutsamen Faktor der wirtschaftspolitischen Meinungsbildung in der Bundesrepublik geworden. Wir stimmen voll mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister überein, der das Jahresgutachten 1967/68 der Sachverständigen als sorgfältig und umfassend bezeichnet hat. Ich meine jedoch, daß, ohne dieses Werturteil ungebührlich einschränken zu wollen, ein paar Worte der Kritik an diesem Gutachten erlaubt und doch wohl auch angebracht sind.
    Zunächst lassen Sie mich ein paar Worte zum Umfang und zum Inhalt sagen. Der Gutachten scheint sich eine Sprache zu bemächtigen, die weniger der Funktion der Äußerungen der Sachverständigen, nämlich Politikern Entscheidungshilfe zu geben, entspricht und angemessen ist, als vielmehr der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion auf sicherlich hohem Niveau.
    Jahr für Jahr sind die Gutachten an Umfang gewachsen, und Jahr für Jahr haben die bloßen theoretischen Erörterungen mehr an Raum eingenommen. Ich glaube nicht, meine Damen und Herren, daß sich ein Parlamentarier etwas vergibt, wenn er mit der gebotenen Deutlichkeit die Sachverständigen darum bittet, daß sie sich bei der Abfassung und bei der Disposition ihres Gutachtens stets der Aufgabe ihrer Äußerung als politische Entschei-



    Ravens
    dungshilfe bewußt bleiben. Ausdrücklich beauftragt das Gesetz über die Bildung des Sachverständigenrats diesen Rat „zur Erleichterung der Urteilsbildung bei allen wirtschaftspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie in der Öffentlichkeit". Die in der Textziffer 11 dieses Vorwortes zum Sachverständigengutachten gemachten Ansätze zur Selbstverteidigung, die ja dort vorhanden sind, vermögen dabei nicht zu überzeugen. Wenn Lesbarkeit und Umfang des Gutachtens fürderhin nicht erheblich besser auf den Parlamentarier zugeschnitten werden, so dürfen sich unsere „fünf Weisen" nicht darüber wundern, wenn die Gutachten künftig nicht mehr gelesen werden. Die breite Anlage und der Versuch, jedem etwas zu bieten, hat dazu noch eine Gefahr: sie kann dazu führen, daß es zu einer unlauteren Auswahl von einzelnen Dingen kommt, ohne daß dabei die jeweilige Gesamtkonzeption ausreichend gewürdigt würde.

    (Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien und der FDP.)

    Ich meine, die Sachverständigen sollten es auch vermeiden, ihre Entscheidungshilfen so detailliert und so perfekt auszufeilen, daß sie den wirtschaftspolitisch Verantwortlichen keinen Spielraum mehr für eigene Gestaltungsmöglichkeiten lassen. Die Chance, Kompromißlösungen zu finden, wie sie die unterschiedliche Interessenlage in einer Demokratie erfordert, muß erhalten bleiben. Die modelltheoretisch richtige Lösung kennzeichnet nach meiner Meinung nicht immer die in der politischen Wirklichkeit beste und mögliche Lösung.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bedauert es in diesem Zusammenhang auch — lassen Sie mich das sagen —, daß der Sachverständigenrat seinem gesetzlichen Auftrag, in seine Untersuchung auch die Bildung und die Verteilung von Einkommen und Vermögen einzubeziehen, nur sporadisch nachgekommen ist. Die Frage nach der gerechten Einkommens- und Vermögenspolitik wird nach der Überwindung dieser Rezession und der Wiedererlangung eines angemessenen Wachstums mehr und mehr zur Gretchenfrage unserer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir alle — und ich meine, das gilt auch für den Sachverständigenrat — dürfen einer Antwort auf diese Frage nicht länger ausweichen.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich noch einen weiteren Satz der Kritik, wie ich hoffe und meine, hilfreicher Kritik, sagen, die das Verdienst der Gutachter gar nicht schmälern soll. In diesem Hause ist sich jedermann darüber im klaren — soweit er mit wirtschaftspolitischen Fragen befaßt ist; und auch ich bin mir dessen bewußt —, daß Wissenschaftler keine Propheten sind und daß sie nur mit hinlänglicher Sicherheit prognostizieren können, wenn die geeigneten statistischen Erhebungen vorliegen. Diese verfügbar zu machen, meine Damen und Herren, ist unsere Aufgabe, Aufgabe des Gesetzgebers. Diese hat er bisher wegen kleinlicher Streitereien zwischen Bund und Ländern nicht ausreichend erfüllt.
    Trotzdem befriedigt mich die halbjährige Prognose des Gutachtens nicht. Keiner in diesem Hause wird sich mit ruhigem Gewissen auf das Sachverständigengutachten beziehen können, wenn er dort nur Prognosen für das erste Halbjahr findet. Ich hätte zu gerne gewußt, wie es denn im zweiten Halbjahr weitergehen kann.

    (Zuruf von der Mitte.)

    — Nach den Prognosen und nach den Wünschen, die sie dort äußern, und nach den Vorschlägen, die sie dort machen! Ich habe den Eindruck, die Gutachter sagen uns hier zwar, wieviel Dynamit wir in diesem ersten halben Jahr in die Sprenglöcher packen sollen, aber sie schweigen sich dann schamvoll darüber aus, welche Detonationswirkungen im zweiten Halbjahr unter Umständen zu erwarten seien. Diese Antwort hätte ich gerne gehabt.

    (Abg. Dr. Luda: Sehr richtig!)

    Noch einmal möchte ich sagen— um nicht mißverstanden zu werden —, daß die Gutachten der Sachverständigen eine wertvolle wirtschaftspolitische Erziehungsarbeit geleistet haben. Dies trifft auch für das jetzige Jahresgutachten in vollem Umfang zu. Der Prozeß der Rationalisierung der Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik ist zu beachtlichen Stücken der pädagogischen Wirkung der Gutachten zu verdanken. Der Sachverständigenrat sieht natürlich selber, daß der Prozeß des Lernens im Fach „Rationale Wirtschaftspolitik" jetzt allerdings weitgehend abgeschlossen ist. Dafür ist die vorzügliche Darstellung des Sachverständigenrats über die Geschichte der Rezession Zeuge und Beispiel. Eindeutig — lassen Sie mich das auch als Sozialdemokrat hier sagen — kann jeder der Darstellung der Geschichte dieser Krise entnehmen, wie diese Krise von einer emotionalen Wirtschaftspolitik der „Kapuzinerpredigten" verschuldet wurde und wie sie überwunden wurde durch eine rationale Wirtschaftspolitik der Fakten und der Zahlen, für die ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister die Verantwortung übernommen hat. In dieser Analyse der Krise, die sich eigentlich für viele fesselnd lesen sollte, die sich in diesem Hause um die Gestaltung einer rationalen Wirtschaftspolitik bemüht haben, wird sichtbar, in welch hohem Maße der Wirtschaftsprozeß auf den Einsichten, Verhaltensweisen und Entscheidungen der Verantwortlichen basiert. Für viele in diesem Lande wird der objektive Befund der Sachverständigen sehr lesenswert sein. Sie sollten aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, wie wir alle. Die Sachverständigen kennzeichnen die verpaßte Chance der öffentlichen Hände im Jahre 1966 sehr deutlich. Sie kennzeichnen sie als eine Chance, in der wir unsere Investitionstätigkeit hätten kräftig ausweiten können. Ich darf hier einmal daran erinnern, daß es der jetzige Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium war, der im zweiten Halbjahr 1966 anläßlich der Beratungen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes in erster Lesung hier im Plenum eine solche Ausweitung mit allem Nachdruck gefordert hatte. Die Sach-



    Ravens
    verständigen schreiben — und das sollte uns nachdenklich stimmen —:
    Der fiskalistische Wettlauf mit dem rezessionsbedingten Zurückbleiben der Einnahmen führte dazu, daß die für 1967 geplanten Investitionsausgaben sogar unter den Ansätzen von 1966 lagen, und auch heute noch ist die Finanzpolitik weithin mit einem verhängnisvollen fiskalistischen Denken befangen.
    Soweit der Sachverständigenrat. Ich bin mir nach der Rede unseres Bundesfinanzministers nicht mehr ganz sicher, ob das alles trifft. Aber wer von uns lernt denn eigentlich aus?
    In der manifesten Krise des Jahres 1967 bedurfte es des ganzen Gewichts des Bundeswirtschaftsminiters, um eine aktive Politik zur Überwindung des Konjunktureinbruchs gegen mancherlei Widerstände durchzusetzen. Bei diesem Rückblick sollten wir auch nicht übersehen, daß die kräftige Erhöhung der Renten, der Pensionen und der Unterstützungen im Jahre 1967, also die Rentendynamik und die Arbeitslosenunterstützung sich ebenso wie die Verhinderung einer negativen Lohnpolitik als in unsere Wirtschaft eingebaute Stabilisatoren gegen ein noch tieferes konjunkturelles Abgleiten bewährt haben. In den Beratungen über die mittelfristige Finanzplanung ist hier im Hause und draußen in der Öffentlichkeit immer wieder versucht worden, einen Gegensatz zwischen Sozialpolitik und Konjunkturpolitik, zwischen Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik zu konstruieren. Durch die klaren und deutlichen Sätze des Sachverständigenrats und durch seine Berechnungen, die er dafür vorgelegt hat, ist wohl diese Vorstellung ein für allemal ausgeräumt. Wir haben den Eindruck, daß wir nicht umsonst in der Vergangenheit in Übereinstimmung mit dem Sachverständigenrat immer wieder auf eine Rationalität der Wirtschaftspolitik gedrängt haben.
    In diesem Zusammenhang ein letzter Hinweis auf das Sachverständigengutachten. Wir hätten es also begrüßt, wenn der Sachverständigenrat den Mut, sich zu irren, aufgebracht und eine Prognose für das ganze Jahr 1968 — nicht nur für das erste Halbjahr
    — gewagt und begründet hätte. Aber eine solche Prognose sollte alternativ den voraussichtlichen oberen und den voraussichtlichen unteren Entwicklungspfad angeben und kein Konkurrenzunternehmen zur Jahresprojektion sein. Auf diese Weise
    — so meinen wir — würde sich im Kontrast zu dei Jahresprojektion der Bundesregierung das wirtschaftspolitisch Denkbare und das politisch Erreichbare und Verantwortbare klarer voneinander abheben. Wir würden uns freuen, wenn der Sachverständigenrat unsere Anregungen nicht als eine kleinliche Kritik ansähe, sondern sie so nähme, wie wir sie gemeint haben: als eine Anregung, damit das Sachverständigengutachten in den kommenden Jahren weiter seine Funktionen in diesem Hause erfüllen kann.
    Die Bundesregierung hat in diesem Jahr zum ersten Male seit Bestehen der Bundesrepublik dem Deutschen Bundestag einen Jahreswirtschaftsbericht mit den Kernstücken der Jahresprojektion und der
    Darstellung der geplanten Wirtschafts- und Finanzpolitik als sie selbst bindende Absichtserklärung vorgelegt. Dieser Jahreswirtschaftsbericht als Bericht über die wirtschaftliche Lage der Nation ist ein Markstein in der Geschichte der deutschen Wirtschaftspolitik. . Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt ihn als Ausdruck der neuen Wirtschaftspolitik. Die Bundsregierung ist durch dieses Hohe Haus verpflichtet und in die Lage versetzt worden, ein stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum, einen hohen Beschäftigungsstand, die Stabilität des Preisniveaus und außenwirtschaftliches Gleichgewicht aktiv herbeizuführen; das alles natürlich nur im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung. Hierin, meine Damen und Herren, liegt Sinn und Inhalt des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes.
    Durch die Einführung des Prinzips der gesamtwirtschaftlichen Planung und Steuerung in die Wirtschaftspolitik des Staates wird unsere Wirtschaftsverfassung entscheidend verbessert. Ich sehe allerdings diese Verbesserung nicht als einmaligen Akt, sondern als eine Entwicklung, in der wir alle bereit sein müssen, aus den gemachten Erfahrungen zu lernen. Der Jahreswirtschaftsbericht 1968 ist ein hoffnungsvolles Beginnen. Die Realisierung der Ziele der Rahmenplanung muß zunehmend sicherer werden, unter anderem durch eine enge Koordination der mittelfristigen Finanzplanung von Bund, Ländern und Gemeinden. Wir stimmen mit der Bundesregierung und dem Sachverständigenrat darin überein, daß die, volkswirtschaftliche Rahmenplanung eine Absage an eine falsch verstandene autonome Politik einzelner Wirtschaftskräfte bedeutet; . sie bedeutet jedoch nicht Aufgabe der eigenständigen Positionen. Der gesamtwirtschaftliche Rahmenplan hat das Ergebnis einer Abstimmung der den Wirtschaftsprozeß tragenden Kräfte zu sein. So verlangt es unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung. Die effektive Mitwirkung der Gebietskörperschaften, Gewerkschaften und Unternehmensverbände an der Rahmenplanung bietet die Gewähr dafür, daß die abgesteckten Ziele durch die freien Entscheidungen dieser Wirtschaftskräfte mit verwirklicht werden. Im Jahresgutachten heißt es dazu wörtlich:
    Ein solcher multilateraler Pakt aber hat nur dann gute Chancen, wenn die Beteiligten ihre Interessen schon von Anfang an bei der Gestaltung des Leitbildes geltend machen und zum Ausgleich bringen können.
    Diese grundsätzlichen Überlegungen des Sachverständigenrates bilden einen durchaus konstruktiven Ansatzpunkt, dem wir zustimmen. Im Grundsatz entspricht der Gedanke des multilateralen Interessenclearings der bei der Aufstellung einer volkswirtschaftlichen Rahmenplanung gegebenen Aufgabe des Ausgleichs der Ansprüche, die von den einzelnen Gruppen und den öffentlichen Händen an das zu erwartende Sozialprodukt herangetragen werden.
    Der Sachverständigenrat hat jedoch in der Ausgestaltung seiner Grundsatzüberlegungen einen Perfektionismus walten lassen, der den Entscheidungsspielraum und die Entscheidungsfreiheit der den Wirtschaftsprozeß tragenden Kräfte aufhebt. Ich



    Ravens
    denke hier beispielsweise an die vorgeschlagene Basisleitlinie für Tarifabschlüsse mit Stufenerhöhungen, an die vorgeschlagene Sanktionierung eines Systems von Lohnleitlinien durch die Konzertierte Aktion, die im Widerspruch zu der von uns allen bejahten Tarifautonomie steht. Ich denke weiter an den nach der Meinung des Sachverständigenrats in den Jahren 1968 und 1969 „erstrebenswerten Expansionspfad", der der Jahresprojektion der Bundesregierung vorgreift. Ist denn die Frage der Beschleunigung des Expansionstempos wirklich eine wissenschaftlich zu entscheidende Frage? Selbstverständlich gelangt man, wenn man das Verhalten von Staat und Gesellschaft festlegt, wenn man sich also Prämissen schafft, zu ganz bestimmten Ergebnissen. Aber sollte es nicht so sein, daß uns Entscheidungshilfen für unser eigenständiges Verhalten gegeben werden und daß wir nicht hier zunächst auf ein Verhalten festgenagelt werden?

    (Abg. Dr. Luda: Sie haben völlig recht, Herr Ravens!)

    Auf der einen Seite sind in diesem uns vorgeschlagenen Rahmenpakt — und da wird es ein wenig eigenartig — mit einer erstaunlichen Präzision Daten gesetzt, während andererseits die Sachverständigen in ihrem Gutachten schreiben — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Als Leitbild selbst können sich die folgenden Gedanken und Rechnungen
    — zum Rahmenpakt —bestenfalls dann eignen, wenn der Sachverständigenrat die wahren mittelfristigen Interessen der Beteiligten und der Gesamtheit zufällig richtig eingeschätzt hätte.
    Hier muß man fragen, wie wir dann mit einer solchen Selbstverständlichkeit bei einer Halbjahresprognose gleichzeitig Lohnleitlinien für zwei Jahre dort finden können.
    Die Distanzierung der Bundesregierung und des Deutschen Gewerkschaftsbundes von dem Vorschlag eines Rahmenpaktes erscheint mir allerdings zu wenig differenziert. Wir hätten es begrüßt, wenn die Bundesregierung und der Deutsche Gewerkschaftsbund ihre Vorstellungen über die Art und Weise eines mehrseitigen Interessenausgleichs noch stärker konkretisiert hätten. Daß ein solcher Ausgleich möglich ist, hat sich nach meiner Meinung im Jahre 1967 erwiesen. Im Jahre 1967 führten dieser Staat und diese Gesellschaft in gemeinsamer Anstrengung Wirtschaft und Finanzen aus einer akuten Krisensituation heraus. Dies macht uns zuversichtlich. Von nun an wird jedes Jahr von neuem bei der Aufstellung der Jahresprojektion ein mehrseitiger Interessenausgleich versucht und gewagt werden müssen.
    Wir haben in unserem Wirtschaftsleben unterschiedliche Interessenstandpunkte, diese sind auch sachlich begründet, und ihre Vertretung ist legitim. Wir haben Gerwerkschaften und Unternehmerverbänden die Tarifautonomie übertragen, und das wollen wir auch so beibehalten. Wir wissen, daß ein
    Ausgleich der Interessen immer nur im Spiel der Kräfte erreicht wird und daß er ständig von neuem erstrebt werden muß. In einer freiheitlichen, pluralistischen Gesellschaft ist die Koordination der wirtschafts-, finanz-, geld- und einkommenspolitischen Entscheidungen eine permanente und niemals völlig und endgültig zu lösende Aufgabe.
    Lassen Sie mich ein Wort zu den geplanten investiven Ausgaben im öffentlichen Bereich sagen. Im Jahreswirtschaftsbericht heißt es in Ziffer 35:
    Für die öffentlichen Investitionsausgaben ist in der Jahresprojektion — einschließlich .der Mittel aus dem zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm — eine Ausweitung um etwa 11 v. H. unterstellt worden.
    Bei dem geringen Anteil des Bundes am öffentlichen Investitionsvolumen dürfte klar sein, ,daß .der Hauptanteil an diesen um 11 % zu vermehrenden Investitionen von den Ländern und .den Gemeinden vorgenommen werden muß. Bei .der Beurteilung des Zuwachses von 11 % muß man sich allerdings, um nicht zu sehr vor dieser Zahl zu erschrecken, darüber im klaren sein, daß der Ausgangspunkt des Jahres 1967 um 1,3 Milliarden DM niedriger lag als im Jahre 1966. Die Ausgangsbasis ist also ungewöhnlich niedrig.
    Auch wir, meine Damen und Herren, wünschen ein konjunkturgerechtes Verhalten der Länder und der Gemeinden. Sie sind auch nach dem Stabilitätsgesetz dazu verpflichtet. Wir sind der Auffassung, daß insbesondere die Länder ihre 'investiven Ausgaben 1968 beträchtlich erhöhen können. Sie verfügen in ihrer Mehrzahl — nicht alle — über einen ungenutzten Verschuldungsspielraum.
    Die angestrebte Steigerung der Investitionstätigkeit der Gemeinden wäre allerdings bei dem derzeitigen Stand der kommunalen Verschuldung nur zu erreichen, wenn sie durch finanzielle Maßnahmen des Bundes und der Länder unterbaut würde. Die Lage vieler Gemeinden ist dadurch gekennzeichnet, daß seit Jahren die laufenden Einnahmen hinter den laufenden Ausgaben zurückgeblieben sind und .einer Ausweitung der kommunalen Investitionstätigkeit im wesentlichen nur durch eine überproportional ansteigende Verschuldung erreicht werden konnte. Diese Lücke kann durch die beabsichtigte Aufstokkung der für die Gemeinden bestimmten zinsverbilligten ERP-Kreditmittel um 250 Millionen DM nicht geschlossen werden. Von der künftigen Gemeindefinanzreform, so sehr sie auch drängt, sind in diesem Konjunkturaufschwung keine Impulse zu erwarten. Deshalb sollte die Bundesregierung ernsthaft überlegen, ob es nicht notwendig ist, den Gemeinden für die gesamtwirtschaftlich erforderliche Investitionsausweitung weitere finanzielle Hilfe zu gewähren.
    Im Jahreswirtschaftsbericht wird weiter davon ausgegangen, daß die normalerweise zu erwartende Abschwächung im Wohnungsbau durch städtebauliche Sanierungsmaßnahmen und höhere Infrastrukturinvestitionen in spürbarem Ausmaß aufgefangen wird. Die Stadtsanierung und Stadterneuerung sind bisher jedoch weder rechtlich noch finanziell abgesichert. Die Vorbereitungen für solche Maßnahmen,



    Ravens
    das wissen wir alle, sind furchtbar langwierig; man schätzt etwa zwei bis drei Jahre. Deswegen sollte ein Städtebauförderungsgesetz, das auch das Bodenrecht verbessert und das Bodenspekulationen bei der Sanierungsvorbereitung ausschließt, so bald wie möglich eingebracht und vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Denn nur so läßt sich die notwendige langfristige Entwicklung der öffentlich induzierten Bauinvestitionen sichern.
    Vor kurzem diskutierte dieses Hohe Haus über die Fragen der Strukturpolitik. Der Herr Bundesfinanzminister hat heute noch einmal auf die Notwendigkeit dieses Bereiches hingewiesen. Dabei wurde die Bundesregierung von allen Seiten dieses Hauses nachdrücklich dazu aufgefordert, die politisch schwerwiegenden Probleme des Zonenrandgebietes und die der Bundesausbaugebiete neben der notwendigen Sanierung der Steinkohlengebiete nicht zu vernachlässigen.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat die Bundesregierung damals in einem Antrag zur Strukturpolitik aufgefordert, einen Betrag von 1 Milliarde DM zur Mitfinanzierung von Strukturprogrammen an Ruhr und Saar und im Zonenrandgebiet bereitzustellen. Wir forderten in diesem Antrag, die Mittel schwerpunktmäßig zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und damit in Verbindung stehender Infrastrukturmaßnahmen vor allem dort einzusetzen, wo sich größere Entlassungen von Arbeitskräften infolge struktureller Veränderungen abzeichnen. Dies ist ein klarer Auftrag.
    Meine Damen und Herren, wenn wir einen Blick auf die jüngsten Zahlen der Arbeitsmarktstatistik in strukturschwachen Gebieten werfen, dann sehen wir, wie bitter notwendig hier Investitionen und zusätzliche Arbeitsplätze sind. Ich darf Ihnen nur ein paar Zahlen nennen: in Gelsenkirchen — mitten im Ruhrgebiet — 6,3 %, Schwandorf — Bayern —16,2 %, Bochum 5,1 %, Saarlouis 5,4 %, Passau 22 °/o. Das sind Zahlen vom Januar 1967. Sie ragen weit über die Durchschnittszahlen bei uns in der Bundesrepublik hinaus, und sie machen deutlich, daß es hier einen Sockel von strukturellen Arbeitslosen gibt. In diesen Bereich wollen wir mit unserem Antrag 1 Milliarde DM hineingeben.
    Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, daß eine Förderaktion in einem angemesseneren Umfang, als bisher vorgesehen, für diese Gebiete dringend geboten ist und daß damit die im Jahreswirtschaftsbericht genannte jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl von 311 000, von der ich, Herr Minister, sagen darf, daß sie uns nicht befriedigt, wesentlich vermindert werden könnte. Für uns -ist diese Arbeitslosenzahl keine statistische Größe. Das mit 1,4 % mag alles ganz erträglich sein. Hinter jeder dieser Zahlen aber steht ein Mensch und eine Familie, und hinter jeder dieser Zahlen steht ein Menschenschicksal; daran müssen wir uns immer erinnern.
    Auch die Bundesbank hat sich in ihrem jüngsten Monatsbericht dafür ausgesprochen, die strukturelle Arbeitslosigkeit durch strukturpolitische Maßnahmen zu vermindern. Sie dürfte sich sicher darüber im klaren sein, daß in der gegenwärtigen Situation
    solche zusätzlichen Maßnahmen nur durch ihre Mitwirkung bei der Finanzierung und bei der Kreditbeschaffung möglich sind.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat hier ein paar Worte zur Bundesbank gesagt. Gestatten Sie mir, daß ich hier, obwohl das vom Thema abweicht, ein paar Worte dazu sage. Wir haben das Bekenntnis des Bundesfinanzministeras zur Autonomie der Bundesbank gehört. Er wird von uns ein ebensolches Bekenntnis mit vollem Bewußtsein und vollem Wollen zurückbekommen können. Aber ich darf hier auch einmal sagen: Ich würde mir wünschen, man läse das Bundesbankgesetz nicht immer nur bis zum § 1. Ich wünsche mir, daß es auch bei einigen Herren der Deutschen Bundesbank bis einschließlich § 12 gelesen wird; denn dort steht, daß die Bundesbank verpflichtet sei, die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Ich möchte das hier nur einmal in die Erinnerung zurückrufen, weil ich den Eindruck habe, daß dies in der Vergangenheit mehr und mehr aus dem Gedächtnis einiger Verantwortlicher dieses Landes verschwunden ist.
    Nun zurück zum Strukturprogramm. Wir begrüßen, daß die Bundesregierung im Rahmen des bestehenden Haushaltsvolumens für den Ausbau der Infrastruktur an Ruhr und Saar 50 Millionen DM an Zuschüssen und Zinszuschüssen bereitstellen will. Wir begrüßen auch die beabsichtigte, wenn auch, wie vorhin schon gesagt, zu geringe Aufstockung von 250 Millionen DM im Rahmen des ERP-Investitionshilfegesetzes, aus der Gemeinden — wie wir hören: regional begrenzt auf Steinkohlegebiete und Bundesfördergebiete und Berlin - zusätzlich zinsgünstige Darlehen gewährt werden sollen. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden:
    1. Das Zonenrandgebiet wird als eines der drei wichtigsten Problemgebiete kaum in die zusätzlichen Fördermaßnahmen einbezogen.
    2. Es werden ausschließlich öffentliche Maßnahmen gefördert. Wir meinen, hier sollte man auch überlegen, wieweit die direkte Förderung der industriellen Ansiedlung möglich ist.
    3. Die zusätzlichen ERP-Mittel sollten nicht gestreut, sondern schwerpunktmäßig zur Schaffung neuer Arbeitsplätze eingesetzt werden.
    Wir begrüßen ausdrücklich die Absicht der Bundesregierung, die gesetzlichen Voraussetzungen der Wettbewerbspolitik zu verbessern und einen wirksamen, funktionsfähigen Wettbewerb zu fördern. Ich habe das heute in der Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers mit größer Freude zur Kenntnis genommen.
    Wir stimmen mit der Bundesregierung darin überein, daß man der leistungssteigernden Kooperation den erforderlichen Raum geben sollte. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch sehen, daß sich daraus eine zunehmende Vermachtung der Märkte durch Konzentration ergeben kann. Die Bundesregierung hat in der Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes schon ihrer Sorge darüber Ausdruck gegeben, daß mit den augenblick-



    Ravens
    lich vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten ein Mißbrauch von Marktbeherrschung nicht zu verhindern sei. Wir bitten deshalb die Bundesregierung, vor dem Vorschlag wettbewerbspolitischer Einzelmaßnahmen ihr wettbewerbspolitisches Konzept zur Diskussion zu stellen.
    Die in der Jahresprojektion der Bundesregierung angeregte Erhöhung der Stundensätze der Tariflöhne und Gehälter von 4 bis 5 % erscheint uns realistisch und im jetzigen Konjunkturaufschwung erreichbar und geboten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es sich um jahresdurchschnittliche Sätze handelt. Um die notwendigen Einkommensteigerungen und damit die erforderlichen Nachfrageausweitungen zu erreichen, sollte ein möglichst früher Abschluß der Tarifverträge in diesem Jahr angestrebt werden. Dies wäre der Beitrag der Tarifpartner für einen Aufschwung nach Maß.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß im Aufschwung eine verstärkte Förderung der Vermögensbildung in den unteren Einkommensschichten gesellschaftspolitisch geboten ist. Eine verstärkte Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand würde den Spielraum preisneutraler Lohnerhöhungen erweitern, die für das künftige Wachstum erforderliche Ausweitung der Geldkapitalbildung und langsam auch eine ausgewogenere Vermögensverteilung herbeiführen.
    Eine solche Vermögenspolitik erfordert keine neuen Haushaltsansätze, Herr Bundesfinanzminister; sie erfordert jedoch den Umbau eines wirtschaftspolitisch falschen und gesellschaftspolitisch anachronistischen Fördersystems, das die einkommenschwachen Schichten übergeht, die sparfähigen Schichten dagegen prämiiert und eine immer einseitigere Vermögensverteilung herbeiführt. Die Fördermittel sollten deshalb so eingesetzt werden, daß die Prämien in den unteren Einkommensschichten am höchsten sind und mit steigendem Einkommen unter Berücksichtigung des Familienstandes fallen. Daneben könnte auch die Sparfrist eine Rolle spielen.
    Neben diesen Überlegungen sollten die Vorschläge des Sachverständigenrates hinsichtlich des Beteiligungssparens und der Beteiligungsfinanzierung eingehend geprüft werden. Uns erscheint es hier von Bedeutung, daß durch die vorgeschlagene Form der Beteiligungsfinanzierung längerfristig der durch unser Steuersystem hervorgerufene „Zwang" zur Unternehmensfinanzierung über die Gewinne vermindert und die Bilanzstrukturen verbessert würden.
    Wir wissen aber auch, daß eine solche Umstrukturierung sorgfältiger und grundlegender Überlegungen -und Vorbereitungen bedarf; die Bundesregierung sollte jedoch noch in dieser Legislaturperiode dem Bundestag ihre Vorstellungen hierzu darlegen. Die Tarifpartner möchten wir an dieser Stelle auffordern, durch eine entsprechende Gestaltung ihrer Tarifverträge zu einer breiteren Vermögensbildung beizutragen.
    Der von der Bundesregierung vorgeschlagene „Sparbrief der öffentlichen Hand" sucht nach unserer Meinung einen neuen Weg des Sparens zu eröffnen, der vielversprechend sein kann, wenn er mit einem Sozialbonus ausgestattet ist. Auch hier wären wir für eine baldige Präzisierung dankbar.
    Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung trotz der protektionistischen Bestrebungen in anderen Ländern an einer liberalen Außenhandelspolitik festhält, daß durch die Ergebnisse der KennedyRunde sowie die Einführung eines gemeinsamen Außenzolltarifs der EWG ein weiterer Zollabbau zu erwarten ist.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mißt im gleichen Maße wie der Sachverständigenrat der außenwirtschaftlichen Absicherung zur Abwehr eines Inflationsimports hohe Bedeutung bei. Außenwirtschaftliches Gleichgewicht ist ja auch eines der Ziele des Stabilitätsgesetzes. Die Bundesregierung findet unsere volle Unterstützung, wenn sie diese Ziele im Rahmen einer Stabilitätsgemeinschaft der EWG-Länder und im Rahmen der OECD zu verwirklichen sucht.
    Der auszuweitende Gemeinsame Markt muß auch zu einer Wirtschaftspolitik mit einem Nenner führen. Der EWG-Vertrag spricht diese Forderung deutlich aus. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, initiativ eine solche Entwicklung herbeizuführen.
    Ich möchte hier auf die Fragen der Energiepolitik und auf einige andere Dinge nicht eingehen, weil ich meine, sie sollten noch einmal detailliert von Einzelsprechern behandelt werden.
    Lassen Sie mich zum Abschluß nur sagen: Wir sind der Meinung, es sollte niemanden in diesem Hause und auch niemanden in der Öffentlichkeit geben, der glaubt, daß mit der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts der Bundesregierung die Wirtschaftspolitik für dieses Jahr nun gemacht sei. Wir können mit Zuversicht auf die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung dieses Jahres blicken, wenn wir mit großer Wachsamkeit in den kommenden Wochen die weitere Entwicklung im Auge behalten. Das Verhalten der Unternehmer, das sich in den letzten statistischen Erhebungen niedergeschlagen hat, gibt uns Anlaß zu optimistischen Erwartungen. Die aktive Wirtschafts- und Konjunkturpolitik von Bundeswirtschaftsminister Prof. Karl Schiller hat nach übereinstimmendem Urteil dazu geführt, eine gefährliche Krise zu vermeiden, den Marsch durch die Talsohle zu verkürzen und jedermann im Lande berechtigte Aussicht auf wachsenden Wohlstand zu bescheren. Jedem, dem Einsicht in die wirtschaftlichen Zusammenhänge möglich ist, wird bei der gegenwärtigen Konjunkturlage aber auch klar, daß eine Ausweitung des privaten Verbrauchs notwendig ist, um einen sich selbst tragenden Aufschwung zu erreichen. Die in der Zielprojektion der Bundesregierung genannten 4- bis 5%igen Lohnerhöhungen und Einkommenssteigerungen der Arbeitnehmer sollten von Gewerkschaften und Arbeitgebern als ihr Beitrag zur weiteren Belebung der Wirtschaft verstanden werden.
    Die Große Koalition hat auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik bewiesen, daß sie zielbewußt und



    Ravens
    wirkungsvoll zu handeln versteht. Manche von uns hätten sicherlich gewünscht, daß der Aufschwung in diesem Frühjahr durch weitere gezielte und dosierte Maßnahmen des Bundes unterstützt worden wäre. Das Kabinett ist hier den Anregungen des Bundeswirtschaftsministers nicht gefolgt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion betont ihre Bereitschaft, die Bundesregierung bei etwa notwendigen weiteren konjunkturellen Maßnahmen zu unterstützen. Sie wird die Regierung dazu auffordern, wenn hinreichend Grund dazu vorhanden ist. Wenn wir diese unsere Aufgabe miteinander erfüllen, meine Damen und Herren, ist dieses Parlament in der Lage, unseren Bürgern einen Aufschwung nach Maß vorherzusagen, der auf sicheren Beinen steht.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)