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    Deutscher Bundestag 156. Sitzung Bonn, den 14. Februar 1968 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg Porten 8019 A Amtliche Mitteilung . . . . . . . . 8019 A Zur Tagesordnung Windelen (CDU/CSU) . . . . . . 8019 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 8019 C Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Diätengesetz 1968) (Abg. Windelen, Rawe, van Delden, Haase, Dr. Rutschke u. Gen.) (Drucksache V/2575) . . . . . . . . 8019 C Fragestunde (Drucksachen V/2564, V/2573) Frage des Abg. Dr. Emde: Kritische Äußerungen deutscher Parteien zur Vietnam-Frage — Mögliche Verhärtung des amerikanischen Standpunktes bei den Devisenausgleichsverhandlungen Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 8019 D Dr. Emde (FDP) 8020 A Moersch (FDP) 8020 B Frage des Abg. Geldner: Anteil der amerikanischen Touristen an den Ausländerübernachtungen — Deviseneinnahmen aus dem amerikanischen Reiseverkehr 1966 Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8020 C Geldner (FDP) . . . . . . . . . 8020 D Moersch (FDP) . . . . . . . . 8021 A Dr. Hofmann (Mainz) (CDU/CSU) . . 8021 B Frage des Abg. Geldner: Auswirkung der bisherigen Konjunkturprogramme auf die Arbeitslosenanfälligkeit in Bayern und Niedersachsen Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8021 C Geldner (FDP) . . . . . . . . . 8021 C Dr. Müller (München) (SPD) . . . 8022 A Schlager (CDU/CSU) . . . . . . 8022 B Hofmann (Kronach) (SPD) . . . . 8022 D Varelmann (CDU/CSU) . . . . . 8022 D Schmidhuber (CDU/CSU) . . . . . 8023 A Porsch (FDP) . . . . . . . . . 8023 B Hösl (CDU/CSU) . . . . . . . . 8023 B Unertl (CDU/CSU) . . . . . . . 8023 C Kiep (CDU/CSU) . . . . . . . . 8023 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 Fragen des Abg. Barche: Notwendigkeit eines Verbots der Vernichtung unbrauchbar gewordenen Sprengstoffs unter Tage wie in der Grube Lengede Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 8023 D, 8024 B Barche (SPD) . . . . . . . . . 8024 A Frage des Abg. Schlee: Vergünstigungen für die Ansiedlung industrieller Betriebe in NordrheinWestfalen Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8024 B Schlager (CDU/CSU) . . 8024 C, 8025 B Dr. Aigner (CDU/CSU) . 8024 D, 8025 A Dr. Hofmann (Mainz) (CDU/CSU) . . 8024 D Porsch (FDP) . . . . . . . . 8025 C Scheel, Vizepräsident 8025 D Frage des Abg. Schlee: Schaffung eines Ausgleichs für diese Maßnahmen im Zonenrandgebiet und in anderen strukturschwachen Gebieten Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8025 D Schlee (CDU/CSU) . . . . . . . 8026 A Hösl (CDU/CSU) . . . . . . . 8026 B Ertl (FDP) 8026 B Frage des Abg. Schlee: Schaffung neuer Arbeitsplätze — Förderung der industriellen Ansiedlungen durch öffentliche Mittel Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 8026 C Schlee (CDU/CSU) . . . . . . 8026 C Dr. Aigner (CDU/CSU) 8026 D Schlager (CDU/CSU) . . . . . 8027 A Ertl (FDP) . . . . . . . . . 8027 B Frage des Abg. Dorn: Preiserhöhungen der Versorgungs- und Verkehrsunternehmen unter dem Vorwand der Mehrwertsteuer Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8027 B Dorn (FDP) . . . . . . . . . . 8027 C Geiger (SPD) . . . . . . . . . 8028 A Dr. Emde (FDP) 8028 A Fragen des Abg. Dr. Lohmar: Präsenz der Bundesrepublik auf der Weltausstellung Osaka 1970 Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 8028 B, 8028 D Dr. Lohmar (SPD) . . . 8028 C, 8029 A, 8029 C Schmidhuber (CDU/CSU) 8029 A Josten (CDU/CSU) 8029 B Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung für die niederbayerischen-oberpfälzischen Grenzgebiete angesichts der dortigen Arbeitslosenzahlen Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8029 D Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 8030 A Unertl (CDU/CSU) . . . . . . 8030 C Hörauf (SPD) 8030 C Niederalt (CDU/CSU) 8030 D Dr. Aigner (CDU/CSU) 8031 A Hösl (CDU/CSU) 8031 B Frage der Abg. Frau Dr. Maxsein: Symposium über Fragen der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 8031 C Frau Dr. Maxsein (CDU/CSU) . . . 8031 D Erklärungen nach § 36 GO Kiep (CDU/CSU) . . . . . . . . 8031 D Dorn (FDP) . . . . . . . . . . 8032 B Jahn (Marburg) (SPD) . . . . . 8032 C Begrüßung von Mitgliedern des Britischen Unterhauses 8032 B Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das vom Bundestag beschlossene Gesetz über eine Zählung im Handel sowie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe (Handelszählungsgesetz 1968) (Drucksache V/2576) Scheel, Vizepräsident 8032 C Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das vom Bundestag beschlossene Bundeswasserstraßengesetz (Drucksache V/2568) Scheel, Vizepräsident 8033 A Dr. Mommer (SPD) 8033 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 III Beratung des Einspruchs des Bundesrates gegen das vom Bundestag beschlossene Gesetz über die Handwerkszählung 1968 (Handwerkszählungsgesetz 1968) (Drucksache V/2569) Scheel, Vizepräsident . . . . . . 8033 B Beratung des Jahresgutachtens 1967 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache V/2310) in Verbindung mit Beratung des von der Bundesregierung beschlossenen Jahreswirtschaftsberichts 1968 der Bundesregierung (Drucksache V/2511) und Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Konjunkturbelebung durch steuerliche Anreize für verstärkte private Investitionen (Drucksache V/2471) Dr. Schiller, Bundesminister 8033 D, 8068 B Dr. Staratzke (FDP) 8040 C Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . . 8043 C Stein (Honrath) (CDU/CSU) . . . 8050 D Ravens (SPD) 8054 A Dr. Haas (FDP) . . . . . . . 8060 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 8062 D Frau Dr. Krips (SPD) 8063 D Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) . 8064 B Schoettle, Vizepräsident 8064 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 8065 C Lenders (SPD) . . . . . . . . 8066 B Mertes (FDP) 8067 B Dr. Luda (CDU/CSU) 8067 B Lange (SPD) 8067 D Genscher (FDP) . . . . . . . 8072 C Ravens (SPD), zur GO 8072 C Nächste Sitzung 8072 D Anlagen 8073 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8019 156. Sitzung Bonn, den 14. Februar 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 14.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Apel 17. 2. Arendt (Wattenscheid) 17. 2. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 17.2. Dr. Arnold 14.2. Auge 18. 2. Bading * 15. 2. Bäuerle 15. 2. Dr. Bardens 25.2. Bauer (Wasserburg) 16. 2. Dr. Besold 18.2. Dr. Bucher 14.2. Buchstaller 31. 3. van Delden 14. 2. Dr. Dittrich * 16.2. Dröscher * 14. 2. Frau Dr. Elsner 17.2. Eschmann 17.2. Faller 17.2. Frehsee 29.2. Dr. Frey 16.2. Hamacher 6. 4. Hölzle 29.2. Jahn (Marburg) 14. 2. Frau Kalinke 17.2. Frau Klee 17. 2. Klinker * 14. 2. Frau Korspeter 17.2. Kriedemann * 16. 2. Krug 14.2. Freiherr von Kühlmann-Stumm 29. 2. Kunze 1. 6. Lemmer 6. 4. Lenz (Brühl) 15.3. Lücker (München) * 14. 2. Mattick 17.2. Mauk * 14.2. Dr. von Merkatz 17.2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 16. 2. Müller (Aachen-Land) * 16. 2. Nellen 16.2. Dr. Prassler 29.2. Rasner 16.2. Richarts * 14.2. Dr. Ritz 14.2. Dr. Schulz (Berlin) 13.2. Schmidt (Hamburg) 14.2. Dr. Starke (Franken) 16.2. Weigl 17.2. Weimer 13.2. Frau Wessel 18.2. Frau Dr. Wolf 29.2. Zink 14.2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 361 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1968 der Bundesregierung - Drucksache V/2511 -. Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag begrüßt den im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts 1968 der Bundesregierung - Drucksache V/2511 - vorgelegten energiepolitischen Bericht. Er erwartet, daß die Bundesregierung auch in den künftigen Jahreswirtschaftsberichten eine gesonderte Darlegung der für das laufende Jahr geplanten Energiepolitik gibt. II. Der Deutsche Bundestag begrüßt es, daß die Bundesregierung die Entwicklung des Einsatzes der einzelnen Primärenergieträger mit ihrer Energiepolitik aktiv beeinflussen will. Er erwartet, daß durch eine aktive, langfristige Energiepolitik die erwartete Entwicklung des Verbrauchs der Primärenenergieträger immer mehr den energiepolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung entspricht. Bonn, den 14. Februar 1968 Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Erklärung des- Abgeordneten Dr. Pohle (CDU/CSU) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Mit Recht hat die Bundesregierung den Vorschlag des Sachverständigenrats abgelehnt, mit konjunkturpolitischen Maßnahmen ein reales Wachstum von 6,4 % im Jahr 1968 anzustreben. Der vorgeschlagene Senkrechtstart würde nicht nur die Konjunkturausschläge verstärkt haben, sondern er brächte auch unberechenbare Gefahren für die Stabilität. Die Position der Bundesregierung ist weitaus realistischer. Das Wachstumsziel von 4 % vermeidet mit größerer Sicherheit die Gefahr einer erneuten Überforderung der Produktionsfaktoren mit anschließender Geldentwertung. Ich möchte hier nicht auf die sich widersprechenden Sachverständigengutachten eingehen. Die Sachverständigen haben selbst zugegeben, daß sie sich bei ihren Prognosen teilweise geirrt haben. Immerhin darf ich mir die Bemerkung erlauben, ohne damit eine Respektlosigkeit vor den Sachverständigen zu begehen, daß vieles für uns leichter gewesen wäre, wenn die Sachverständigen bereits im Jahresgutachten 1966/67 und nicht erst im Frühjahr 1967 uns den „ganzen Ernst der Situation" vorgetragen hätten. Wir hätten uns dann im Winter 1966/67 möglicherweise einige Debatten ersparen können. Der Übergang von der Überhitzung zur Stabilität oder Stagnation und Rezession ist stets von gewissen Fieberausschlägen begleitet, ohne daß eine Sache nun be- 8074 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 reits zu einer allgemeinen Vertrauenskrise oder zu dem in jener Zeit ach so beliebten Schlagwort der Notstände auf den verschiedenen Gebieten sich verdichtet. Die Absage der Tarifpartner an den Gedanken der Lohnleitlinien bringt die wichtigste Voraussetzung des von den Sachverständigen vorgeschlagenen Rahmenpakts zum Einsturz und beraubt damit den Rahmenpakt seiner Grundlagen. So interessant die Gedankenführung der Sachverständigen im einzelnen auch sein mag - der Auffassung der Bundesregierung haben wir größere Aufmerksamkeit zu schenken. Wie richtig die Beurteilung der Konjunkturlage durch die Bundesregierung ist, beweist der soeben erschienene Monatsbericht der Deutschen Bundesbank. Die Prognosen der Bundesbank sind bisher vielfach richtiger als die der Sachverständigen. In ihm wird festgestellt, daß die Initialzündung durch die Ingangsetzung eines neuen Lager- und Investitionszyklus gelungen ist. Die Antwort auf die sorgenvolle Frage, ob die Konjunkturmaßnahmen des Bundes wirklich die erwünschte Kettenreaktion auslösen würden, war bisher offen. Jetzt liegt das erste Ja von kompetenter Seite vor. Die Belebung der Auftragsbestände ist nicht mehr nur mit den beiden Konjunkturprogrammen zu erklären, sondern nach Meinung der Bundesbank auf „eigenständige Ursachen" zurückzuführen. Dies zeigt sich durch die Zunahme der Aufträge auch in solchen Bereichen, die von den staatlichen Konjunkturprogrammen unmittelbar nicht begünstigt werden, wie z. B. die Grundstoff- und Verbrauchsgüterindustrie. Bereits im vierten Quartal des vorigen Jahres zeigten sich mit einer Zuwachsrate des Sozialprodukts von 3 % breite Wiederbelebungstendenzen. Jetzt sieht es so aus, als ob diese Wiederbelebung sicheren Boden erreicht hat. Die realistische Beurteilung der Konjunkturlage durch die Bundesregierung enthebt den sachkundigen Finanzpolitiker der großen Sorge, daß die Möglichkeiten der antizyklischen Fiskalpolitik überzogen oder überbewertet werden. Ihre falsche Beurteilung könnte zu verhängnisvollen konjunkturpolitischen Fehlentwicklungen führen. Die Hauptschwierigkeiten für die Konjunkturbeeinflussung durch Fiskalpolitik liegen in ihren Vorbedingungen. Der Zeitablauf, die mögliche Konzeptionsänderung im Verlauf der parlamentarischen Beratung sowie föderale Gegentendenzen nehmen fiskalischen Maßnahmen viel von ihrer konjunkturpolitischen Wirkung. Besonders schwierig wird jedoch ihr Einsatz, wenn bereits größere konjunkturpolitische Störungen vorliegen und damit die Dosierung der Maßnahmen unverhältnismäßig groß sein müßte. Schließlich können nicht einmal auf dem Reißbrett genau Zeitpunkt und Umfang der zu ergreifenden steuerlichen oder haushaltsmäßigen Maßnahmen fixiert werden, um ein reibungsloses antizyklisches Überlappen zu erreichen. Bei einer Phasenverschiebung erwächst jedoch immer die Gefahr eines prozyklischen Umschlags. Diese Feststellungen sollen nicht etwa eine Absage an den antizyklischen Einsatz fiskalischer Instrumente bedeuten, sondern sie sollen die Grenzen ihrer Wirkungsweise unterstreichen. Die Beachtung dieses Sachverhalts führt zu der unbestreitbaren Einsicht, daß die Fiskalpolitik nicht in der Lage ist, allein die Hauptlast der Konjunkturbeeinflussung zu tragen. Ein Wort zur sogenannten Investitionsteuer, die rechtlich gar nicht existiert. Sie ist ein Teil des Stufenplans, der zu dem von der Wirtschaft gewünschten Sofortabzug der Neuinvestitionen bei der Mehrwertsteuer führen soll. Der Stufenplan ist — wie jeder Kenner der Materie weiß — auf das engste mit der Entlastung der Altvorräte verknüpft. Ganz abgesehen von dem fiskalischen Ausfall, führt jede Ankündigung einer solchen Steuererleichterung nur zu neuem Attentismus. Die von der FDP-Fraktion angeregte Steuermilderung ist mit Sicherheit ohne Anhebung der Verschuldungsgrenze nicht durchführbar, konjunkturpolitisch aber nicht notwendig. Auch die Verschuldung stellt kein Allheilmittel dar. Hier bewegen wir uns dicht an der Grenze des noch Vertretbaren. Was alles kommt in diesem Jahr auf den deutschen Kapitalmarkt zu? — Eine Bruttoneuverschuldung aller öffentlichen Hände von über 27 Milliarden DM. — Zusätzlich weitere Milliarden, die durch die immer mehr ins Gewicht fallenden Zinssubventionen mobilisiert werden. — Die etwaigen Ansprüche aus der Devisenhilfe für die USA und Großbritannien in Höhe von rund 3,5 Milliarden DM. — Das Auftreten von US-Firmen auf Grund des US-Sparprogramms. — Schließlich will und soll auch noch die Wirtschaft ihren Kapitalbedarf befriedigen können. — Gleichzeitig verstärkt das Zinsgefälle gegenüber dem Inland den Kapitalexport. Der Bewegungsspielraum für eine Politik des „leichten Geldes" wird also immer enger, und die Grenze ist in dem Augenblick erreicht, in dem die erstrebte Vollausnutzung der Produktionsfaktoren eingetreten ist. Andernfalls würde ein neues monetäres Ungleichgewicht drohen. Deswegen ist es besonders wichtig, daß die öffentliche Kreditnachfrage elastisch bleibt, um sich der Konjunkturlage schnell anpassen zu können. Welch hohe Anforderungen die Konjunktur in diesem Jahr an alle Beteiligten stellen wird, zeigt der fiskalpolitische Unterschied zwischen 1967 und 1968. Im vorigen Jahr diente die Verschuldung dem Ausgleich der Steuerrückgänge. 1968 wird sich der Bund trotz steigender Steuereinnahmen wiederum stark verschulden. Dem Bundesfinanzminister wird also 1968 nicht weniger, eher sogar mehr an konjunkturellem Fingerspitzengefühl abverlangt werden. Die Bundesregierung verweist darauf, daß in der gegenwärtigen Phase die Schwierigkeiten und folglich auch das Risiko einer Prognose besonders groß sind. An die Adresse des Sachverständigenrats und Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8075 der Bundesregierung möchte daher folgender Hinweis gerichtet werden: Die Angabe von Dezimalziffern in den verschiedenen Prognosen erweckt den irreführenden Eindruck einer Genauigkeit und Zuverlässigkeit, die aus der Sache heraus bei derartigen Prognosen niemals erreicht werden kann. Es wird gefährlich, wenn daraufhin wirtschafts- und finanzpolitische Beschlüsse gefaßt werden. Allein der Vergleich der vorliegenden Prognosen zeigt so starke Unterschiede, daß daraus schon der nur bedingte Genauigkeitsgrad sichtbar wird. Ich glaube, daß irrige Interpretationen weitgehend vermieden werden können, wenn derartige Prognosen in Zukunft sich auf die Angabe von Bandbreiten konzentrieren, die die Größenordnung unvermeidbarer Schätzungsfehler kennzeichnen, und sich darüberhinaus auf die Herausarbeitung zu erwartender Trends beschränken. Auch die Vollausnutzung der Produktionsfaktoren wird in der Realität einer Volkswirtschaft nicht zu erreichen sein, die erheblichen Strukturwandlungen unterliegt. In der Marktwirtschaft läßt sich nun einmal Kaufkraft nicht nach Belieben zwecks Kapazitätsausnutzung lenken, auch wenn die Nachfrage noch so sehr mit öffentlichen Schulden gesteigert wird. Erhöhte Kaufkraft wird sicherlich nicht die Nachfrage nach Steinkohle steigern und auch die Zonenrand- und Bundesausbaugebiete nicht primär fördern. Zugegeben: In den bisherigen Konjunkturprogrammen der Bundesregierung sind auch diese regionalen Strukturmaßnahmen angesprochen. Was ich aber sagen will, ist, daß ohne forcierte regionale Strukturpolitik die volle Ausnutzung der Produktionsfaktoren uns allein nicht weiterbringt. Es besteht die viel größere Wahrscheinlichkeit, daß sich die Kaufkraft Dienstleistungen, modischen Verbrauchergewohnheiten und Erzeugnissen vollbeschäftigter Wachstumsindustrien zuwendet. In diesen Bereichen werden dann die Kapazitäten überfordert. Die Folge sind Lohnerhöhungen und Preissteigerungen. Ein ökonomisch bedingter struktureller Umstellungsprozeß führt zwangsläufig zu vermindertem Wachstum. Wenn man auf die Umstellung zugunsten hoher nomineller Wachstumsraten verzichten würde, wäre ein Ergebnis sicher: statt Bereicherung der Volkswirtschaft eine allgemeine Verarmung. Die von den Sachverständigen angestrebte Vollausnutzung des Produktionspotentials wäre im übrigen nur bei unendlicher Anpassungsgeschwindigkeit an die Nachfrage möglich. Dies ist jedoch in der Strukturkrise logischerweise nicht der Fall. Deswegen ist weder die Vollausnutzung noch die These von 30 Milliarden Wachstumsverlust von absoluter Überzeugungskraft. Auch der außenwirtschaftlichen Lage widmet die Bundesregierung in ihrem Bericht im Anschluß an die Sachverständigen ihre Aufmerksamkeit. Dabei kann der in der Zahlenzusammenstellung der Bundesregierung aufgeführte sogenannte Außenbeitrag mit einem Saldo von plus 14 Milliarden DM nicht mit dem Zahlungsbilanzüberschuß gleichgesetzt werden. Es ist sicher, daß bei wesentlich verstärktem Wachstum sich die Einfuhr schneller, die Ausfuhr langsamer entwickeln wird. Dann wird der Außenbeitrag wesentlich geringer. Die Sachverständigen rechnen mit 7 bis 8 Milliarden DM. Dies müssen wir festhalten. Denn bei den jetzt anlaufenden Devisenausgleichsverhandlungen dürfen wir nicht von dem Aktivsaldo des Außenbeitrags mit 14 Milliarden DM ausgehen. Es ist verständlich, daß unsere ausländischen Partner so argumentieren werden. Demgegenüber müssen wir auf die Zahlungsbilanzsituation verweisen und vor falschen Argumentationen warnen. 1967 beträgt nach der Jahresprojektion der Bundesregierung der Außenbeitrag 16,2 Milliarden DM. Die Zahlen der Bundesbank sind anders. 1967 ergab sich nur ein Aktivsaldo von 1440 Millionen DM — wie im Dezember-Bericht der Bundesbank nachzulesen ist —, natürlich unter Berücksichtigung der Kapitalbilanz. Aber die Kapitalbilanz ist ebenso wichtig wie die Handelsbilanz. Für die Beurteilung der Devisenausgleichsmöglichkeiten können wir nur von dem Aktivsaldo von 11/2 Milliarden DM ausgehen. Mit anderen Worten: 1967 betrug der Zahlungsbilanzüberschuß nur 9 % des Außenbeitrags. Auch 1968 kann nicht damit gerechnet werden, daß der Saldo der Zahlungsbilanz und der Außenbeitrag die gleiche Größe erreichen. Der Saldo der Zahlungsbilanz wird vielmehr auch 1968 nur einen verschwindend geringen Bruchteil des Außenbeitrags ausmachen. Ich möchte dies mit aller Deutlichkeit auch im Hinblick auf die mit den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich schwebenden Verhandlungen hervorheben. Mit der Bundesregierung sind wir der Ansicht, daß von einem Abwertungseffekt der Mehrwertsteuer nicht gesprochen werden kann. Vielmehr ist die deutsche Wettbewerbsposition gegenüber ausländischen Produzenten durch den Systemwechsel nicht verbessert worden. Berichtigt wurde lediglich die im Außenhandel bestehende Wettbewerbsbenachteiligung. Die Altinvestitionen sind nicht entlastet; die Neuinvestitionen werden erst stufenweise an den Sofortabzug herangeführt. Hinzu kommt die Abwertung von 18 ausländischen Währungen. Die Mehrwertsteuer kann also nicht zur Kompensation für die in den Vereinigten Staaten beschlossenen Sparmaßnahmen herangezogen werden. Auch die in der Zielprojektion zugrunde gelegte Arbeitslosenquote von 0,8% erscheint problematisch. Berücksichtigt man unvermeidbare Reibungsverluste und Fluktuationen, bedeutet sie einen Zustand, der wahrscheinlich alle Eigenschaften und Folgen der Überbeschäftigung wieder mit sich bringen wird, wie wir sie aus zurückliegenden Jahren kennen. Der Jahreswirtschaftsbericht weist auf die erstrebenswerte Arbeitslosigkeit 1961-1966 hin. Dies sind aber bekanntlich die Jahre der Überbeschäftigung. Wie problematisch die angestrebte Zahl von 0,8 % ist, zeigt beispielhaft ein Vergleich mit der höheren Arbeitslosenquote des September 1967. Hierfür liegt eine aufgeschlüsselte Untersuchung vor: Arbeitslosenquote: 1,6 %; Zahl der Arbeitslosen: 341 078; 8076 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 davon waren 42 800 = 12,6 % über 65 Jahre alt 57 400 = 16,8 % zwischen 60 und 65 Jahre alt 10 666 = 3,1 % erhielten eine Rente wegen Berufsunfähigkeit 76 400 = 22,4 % weniger als 1 Monat arbeitslos (Fluktuation) Ergebnis: Ein Drittel der September-Arbeitslosen war zwar zu vermitteln, fast ein Viertel entfiel auf die normale Fluktuation. Erst für den Rest, also 155 000 Arbeitslose = 45 %, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um konjunkturelle Arbeitslosigkeit handelt. Die Bundesbank stellt dazu in ihrem Januarbericht fest, daß sich jetzt immer mehr der Kern der „strukturellen Arbeitslosigkeit" herausschäle. Damit dürfte sie recht haben. Jedenfalls führt diese Überlegung zu der Erkenntnis, daß die undifferenzierte Arbeitslosenquote — und mehr gibt die Statistik leider nicht her — ein wenig geeignetes Instrument für konjunkturpolitische Entscheidungen ist. Abschließend noch ein Wirt zur Einkommenspolitik: Auf den Seiten 10 und 11 des Jahreswirtschaftsberichtes wird die sog. „Jahresprojektion 1968" gegeben. Hierbei wird eine Erhöhung des „Bruttoeinkommens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen (ohne Entlastung der Altvorräte)" im Jahr 1968 gegenüber dem Vorjahr um 7,9 % geschätzt. Die Erhöhung des „Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit" dagegen beläuft sich im Jahr 1968 auf 4,7 % gegenüber dem Vorjahr. Diese Zahlen zeigen nicht die reale Entwicklung, denn im Jahre 1967 sind die Unternehmereinkommen um 3,7 % gesunken, während sich das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit um 0,1 % erhöht hat. Wenn man die Zahlen der Jahresprojektion 1968 aber nicht mit den Zahlen 1967, sondern mit 1966 vergleicht, dann ergeben sich nach meiner Berechnung wesentlich andere Prozentsätze: Erhöhung des „Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit" plus 4,7 %, Erhöhung des Bruttoeinkommens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen (ohne Entlastung der Altvorräte) plus 3,9 %. Vergleicht man etwa die tatsächliche Entwicklung mit der Zielprojektion, so zeigt sich, daß die Unternehmereinkommen 1967 nicht, wie veranschlagt, um 3,6 % stiegen, sondern um 3,7 % zurückgingen, d. h. es ergab sich eine Diskrepanz um minus 7,3% zu Lasten der Unternehmereinkommen mit allen sich hieraus ergebenden Folgen einer unzureichenden Eigenkapitalbildung und Ertragsgestaltung. Hier liegt einer der entscheidenden Punkte, der der Wiederbelebung der Investitionstätigkeit entgegenstand. Es ist eine unbestreitbare konjunkturpolitische Gesetzmäßigkeit, daß im Konjunkturaufschwung die Unternehmereinkommen den unselbständigen Einkommen vorauseilen. Im Jahreswirtschaftsbericht steht dazu der Satz: „Die Bundesregierung ist wie der Sachverständigenrat der Ansicht, daß die Selbstfinanzierung der Unternehmen mit der Konjunkturbelebung beträchtlich zunehmen wird, ja zunehmen muß." Erfahrungsgemäß wird dieser Vorsprung im Konjunkturverlauf durch allmählich stärker wachsende Einkommen der Unselbständigen wieder eingeholt. Bei der Beurteilung des Umfangs und des Tempos der einkommenspolitischen Entwicklung sollte aber - wie die eben dargelegten Zahlen zeigen — von der kurzfristigen jährlichen Betrachtungsweise abgegangen werden und die Entwicklung im zyklischen Verlauf zugrunde gelegt werden. Dann werden wir auch zu einer realitätsgerechteren Einkommenspolitik gelangen. Der Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, die Harmonisierung der Sparförderung in die Wege zu leiten. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat die Bundesregierung in der vorigen Legislaturperiode eingebracht. Jedoch wurden diese Vorschläge vom Hause nicht mehr verabschiedet. In der 5. Legislaturperiode hat der Bundestag das Kumulationsverbot als wichtigste Änderung der bisherigen Sparförderungsmaßnahmen beschlossen. Die übrigen Gesichtspunkte der Sparförderung sind damit nach wie vor nicht gelöst. Der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers im Jahreswirtschaftsbericht auf Einführung eines Sparbriefes ohne Kursrisiko läßt den Gesichtspunkt der Harmonisierung außer Betracht. Insoweit besteht ein Widerspruch zur Aufassung des Bundestages. Wenn neue Sparformen eingeführt werden sollen, so müßten diese sich in das Gesamtpaket der Harmonisierungsvorstellungen einfügen. Die Harmonisierungsvorschläge des Steueränderungsgesetzes 1966 liegen im Finanzausschuß, werden aber auf Wunsch des Bundesfinanzministeriums nicht weiterberaten. Wie die Risikofreiheit des Sparbriefs beschaffen sein soll, wird von der Bundesregierung nicht weiter dargelegt. Deswegen kann vorerst nur darauf hingewiesen werden, daß eine neue Sparform nicht etwa zu Verzerrungen am Kapitalmarkt führen darf. Lassen Sie mich zusammenfassen: Im Grundsatz stimmen wir dem Jahresbericht der Bundesregierung zu. Anlaß zur Kritik geben einige mehr oder weniger bedeutsame Einzelfragen. Weder die Arbeitslosenquote noch die in der Zielprojektion niedergelegte Einkommensverteilung stellen brauchbare Zahlen für wirtschafts- und finanzpolitische Entscheidungen dar. Das Errechnen von Dezimalstellen ist sinnlos, und dafür sollte mit Bandbreiten, die den Schätzungsspielraum verdeutlichen, gearbeitet werden. Positiv ist anzumerken, daß die auf den Jahresbericht aufbauende Konjunkturpolitik der Bundesregierung den Realitäten zu entsprechen scheint. Die tatsächliche Entwicklung gibt denjenigen Recht, die eine Wachstumspolitik auf mittlerer Linie bei Erhaltung der mühsam errungenen Stabilität anstreben. Der Januarbericht der Bundesbank bestätigt die Richtigkeit des Verzichts auf weitere konjunkturanregende Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt. Die Grenzen der antizyklischen Fiskalpolitik und der Deficit-spending-Politik sind deutlich sichtbar geworden. In beiden Bereichen befinden wir uns dicht vor dem Punkt, an dem die erwarteten Vorteile ihres Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1958 8077 weiteren Einsatzes in Nachteile für die gesamte Volkswirtschaft umschlagen würden. Der Schwerpunkt der künftigen Wirtschafts- und Finanzpolitik sollte daher auf dem Gebiet der Strukturverbesserung liegen. Hier sind noch Reserven erschließbar. Eine so verstandene Wirtschafts- und Finanzpolitik wird die Ziele Wachstum und Stabilität überzeugend zum Wohle des Ganzen ansteuern können. Gleichzeitig geben wir damit eine Antwort auf das Hauptmotiv des hinter uns liegenden Konjunktureinbruchs, nämlich auf die Unsicherheit, die seinerzeit im Hinblick auf die Unsicherpolitik und den Regierungswechsel um sich gegriffen hat. Je größer das Vertrauen in die Beständigkeit unserer Politik ist, um so sicherer werden wir mit ihrem Erfolg rechnen können. Anlage 4 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Dr. Krips (SPD) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Wirtschaftswachstum ist nicht die fixe Idee übereifriger Nationalökonomen, sondern die Grundbedingung einer modernen Gesellschaft. Ohne ständige Einkommensexpansion, die gesamtwirtschaftlich abgesichert sein muß, wird unser System der sozialen Sicherheit zusammenbrechen. Nur wenn das Realeinkommen der aktiven Generation steigt, wird man ihr zumuten können, für eine rasch wachsende Zahl alter Menschen erhebliche Einkommensteile abzuzweigen. Im Mittelpunkt aller Überlegungen muß daher zunächst noch einmal die Projektion der Bundesregierung stehen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hätte es begrüßt, wenn die veröffentlichten Daten auch die Angebotsseite differenziert nach den wichtigsten Wirtschaftsbereichen enthalten hätte, obwohl wir natürlich wissen, daß sie bei der speziellen Konjunktursituation dieses Jahres lediglich einen Reflex der Nachfrageentwicklung darstellt. Auch die Finanzierungsrechnung würde uns weiterhelfen. In diesem Zusammenhang hoffen wir auch darauf, daß die zur Zeit laufenden Arbeiten für die Erstellung einer Umsatz- und Produktionsmatrix beim Statistischen Bundesamt zügig fortgesetzt werden. Wir sind der Meinung, daß diese Angaben dazu beitragen könnten, die Konsistenz im Kreislauf zu sichern. Überhaupt ist es eine Frage, ob es nicht gelingen könnte, den Wirtschaftsprozeß mit Hilfe der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der Projektion für die Öffentlichkeit durchschaubarer zu machen. Das gehört zur Information und ist Voraussetzung echter Meinungsbildung. In der Tat brauchen wir uns der ökonomischen Bilanz des Jahres 1967 nicht zu schämen. Das Zustandekommen der großen Koalition am 1. Dezember 1966 hat eine neue Phase der deutschen Nachkriegspolitik eingeleitet, die notwendig geworden war, weil die zuvor entstandenen wirtschaftlichen und finanziellen Probleme anders nicht mehr lösbar waren. Aus der Gleichzeitigkeit einer zu lange anhaltenden monetären Restriktionspolitik und einer prozyklischen Haushaltspolitik zog die Wirtschaft den Schluß, daß sie die Last der Stabilisierung allein zu tragen habe. Der Kumulationsprozeß nach unten drohte zu gefährlicher Arbeitslosigkeit und einem anhaltenden Produktionsrückgang zu führen. Unter Führung des sozialdemokratischen Wirtschaftsministers wurde erstmals die Phase einer rationalen Wirtschafts- und Wachstumspolitik durch Kombination von Marktwirtschaft und Globalsteuerung — gegen oft erheblichen Widerstand — eingeleitet. Ich möchte hier nur daran erinnern, welche Bedenken gegen den 1. Eventualhaushalt geltend gemacht wurden, und auch bei der Verwirklichung des 2. Konjunktur- und Strukturprogramms gab es immer noch Unbelehrbare. Das Konjunkturbelebungsprogramm wurde begleitet von Diskontsenkungen und Ermäßigungen der Mindestreservesätze, denn es war dem Wirtschaftsminister gelungen, die Bundesbank davon zu überzeugen, daß sie nach der Durchforstung des Bundeshaushalts und der Streichung von Steuerprivilegien die expansionsfördernde Politik der Bundesregierung unterstützen müsse. Die Aufhebung der staatlichen Bindung der Soll- und Haben-Zinsen, die Sonderabschreibungen auf bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter, die Verbesserung der Entlastung der Altvorräte seien nur der Vollständigkeit halber nochmals erwähnt. Ein solches umfassendes konjunktur- und wachstumspolitisches Aktionsprogramm war das erste seiner Art in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Maßnahmen haben einer weiteren Verschärfung der Krisensituation entgegengewirkt. Die Erfolge liegen auf der Hand. Wir sind auf dem Wege, die Ziele des Stabilitätsgesetzes zu erfüllen. Die Konjunktur hat sich im Zuge des Herbstaufschwungs spürbar gebessert. Die Erholung ist auf die Konjunkturprogramme des Bundes, aber auch auf eigenständige Faktoren zurückzuführen. Bei Investitionen und Erträgen bahnt sich eine Wende nach oben an. Gleichzeitig wurde die Kreditnachfrage der Unternehmen lebhafter. Der Preisanstieg war 1967 der geringste seit 1960. Die Firmen konnten ihre Auftragsbücher weiter auffüllen: Lag die Entwicklung des Auftragseingangs im Dezember 1966 bei —9,8 %, so konnte im Dezember 1967 ein Plus von 16,4% verzeichnet werden. Die Nachfragebelebung hatte deutliche Rückwirkungen auf Produktionstätigkeit und Wareneinfuhr. Die Produktion setzte ihren Anstieg auch im Dezember fort. Gegenüber Dezember 1966 war sie um 91% höher (66/65: —1,8 %). Die konjunkturanregenden Maßnahmen des Jahres 1967, die erst 1968 voll effektiv werden, und der Umschwung bei der Vorratsentwicklung müssen allerdings ergänzt werden durch eine Ausweitung des privaten Verbrauchs u n d der privaten Investitionen. Noch sind nämlich Rückwirkungen der Pro- 8078 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 duktionsausweitung auf die Beschäftigung kaum feststellbar. Die Erreichung einer optimalen Kapazitätsauslastung muß daher im Mittelpunkt unseres Interesses stehen. Leider hat das Kabinett entschieden, keine zusätzlichen konjunkturanregenden Maßnahmen zu ergreifen. Andernfalls hätte uns das Bundeswirtschaftsministerium sicher eine andere Projektion vorlegen können. Vermutlich hätten dann auch einige Maßnahmen dazu gehört, die der Sachverständigenrat in Ziff. 321 des Jahresgutachtens 1967/68 genannt hat. Ich könnte mir vorstellen, daß man dann eine Zunahme des Bruttosozialprodukts — gleichbleibende Preisrate unterstellt — von 5 % real und 7 % nominal hätte schätzen können. Selbstverständlich kann man, wenn die Entwicklung einmal hinter dem aus den realen Bestimmungsfaktoren theoretisch abgeleiteten Wachstumspotential in einer bestimmten Periode zurückbleibt, nicht einfach ziffernmäßig einen Wachstumsverlust berechnen und den Gap gleichfalls durch Gewaltmaßnahmen auszugleichen versuchen. Aber ein entstandenes Wachstumsloch zeigt stets die Richtung an, in die wirtschafts- und währungspolitische Maßnahmen zielen müssen. In diesem Sinne würden wir ein etwas anderes Bild der Verteilungs- und Verwendungsseite begrüßen. Natürlich würde eine solche Projektion in ihrer Realisierung davon abhängen, inwieweit eine Kreditfinanzierung ermöglicht werden kann. Hier können keine Vorurteile, sondern nur rationale Argumente weiterhelfen. Die Verschuldung des Bundes allein ist in den letzten 16 Jahren um 11,8 Milliarden DM gewachsen. Gemessen am Volumen des Bundeshaushalts war dies wenig. Bezieht man die Zunahme der öffentlichen Schuld auf die Gesamtausgaben der öffentlichen Hand, dann zeigt sich, daß im großen und ganzen immer noch mehr als 90% dieser Ausgaben aus öffentlichen Einnahmen bestritten worden sind. Trotzdem scheint es heute nach wie vor eine Ideologie eigener Art zu geben, wenn über die Zunahme öffentlicher Verschuldung gesprochen wird. Niemand wundert sich oder hat Bedenken, wenn die Verschuldung der Wirtschaft gegenüber dem Bankenapparat steigt. Man geht im Gegenteil davon aus, daß eine andere Entwicklung deflatorisch wirken würde. Ob und inwieweit eine Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben vertretbar oder sogar notwendig ist, läßt sich sinnvoll nur im Rahmen gesamtwirtschaftlicher Betrachtungen und im Hinblick auf die allgemeinen wirtschafts- und finanzpolitischen Zielsetzungen entscheiden; denn die staatliche Finanzwirtschaft kann und darf in der modernen Volkswirtschaft nicht allein nach fiskalischen Gesichtspunkten oder sogar nach dem Prinzip des sparsamen Hausvaters geführt werden. Die öffentliche Finanzwirtschaft ist heute ein wichtiges Instrument zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Das gilt einmal für die — von der öffentlichen Meinung inzwischen weitgehend akzeptierte — kurzfristige konjunkturelle Steuerung im Sinne der antizyklischen Finanzpolitik, wofür die gegenwärtigen konjunkturfördernden Haushaltsprogramme des Bundes ein deutliches Beispiel sind. Zum anderen gilt es aber auch für die Beeinflussung der mittel- und längerfristigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die staatlichen Ausgaben und ihre Finanzierung sind heute ein wichtiges Instrument der mittelfristigen Wirtschaftspolitik. Aus diesem Grunde muß die für die Zeit bis 1971 geplante Ausgabenentwicklung und Neuverschuldung des Staates im Zusammenhang mit der angestrebten und in der gesamtwirtschaftlichen Projektion quantifizierten mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung betrachtet werden. Nur gegenwärtiges Wachstum sichert aber die mittelfristige Projektion und die davon abhängige Finanzplanung, die nach dem Stabilitätsgesetz durch eine rollierende Schätzung Jahr für Jahr den tatsächlichen Gegebenheiten angepaßt werden kann. In der Bundesrepublik herrscht jedoch nach wie vor weitgehendes Fiskaldenken, bei dem man einem deficit spending generell inflatorische Einflüsse nachsagt. Hier muß ich wieder auf die Durchschaubarkeit der wirtschaftlichen Vorgänge zu sprechen kommen. Man hat zu lange vom „Maßhalten" gesprochen und davon, daß derjenige, der nicht maßhalte, automatisch Preissteigerungen befürworte. So einfach geht das nicht. Wichtigstes Kriterium für die Stabilität des Preisniveaus ist die Höhe der Gesamtnachfrage im Verhältnis zur Kapazitätsauslastung und nicht die Frage, wie man Haushaltsdefizite finanziert. Die dem Jahreswirtschaftsbericht beigefügte Aufstellung über die Einnahmen und Ausgaben des Staates (S. 16) verdeutlicht überdies, daß keine Korrelation zwischen Inflationsrate und Haushaltsdefizit nachweisbar ist. So hat im Jahre 1966 der Ausgabenüberschuß 0,8 Milliarden DM betragen; die Preisrate des Bruttosozialprodukts und des privaten Verbrauchs lag gleichzeitig bei 3,6 %, während wir im Jahre 1967 bei einem Finanzierungsdefizit von 9,5 Milliarden eine Preisrate des Bruttosozialprodukts von weniger als 1 % und beim privaten Verbrauch von knapp 2 % finden. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Sachverständigen verweisen (Gutachten S. 95 Ziff. 187) : „Eine Kreditaufnahme des Staates hat inflatorische Wirkungen in der Zeit, in der sie zu zusätzlichen Ausgaben führt — oder niemals." In der gegenwärtigen Lage ist diese Befürchtung also gegenstandslos. Es bleibt mir daher nur übrig, dem Bundeswirtschaftsminister zu wünschen, daß es ihm gelingen möge, etwas mehr Keynesianismus in in das Bewußtsein der anfangs zitierten konservativen Kräfte zu rücken. Anlage 5 Schriftliche Erklärung des Abgeordenten Dr. h. c. Menne (FDP) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8079 Da zu den allgemeinen Konjunkturfragen bereits meine Vorredner ausführlich Stellung genommen haben, will ich mich in meinen Ausführungen auf die Energie- und Strukturpolitik beschränken. Im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung nehmen beide Themen einen breiten Raum ein. Ich habe schon wiederholt darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik kein Land der hohen Energiekosten bleiben darf. Allein .der Nahostkonflikt hat durch die Verteuerung des Öls die deutsche Wirtschaft mit Mehrkosten von 1,1 Milliarden DM belastet. Der Energiepreis darf deshalb auf keinen Fall weiter erhöht werden, sondern die Bundesregierung muß sich bemühen, ihn so schnell wie möglich zu senken. In dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung ist mir in diesem Zusammenhang folgender Satz aufgefallen: „Der Wettbewerbsschutz für den Steinkohlenbergbau wird fortgeführt." Ich hoffe, daß dieser Satz nicht bedeutet, daß an einen noch weitergehenden Wettbewerbsschutz von selten .der Bundesregierung gedacht wird. Bereits jetzt ist das Energiekostenniveau in der Bundesrepublik viel zu hoch. Es würde außerdem den Grundsätzen der Bundesregierung zur sektoralen Strukturpolitik widersprechen, wenn die im Wettbewerb zur Kohle stehenden Energieträger langfristig behindert würden. Wir dürfen bei allen Maßnahmen für die Kohle nicht vergessen, daß der Energieträger der Zukunft die Kernenergie ist und daß es deshalb auch eine wesentliche Aufgabe des Staates ist, dein Einsatz der Kernenergie nachdrücklich zu fördern. Die Kernenergie ist zum Teil schon heute und in Zukunft mit Abstand der billigste Energieträger. Kein Industriestaat kann deshalb auf diesen neuen Energieträger verzichten, wenn er mit seinen Industriegütern international wettbewerbsfähig bleiben will. Obwohl in der Bundesrepublik ,die Bedeutung der Kernenergie voll erkannt worden ist und in dien vergangenen Jahren seitens der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft beträchtliche Mittel in diese Entwicklung investiert worden sind, machen sich heute schon Anzeichen bemerkbar, daß insbesondere durch die Verstromungsgesetze der Bau von Kernkraftwerken verzögert wird. Ich halte es für außerordentlich wichtig, daß die Maßnahmen zum Schutze der Kohle nicht dazu führen dürfen, die Kernenergie in ihrer weiteren Entwicklung zu beeinträchtigen. Wenn man den Energiepreis senken will, so muß das Kohleanpassungsgesetz so schnell wie möglich verabschiedet werden. Das Ergebnis im Jahre 1967 für den Absatz im deutschen Steinkohlenbergbau von 114,7 Millionen Tonnen bei einer Förderung von 112 Millionen Tonnen darf nicht zu der Annahme verführen, die Krise sei überwunden und man könne sich mit der Verabschiedung des Kohlenanpassungsgesetzes Zeit lassen. Die Probleme, die in diesem Gesetz beraten werden, sind alles andere als einfach. Die Beratungen haben sich schon sehr in die Länge gezogen. Jetzt hat die Gewerkschaft, nachdem sie den Regierungsentwurf zunächst unterstützt hatte, plötzlich ihre Mitarbeit eingestellt und eine privatrechtliche Lösung des Problems anscheinend abgelehnt. Der Grund soll zum Teil in der selbstverständlichen Tatsache liegen, daß bei Fusionen eine Reihe von Vorständen und Aufsichtsräten überflüssig werden, was in .diesem Falle das Ausscheiden vieler Arbeitsdirektoren und Mitbestimmungs-Aufsichtsräte bedeutet. Für ein solches Taktieren habe ich keinerlei Verständnis, denn die Probleme der Umstrukturierung von Ruhr und Saar sind nach Auffassung der FDP viel zu ernst, als daß auf das Aufsichtsräte-Sterben Rücksicht genommen werden könnte. Ich glaube, daß die Gewerkschaften noch einiges über .die Prinzipien der freien Marktwirtschaft lernen müssen. Wenn ein Unternehmen zu klein ist oder aus sonstigen Gründen den Wettbewerb nicht mehr durchstehen kann, hat es die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Eis kann nichts tun und muß abwarten, bis es bankrott ist, oder es überlegt sich, ob es durch den Zusammenschluß mit einem oder mehreren anderen Unternehmen seine Wirtschaftlichkeit wiederherstellen kann. Derartige Fusionen erhalten nicht nur der Belegschaft die Arbeitsplätze, sondern sie verringern zwangsläufig die Zahl der Vorstands- und Aufsichtsratmitglieder. Ich habe noch nie gehört, daß eine wirtschaftlich notwendige Fusion unterblieben ist, weil ein Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglied seine Stellung verlor. Die Gewerkschaften scheinen diesen absolut normalen Vorgang anscheinend anders als jeder private Unternehmer einzuschätzen. Für sie ist der Wegfall von Aufsichtsratsitzen für Arbeitnehmervertreter eine „Aushöhlung der Mitbestimmung". Es ist anscheinend für die Gewerkschaften keine Selbstverständlichkeit, daß in einer Einheitsgesellschaft nicht sämtliche Arbeitsdirektoren der Altgesellschaften in den neuen Vorstand gelangen können. Für die Neuansiedlung von Industriebetrieben an Ruhr und Saar ist der § 26 des Kohleanpassungsgesetzes entscheidend wichtig! Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Investitionsprämie dieses Paragraphen als wesentlicher Teil des Strukturplanes Ruhr/Saar schon bald ihre investitionsfördernde Wirkung entfaltet. Die genannte Investitionsprämie ist ein Kernpunkt der Struktur- und Steuerpolitik, und damit der allgemeinen Konjunkturförderung. Die FDP ist ebenfalls der Auffassung, daß diese Investitionsprämie der Bundesregierung die von ihr erhofften Wirkungen erfüllen kann. Wenn dies aber der Fall sein soll, so muß die Investitionsprämie so rasch wie möglich in Kraft gesetzt werden. Nach den Erfahrungen, welche wir bei der Beratung des Kohleanpassungsgesetzes gesammelt haben, teile ich jedoch nicht den Optimismus .der Bundesregierung, daß diese Investitionsprämie schon bald ihre Wirkung entfalten kann. Die Schwierigkeiten bei der Neuordnung der Kohlenbergbaugesellschaften dürfen nach Auffassung der FDP auf keinen Fall die Umstrukturierung an Ruhr und Saar weiter behindern. Deshalb schlagen wir vor, den § 26 aus dem Kohleanpassungsgesetz herauszulösen und als gesondertes Steuergesetz sofort in Kraft zu setzen. Nur wenn der § 26 Kohleanpassungsgesetz jetzt vorgezogen wird und sofort in Kraft gesetzt wird, kann .er die Ansiedlung von 8080 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 neuen Industrien an Ruhr und Saar mit der nötigen Geschwindigkeit fördern. Außerdem schlägt die FDP vor a) die Verlängerung des am 31. 12. 1969 endenden Begünstigungszeitraums — oder zumindest die Gewährung der Investitionsprämie auch für solche Investitionen, die bis zum 31. 12. 1969 bestellt und angezahlt sind, sofern sie bis Ende 1970 geliefert werden —, b) die Verlängerung des Zeitraums für die Abzugsfähigkeit der Investitionsprämie von zwei auf fünf Jahre, c) die Investitionsprämie auch bei Organschaftsverhältnissen zu gewähren. Die FDP erwartet, daß die Bundesregierung diesem Vorschlag folgt, da nach unserer Auffassung nur auf diese Weise die schnelle Umstrukturierung von Ruhr und Saar gewährleistet ist. Es kommt nicht nur darauf an, daß eine Maßnahme geplant wird, sondern daß sie rechtzeitig in Kraft gesetzt wird. Die Wirtschaft kann bei den Großinvestitionen, die an Ruhr und Saar erforderlich sind, nicht ein noch nicht verabschiedetes Gesetz zur Grundlage für ihre Investitionsbeschlüsse machen. § 26 des Kohleanpassungsgesetzes sollte deshalb sofort verabschiedet werden. Der Bundeswirtschaftsminister hat heute in dieser Debatte gesagt: „Jeder verlorene Tag verzögert die Sanierung". Ich stimme ihm zu! Das gilt auch für den § 26. Die Bundesregierung hat in ihren Grundsätzen zur sektoralen Strukturpolitik als einen der wichtigsten Grundsätze festgelegt, daß staatliche Anpassungshilfen in keinem Fall der Erhaltung dienen dürfen. Auch die FDP ist der Ansicht, daß es keine Erhaltungssubventionen geben darf. Die Bundesregierung hat ferner festgestellt, daß alle Hilfen zeitlich befristet und degressiv gestaltet sein müssen. Auch insofern stimmt die FDP mit den Ansichten der Bundesregierung überein. Leider vermissen wir jedoch eine Aussage darüber, wie lange der Zeitraum für Anpassungshilfen ausgedehnt werden kann. Hierauf kommt es aber an. Ich kann eine Subvention äußerlich als eine Anpassungshilfe deklarieren. Wenn sie jedoch 20 Jahre lang gewährt werden soll, so besteht kein Zweifel daran, daß es sich in Wirklichkeit um eine Erhaltungssubvention handelt. Hier bitte ich die Bundesregierung um eine klare Stellungnahme. Nach meiner Auffassung darf eine Anpassungssubvention allenfalls 5 Jahre lang gewährt werden. In Extremfällen vielleicht 10 Jahre; was darüber geht, ist in jedem Fall eine unzulängliche Erhaltungssubvention. Nur wenn die Bundesregierung sich hier an echte Grenzen hält, kann dem Subventionsunwesen ein Ende bereitet werden; nur so kann die soziale Marktwirtschaft erhalten bleiben. Zu den Grundsätzen der Strukturpolitik der Bundesregierung gehört auch eine Verbesserung der Mobilität der Arbeitnehmer. Die FDP begrüßt diesen Grundsatz. Ich habe jedoch den Eindruck, daß das Bekenntnis der Bundesregierung zur stärkeren Mobilität der Arbeitskräfte ein bloßes Lippenbekenntnis sein wird, wenn sie nicht ihren ganzen Einfluß geltend gemacht, den Abschluß von Arbeitssicherungsabkommen zu unterbinden. Der Bundeswirtschaftsminister könnte gewiß im Rahmen der Konzertierten Aktion in diesem Sinne auf die Sozialpartner einwirken, denn wenn in Tarifverträgen von den Gewerkschaften eine immer stärkere Sicherung des Arbeitsplatzes gefordert wird, so wird hierdurch die Mobilität der Arbeitskräfte nicht gefördert, sondern weiter eingeschränkt. Wenn wir auf diesem Wege weitermachen, dann kommen wir eines Tages zu Zuständen, die denen in England ähneln, daß nämlich Heizer auch auf Elektrolokomotiven mitfahren, nur damit ihr Arbeitsplatz geschützt bleibt. Der Schutz, den der deutsche Arbeitnehmer über das Kündigungsschutzgesetz genießt, ist nach meiner Meinung ausreichend. Die Bundesregierung sieht in einer Steigerung der Tariflöhne von mehr als 4-5% eine Gefahr für das wirtschaftliche Wachstum und die notwendigen Investitionen. Hierbei geht die Bundesregierung bereits von einem Wachstum des Bruttosozialprodukts von real 4 % aus. Wenn das Wachstum geringer ist, wird also schon eine Steigerung der Löhne in Höhe von 4 % das Wachstum gefährden. Die Sachverständigen haben sich sehr deutlich für eine Zurückhaltung in der Lohnpolitik ausgesprochen. In der Lohnpolitik wird sich deshalb die Konzertierte Aktion bewähren müssen. Die FDP fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der Konzertierten Aktion ihren ganzen Einfluß in diesem Sinne auf die Sozialpartner auszuüben. Zu hohe Lohnforderungen gefährden nicht nur das konjunkturelle Wachstum, sondern auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Zurückhaltung in der Lohnpolitik bringt dagegen volle Beschäftigung. Anlage 6 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Burgbacher (CDU/CSU) zu Punkt 9 der Tagesordnung. 1. Die Wirtschaft der Bundesrepublik befand und befindet sich nicht in einer Krise. Wir erleben lediglich die Phase des Konjunkturabschwunges. Als Beweis mag die Feststellung dienen, daß das Bruttosozialprodukt im Jahre 1967 fast genauso hoch war wie 1966, nämlich etwa 480 Milliarden DM. Dieses Bruttosozialprodukt wurde mit einer geringeren Zahl von Beschäftigten erreicht; das bedeutet also Rationalisierung und Leistungssteigerung. Der Konjunkturabschwung hätte allerdings zu einer Krise führen können, wenn keine konjunkturfördernden Maßnahmen getroffen worden wären. Der Übergang von der Überbeschäftigung zur Vollbeschäftigung hätte sich unter erheblich größeren Schwierigkeiten vollzogen. 2. Unsere Zahlungsbilanz ist fast ausgeglichen. Dem Aktiv-Saldo der Handelsbilanz von fast 17 Milliarden DM stehen langfristige und kurzfristige Kapitalanlagen im Ausland von 8 Milliarden Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8081 DM, Übertragungen (Überweisungen der Gastarbeiter, Zahlungen an internationale Fonds) in Höhe von 6 Milliarden DM und ein Negativ-Saldo der Kapital- und Dienstleistungsbilanz von 2 Milliarden DM gegenüber. Der beste Abbau der Exportüberschüsse wäre eine Anregung der Investitionen im Inland. Damit erfolgte langfristig eine Verbesserung der Situation unserer Wirtschaft. Eine Ausweitung des Konsumbereichs durch Hereinholen der Beträge aus dem Ausland würde allerdings preisgefährdend wirken. 3. Das Wachstum in den einzelnen Wirtschaftsbranchen lag im Jahre 1967 bei minus 10 und plus 10 %. In den einzelnen Bundesländern ergab sich ein Spielraum zwischen minus 4 und plus 4 %. Die Festlegung des Wachstums durch eine Durchschnittszahl erscheint auf Grund dieser starken Schwankungen problematisch. Diese unterschiedliche Entwicklung zeigt aber auch die Verantwortung der Länder und Gemeinden für eine gezielte Konjunktur-und Strukturpolitik. 4. Außer der Problematik von Durchschnittszahlen ergibt sich eine Unsicherheit bei Prognosestellungen. Die Voraussagen für das wirtschaftliche Wachstum im Jahre 1967 sind nicht eingetreten. Das sollte uns dazu veranlassen, keine exakten Prozentzahlen anzugeben, sondern eine gewisse Bandbreite zu lassen — für 1968 z. B. zwischen 3 bis 7 % reales und 4 bis 9% nominales Wachstum. Ein solcher Spielraum ist insbesondere deshalb notwendig, weil außenwirtschaftliche Einflüsse nicht im voraus auch nur einigermaßen genau erfaßt werden können. 5. Die öffentlichen Investitionen betrugen 1965, 1966 und 1967 etwa je 30 Milliarden DM. 1968 sind etwa 34 Milliarden DM vorgesehen. In jedem Jahr betragen die Gesamtinvestitionen der deutschen Volkswirtschaft rund 120 Milliarden DM = 25 % eines Bruttosozialproduktes. Für die Haushalte des Bundes sind für 1968 bis 1971 65 Milliarden DM Investitionen vorgesehen. Von der Wirtschaft wird auch eine stärkere Investitionsbereitschaft erwartet. Vor allem in den Wachstumsindustrien, die in Zukunft entscheidend für das volkswirtschaftliche Wachstum überhaupt sein werden, wird eine weitere Investitionsneigung erwartet. Nur die Gleichgewichtigkeit zwischen öffentlichen und privaten Investitionen ist die Voraussetzung für eine normale Wachstumsentwicklung. Daher ist auch die Selbstfinanzierung bei der Wirtschaft über die Preise und der öffentlichen Hand über die Steuern notwendig; wenn möglich, sollten beide Größen in etwa relativ gleich sein. Im Falle der Kapitalknappheit könnte die öffentliche Hand ihre Investitionen mehr durch Kredite finanzieren als die private Wirtschaft. Die ideale Finanzierung für Investitionen würde erreicht, wenn die Summe der Selbstfinanzierung bei der Wirtschaft und beim Staat zuzüglich der Sparprozesse aller Art genau dem Investitionsbedarf der Volkswirtschaft entspräche. 6. Die Grenze der Staatsverschuldung ist nicht genau zu ziehen. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis des Sparprozesses, Investitionen und der Steigerung des Bruttosozialproduktes. Die Staatsverschuldung ist nur dann gesund, wenn der Zins- und Amortisationsdienst im wesentlichen aus der Steigerung des Bruttosozialproduktes geleistet werden kann. Daher ist verständlich, daß bei steigendem Bruttosozialprodukt der Amortisationsdienst relativ leichter wird. Gleichzeitig ist aber darauf zu achten, daß beim Konjunkturanstieg zusätzliche Einnahmen zur Schuldentilgung verwandt werden. Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand ist nicht beunruhigend. Sie beträgt bei Bund, Ländern und Gemeinden ca. 100 Milliarden DM; das bedeutet weniger als 20 % des Bruttosozialproduktes des letzten Jahres. Es wird eine Staatsschuldenverwaltung angeregt, die alle öffentlichen Wertpapiere betreut und damit gleichzeitig auch Kurspflege betreiben kann; darüber hinaus wird damit die Einsicht und Durchsicht durch scharfe Trennung der öffentlichen Haushalte in Konsumhaushalt und Investitionshaushalt erleichtert. 7. Der Eigentumspolitik kommt in diesem Zusammenhang größte Bedeutung zu. Auch nach Meinung der Sachverständigen ist jede eigentumsfördernde Maßnahme stabilitätsneutral. Meiner Meinung nach dürfen aber die vorhandenen eigentumsfördernden Maßnahmen nicht nur nicht eingeschränkt, sondern sie müssen noch weiter entwickelt werden. Zum Beispiel wird das Beteiligungssparen ausgebaut werden müssen, damit alle Unternehmen, die bisher nicht an den Kapitalmarkt herantreten können, in Zukunft auch über Möglichkeiten der Verstärkung des Eigenkapitals verfügen können. Ein eventueller Sparbrief des Bundes darf mit keiner anderen staatsfördernden Maßnahme ausgestattet sein als Sparbriefe oder eigentumsbildende Maßnahmen für jedweden Zweck. Es wird nochmals angeregt, daß auch der Investivlohn bei den Maßnahmen zur Stärkung des Kapitalmarktes in Betracht zu ziehen ist. 8. Schwierigkeiten für unsere Konjunkturpolitik ergeben sich aus dem zu stark betonten Föderalismus. Der staatspolitisch zweckmäßige Föderalismus ist wirtschaftspolitisch und sozialpolitisch nur zu vertreten und aufrechtzuerhalten, wenn er mit einem gesunden Solidarismus gepaart ist. Die Einigung zwischen Bund und Ländern über die Gemeinschaftsaufgaben ist ein erfreulicher Ansatz für weitere Zusammenarbeit. Eine weitere Gefahr für die Konjunkturpolitik ist die zu getrennte Betrachtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Beides sollte in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Die Fortentwicklung der Wirtschaft ist vorrangig als unverzichtbare Voraussetzung für gesunde Finanzen. 9. Auf europäischer Ebene sind die Ansätze einer Harmonisierung der Konjunktur- und Strukturpolitik weiter zu entwickeln. Eine ständige Abstimmung auf der Ebene der Wirtschafts- und Finanzminister, aber auch gleichzeitig Konsultationen zwischen den Leitern der nationalen Notenbanken sind erforderlich, um zu einer gemeinsamen Konjunktur- und Währungspolitik zu kommen. Die Frage der festen Wechselkurse hängt auf die Dauer gesehen von einer einheitlichen europäischen Währung ab. Die Abstimmungen der nationalen Wirtschafts- und 8082 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 Finanzpolitik im EWG-Rahmen können nur als vorübergehende Hilfsmittel angesehen werden. 10. Für die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik der Zukunft wird es von entscheidender Bedeutung sein, wie das Verhältnis der im Arbeitsprozeß stehenden Bevölkerung zu den Marktinaktiven steht. Die Konsequenzen aus der Verlängerung der Lebenserwartung sind dabei zu berücksichtigen. Die Höhe der Sozialleistungen ist nicht gefährdet, wenn das Bruttosozialprodukt prozentual so stark anwächst, wie das Verhältnis von aktiver zu passiver Bevölkerung sich verschlechtert. Wenn das nicht erreicht wird, bleibt nur eine Kürzung der Leistungen oder eine Erhöhung der Beiträge übrig, es sei denn, man würde sich zu einer Änderung des Pensionierungsalters entschließen. Der Anteil der nichttätigen Bevölkerung wächst laut Sozialenquete in den Jahren von 1966 bis 1971 um 15 %, im Durchschnitt der Jahre also um 3 %, und von 1971 bis 1976 um 10%, also im Durchschnitt der Jahre um 2 %. Anlage 7 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Lenders (SPD) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Ohne Zweifel begrüßen wir die Tatsache, daß dem Parlament zum erstenmal der Wirtschaftsbericht einer Bundesregierung vorliegt, dessen Herzstück eine volkswirtschaftliche Zielprojektion ist. Damit sind die Voraussetzungen für eine planvolle und vorausschauende Wirtschaftspolitik geschaffen. Die Bundesregierung hatte im Jahr 1967 die schwierige Aufgabe, den schwerwiegenden Rückgang der Wirtschaftstätigkeit aufzufangen und durch geeignete konjunkturpolitische Maßnahmen Produktion und Beschäftigung wieder nach oben zu führen. Dieser Prozeß ist nicht abgeschlossen, und die von der Bundesregierung vorgelegte Zielprojektion ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Das wirtschaftspolitische Ziel ist ein reales Wachstum des Bruttosozialproduktes von 4 %. Dieses Wachstumsziel stützt sich vor allem auf eine projektierte Zunahme der öffentlichen Investitionen von 11 %, der privaten Investitionen von 7,5% und einer Aufstockung der Lagervorräte. Die Zunahme des privaten Verbrauchs ist mit 3,9 % veranschlagt. Hier möchte ich anknüpfen. Unangetastet soll die Notwendigkeit bleiben, kurz- und langfristig die öffentlichen Investitionen zu steigern. Hier bleibt aber die Frage, die Herr Ravens schon stellte: werden die 11 % erreicht, da die Gemeinden die Hauptlast der Zuwachsrate aufbringen müßten? Es ist auch richtig, daß die private Investitionstätigkeit wieder aufholen muß, nachdem sie an der Spitze des Rückschlages in den beiden vergangenen Jahren stand. Mit finanziellen Erleichterungen, mit Investitionsanreizen allein ist es jedoch nicht getan. Wie ein roter Faden durchzieht alle Wirtschaftsberichte und Konjunkturanalysen die Feststellung, daß ungenutzte Kapazitäten reichlich vorhanden sind. Wir brauchen also vor allem Nachfrage, die in die brachliegenden Kapazitäten hineinwächst und neue Investitionen lohnend macht. Diese Nachfrage kann aus der überproportionalen Zunahme der Ausgaben im Bereich der öffentlichen Wirtschaft kommen (+ 11 % öffentliche Investitionen), aber selbst die OECD - und nicht nur diese — hat darauf hingewiesen, daß als Aufschwungstütze der private Verbrauch hinzukommen muß. Der aber ist in der Zielprojektion der Bundesregierung unterentwickelt. Unter Berücksichtigung der erwarteten Preisentwicklung bleibt kaum eine reale Steigerung der Massenkaufkraft. Bei den Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit liegt diese Steigerung pro Kopf unter 1 %. Das ergibt sich aus den Orientierungsdaten für die Lohn-und Gehaltsentwicklung und der eingeplanten Steigerung des Preisniveaus. Dabei ist bemerkenswert, daß die durch die Mehrwertsteuer (Übergang Dezember 67/Januar 68 und Erhöhung Mitte des Jahres 1968) und die durch die Anhebung administrativ geregelter Preise (Mieten, Agrarpreise, Verkehrstarife) eintretenden Preiserhöhungen in erheblichem Maße zu Lasten der kaufkräftigen Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern ausschlagen. Auch eine solche Entwicklung kann den projektierten Aufschwung gefährden, zumal die außenwirtschaftliche Entwicklung offensichtlich nicht kompensierend verlaufen wird. Die Bundesregierung hat angekündigt, daß sie die Wirtschaftsentwicklung sehr sorgfältig beobachten und notfalls weitere konjunkturpolitische Maßnahmen ergreifen werde. Sie sollte der privaten Verbrauchsnachfrage ihr besonderes Augenmerk schenken und auch für diesen Bereich stützende Maßnahmen in Vorbereitung nehmen, insbesondere auch dann, wenn sich der bei den öffentlichen Investitionen mit 11 % angesetzte Zuwachs als nicht realisierbar erweisen sollte. Einer Stagnation des privaten Verbrauchs, insbesondere bei langlebigen Verbrauchsgütern, könnten natürlich auch Industrie und Handel durch eine verbrauchsanregende Preisgestaltung begegnen. Der Anstieg der Lebenshaltungskosten von Dezember 1967 auf Januar 1968 zeigt zwar, daß der Übergang zur Mehrwertsteuer nicht die vielfach befürchtete Höhe der Preissteigerungen gebracht hat. Das ist dem Verhalten der Verbraucher und der konjunkturellen Situation zu verdanken. Trotzdem — und darauf weist der Index des Statistischen Bundesamtes hin — hat es Preiserhöhungen gegeben, die über die effektive Mehrbelastung durch die Mehrwertsteuer hinausgingen. Im Einzelfall wurde die Verschiebung des Preisgefüges durch die Mehrwertsteuer in sehr schamloser Weise zu Lasten der Verbraucher ausgenutzt. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8083 Dies gilt insbesondere für den Dienstleistungsbereich. Selbst öffentliche Unternehmen waren nicht immer vorbildlich in ihrem Verhalten. Vor allem ist zu kritisieren, daß in irreführender Weise durch ganz andere Kostenfaktoren bedingte Preiserhöhungen in nicht wenigen Fällen einfach auf die Mehrwertsteuer abgeschoben wurden, was nicht gerade zur Beruhigung der Öffentlichkeit und zur Klarheit für den Verbraucher beigetragen hat. Auf der anderen Seite sind Preissenkungen da unterblieben, wo sie durch die Umstellung auf die Mehrwertsteuer möglich wurden. Bei all dem muß noch einmal betont werden, daß der Bundestag bei der Festlegung des Mehrwertsteuersatzes für die Umstellung davon ausgegangen ist, daß sich zwar Preisverschiebungen ergeben müssen, daß aber das Preisniveau als ganzes und das Gesamtaufkommen aus dieser Umsatzsteuer gleichbleibt. Ich will nicht von Verantwortung reden, aber private und öffentliche Wirtschaft, Produktion, Handel und Dienstleistungsgewerbe sollten sich darüber klar sein, daß- die Entwicklung der privaten Verbrauchsnachfrage in dieser konjunkturellen Situation auch eine Frage der Preisgestaltung ist und daß sie sich ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie diesen Umstand nicht berücksichtigen. Der Verbraucher sollte wissen, und er hat es zum Teil bewiesen, daß die Preisentwicklung in diesen Monaten auch von seiner Wachsamkeit abhängt und daß er gerade zur Zeit eine nicht zu unterschätzende Stellung am Markte hat. Die Bundesregierung aber muß dem Verbraucher helfen, seine Marktstellung weiter zu stärken. Wir warten dringend auf die angekündigten wettbewerbspolitischen Maßnahmen, insbesondere auf die Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand, die im Wirtschaftsministerium vorbereitet wird. All das, was zur Transparenz des Marktes für den Verbraucher beitragen kann, muß von der Bundesregierung und von diesem Hause ohne große Verzögerung getan werden. Ich denke an das Eichgesetz, an das Textilkennzeichnungsgesetz, ich denke vor allem auch an die Unterstützung des Warentestinstitutes in Berlin, das unserer vollen Unterstützung bei seiner wichtigen verbraucherpolitischen Aufgabe bedarf. Nun noch einmal zu den privaten Investitionen. Ich spreche nicht gegen die Wachstumsrate von 7,5 %, ich frage nur nach dem verteilungspolitischen Effekt. Wir können uns nicht damit zufrieden geben, daß der Vermögenszuwachs, der die Kehrseite der Investitionen ist, weit überwiegend dem Investor zufließt, obwohl, um ,es einfach aber deutlich zu sagen, die Arbeitnehmer durch erzwungene oder freiwillige Zurückhaltung bei ihren Einkommen diese Investitionen mitfinanziert haben. Mein Kollege Ravens hat darauf hingewiesen, daß mit der vorgelegten Zielprojektion und den darin enthaltenen Orientierungsdaten die Last der Stabilität im Aufschwung in hohem Maße der Lohn-und Tarifpolitik aufgebürdet wurde. Ich möchte ergänzend dazu feststellen: Wenn der vor uns liegende Aufschwung so, wie dies bei früheren Konjunkturzyklen ohne die Verpflichtung des Stabilitätsgesetzes üblich war, zu einer sehr einseitigen Einkommensverteilung führen sollte, so wird die Konzertierte Aktion und damit die an sich wünschenswerte lohnpolitische Absicherung eines stetigen, gleichgewichtigen Wirtschaftswachstums beeinträchtigt, wenn nicht gar gefährdet. Die Bundesregierung sieht zwar die Notwendigkeit, durch vermögenspolitische und andere Maßnahmen dem Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit gerade für die einkommensschwachen Schichten mehr als bisher Geltung zu verschaffen. Die entsprechenden Maßnahmen zeichnen sich aber nur sehr zögernd ab. Anlage 8 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Mertes (FDP) zu Punkt 9 der Tagesordnung. In allen Debatten in diesem Hohen Hause und in Erklärungen über die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Großen Koalition — vor allem im Zusammenhang mit den Investitionsprogrammen — wurden der deutschen Öffentlichkeit in den letzten 14 Monaten großartige Voraussagen über das Wachstum der Wirtschaft gemacht. Als das Statistische Bundesamt jedoch zu Beginn dieses Jahres die Wirtschaftsdaten der „Konzertierten Aktion" gesichtet hatte, mußte es feststellen: Von Wachslum war wenig zu spüren. Was war geschehen? Genau das, was die parlamentarische Opposition behauptet hatte: Der Bundeswirtschaftsminister ist dem Irrglauben verfallen, die zunehmend diffizileren Konjunkturprobleme könne man mehr oder minder mit dem Instrument öffentlicher Aufträge bewältigen. Eingetreten waren auch die Voraussagen der FDP, die Steuerpolitik der Bundesregierung werde keine Vertrauensbasis zwischen Wirtschaft und Regierung schaffen helfen. Denn die vielen Gegenläufigkeiten der wirtschaftspolitischen Maßnahmen, wie Steuererhöhungen, hohe Zinsen und Konjunkturprogramme haben den Staat und den Steuerzahler zwar viel Geld gekostet, aber nicht viel eingebracht. Den wesentlichsten wirtschaftspolitischen Grundsatz hatte die Regierung nämlich sträflich vernachlässigt: Ein Aufschwung kann nur dann von nachhaltiger Dauer sein, wenn er von der privaten Wirtschaft getragen wird. Aber aus allen diesen Pannen — das hat der Verlauf der Debatte gezeigt — wurden weder von der Regierung noch von den Koalitionsfraktionen Lehren gezogen. Statt die steuerlichen Maßnahmen zu überprüfen und der Wirtschaft mehr Spielraum zu geben, wich man der politischen Entscheidung mit 8084 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 fiskalischen Scheinargumenten aus. Dazu kommt noch eine politisch sehr bedenkliche Maßnahme von Finanzminister Strauß. Noch vor Verabschiedung des Bundeshaushaltes 1968 hat er die im Etat vorgesehenen Investitionsausgaben von ca. 15 Milliarden DM bis auf einen bescheidenen Rest bereits vergeben. Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage! Dadurch hat die Regierung schon jetzt dem Etat jede konjunkturpolitische Beweglichkeit genommen. Vor allem aber hat man die Möglichkeit aus der Hand gegeben, genügend Reserven für steuerliche Anregungen der privaten Investitionstätigkeit zu haben. Nach Ansicht der FDP müßte die Regierung den konjunkturellen Aufschwung gerade in der jetzigen Phase durch Förderung der privaten Investitionstätigkeit untermauern. Vernünftige steuerliche Anreize — wie in dem Antrag meiner Fraktion angeregt — wären dafür das richtige Mittel. Dazu bedarf es keiner neuen, teuren Millionen-Verschuldung, sondern vielmehr weiterer Arbeit an der notwendigen Umstrukturierung der Ausgaben und Einnahmen des Bundeshaushaltes. Als weitere wichtige Konjunkturstützen könnten verbindliche Erklärungen der Regierung dienen, daß sie in Zusammenarbeit mit der Bundesbank dafür sorgen wird, daß die Zinssätze stabil bleiben; daß die öffentliche Hand den Kapitalmarkt nicht überbeanspruchen wird; daß die Bundesregierung keine Steuererhöhungen mehr vorschlägt und daß keine Ausdehnung der Mitbestimmung erfolgt. Solche Entscheidungen würden der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung eine klare Linie geben. Leider — diesen Eindruck können Sie auch mit den schönsten Reden nicht wegdiskutieren — bleibt die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition ein Spiegelbild der tiefgreifenden Uneinigkeit und Unentschlossenheit in der Regierung. Und die Finanzpolitik bleibt weiter arm an Kasse, aber reich an Widersprüchen. Anlage 9 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) zu Punkt 9 der Tagesordnung. 1. Die Sachverständigen lassen in ihren Ausführungen über die Ursache der Wirtschaftsflaute ein wesentliches Motiv völlig unberücksichtigt: die politische Krise vom Herbst 1966. Die Wirtschaftsforschungsinstitute hatten noch in ihrer Gemeinschaftsprognose von Anfang Oktober 1966 für 1967 ein reales Wirtschaftswachstum von +2,6 % angenommen, die Sachverständigen in ihrem im November 1966 veröffentlichten 3. Jahresgutachten von +3,5 %. Erst nachdem diese Prognosen erarbeitet worden waren, fiel die Konjunktur rapide ab. Das waren die turbulenten Wochen vor dem Sturz der letzten Regierung. Andererseits wissen wir seit Sommer 1967, daß in den sensitiven Bereichen der Wirtschaft schon im Februar/März die konjunkturelle Wende eingetreten ist, also schon bevor auch nur das 1. Konjunkturprogramm der Bundesregierung sich hat auswirken können. Diese Frühsymptome einer Konjunkturbelebung sind also offenbar wesentlich auf das von der neuen Regierung erzeugte Vertrauen zurückzuführen. Für diese psychologischen Faktoren gibt es natürlich keinen statistischen Maßstab, weshalb die Ökonometrie ihn einfach ausklammert. So leicht kann es sich die Wirtschaftspolitik jedoch nicht machen. 2. Das Ifo-Institut hat ermittelt, daß 3/4 des 2. Konjunkturprogramms der Bundesregierung erst im, Laufe des Jahres 1968 konjunkturwirksam werden wird. Also ist der Aufschwung, der inzwischen von niemandem mehr angezweifelt wird, schon mit dem geringeren Teil der vom Bund beschlossenen Mittel und mit einem noch geringeren Teil der früher von den Sachverständigen geforderten Impulse erreicht worden. Ich begrüße daher die Ablehnung weiterer Konjunkturanreize durch die Bundesregierung. Daß die Sachverständigen die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft unterschätzen, ergibt sich auch aus folgendem: Bis einschließlich September 1967 erhöhten sich die Investitionsausgaben des Bundes nur um 0,87 Mrd. auf 7,56 Mrd. In derselben Zeit stieg die Ausfuhr von Erzeugnissen allein der Investitionsgüterindustrie um 2,1 Mrd. auf 33,7 Mrd. Die Wirtschaftsflaute hat also die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft erneut bestätigt. 3. Die in dem Sachverständigengutachten vertretene Meinung, die Wirtschaftsflaute des Jahres 1967 sei die im Europa der Nachkriegszeit bisher stärkste Rezession gewesen, entspricht nicht den Tatsachen. Während das Bruttosozialprodukt in der Bundesrepublik Deutschland 1967 real um 0,5% schrumpfte, hatte die Schweiz 1958 einen realen Rückgang von 1,8 %, Belgien von 1 % zu verzeichnen. In den USA betrug im 1. Halbjahr 1958 der Rückgang der Industrieproduktion sogar 12 %. Das amerikanische Beispiel ist am besten geeignet, die Bedeutung unserer Wirtschaftsflaute des Jahres 1967 klarzumachen, weil die europäischen Industriestaaten sich in den 50er und in den ersten 60er Jahren noch im Stadium des Wiederaufbaus befanden, der inzwischen abgeschlossen ist und daher 1967 der Konjunktur keinen Rückhalt mehr geben konnte. Die Behauptung der Sachverständigen wird auch durch die Rückschläge widerlegt, welche die Wirtschaft Großbritanniens im 1. Halbjahr 1958, die Industrie Belgiens 1952 und die italienische Industrie Anfang 1965 erlitten haben. 4. Die von den Sachverständigen behaupteten „Wachstumsverluste" beruhen auf der Annahme eines Arbeitskräftepotentials, das beim besten Willen mit der Wirklichkeit nicht in Einklang zu bringen ist. Die Sachverständigen unterstellen, im ersten Halbjahr 1967 seien 290 000 Personen aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden, ohne sich arbeitslos zu melden. Es ist richtig, daß während der Hochkon- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8085 junktur viele Hausfrauen, Studenten und dergleichen einer Nebenbeschäftigung nachgegangen sind, die sie inzwischen aufgeben haben. In welchem Umfange dies geschehen ist, läßt sich mangels konkreter Anhaltspunkte ebensowenig feststellen wie der volkswirtschaftliche Nutzeffekt dieser Grenzarbeitskräfte. Die angenommene Zahl von 290 000 erscheint daher willkürlich und als weit überschätzt. Ebenso fragwürdig ist es, die zurückgewanderten Gastarbeiter einfach dem heimischen Potential zuzurechnen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es ein Vorteil oder ein Fehler war, Menschen zu importieren statt Kapital in diese südlichen Partnerstaaten zu exportieren. Es soll auch nicht auf die in der Literatur aufgeworfene Frage eingegangen werden, ob die temporäre Beschäftigung von Gastarbeitern einen Gewinn oder eine Belastung für unsere Volkswirtschaft darstellt. Eine Zahl von 1,3 Mio. Gastarbeitern kann jedoch keinesfalls als Normalzustand akzeptiert werden. Während vermeintlich negative Erscheinungen also überbewertet werden, finden Entwicklungen, welche dem früheren Eintreten der Gutachter für Stabilität und ihrem heutigen Eintreten für Steigerung des künftigen Wirtschaftswachstums durchaus entsprechen, zwar Erwähnung, aber kaum positive Würdigung. Der Preisauftrieb, der noch in der Jahresprojektion der Bundesregierung für 1967 mit 2% angenommen worden war, ermäßigte sich auf 1,4 %, während das Produktionsergebnis je Arbeiterstunde um über 8 % anstieg und daher bedeutend höher war als in den vorangegangenen Jahren. Wachstumsverluste sind eben meist Produktivitäts- und Stabilitätsgewinne. Das war 1967 verstärkt der Fall. Anlage 10 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Lange (SPD) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt den energiewirtschaftlichen Teil des Jahreswirtschaftsberichts. Damit löst die Bundesregierung ihre Zusage vom 8. November 1967 ein. Gleichzeitig sieht die sozialdemokratische Fraktion in diesem Teil des Jahreswirtschaftsberichts den Versuch, ihrer Forderung nach einer energiewirtschaftspolitischen Vorstellung gerecht zu werden. Meine Fraktion betrachtet dies als einen Anfang, dem weitere verbindliche Aussagen der Bundesregierung folgen müssen. In eine solche nationale energiewirtschaftspolitische Vorstellung, die die Existenz des Gemeinsamen Marktes nicht außer acht lassen kann, müssen nach unserer Aufassung alle uns zugänglichen Primärenergieträger (das sind im wesentlichen Steinkohle, Braunkohle und im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften Erdgas) eingebettet sein, um die Energieversorgung unserer Volkswirtschaft sicherzustellen. Zum entsprechenden Zeitpunkt muß auch die aus Atomenergie abzuleitende Elektrizitätsversorgung unter volkswirtschaftlichen Rentabilitätsgesichtspunkten hinzutreten. In diese Vorstellungen sind die importierten Primärenergieträger selbstverständlich einzubeziehen. Es soll durch die Energiewirtschaftspolitik sichergestellt werden, daß die Energieversorgung einerseits von durch uns nicht zu kontrollierenden Störungsfaktoren weitgehend fernbleibt, andererseits Wirtschaftlichkeits- und Wettbewerbsgesichtspunkte unter Sicherstellung des technischer. Fortschritts berücksichtigt werden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erwartet, daß in künftigen Jahreswirtschaftsberichten Energiepolitik als jeweilige Absichtserklärung der Bundesregierung eingebaut bleibt. Das bedeutet, daß unter diesen Voraussetzungen künftig Kohlepolitik nicht mehr losgelöst von der Energiewirtschaftspolitik betrieben werden kann. Hieraus folgt für meine Fraktion: Die Bundesregierung muß für eine in diesen Rahmen eingepaßte Kohlepolitik ein Instrument in Gestalt eines Kohleamtes erhalten. Mit Hilfe dieses Kohleamtes wird es der Bundesregierung möglich sein, die Unternehmen in den einzelnen Steinkohlebergbaugebieten zu beeinflussen. Aus der Notwendigkeit einer in die allgemeine Energiewirtschaftspolitik eingebetteten Kohlepolitik folgt weiter, daß für jedes der Bergbaugebiete eine Gesamtoder Einheitsgesellschaft bestehen muß. Nur diese Voraussetzung gewährleistet, daß auch im Ruhrgebiet die Wettbewerbsfähigkeit der Kohle durch einheitliche Förder-, Absatz- und Investitionspolitik sowie Personalpolitik gesteigert werden kann. Die geschilderten Notwendigkeiten sind unbeschadet der kurzfristig stabilisierten Absatzlage an der Ruhr unabweislich. Der Ernst der Situation erlaubt es niemandem, aufgrund dieser kurzfristigen Stabilisierung auf weitere Maßnahmen zu verzichten. Damit würden nur, wie schon in den Jahren seit 1956, künftig die wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten in den Steinkohlegebieten und im Ballungsgebiet Ruhr unerträglich gesteigert. Durch Untätigkeit oder Zögern würden Legislative und Exekutive später zu Recht für Entwicklungen verantwortlich gemacht, mit denen Bundestag und Bundesregierung dann schwerlich fertig werden können. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erwartet, daß die außerhalb von Parlament und Regierung Beteiligten und Betroffenen alles tun, um Hindernisse auf dem Wege einer solchen erfolgversprechenden Politik auszuräumen. Die Fraktion erwartet weiter, daß sich Unternehmens- und Arbeitnehmerseite über die Bedingungen der Errichtung einer Einheitsgesellschaft an der Ruhr unverzüglich verständigen. Das Kohleamt, das sich jederzeit im Rahmen der Energiewirtschaftspolitik der Bundesregierung voll über den Stand und die Entwicklung der Steinkohlenunternehmen unterrichten können muß, soll nach unserer Auffassung befähigt werden, solchen Betroffenen, die seinen volkswirtschaftlich begründeten Vorschlägen nicht nachkommen, die Subventionen zu entziehen, Stillegungsprämien zu verweigern und steuerliche Vorteile, die das Kohleanpassungsgesetz vorsieht, zu versagen. 8086 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 Im Rahmen der energiewirtschaftlichen Vorstellungen ist zu prüfen, ob die Bundesregierung nicht auch für den Ölsektor ein eigenes volkswirtschaftliches Instrument schaffen soll. Es ist hierbei nicht an eine staatlich geführte Gesellschaft zu denken. Ebenso. muß die Bundesregierung auf längere Sicht bestrebt sein, im Rahmen des gemeinsamen Marktes auf eine einheitliche Energiewirtschaftspolitik der Organe der Gemeinschaft hinzuwirken; dabei darf allerdings nicht die EWG-Agrarmarktordnung zum Vorbild genommen werden. Alle gegenwärtig noch notwendigen Subventionen für Primärenergieträger sind nur für begrenzte Zeit gedacht. Damit zu beseitigende Krisen im Bereich eines Energieträgers dürfen selbstverständlich nicht auf einen anderen übertragen werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt sieht die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die unabweisliche Notwendigkeit zur Steuerung aller Primärenergieträger durch eine aktive Energiepolitik. Anlage 11 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Frerichs (CDU/CSU) zu Punkt 9 der Tagesordnung. Im Jahreswirtschaftsbericht hat die Bundesregierung in Ziffer 55 erklärt, daß sie auch 1968 den Wettbewerb weiter fördern wird, um das Preisniveau stabil zu halten und die Leistungskraft der Wirtschaft zu stärken. Dieser These stimmt die CDU/CSU voll zu mit dem ausführlichen Hinweis, daß wir hierunter die bewußte Förderung des Leistungswettbewerbs verstanden wissen wollen, also „eines Wettbewerbs, in dem die Wettbewerber ihre eigene sachliche Leistung anbieten und zum Vergleich stellen", wie es das Bundeskartellamt ausführt. Mit Befriedigung haben wir zur Kenntnis genommen, daß durch eine entsprechende Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. der leistungssteigernden Kooperation ausreichend Spielraum gegeben werden soll. Unsere ganz konkrete Bitte an den Herrn Bundeswirtschaftsminister geht nun dahin, diesen goldenen Worten im Bericht auch durch entsprechendes Verhalten des Bundeskartellamtes in der wirtschaftlichen Wirklichkeit Glanz und Erfolg zu verleihen und gegebenenfalls mit § 49 GWB, also mit allgemeinen Weisungen, zu arbeiten. Ich denke hierbei beispielsweise an die verschiedenen Gemeinschaftsmaßnahmen mittelständischer Unternehmer, wie die Herausgabe von gemeinsamen Katalogen, Anzeigen, Werbeträgern und ähnlichen Wettbewerbsmitteln, deren sie sich durch kooperatives Wirken bedienen müssen, um sich in der Konkurrenz mit größeren und großen Marktpartnern bewähren zu können. Hier spielt z. B. auch die Frage der Überprüfung der sogenannten Mittelstandsempfehlung im § 38 Abs. 2 Satz 3 GWB hinein, die einer Revision zugunsten einzelunternehmerischer Initiativen dringend bedarf, um gleiche Startverhältnisse zu schaffen. Auch die Anwendung der Bestimmungen über die Wettbewerbsregeln, die bekanntlich einem den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs zuwiderlaufenden Verhalten entgegenwirken und ein diesen Grundsätzen entsprechendes Verhalten im Wettbewerb anregen sollen, könnte bis zu einer notwendigen Reform soweit wirtschaftsfreundlich gehandhabt werden, wie es § 1 GWB und die wandelbare Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eben zulassen. Hier liegen noch gewisse Möglichkeiten, um im Selbstverwaltungswege den Leistungswettbewerb zu fördern. Die Wirtschafts- und Berufsvereinigungen müssen wieder Mut bekommen, ihren Bereich vor Entartungen des Wettbewerbs und Deroutierung der Märkte zu bewahren, die stets auch einen gesamtwirtschaftlichen Schaden zur Folge haben. Wir begrüßen die Ankündigung der Bundesregierung, daß eine „Arbeitsgruppe Wettbewerbspolitik" gegenwärtig prüft, welche Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen notwendig sind. Nun wird es in dieser Legislaturperiode zu keiner weiteren Novelle dieses Gesetzes kommen, aber die Arbeitsgruppe sollte ihre Überprüfung rasch vollziehen und die gewonnenen Erkenntnisse in der Öffentlichkeit zur Diskussion stellen. Die CDU/CSU ist wie bisher der Auffassung, daß es das Ziel der Wettbewerbspolitk bleiben muß, einen funktionsfähigen Wettbewerb auf dem Markt aufrechtzuerhalten und dabei auch die individuelle wirtschaftliche Freiheit zu schützen. Dazu gehert auch der Bestand eines breitgestreuten, leistung fähigen und den Wettbewerb bejahenden Mittelstandes als einem Grundpfeiler der marktwirtschaftlichen Ordnung. Das war unser Leitbild und soll es auch in Zukunft bleiben. Ich sage das so betont, weil gegenwärtig erneut ein Theorienstreit der Professoren über die zukünftige Wettbewerbspolitik im Gange ist, als ginge es darum, ein völlig neues wettbewerbspolitisches Leitbild zu schaffen. Die zukünftige Wettbewerbspolitik muß die „Freiheit des Marktzugangs" ebenso sicher gewährleisten, wie die Verhinderung von Wettbewerbsbeschränkungen bei den sogenannten dynamischen Funktionen, also Forschung, Entwicklung und Investitionen, also das, was man auch „Innovationen" nennt. Allerdings bleibt sehr ernsthaft zu prüfen, ob in Zukunft jede Wettbewerbsbeschränkung verboten bleiben soll oder ob es nicht richtiger wäre, es von den tatsächlichen Wirkungen einer Vereinbarung auf den Markt abhängig zu machen. Dies würde eine grundsätzliche Änderung des § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bedeuten, der heute auf der sog. „Gegenstandstheorie" basiert — nämlich, ob die Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung zum Gegenstand hat oder nicht — und zukünftig auf der sogenannten „Folgetheorie" — nämlich, ob oder welche Folgen auf dem Markt danach einträten — gründen würde. Eine Reihe von sogenannten „Bagatellkartellen" und kleineren, beschränkenden Vereinbarungen würden damit möglich sein. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8087 Meine Aufforderung zur rascheren Durchdringung dieser schwierigen Materie soll zugleich eine Ermunterung und Bitte an die Bundesregierung sein, das Ergebnis der „Arbeitsgruppe Wettbewerb" bald darzustellen, damit die gesetzgeberischen Novellierungsarbeiten zügig folgen können. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Zebisch (Drucksache V/2527 Frage 44) : Ich bitte um Auskunft, warum das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium ab 1. Januar 1968 die Frachthilfe für Ostbayern auf dem Gebiet des Flachglases (ausgenommen Fensterglas unbearbeitet) von 18 auf 14 % gesenkt hat? Am 7. November 1967 wurde eine Prüfung der Zonenrandfrachthilfe abgeschlossen, die von den Referenten für Frachthilfe des Bundes und der vier Zonenrandländer zusammen mit den Industrie- und Handelskammern des Zonenrandgebietes durchgeführt worden war. Als Ergebnis wurde festgestellt, daß die Zonenrandfrachthilfe fortgeführt werden muß. Die erforderlichen Bundesmittel werden demgemäß nicht gekürzt. Bei der gründlichen Überprüfung aller Einzelfälle zeigte sich aber auch, daß die Frachthilfesätze bei einigen Gütern geändert werden mußten. So war die Umsatzentwicklung bei Flachglas in den Jahren 1963 bis 1966 erheblich günstiger als die Umsatzentwicklung der gesamten deutschen Industrie, wobei die Umsatzzunahme bei Flachglas im Zonenrandgebiet sogar noch etwas stärker war als im übrigen Bundesgebiet. Der Erstattungssatz bei Flachglas konnte deshalb — und so wurde auch bei anderen Gütern mit überdurchschnittlich guter Entwicklung verfahren — geringfügig, nämlich von 18 v. H. auf 16 v. H. herabgesetzt werden. Solche gezielte Einsparungen machten schließlich eine globale Kürzung der Erstattungssätze entbehrlich, die ursprünglich unvermeidbar erschien, weil die finanziellen Anforderungen bei normaler Wirtschaftsentwicklung infolge steigender Gütertransporte von Jahr zu Jahr zunehmen und an die Grenze der für Frachthilfe verfügbaren Mittel anstoßen. Der Erstattungssatz für Flachglas wurde endgültig auf 14 v. H. festgesetzt. Die weitere Differenz von 2 Punkten beruht jedoch nur auf einer Umstellung aus technischen Gründen. Gleichzeitig ist nämlich der bei Versand auf der Straße bis dahin übliche Abzug von 2 DM je Tonne weggefallen, so daß die Flachglaserzeuger im Zonenrandgebiet durch diese Korrektur keinen finanziellen Nachteil haben. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schmidhuber (Drucksache V/2527 Fragen 48, 49 und 50) : Sind der Bundesregierung Fälle bekanntgeworden, in denen ausländische Investmentgesellschaften beim Vertrieb ihrer Zertifikate gegen gesetzliche Vorschriften, insbesondere gegen § 56 h der Gewerbeordnung, verstoßen haben? Welche Investmentfonds, die in der Bundesrepublik Deutschland Anteile vertreiben, haben ihren Geschäftssitz in Staaten, in denen es keine dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften entsprechndo gesetzliche Regelungen gibt? Welchen Anteil am Bruttoabsatz von Investmentzertifikaten in den Jahren 1966 und 1967 haben die in Frage 49 genannten Fonds gehabt? Einige Wirtschaftsministerien der Länder haben berichtet, sie hätten Grund zu der Annahme, daß ausländische Investment-Zertifikate entgegen dem Verbot des § 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h der Gewerbeordnung im Reisegewerbe vertrieben würden. Konkrete Angaben liegen aber bisher nicht vor. 24, d. h. rund 1/3 der hier mit ihren Zertifikaten am Markt befindlichen ausländischen Investment-Gesellschaften haben ihren Sitz in Ländern, in denen keine gesetzlich angeordnete Fachaufsicht über Investment-Gesellschaften besteht. Die Verkäufe durch unbeaufsichtigte ausländische Investment-Gesellschaften machten 1966 und 1967 jeweils etwa die Hälfte des Bruttoabsatzes ausländischer Investment-Zertifikate aus. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schlager (Drucksache V/2527 Fragen 51 und 52) : Wann beabsichtigt die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Zulassung des Vertriebs ausländischer Investmentzertifikate von bestimmten Mindestanforderungen abhängig macht? Wie beurteilt die Bundesregierung die Aktivität der auslandischen Investmentfonds im Hinblick auf die Beanspruchung des deutschen Kapitalmarkts durch inländische Emittenten? Die Bundesregierung beabsichtigt, noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Zulassung des Vertriebs ausländischer Investment-Zertifikate regelt. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß die Freiheit des Kapitalverkehrs auch unseren Interessen am besten dient. Der Kapitalexport, der über ausländische Investment-Gesellschaften stattfindet, hat im Rahmen der gesamten Zahlungsbilanz kein besonderes Gewicht. Er betrug im Jahre 1967 schätzungsweise 3/4 des Gesamtabsatzes inländischer Investment-Gesellschaften und unter 1 % der inländischen Geldvermögensbildung. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündliche Anfrage des 8088 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 Abgeordneten Buschfort (Drucksache V/2527 Frage 53) : Wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag Glas angekündigte Textilkennzeichnungsgesetz vorlegen? Der Bundesminister für Wirtschaft wird den Entwurf dieses für den Verbraucher wichtigen Gesetzes auf einer der nächsten Kabinettsitzungen vorlegen. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Petersen (Drucksache V/2527 Fragen 54, 55 und 56) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die mittelständische Schuhindustrie durch Einfuhrlieferungen, insbesondere aus dem EWG-Bereich, in ihrer Existenz bedroht ist und ihre Lage durch zusätzliche Einfuhren aus den Ostblockländern weiter erschwert wird? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Hauptlieferländer Italien und Frankreich Wettbewerbsvorteile gewähren, die sich in der Lohnstruktur und der unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Belastung zeigen? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Wettbewerbsverzerrungen gegenüber den ausländischen Konkurrenten zu beseitigen und so die Arbeitsplätze und Betriebe der Schuhindustrie zu schützen? Die mittelständische Industrie ist durch Einfuhrlieferungen nicht bedroht. Sie war allerdings in ihrer Substanz durch den Konjunkturrückgang und damit verbundenen Schwächung der Massenkaufkraft ernsthaft gefährdet. Die Rezession ist durch die Maßnahmen der neuen Bundesregierung, die vom Bundestag und Bundesrat beschlossen wurden, mit Erfolg bekämpft worden. Dementsprechend übertraf der Auftragseingang bei der deutschen Schuhindustrie im IV. Vierteljahr 1967 wieder den Vorjahresstand. Auch die Produktion hat sich gegen Ende des Jahres belebt, nachdem sie im I. Quartal 1967 um 13 % und im II. Quartal um nicht weniger als 19% unter dem Stand des Jahres 1966 lag. Bei den Geschäftserwartungen überwiegen für die nächsten 6 Monate ebenfalls die Vorteile: die zügige Auftragserteilung des Einzelhandels für Frühjahrs- und Sommerartikel erlaubt für die Mehrzahl der Schuhfabriken in den kommenden Monaten eine hohe Beschäftigung. Des weiteren ist der Export der Schuhindustrie im vergangenen Jahr um rund 30 % gestiegen. Die Dominanz des Konjunkturfaktors für die Lage der Betriebe und der Arbeitnehmer der deutschen Schuhindustrie zeigt sich auch in der Entwicklung der Schuheinfuhren. Ihr Wert ist 1967 um 6% gefallen, nachdem er in den vorausgegangenen 4 Jahren um 20% bis 40% jährlich gestiegen war. Künstliche Wettbewerbsvorteile der italienischen oder französischen Schuhindustrie konnten bisher nicht festgestellt werden. Sollten derartige Verfälschungen nachgewiesen werden können, würde die Bundesregierung selbstverständlich mit allem Nachdruck gegen sie vorgehen. Etwaige Differenzen in der Wettbewerbslage aufgrund des Umsatzsteuerrechts werden nunmehr durch die Nettoumsatzsteuer beseitigt worden sein. Soweit Unterschiede im Lohnniveau der einzelnen EWG-Länder arbeitsintensiven Fertigungen Vor-oder Nachteile verschaffen, kann nur eine kräftige wirtschaftliche Entwicklung in allen Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die weitere Integration des europäischen Marktes zu einer Angleichung der Einkommen und damit zu einer Harmonisierung dieses Kostenfaktors führen. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Josten (Drucksache V/2527 Frage 57): In welchem Umfang kann die Bundesregierung zur Verbesserung ländlicher Gaststättenbetriebe Zinszuschüsse bereitstellen? Für die Gewährung von Zinszuschüssen zur Verbesserung ländlicher Gaststättenbetriebe sind weder im Bundeshaushalt noch im ERP-Wirtschaftsplan Mittel vorgesehen. Die Bundesregierung hat aber im Rahmen verschiedener Kreditprogramme die Möglichkeit, dem ländlichen Gaststättengewerbe zinsgünstige Kredite zur Verfügung zu stellen. Ich darf hier auf die ERP-Kreditprogramme zur Förderung kleiner und mittlerer gewerblicher Betriebe hinweisen. Hiernach können günstige Kredite gewährt werden zur Gründung selbständiger Existenzen durch Nachwuchskräfte, zur Errichtung von Betrieben in neuen Wohnsiedlungen und Gewerbgebieten sowie zur Unterstützung von Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen von Vertriebenen, Flüchtlingen und Kriegsgeschädigten. Weiterhin können Gaststättenbetriebe in Bundesfördergebieten Investitionskredite aus Mitteln des ERP-Sondervermögens und —. soweit sie auch Beherbergungsmöglichkeiten anbieten — des Bundeshaushalts erhalten. Von den vorgenannten Krediten wird reger Gebrauch gemacht. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Kulawig (Drucksache V/2527 Fragen 58, 59 und 60) : Welche Menge und Sorte der verfügbaren Kohlenvorräte käme bei Anwendung der heute bekannten Hydrierverfahren für die Kohlehydrierung in Frage? Beabsichtigt die Bundesregierung, einen eigenen Forschungsauftrag über die Verbesserung der Methoden der Kohlehydrierung zu erteilen oder sich an Forschungsvorhaben auf internationaler Ebene zu beteiligen? Ist die Bundesregierung nicht der Ansicht, daß man in der Bundesrepublik in Zukunft dem Problem der Kohlehydrierung mehr Aufmerksamkeit widmen sollte? Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Hydrierung sind bei keiner der in der Bundesrepublik geförderten Kohlen gegeben. Vom technischen Standpunkt würden sich hierfür — abge- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8089 sehen von Braunkohle — insbesondere Steinkohle mit einem hohen Gehalt an flüchtigen Bestandteilen eignen, die etwa ein Viertel der Förderung und der Vorräte der Bundesrepublik ausmachen. Diese Absicht besteht nicht, da das Bundesministerium für Wirtschaft durch die zuständigen amerikanischen Stellen über die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Kohleforschung unterrichtet wird und sich auch an Ort und Stelle in den Vereinigten Staaten unterrichtet hat. Die Entwicklung eines der neueren Verfahren in den USA hat z. B. bisher über 50 Mio DM gekostet. Da die Bundesregierung sich davon überzeugt hat, daß die industrielle Forschung in den USA alle Möglichkeiten nützt, hat sie es für zweckmäßiger gehalten, verfügbare Beträge in derartigen Größenordnungen zur Absatzsicherung der deutschen Steinkohle an anderer Stelle zu verwenden. Im übrigen hofft die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, bereits in nächster Zeit ein mittelfristiges Programm vorlegen zu können, das der Förderung der Produktivität und der Sicherheit dient und auch die Möglichkeiten der Untersuchung neuer Verwendungsmöglichkeiten für Kohle berücksichtigen wird. Die Kohlehydrierung wird, wie bereits mehrfach erklärt, in absehbarer Zeit in der Bundesrepublik nicht wettbewerbsfähig sein können. Bei den gegenwärtigen Verhältnissen wäre dafür eine Subvention von mindestens 40 DM/je t Steinkohle erforderlich. Unabhängig davon muß selbstverständlich die Entwicklung auf dem Gebiet der Kohlehydrierung auch in Zukunft aufmerksam verfolgt werden. Anlage 19 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Becher (Pullach) (Drucksache V/2527 Fragen 61 und 62) : Wie begründet der Bundeswirtschaftsminister seinen Auftrag an die deutsche Verhandlungsdelegation, bei den japanischen Handelsvertragsverhandlungen für das Jahr 1968 eine erhöhte Importmenge von 2,3 Millionen Stück Schirme zu vereinbaren, nachdem die Japaner bereits durch Steigerung ihrer DumpingPreis-Importe von Schirmen auf über 2,1 Millionen Stück im Jahre 1966 im vergangenen Jahr schwerste Störungen auf dem deutschen Schirmmarkt, verbunden mit Arbeitsentlassungen und Betriebseinschränkungen durch Kurzarbeit, ausgelöst hatten? Welche Maßnahmen beabsichtigt der Bundeswirtschaftsminister zum Schutze der deutschen Schirmindustrie zu ergreifen, nachdem die deutsche Verhandlungsdelegation über ihren Auftrag hinaus der japanischen Forderung Rechnung trug, gewisse Gruppen von Schirmen aus der Beschränkung auszuklammern, so daß wir im Jahre 1968 mit 2,8 Millionen Stück japanischen Importschirmen statt nur mit 2,3 Millionen solcher Schirme zu rechnen haben? Der Grund für den Verhandlungsauftrag lag in dem scharfen, nicht vorwiegend konjunkturbedingten Rückgang der deutschen Schirmproduktion im Jahre 1967, die die Einführung der Selbstbeschränkung unumgänglich machte. Da es keine derartige Regelung gab — sie war aufgrund der guten Produktionsentwicklung der deutschen Schirmindustrie 1964/65 und 1966 auch nicht erforderlich —, wurde für den Übergang zur Selbstbeschränkung eine be- stimmte Importmenge als maximal erreichbar angesehen. In einer derartigen Verhandlung fällt natürlich die aktuelle Entwicklung des gesamten Warenverkehrs ins Gewicht: 1967 ist die deutsche Einfuhr aus Japan um 10% gefallen, der deutsche Import dagegen um 46 % gestiegen. Im übrigen muß ich zu meinem Bedauern darauf hinweisen, daß das Schirmabkommen auf japanichen Wunsch vertraulichen Charakter hat. Über den Verlauf und das Ergebunis der Verhandlungen ist der Beirat des Bundestages für handelspolitische Vereinbarungen unterrichtet worden. Die Bundesregierung wird die Entwicklung auf diesem Markt besonders sorgfältig beobachten. Für das Jahr 1967 sind die Einfuhrzahlen für den Zeitraum Januar bis September bekannt. Danach ist die japanische Einfuhr gegenüber 1966 nicht gestiegen. Diese Daten scheinen Ihre Befürchtungen also nicht zu rechtfertigen. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 12. Februar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Unertl (Drucksache V/2527 Fragen 63 und 64) : Treffen Meldungen zu, nach denen im Handelsvertrag mit Rumänien die Lieferungen von Graniterzeugnissen, d. h. von Bordsteinen, Leistensteinen und Granitblöcken, in die Bundesrepublik Deutschland vorgesehen sein soll? Würde nicht eine solche in Frage 63 erwähnte Einfuhr eine schwere Schädigung der ohnehin um ihre Existenz ringenden heimischen Granitindustrie Bayerns bedeuten? Meldungen, wonach im Handelsvertrag mit Rumänien die Lieferung von Graniterzeugnissen, d. h. von Bord- und Leistensteinen in die Bundesrepublik Deutschland vorgesehen sein soll, treffen nicht zu. Weder wurde ein Kontingent vereinbart, noch können diese Erzeugnisse nach dem Verfahren der Ausschreibung mit laufender Antragstellung ohne mengenmäßige Beschränkungen aus Rumänien eingeführt werden. Allerdings wünscht die rumänische Regierung die Einräumung eines Kontingents für Graniterzeugnisse. Dieser Wunsch wird nicht lange ohne Antwort bleiben können. Ein Kontingent für Graniterzeugnisse würde nur dann eröffnet werden, wenn hiervon keine Schädigung der bayerischen Granitindustrie zu erwarten ist. Die Lage der bayerischen Granitindustrie hat sich im übrigen im IV. Quartal 1967 verbessert. Die Lageberichte des Verbandes, die vom Bundeswirtschaftsministerium laufend verfolgt werden, zeigen, daß die Produktion in diesem Vierteljahr abgesetzt werden konnte. Die konjunkturfördernden Maßnahmen der Bundesregierung haben sich also auch hier ausgewirkt. Es konnte sogar ein Abbau der Lagerbestände erreicht werden. Auch hat die Bundesregierung wiederholt betont, daß die Lage der bayerischen Granitindustrie wie 8090 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 des ostbayerischen Raumes überhaupt nur durch ein spezielles Strukturprogramm nachhaltig verbessert werden kann. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 9. Februar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) (Drucksache V/2527 Frage 86) : Hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt, wenn in Anwendung des § 80 AVAVG Sperrfristen gegen Arbeitslose verhängt werden, wo die Dauer der Sperrfrist — auch unter Berücksichtigung des § 81 AVAVG — wesentlich länger ist als ein möglicher, ungerechtfertigter Anspruch auf Arbeitslosengeld? Mit der Festsetzungeiner Sperrfrist lehnt die Arbeitslosenversicherung die Übernahme des Versicherungsrisikos — mit anderen Worten, die Zahlung von Arbeitslosengeld — für eine begrenzte Zeit ab, wenn dem Arbeitslosen die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit zum Vorwurf gemacht werden kann oder er ihre Beendigung vereitelt hat. Die Dauer der Sperrfrist beträgt nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen mindesten zwei Wochen höchstens acht Wochen. In vielen Fällen ist wegen dieser Höchstgrenze die Sperrfrist kürzer als die Dauer der Arbeitslosigkeit, deren Herbeiführung dem Arbeitslosen zum Vorwurf gemacht wird. In einzelnen Fällen ist die Sperrfrist wegen ihrer Mindestdauer allerdings auch länger, was wohl für die von Ihnen angesprochenen Fälle gilt. Derartige Folgen ließen sich nur durch eine Regelung vermeiden, wonach die Dauer der Sperrfrist durch den Umfang des im Einzelfall von dem Versicherten verursachten Risikos begrenzt wird. Inwieweit die Dauer der Arbeitslosigkeit im Einzelfall von dem Arbeitslosen verursacht worden ist, läßt sich in der Regel nur mit erheblichen Schwierigkeiten, vielfach sogar überhaupt nicht feststellen. Bekanntlich können sich die Verhältnisse am Arbeitsmarkt, z. B. unter dem Einfluß konjunktureller oder saisonaler Faktoren, von Tag zu Tag ändern. Die Bundesregierung ist in Anbetracht dieser Probleme der Auffassung, daß nur eine Regelung mit fester Mindest- und Höchstdauer der Sperrfristen für die Arbeitsämter praktikabel ist und die erforderlichen schnellen Entscheidungen ermöglicht. Eine auf den Einzelfall abgestellte Regelung würde das Verfahren erheblich erschweren und ,die Bearbeitung der Leistungsanträge verzögern. Ich verkenne nicht, daß die gesetzliche Regelung von den Betroffenen im Einzelfall als Härte empfunden werden kann. Bedenken Sie aber bitte auch, daß die deutsche Regelung ohnehin erheblich milder ist als die der meisten europäischen Länder, die in solchen Fällen die Gewährung von Leistungen meist völlig ausschließen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Schiller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Jahreswirtschaftsbericht 1968 hat Ihnen die Bundesregierung die für dieses Jahr angestrebte Wirtschaftsentwicklung und die geplante Wirtschafts- und Finanzpolitik dargelegt. Wie ein guter Kaufmann hat sie damit gleichsam eine Eröffnungsbilanz aufgestellt, und zwar eine Eröffnungsbilanz für den neuen Aufschwung. Für die Beratungen und Entscheidungen des Deutschen Bundestages ist dies eine neue und, wie mir scheint, wichtige Unterlage. Ich danke für die Möglichkeit, diesen Bericht schon heute, wenige Tage nach seiner Vorlage, in diesem Hohen Hause zu begründen.
    Mit diesem Jahreswirtschaftsbericht wird eine langjährige Forderung der Wissenschaft und auch politischer Programme erfüllt. Schon 1956 hatte der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschafts-



    Bundesminister Dr. Schiller
    ministerium vorgeschlagen, die Regierung gesetzlich zu verpflichten, mindestens einmal jährlich dem Parlament ein sogenanntes Wirtschaftsprogramm vorzulegen; der Sache nach war das eigentlich ein „Nationalbudget". Man dachte dabei an ein Programm in Form eines „Berichtes über die Wirtschaftslage und die von der Regierung für die kommende Zeitperiode vorgesehene Wirtschaftspolitik unter Beifügung der prospektiven volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung". Dieser Vorschlag, meine Damen und Herren, ist also nun, zwölf Jahre nach seiner ersten Formulierung, Wirklichkeit geworden, und zwar unter dem Namen „Jahreswirtschaftsbericht", was für manchen vielleicht weniger nach Dirigismus klingt — und in der Tat, dieser Bericht ist nicht dirigistisch —, was sich aber auf jeden Fall im Namen weniger anspruchsvoll ausnimmt.
    Ein Jahreswirtschaftsbericht mit Orientierungsdaten gehört in eine aufgeklärte Marktwirtschaft. Marktwirtschaftliche Politik, die nicht in Einzeldirigismen und Ad-hoc-Interventionen abgleiten will, kann sich nicht mit Intuition, nicht mit Gefühl und Wellenschlag begnügen. Sie braucht die gesamtwirtschaftliche Diagnose und Vorausschau. Sie braucht Klarheit über die angestrebte Entwicklung und die Grundlinien der geplanten Politik.
    Dieser Bericht der Bundesregierung für das Jahr 1968 will informieren, er will orientieren, und er will damit zugleich auch koordinieren. Die wirtschafts- und finanzpolitischen Instanzen auf den verschiedenen Ebenen des Staates und die autonomen Gruppen brauchen diese Kommunikation für ihre eigenen Entscheidungen in unserer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.
    Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zu dessen letztem Gutachten der Bericht nach dem Gesetz Stellung nehmen muß, hat auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahren eine wichtige Aufklärungsarbeit geleistet. Gewiß, die Gutachten jenes Rates waren bisweilen unbequem, manchmal sogar sehr unbequem. Sie paßten nicht in vorherrschende Schemata. Das macht zwar manche allergische Reaktion verständlich; aber die Gegenargumentation wird dadurch keineswegs überzeugender. In einer etablierten Gesellschaft, die den Kontroversen gern aus dem Wege geht, ist jedoch die gedankliche Radikalität unabhängiger Männer bitter notwendig. Der Sachverständigenrat ist damit ein Element der Dynamik, wenn er uns vor neue Herausforderungen stellt und unsere Blicke auf neue, bisher unbekannte Horizonte lenkt. Er hat frei von jedem Vorurteil zu analysieren und darzulegen, wie Fehlentwicklungen der Wirtschaft vermieden oder beseitigt werden können.. Das ist nicht sein selbstgewählter Auftrag. Das ist der Auftrag des Gesetzes vom Jahre 1963.
    Mit Präzision und Sachkunde hat der Sachverständigenrat dm letzten Jahresgutachten die Genesis der hinter uns liegenden Rezession offengelegt. Sein Urteil über die Entwicklung bis 1966/67 faßt er folgendermaßen zusammen. Ich darf aus Ziffer 232 zitieren:
    Der Grund
    — für die Rezession —
    liegt im Fehlen einer planvollen Koordination von Kredit- und Fiskalpolitik und im Fehlen einer wirksamen Verhaltensabstimmung zwischen den staatlichen Instanzen auf der einen und den nichtstaatlichen auf der anderen Seite.
    Meine Damen und Herren, genau an dieser Stelle hat die neue Bundesregierung vom ersten Tage an eingesetzt: Planvolle Koordination der Wirtschafts-und Kreditpolitik, Konzertierte Aktion mit den Spitzenorganisationen ,der Wirtschaft und den Gewerkschaften sowie Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden im Konjunkturrat auf der Basis gemeinsam erarbeiteter Programmziele, .das waren und sind Grundelemente .der Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung.
    Natürlich hat es im vergangenen Jahr — wer wollte das leugnen — bei dem Kampf um die NullLinie des Wachstums unseres Sozialprodukts auch Verzögerungen und Hindernisse gegeben. Die verantwortlichen Ressorts in der BundesregIerung mußten da aus ihrer Pflicht heraus immer wieder mahnen und antreiben. Das hat gar nichts mit Hektik zu tun, sondern einfach mit Arbeit und mit dem schlichten Tatbestand, daß wir die uns auferlegte politische Verantwortung sehr ernst nehmen. Gemessen an den Vorjahren war 1967 in der Tat ein. Jahr des Ringens um eine rationale Wirtschaftspolitik. Der Erfolg dieser Politik schlug sich nicht nur in den neuerdings sehr erfreulichen Konjunkturindikatoren nieder, sondern es sind im Jahre 1967 darüber hinaus neue Formen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit entstanden. Die Beurteilung moderner wirtschaftspolitischer Instrumente ist nach einem Jahr Praxis weit weniger mit ideologischen Vorurteilen belastet. Die Zahl ist in der Politik nunmehr kein Tabu. Der Aktionsradius der Wirtschafts- und Finanzpolitik ist heute .unvergleichlich ,größer, als das bei bequemer Selbstbeschränkung der Fall wäre. Das: gesellschaftliche Bewußtsein war vor einem Jahr, im Januar/Februar 1967, noch der vergangenen Phase der Überhitzung ,der Konjunktur verhaftet. Es entsprach damit nicht mehr den. tatsächlichen Produktionsverhältnissen. Dieses Bewußtsein der Gesellschaft hat sich in dem abgelaufenen Jahr deutlich verändert. Die weitgehend übereinstimmenden Stellungnahmen der Gewerkschaften und der Unternehmerverbände vom Januar dieses Jahres zum Sachverständigengutachten und den von Regierungsseite aufgezeigten Alternativen sind ein klarer Beweis für diesen Wandel.
    Es gehört in der Tat zu den wichtigen Vorgängen des letzten Jahres, daß in unserer Gesellschaft neben den sich zeigenden Kräften der Desintegration auch Kräfte der Integration mobilisiert werden konnten. Bei der Konzertierten Aktion geht es auch um die Öffnung des sogenannten „Establishment" — so wurde auch in der Konzertierten Aktion gesagt — für neue gesellschaftliche Zusammenarbeit. Manche Vorgänge der letzten Monate haben für uns alle die Frage aufgeworfen: Hat unsere Demokratie ihr großes, augusteisches Zeitalter bereits hinter sich? Die Ant-



    Bundesminister Dr. Schiller
    wort auf diese Frage ist uns nicht einfach vorgegeben. Sie wird entscheidend von uns selbst bestimmt. Es geht letztlich darum: Können wir die Anziehungskraft dieser demokratischen Gesellschaft stärken? Ich meine: ja; und zwar auch durch rationale Diskussion und Information, auch durch Öffnung der früher vielfach eingeigelten organisierten Gruppen der Wirtschaft.
    Rüdiger Altmann hat in seiner kürzlich erschienenen „Späten Nachricht vom Staat" die Wirtschaftspolitik des Jahres 1967 folgendermaßen beschrieben.
    Er sagt wörtlich:

    (Hier) ... besaß die Regierung für die Politik ein Modell mit quantifizierten Zielvorstellungen, ziemlich exakten Methoden — ein Modell von hoher Technizität.

    Ich widerspreche diesem, was Rüdiger Altmann sagt, nicht. Aber ich möchte den von mir kochgeschätzten Kritiker und den ständigen Teilnehmer an der Konzertierten Aktion folgendermaßen interpretieren: Jahreswirtschaftsbericht, Konzertierte Aktion, Globalsteuerung zur Sicherung und Vermehrung der Arbeitsplätze, das alles ist mehr als nur ein technischer Vorgang. Hier handelt es sich um Politik. Es handelt sich um Innenpolitik und auch um Außenpolitik; denken Sie nur an unsere hohen Außenüberschüsse. Es geht um Gesellschaftspolitik, und es geht um eine neue Dynamik in unserer Gesellschaft, die in den letzten Jahren allzu sehr dazu neigte, den verfestigten Gewohnheiten zu folgen.
    Gewiß, der Jahreswirtschaftsbericht, in dem diese Politik sich niederschlägt, ist noch unvollkommen. Der Bericht ist vor allem ein Wagnis. Die Bundesregierung geht dieses Wagnis bewußt ein, das Risiko nämlich, die Glaubwürdigkeit ihrer Politik immer erneut im Laufe des Jahres beweisen zu müssen -eben durch Vergleich mit diesem Bericht. Aber Glaubwürdigkeit und Reformwillen sind doch wohl wesentlich für die Weiterentwicklung unserer Demokratie. Eine Gesellschaft ohne geistige Provokation und ohne Fortentwicklung muß zur Verkrustung und zur Versteinerung führen. Wir sind zwar noch am Anfang auf dem Weg zur mündigen Gesellschaft; aber ein Anfang ist doch gemacht. Und nochmals: das alles ist nicht nur Wirtschaft im engen technischfachlichen Sinn, sondern Politik.
    An dieser geistigen und dieser sozialen Entwicklung hat der Sachverständigenrat, wie gesagt, großen Anteil. Es wäre sicherlich falsch, in der Tatsache, daß sich die Bundesregierung in ihrem Bericht nicht voll auf den Boden des vorgeschlagenen „Rahmenpaktes für Expansion und Stabilität" begeben hat, eine grundsätzliche Absage oder gar eine Resignation zu sehen. Es ist die Aufgabe der Sachverständigen, die Grenzen unseres Handelns kräftig nach vorn zu verlegen, wenn die traditionellen Dimensionen nicht mehr ausreichen. Nur durch den Mut, neue Denkansätze zu wagen, kann auf die Dauer unser politisches und gesellschaftliches Sein die notwendige Erneuerung erfahren. Daß die öffentliche Meinung zunächst zögert, diese weiteren Horizonte, die der Rat öffnet, zu erkennen, ist allein noch kein ausreichendes Gegenargument gegen die Richtigkeit solcher Aussagen.
    Die praktische Politik selbst muß aber bei allen ihren aktuellen Entscheidungen von den ökonomischen und sozialen Gegebenheiten ausgehen. Gewiß, Realitäten müssen von der Politik geändert werden, wenn sie den Anforderungen der Zeit nicht mehr entsprechen. Eine Politik, die dabei jedoch die heutigen Gegebenheiten des politischen und gesellschaftlichen Spielraums nicht beachtet, müßte scheitern. Die schon angedeuteten Stellungnahmen der organisierten Gruppen zum Zielmodell des Sachverständigenrats haben klar gezeigt, daß der dort gewiesene Weg eines umfassenden und detaillierten Rahmenpaktes unter den gegebenen Verhältnissen zu hohe Anforderungen an die gesellschaftlichen Kräfte stellt. Dies haben wir in Ziffer 9 des Ihnen vorliegenden Jahreswirtschaftsberichts zum Ausdruck gebracht.
    Meine Damen und Herren, damit sind jedoch die letzten Ziele des Sachverständigenrates und des Gutachtens selbst nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil: die Richtung des Sachverständigengutachtens stimmt. Es kommt nur auf das Ausmaß an. Wir sind dabei allerdings der Überzeugung, der Dialog in der Konzertierten Aktion und in dem Konjunkturrat für die öffentliche Hand dürfte gegenwärtig der richtige, der pragmatische Weg sein, der angemessener ist, als heute und hier Vereinbarungen in Form eines festen Rahmenpaktes für zwei Jahre einzugehen, wie der Rat es vorschlägt.
    Die einkommenspolitische Flanke unserer ganzen Politik kann jedoch nur dann gesichert werden, wenn die an der Wirtschaftspolitik Beteiligten zu diesem ständigen Gespräch über alle relevanten I Bereiche bereit sind. Entscheidungsfreiheit und Führungsanspruch von Parlament und Regierung — das möchte ich besonders betonen — werden damit nicht eingeengt. Es ist nützlich, wenn die organisierten Gruppen der Gesellschaft und der Wirtschaft ihre Argumente vor der endgültigen Beschlußfassung durch das Parlament sagen. Wenn, wie schon angedeutet, die Gewerkschaften und die Unternehmerverbände in der Zielrichtung ihrer Stellungnahmen weitgehend übereinstimmen, so hat das nichts damit zu tun, daß da bloße Interessentengruppen im einfachen Nehmen eben einig seien. Nein, mancher Kritiker der Gewerkschaften und der Unternehmerverbände vergißt, daß diese Gruppen es sich bei ihren Stellungnahmen, bei ihrem Urteil sehr schwergemacht haben. Mancher Kritiker vergißt auch, daß gerade infolge der Konzertierten Aktion die soziale Landschaft heute an vielen Stellen nicht mehr die gleichen Fronten aufweist wie früher.
    Meine Damen und Herren, das alles bedeutet kein Überkleistern der Konflikte und kein illusionäres Harmoniedenken. Die Vorstellung, es könnte jemals eine vollkommene Übereinstimmung der Einzelinteressen geben, ist sicher eine Utopie, und dazu noch nicht einmal eine besonders schöne. Es gehört aber zu den erfreulichen Erfahrungen des letzten Jahres, daß die Felder für soziale Konflikte durch rationale Information praktisch durchaus gegenseitig erkennbar und damit eingrenzbar wurden. Die organisierten Gruppen — Unternehmerverbände, Gewerkschaften — gehören in unsere



    Bundesminister Dr. Schiller
    freiheitliche Gesellschaft. Wir bejahen ihre Existenz. Wer ohne diese Gruppen Politik treiben will, meine Damen und Herren, der scheitert in seiner Politik. Mit der Konzertierten Aktion haben wir eine flexible Methode gefunden, diesen autonomen Gruppen eine Mitwirkung an der Vorbereitung der Wirtschaftspolitik zu ermöglichen. Die politische Entscheidung selbst liegt dann bei Parlament und Regierung.
    Seitdem die Bundesregierung Anfang vorigen Jahres erstmals eine gesamtwirtschaftliche Jahresprojektion vorlegte, hat die öffentliche Diskussion auch hier zu abgeklärteren Urteilen geführt. Als unbefangenen Zeugen möchte ich die „Neue Zürcher Zeitung" zitieren: Sie spricht in ihrer Ausgabe vom 8. Februar 1968 von einer zunehmend positiven Grundeinstellung der Wirtschaft zu den Projektionen, während sie gleichzeitig hinter der Ablehnung auf verschiedenen Seiten oft auch noch — wie es wörtlich heißt — „verbohrten Doktrinarismus" vermutet. Wie gesagt, dies ist eine konservative Stimme und positive Stimme zu diesen Entwicklungen in Deutschland aus der Schweiz.
    Meine Damen und Herren, hinter der Zielprojektion steht der politische Wille der Regierung, ohne daß dabei diese Projektionen bindende Leitlinien wären, die nun auf Biegen oder Brechen, etwa auf Kosten der Stabilität, erreicht, verwirklicht werden müssen. Projektionen enthalten für die Wirtschaft Informations- und Orientierungsdaten. Sie sind sozusagen Verkehrsschilder mit Richtungsanzeigern und Kilometerangaben; Kurs und Tempo für seine eigene Fahrt muß sich dabei jeder Verkehrsteilnehmer selbst aussuchen.
    Die Jahresprojektion 1968 der Bundesregierung nennt als Ziel des Wachstums des realen Bruttosozialprodukts die Zahl von 4 %. Dabei ist unterstellt, daß der Höhepunkt des Aufschwungs erst im Jahre 1969 voll erreicht wird. Sicherlich wird das Wachstum im Jahre 1969 höher werden als im Jahre 1968. Wir brauchen dieses höhere Wachstum auch, wenn wir die in der EWG und in der OECD gemeinsam angestrebten Ziele für die mittelfristige Entwicklung erfüllen wollen. Wir müssen bald den optimalen Wachstumspfad unserer Volkswirtschaft erreichen. Mit dem Rückgang des Sozialproduktes im Jahre 1967 bedeuten die vier Prozent für 1968 nur eine Wachstumsrate von 3,5 % für den Zeitraum von zwei Jahren, 1968/67. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß dies, meine Damen und Herren, gemessen an unserem Wachtumspotential, gemessen auch an den vorgeschriebenen Zielen des Stabilitäts-
    und Wachstumsgesetzes, und nicht zuletzt gemessen an der internationalen Entwicklung, äußerst maßvoll ist. Es geht hierbei nicht einfach um globale Wachstumsprozente.
    Aber wir sollten doch nicht einfach zusehen, wenn unsere internationale wirtschaftliche Position durch ein Zurückbleiben hinter dem Wachstumstempo anderer Länder geschwächt wird. Zurückbleiben im Wachstum heißt: Zurückbleiben im technischen und wirtschaftlichen Fortschritt. Wer dauernd von der sogenannten technologischen Lücke zwischen
    Deutschland und Amerika etwa redet, der muß auch die politischen Konsequenzen wagen.
    In der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 hat diese Bundesregierung mit Nachdruck betont, daß es das Ziel der Wirtschaftspolitik sein müsse, die von unserem Volk hart erarbeitete Stellung als große Industrie- und Handelsnation zu bewahren. In den letzten Jahren haben sich jedoch in der internationalen „Rangliste" Veränderungen ergeben, die wir beachten sollten. Gemessen an dem Bruttosozialprodukt je Einwohner sind wir von der fünften auf die sechste Position zurückgefallen und haben Frankreich damit den Platz geräumt. Und im Außenhandelsvolumen je Einwohner haben wir ebenfalls mit Frankreich den dritten gegen den vierten Platz eingetauscht.
    Fassen wir also zusammen: Erstens. Man beklagt bei uns sehr oft die „technologische Lücke" und auch die wachsende „Überfremdung". Die Antwort darauf kann nur lauten: Wir müssen eine ökonomisch-technologische Vorwärtsstrategie entwickeln und praktizieren, und dazu gehört auch ein auf Expansion und Stabilität gerichteter Kurs der Konjunkturpolitik.
    Zweitens. In der EWG und in der OECD, insbesondere in den USA und in Großbritannien, wartet man auf eine eindeutige, nachdrückliche Wachstumspolitik der Bundesrepublik; denn wir sind doch das Land, das bei seinen außenwirtschaftlichen Überschüssen geradezu verpflichtet ist, seine Binnennachfrage auszudehnen. Immer deutlicher stellt sich uns die Frage: Wie lange ist das Ausland noch bereit, unsere Überschüsse in der jetzigen Höhe ohne Gegenmaßnahmen hinzunehmen?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Wir sollten das auch und gerade im Hinblick auf die Diskussion in den USA und die Maßnahmen in Großbritannien bedenken. Es geht demnach bei der Konjunkturpolitik, meine Damen und Herren, auch um die wirtschaftliche Position dieses Landes, der Bundesrepublik in der Welt. Es geht auch um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.
    Für „Wachstumsverdrossene" sei hier an einige für 1968 prognostizierte oder projektierte reale Zuwachsraten anderer Länder erinnert: Japan plus 9%, USA plus 4,5 %, Italien plus 5,0%, Frankreich plus 4,5'0/o. Wenn unsere Partner in Brüssel etwa bei den Arbeiten zur mittelfristigen Wirtschaftspolitik darauf hinweisen, daß eine Zuwachsrate von 4 % im Jahre 1968 noch keine ausreichende Beschleunigung unseres Wachstums darstelle, um die Rückstände aus der Rezession abzubauen, so sollten wir auch das berücksichtigen.
    Die Bundesregierung hat sich nach sorgfältiger Abwägung aller Faktoren für den Ansatz von 4 % für 1968 entschieden. Diese Entscheidung ist kein Zeichen jener manchmal draußen noch vorhandenen Wachstumsverdrossenheit. Aber der Ansatz von 411/4 nimmt erklärtermaßen Rücksicht auf den der, zeitigen Zustand unseres gesellschaftlichen Seins.



    Bundesminister Dr. Schiller
    Wir dürfen außerdem — und das ist der dritte Faktor dabei — nicht die ökonomischen Risiken übersehen.
    Die Dezemberzahlen bei den Auftragseingängen, den Einzelhandelsumsätzen und der Industrieproduktion zeigen ein sehr erfreuliches Bild. In den Ergebnissen des letzten Vierteljahres von 1967 zeigte sich zugleich die Wirkung der steuerlichen Sonderabschreibungen bis zum 31. Oktober und vor allem die Wirkung des zweiten Konjunktur- und Strukturprogramms der Bundesregierung. Von diesem zweiten Programm mit einem Gesamtvolumen von rund 8 Milliarden DM — bei Berücksichtigung der Multiplikatorwirkung der Zinssubventionen — waren am Jahresende 4,7 Milliarden an Aufträgen vergeben. Heute sind das bereits über 6 Milliarden. Wir vertrauen jetzt und für die Zukunft auf die auslaufenden Wirkungen dieses zweiten Konjunkturprogramms und auf die selbständigen Aufschwungkräfte in der Wirtschaft.
    Für die unternehmerischen Anlageninvestitionen nehmen wir für dieses Jahr eine Zuwachsrate von rund 7 bis 31/2 %, gegenüber einem Rückgang von gut 14% im Jahre 1967, an. Meine Damen und Herren, ich möchte besonders betonen, dieser Jahreswirtschaftsbericht ist also von einem hohen Vertrauen in die spontane Investitionsbereitschaft der privaten Unternehmerwirtschaft erfüllt.

    (Abg. Dr. Luda: Ich habe meine Rede zu früh an die Presse gegeben!)

    Wir alle wissen, daß die Prognosen der wissenschaftlichen Institute für das Jahr 1968 weit auseinandergehen. Natürlich gibt es für das Jahr 1968 auch eine Reihe von Unsicherheiten:
    1. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit treten in diesen Monaten wieder deutlicher hervor. Es sind zwar vor allem saisonale Erscheinungen, aber wir sind doch mit einem hohen konjunkturellen Sockel an Arbeitslosigkeit in diesen Winter hineingegangen.
    2. Wie stark werden bei uns die kontraktiven Effekte der US-Zahlungsbilanzpolitik sowie der englischen und der übrigen Abwertungen im Ergebnis sein?
    3. Werden Länder und Gemeinden die Investitionen in dem notwendigen Ausmaß steigern? Gerade hier haben wir — bei der unterstellten Steigerungsrate der öffentlichen Anlageinvestitionen — einen kritischen Punkt, der politisch beurteilt und abgesichert werden muß. Wer also unsere Bemühungen heute, in der Vergangenheit und in der Zukunft als Konjunkturgeschwätz abtut, der sollte gleich doch sagen, daß er ein Laissez-faire-System will, also in den Tag hinein zu leben beabsichtigt.
    So haben wir in der Bundesregierung — im bewußten Gegensatz zu dieser Meinung — einige sichernde Pflöcke für die Konjunkturentwicklung 1968 schon jetzt eingeschlagen:
    1. Der Strukturplan Ruhr/Saar — durch die Investitionsprämie und zinsgünstige Kredite kann dabei eine Verbilligung der Investitionen von 15 % erreicht werden — wird in einem Jahr rund 1,5 Milliarden DM zusätzliche Investitionen — und zwar
    allein für industrielle Investitionen — für neue Arbeitsplätze an Ruhr und Saar mobilisieren. Das ist in Ziffer 63 des Berichts dargelegt.
    2. Im Bereich der Infrastruktur an Ruhr und Saar werden zunächst eine halbe Milliarde DM Ausgaben durch Zinssubventionen und Kapitalzuschüsse ermöglicht. Das steht ebenfalls in Ziffer 63 des Berichts.
    3. Die vorgesehenen 250 Millionen DM neuer zinsgünstiger ERP-Darlehen für die Gemeinden in Strukturgebieten sind ebenfalls wichtige Konjunkturstützen. Das ist in Ziffer 49 des Berichts dargelegt.
    Entscheidend wird hier allerdings sein, ob sich auch in den Ländern und Gemeinden der notwendige politische Wille durchsetzt. Sollte er dort erlahmen, so sind wir verpflichtet, dafür zu sorgen, daß der Verfassungsauftrag des neuen Art. 109 des Grundgesetzes und die Vorschriften des § 16 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes von Bund, Ländern und Gemeinden in gemeinsamen Anstrengungen erfüllt werden.
    Das alles sind natürlich noch politische Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Gestaltungsmöglichkeiten können nicht einfach durch eine Zielprojektion vorweggenommen werden. Bei einem vierprozentigen Wachstum sind wir von den vorgeschriebenen Zielen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes sicherlich noch erheblich entfernt. Aber wir sind auf dem Wege dahin. Das Prinzip der „Allmählichkeit", das vom Sachverständigenrat für die Stabilisierung aus der Überhitzung vorgeschlagen worden war, hat auch im Aufschwung seinen guten Sinn. Sollten uns die Aufschwungkräfte in diesem Jahr ein größeres Wachstum bringen, so wird die Bundesregierung gewiß nicht intervenieren, es sei denn, daß Gefahren für die Stabilität drohen. Das ist in Ziffer 52 des Berichtes klar ausgedrückt.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

    Der Übergang zur Zollunion im gewerblichen Bereich innerhalb der EWG ist übrigens auch ein Beitrag zur Stabilität, und zwar gerade an dem aus anderem Grunde so kritischen 1. Juli 1968.
    Außerdem werden wir durch eine Wettbewerbspolitik, die den funktionsfähigen Wettbewerb fördert, die erreichte Stabilität absichern. Darüber ist in Ziffer 55 des Berichtes einiges ausgeführt.
    Aber nun zum umgekehrten Fall. Ein Zurückbleiben des Wachstums hinter 4 % wäre allerdings das Signal für neue konjunkturpolitische Aktivitäten, die dann später jedoch für die Wirtschaftspolitik, für die Finanzpolitik und für die Geldpolitik in jedem denkbaren Sinn teurer werden würden. Wir haben ja im letzten Jahr alle zusammen erfahren, daß das Zögern immer bedeutet, daß man später dann mehr machen muß und daß es teurer wird. Wir von der Bundesregierung sehnen diese Situation, im Jahre 1968 konjunkturpolitisch erneut aktiv werden zu müssen, weiß Gott nicht herbei. Im Bericht wird aber dargelegt, daß ein Unterschreiten der Wachstumsrate sehr nachteilige Folgen hätte. Sollte eine erneute Abschwächung der Investitionen es erforder-



    Bundesminister Dr. Schiller
    lieh machen, so werden wir nicht zögern, die Wirtschaft durch weitere gezielte Maßnahmen stabilitätskonform zu beleben. So ist es ja in Ziffer 50 ausgeführt.
    Wir werden deswegen im engen Kontakt mit unseren europäischen und amerikanischen Partnern, die an der deutschen Entwicklung aus naheliegenden Gründen ganz außerordentlich interessiert sind, die Entwicklung in den nächsten Monaten sehr sorgfältig beobachten. Die währungs- und zahlungsbilanzpolitischen Maßnahmen Großbritanniens und er USA sind, wie gesagt, neue und in ihren Ausmaßen noch nicht genau kalkulierbare Daten. Ich hoffe sehr, daß die- verbesserte Produktivität und die deutlich verbesserten Geschäftserwartungen und -dispositionen der deutschen Wirtschaft diese Unsicherheiten rasch überwinden helfen. Aber dafür sind sicher harte Anstrengungen aller notwendig. Die westdeutsche Wirtschaft sollte dabei ihre Chancen nicht nur im Export, sondern auch im innerdeutschen Handel sehen. Wir haben gerade in diesem Bereich 1967 eine Reihe von alten Hindernissen weggeräumt. Auch da ist unsere Wirtschaft nun selbst am Zuge.
    Meine Damen und Herren! Die Wirtschaftsentwicklung im Jahre 1968 wird nicht zuletzt von der Entwicklung der Masseneinkommen bestimmt. Löhne sind nun einmal kosten- und nachfragewirksam. Außerdem stellen sie ein entscheidendes Element in der Verteilung unserer nationalen Dividende dar. Für die Tariflöhne nennt der Bericht eine mögliche Zuwachsrate — auf Stundenbasis — von 4 bis 5 % im Jahre 1968. Dies ist ein gesamtwirtschaftliches Orientierungsdatum, keine Lohnleitlinie für Einzelentscheidungen. Die Tarifautonomie bleibt völlig ungeschmälert. Darüber kann es in einer freiheitlichen Wirtschafts- und Sozialordnung überhaupt keine Diskussion geben. In der Konzertierten Aktion werden alle diese Orientierungsdaten noch in diesem Monat, nachdem das Parlament votiert hat, auf den Tisch gelegt. Die Beteiligten haben gemäß § 3 Abs. 2 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes den Bundesminister für Wirtschaft gebeten, diese Orientierungsdaten zu erläutern. Dabei wird auch die asymetrische Optik in der Entwicklung von Unternehmereinkommen und Löhnen für das Jahr 1968 zur Sprache kommen.
    Der Anstieg der Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen im Jahre 1968, meine Damen und Herren, ist die natürliche Begleiterscheinung und die Voraussetzung der ersten Aufschwungphase. In der hinter uns liegenden Rezession sind die Einkommen aus Unternehmertätigkeit stark ins Minus gegangen. Während das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit in den Jahren 1965 bis 1967 noch um etwa 71/2 % gestiegen ist, ging das Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen im gleichen Zeitraum um 21/2 % zurück. Die Unternehmereinkommen müssen jetzt zunächst wieder ansteigen, um die Investitionsneigung zu stärken, damit die Vollbeschäftigung bald wieder gewonnen werden kann. Unternehmereinkommen und Gewinnentwicklung sind äußerst konjunkturreagible Größen.
    Demgegebenüber haben die Löhne ein größeres Maß an Stabilität. Durch die Konzertierte Aktion wird diese Stetigkeit noch zunehmen. So hat die Rezession im vergangenen Jahr bei den Löhnen zwar zu einer Minderung der Zuwachsraten — effektive Lohnsteigerung je Beschäftigten 1967 immer noch etwa plus 3 % —, nicht aber zu einem absoluten Rückgang geführt. Die Konzertierte Aktion, meine Damen und Herren, hat mit dem einstimmigen Beschluß vom Frühjahr dieses Jahres, der da lautete: „Keine negative Lohnpolitik!", hier ihre positive Wirkung zweifellos getan.
    Dabei muß auch bemerkt werden: Erstens. Die Gewerkschaften haben in einem hohen Maße Verständnis für die gesamtwirtschaftliche Lage aufgebracht. Sie haben sich nicht gegen die Notwendigkeit einer im Aufschwung wachsenden Selbstfinanzierung der Unternehmungen gewehrt. Zweitens. Die Unternehmer haben erkannt, daß in der Rezession eine Lohnsenkung die Talfahrt nur noch verschärfen würde.
    Wir können uns aber für 1968 die manchmal draußen immer noch geforderte Lohnpause auf keinen Fall erlauben. Ohne eine ausreichende Nachfrageentwicklung — und dazu ist ein Anstieg der Tariflöhne von 4 bis 5% Voraussetzung — würden die Auftriebskräfte des Aufschwungs bald erstickt werden. Im übrigen sind wir uns wohl alle einig: in diesem Aufschwung, in dessen erster Phase wir stehen, muß eine Wiederholung der unseligen Preis-Lohn-PreisSpirale unter allen Umständen vermieden werden.
    Bei der Einkommens- und Vermögenspolitik geht es immer auch und zugleich um Verteilungsfragen. Wir wollen nicht den Prozeß allzu einseitiger Vermögensbildung der 50er Jahre wiederholen. An der wachsenden Sachvermögensbildung des Staates und der privaten Wirtschaft müssen in Zukunft auch die Bezieher abhängiger, also kontaktbestimmter Einkommen stärker beteiligt werden. Die Bundesregierung hat in dem Bericht die Ausgabe eines nicht mit einem Kursrisiko behafteten Sparbriefes der öffentlichen Hand angekündigt. Dieser Sparbrief muß Teil eines vermögenspolitischen Gesamtkonzeptes sein. Deswegen werden jetzt auch andere Möglichkeiten geprüft und mit den Tarifvertragsparteien in der Konzertierten Aktion in einer Sonderarbeitsgruppe beraten.
    Meine Damen und Herren, das Thema breit gestreute Vermögensbildung wird in ,dieser Bundesregierung und in der Konzertierten Aktion nicht ad acta gelegt. Aufschwung nach Maß: das bedeutet auch einen Schritt hin zur sozialen Symmetrie in der Vermögensbildung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Vermögensbildung, meine Damen und Herren, das ist nicht allein ein Thema zwischen Unternehmern und Gewerkschaften. Die Vermögensbildung des Staates gehört in diese Gesamtbetrachtung. Unsere auf Wachstum angewiesene Wirtschaft kann sich die überaus hohe Selbstfinanzierung der öffentlichen Vermögensbildung vornehmlich aus Steuereinnahmen auf die Dauer nicht leisten.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)




    Bundesminister Dr. Schiller
    Der Sachverständigenrat hat gerade zu diesem Thema der stärkeren Finanzierung der öffentlichen Investitionen, also der Gemeinschaftsaufgaben oder der Sozialinvestitionen, aus langfristigem öffentlichem Kredit einiges gesagt, das zu beherzigen ist.
    Bei den strukturpolitischen Aufgaben des Jahres 1968 stehen die Energiepolitik und die Sanierung der Bergbaugebiete im Vordergrund. Die im Jahreswirtschaftsbericht veröffentlichten, in der Anlage beigegebenen Alternativrechnungen über die Absatzaussichten auf dem deutschen Energiemarkt, insbesondere für die deutsche Steinkohle, sind keine Förderrichtzahlen, keine politischen Absatzgarantien. Sie sind Orientierungsdaten für strukturpolitische Entscheidungen. Wir wollen nicht auf diesem Wege in eine Planification en detail abrutschen.
    Bei einer Steinkohlenförderung von 112 Millionen t im Jahre 1967 haben wir beim Steinkohlenabsatz desselben Jahres mit 114,7 Millionen t ein erfreuliches Ergebnis erreicht. Die Halden sind etwas zurückgegangen. Die absatzstabilisierenden Maßnahmen zugunsten der deutschen Steinkohle — zusätzliche Verstromung, Kokskohlenhilfe, Selbstbeschränkung für Mineralöl — haben hier deutlich ihre Wirkung gezeigt. Damit ist es gelungen, seit Herbst vorigen Jahres den „Sturzflug" in der Kohlenwirtschaft in einen „Gleitflug zur Stabilisierung" überzuleiten. Dieser Erfolg des Jahres 1967 sollte nicht verkleinert werden. Aber dieser Erfolg sollte auch niemanden dazu verleiten, die Strukturkrise bei der Kohle nun als überwunden anzusehen. Wir dürfen und können die Dinge hier nicht treiben lassen. In der Vergangenheit ist das bei temporären Erleichterungen in der Kohlenwirtschaft oft genug geschehen. In Bälde würden wir dann doch allesamt erneut zur Kasse gebeten werden. Es kommt also vielmehr darauf an, gerade in der ersten Phase eines allgemeinen Aufschwungs das Programm für die Anpassung und die Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus konsequent fortzusetzen.
    Wir stehen in diesen Wochen gerade in diesem Bereich vor wichtigen Entscheidungen. Der Gesamtsozialplan und das Strukturprogramm Ruhr/Saar liegen den zutständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages bereits vor. Die Verhandlungen über eine freiwillige neue Ordnung des Ruhrbergbaus sind jetzt, wie Sie alle wissen, in eine kritische Phase gekommen. Die Bundesregierung hat in der Energiedebatte am 8. November vorigen Jahres erklärt, daß sie einer freiwilligen Gesamtgesellschaft im Ruhrbergbau den Vorzug gibt, weil eine solche Lösung schneller funktionsfähig werden kann und weil sie unserer Wirtschaftsordnung besser entspricht. Die Beratungen über eine derartige freiwillige Lösung sind intensiv geführt worden. Die Eigentümerseite hat die Gründung einer Gesamtgesellschaft vorgeschlagen, die sofort das gesamte Bergbauvermögen an der Ruhr mit Aktiven und Passiven durch Kauf übertragen erhalten sollte.
    Der Stand der Dinge ist folgendermaßen:
    Erstens. Die von der öffentlichen Hand erwartete Bürgschaft muß — das sagte ich schon am 8. November — plafondiert sein. Sie soll sich vornehmlich auf den Kaufpreis von 2,1 Milliarden DM plus übernommene Fremdverbindlichkeiten von rund 1,2 Milliarden DM erstrecken. Das ergäbe eine Gesamtbürgschaft von 3,3 Milliarden DM. Hiervon würden dann 2,2 Milliarden DM auf eine Bundesbürgschaft und 1,1 Milliarden DM auf eine Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen entfallen. An Stelle der ursprünglich geforderten Zinsgarantie wird über andere Erleichterungen noch verhandelt.
    Zweitens. Der Vertrag mit der Zechenkraftwirtschaft muß die Kohle so stellen, als ob die Kraftwirtschaft im Eigentum des Bergbaus verbleiben würde. Der Vertrag mit der Stahlindustrie muß einen echten Ersatz für die bisherigen Verbundlieferungen schaffen.
    Drittens. Die sozial äußerst wichtige Frage der Wohnungswirtschaft für die Bergarbeiter muß zufriedenstellend gelöst werden..
    Viertens. Ein großer Vorzug einer solchen freiwilligen Gesamtlösung läge in der Möglichkeit, ein zusätzliches Investitionsvolumen von rund 2 Milliarden DM durch das private Bankensystem vorzufinanzieren. Diese Summe von 2 Milliarden DM stünde dann sehr schnell allein für die Ansiedlung neuer Industrien an Ruhr und Saar zur Verfügung.
    Wie Sie wissen, sind die Verhandlungen über diesen Komplex nicht abgeschlossen. Sie wissen, daß die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie sich auf der Grundlage der bisherigen Verhandlungsergebnisse — insbesondere im Hinblick auf die Wohnungswirtschaft, die Grundstücke, die Kraftwirtschaft und die Mitbestimmung — nicht zu einer positiven Stellungnahme entscheiden konnte.
    Erfreulich ist, daß die Bergarbeitergewerkschaft den am 8. November vorigen Jahres von der Bundesregierung in diesem Hohen Hause eingebrachten Entwurf eines „Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete" erklärtermaßen voll unterstützt.
    Die 'Einzelheiten ,dieser Angelegenheit habe ich vor wenigen Tagen dem Wirtschaftsausschuß dieses Hohen Hauses berichtet. Ich habe dabei auch vorgeschlagen, daß der Bundestag sich durch die zähen Verhandlungen über eine private Neuordnung nicht gehindert fühlen sollte, die Beratungen des Kohlegesundungsgesetzes zügig fortzusetzen und abzuschließen. Ich bin erfreut, daß der Wirtschaftsausschuß bereit ist, dem Plenum bald vorzuschlagen, das Gesetz zu verabschieden und damit ein Machtwort zu sprechen. Es liegt im Ausschuß ein Vorschlag vor, der die Schaffung einer freiwlilligen Gesamtgesellschaft, aber auch die Fusion zu mehreren optimalen Unternehmenseinheiten erlaubt und damit eine baldige Lösung möglich macht. Denn, meine Damen und Herren, wir wissen es alle: die Bevölkerung an Ruhr und Saar hat ein Anrecht auf schnelle Entscheidungen. Sie braucht die reine Klarheit und die reine Wahrheit. Das alles ist auch notwendig, um die Strukturpläne voranzubringen. Ansiedlungswillige Industrien im Ruhrgebiet und an der Saar müssen wissen, mit welchen Vergünstigungen sie



    Bundesminister Dr. Schiller
    rechnen können. Jeder verlorene Tag verzögert die Sanierung.
    Meine Damen und Herren, Sie sehen — damit will ich zum Abschluß kommen —: die Wirtschaftspolitik hat mit ,der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichtes zwar ihre Ausgangspositionen fixieren können, aber die Arbeit dieses Jahres ist damit natürlich nicht getan. Die politischen Entscheidungen stellen sich täglich neu. Der Bericht hat den gesamtwirtschaftlichen Rahmen und die Grundlinien der von der Bundesregierung konzipierten Politik dargelegt. Der Plan hat keine Vollzugsverbindlichkeit etwa für die Wirtschaft. Er ist kein Volkswirtschaftsplan. Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft. Ihre Mitglieder und Gruppen entscheiden selbst durch ihr Handeln und Tun über das endgültige Ergebnis dieses Jahres 1968. Die Bundesregierung wird im nächsten Jahresbericht die Abschlußbilanz dieses Jahres geben und auch die volkswirtschaftliche Gewinn- und Verlustrechnung vorlegen.
    Der erste Jahreswirtschaftsbericht ist ein Anfang und ein Übergang zugleich, genauso wie die mittelfristige Finanzplanung vom Sommer 1967, die wir nach den Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes demnächst fortzuführen und anzupassen haben. Wir werden auch das Instrument des Jahreswirtschaftsberichts weiter entwickeln und vervollkommnen müssen.
    Bei allen diesen schwierigen Schritten in neues politisches Terrain können wir uns aber mit Keynes trösten, von dem das Wort stammt:
    Die Hälfte der Schulbuchweisheit unserer Staatsmänner beruht auf Annahmen, die zu einer Zeit einmal wahr oder halbwahr gewesen sind, nun aber von Tag zu Tag immer weniger wahr werden. Wir müssen für ein neues Zeitalter neue Weisheiten erfinden. Und in der Zwischenzeit müssen wir, wenn wir irgend etwas Gutes tun wollen, unorthodox erscheinen, störend, gefährlich und ungehorsam gegenüber denen, die uns zeugten.
    Meine Damen und Herren, wer von diesen Worten schockiert ist, möge bedenken: John Maynard Keynes war ein Liberaler, allerdings einer, der den Liberalismus sehr konsequent zu Ende gedacht hat. Sein Resultat war wörtlich das „Ende des Laissez-faire", wie eine Schrift von ihm hieß. Dieses Ende des Laissez-faire hat längst stattgefunden. Uns ist aufgegeben, nicht dabei stehenzubleiben, sondern in unserer gemeinsamen Aktivität die Kombination von Globalsteuerung, Marktwirtschaft und Gesellschaftspolitik voranzutreiben.
    Die bisherigen wirtschaftlichen Ergebnisse der zweiten Jahreshälfte von 1967 ermutigen uns dazu. Mit jener Kombination haben wir den Aufschwung dieses Jahres 1968 vorbereitet. Dieser Aufschwung wird nun auch von sehr konservativen Stellen prophezeit. Er wird sogar von ihnen bejaht, weil keine Gefahr für die Stabilität unseres Preisniveaus und unserer Währung zu sehen ist. Die Konjunkturwende ist anerkanntermaßen im letzten Jahr eingetreten. Wir sollten in diesem Hohen Hause alle gemeinsam daran mitwirken, daß in diesem Jahr das
    Leitmotiv „Expansion und Stabilität" sich stetig und ungebrochen erfüllt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Haus hat die Erklärung der Bundesregierung entgegengenommen.
Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Dr. Staratzke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Werner Staratzke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, der Ihnen auf Drucksache V/2471 vorliegt, ist richtigerweise in die Beratungen über das Jahresgutachten 1967 und den Jahreswirtschaftsbericht 1968 der Bundesregierung einbezogen worden. Er gehört genau dorthin. Es ist meine Aufgabe, diesen Antrag zu begründen. Das bedeutet natürlich, daß ich im Zusammenhang damit einige grundsätzliche Ausführungen mache. Das erspart dann aber eine gesonderte Rede zu dem Jahresgutachten.
    Die Beurteilung der Konjunkturlage, vor allen Dingen aber die Beurteilung der in die Zukunft wirkenden Faktoren zeigt auch heute noch nicht allgemein ein günstiges Bild. Das zeigen bis zur Stunde die unterschiedlichen, zum Teil widersprüchlichen Berichte der Institute, des Ministeriums, der Bundesbank, der Organisationen der Wirtschaft allenthalben und die Berichte über den Arbeitsmarkt. Das möchte ich hier sagen, ohne in den Verdacht zu kommen, der Schwarzmalergilde anzugehören. Das liegt mir fern. Ich muß aber — und ich meine, das ist unsere Aufgabe — die Dinge realistisch sehen. Ich würde sagen, daß man, ganz vorsichtig ausgedrückt, vielleicht so formulieren könnte: Die Auswirkungen der bisher getroffenen Maßnahmen lassen noch kein verantwortbares Urteil sowohl über die Breitenwirkung wie auch über die Dauerhaftigkeit der unmittelbar vor uns liegenden Entwicklung zu. Sie kennen alle die Prognosen, die gestellt worden sind, z. B. die Prognosen der Sachverständigen, nach denen bekanntlich das Sozialprodukt real um 6,4% wachsen soll. Von der Bundesregierung wird hier sehr vorsichtig operiert. Die Bundesregierung setzt dieser Schätzung ihre eigene mit real 4 % entgegen.
    Was ist nun richtig? Meine Damen und Herren, ich meine, zu einer realistischen Beurteilung dieser Prognosen, sowohl des Sachverständigenrates wie aber auch der Aussage der Bundesregierung, gehört zunächst einmal die Berücksichtigung der Ausgangslage. Die rauhe Wirklichkeit in bezug auf diese Ausgangslage sieht nämlich wie folgt aus: Das Bruttosozialprodukt hat sich 1967 gegenüber dem Vorjahr — in konstanten Preisen — erstmals in der Nachkriegszeit vermindert, und zwar um 0,5 %. Das Nettosozialprodukt nahm sogar um 1,2 % ab. Was für meine Begriffe als besonders bedenklich anzusehen ist, weil es nämlich die Zukunft belastet, ist, daß die Ausrüstungsinvestitionen in diesem Jahr 1967 gegenüber dem Vorjahr um 13 % zurückgegangen sind. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat soeben sogar eine Ziffer von 14 % genannt. Das ist die rauhe Wirklichkeit. Von diesem Tiefstand muß
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 156, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1968 8041
    Dr. Staratzke
    man ausgehen, wenn man Überlegungen anstellen will, was nun noch zu tun ist, um ein wirkliches Anspringen dieser Konjunktur mit Dauerwirkung zu erreichen.
    Ich muß noch einmal um ein Jahr in die Vergangenheit zurückgehen und mit aller Deutlichkeit erklären, daß zu diesem schlechten Ergebnis 1967 auch die widersprüchliche Politik der Bundesregierung beigetragen hat.

    (Beifall bei der FDP.)

    Sie hat auf der einen Seite mit einer Reihe von konjunkturpolitischen Maßnahmen Gas gegeben und auf der anderen Seite scharf auf die Bremse getreten, um nicht zu sagen, die Bremse durchgetreten.

    (Abg. van Delden: Wo denn?)

    Die Gegenläufigkeit der Maßnahmen, die ergriffen wurden, hat dieser Volkswirtschaft viel Geld gekostet. Hätte man der Konjunkturbelebung die Priorität gegeben, so wären wir wahrscheinlich heute auf breiter Basis im Aufschwung, und wir wären vor allen Dingen in einem sicheren Aufschwung, was man zur Zeit weiß Gott nicht sagen kann.

    (Abg. Matthöfer: Lesen Sie einmal nach, was die Vertreter Ihrer Fraktion zum betreffenden Zeitpunkt gesagt haben!)

    — Das brauche ich nicht nachzulesen, Herr Kollege Matthöfer, das kenne ich auswendig. Ich darf Ihnen sagen, daß sie in dieser Beziehung nichts Gegensätzliches gesagt haben. Aber ich werde Ihnen im Verlaufe meiner Ausführungen noch einiges dazu sagen.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat in diesem Hause von Zielkonflikten gesprochen, und zwar insofern, als einmal die Frage der Konjunkturbelebung und andererseits die der Haushaltsdeckung zu beachten ist. Ich behaupte noch einmal: Hätte man den Mut gehabt, diesen konjunkturpolitischen Maßnahmen die Priorität zu geben, ohne gleichzeitig auf die Bremse zu treten, so wäre heute der Anreiz auch in der Privatwirtschaft vorhanden. Aber, meine Damen und Herren, die Einkommen- und Körperschaftsteuer erhöhen, Mehrwertsteuertarife für die nahe Zukunft erhöhen, die Investitionsteuer im Rahmen der Mehrwertsteuer zahlen lassen und über ein halbes Jahr zögern, die berühmten Altvorräte zu entlasten — um nur einiges zu nennen —, das sind eben konjunkturpolitische Vierradbremsen, die auch mit öffentlichen Aufträgen auf Kreditbasis nicht unbedingt kompensiert werden können. Außerdem ist — das ist meine persönliche Meinung — das erste Investitionsprogramm zu spät gekommen und es ist zu schwach und äußerst zögernd abgewickelt worden.

    (Abg. Ravens: Waren es im Haushaltsausschuß nicht Ihre Vertreter, die gegen die sofortige Verabschiedung eintraten?)

    — Ich habe erstens gesagt: das ist meine persönliche Meinung, Herr Kollege Ravens. Zweitens glaube ich daraus auch keinen Gegensatz entnehmen zu können. Ich meine, das ist — leider — äußerst zögernd abgewickelt worden. Dann wurde sofort ins Land trompetet, daß dieses Programm natürlich nicht ausreicht, um den rezessiven Trend aufzuhalten,
    geschweige denn einen Aufschwung einzuleiten; das ist eine psychologische Frage, die man hier anmerken muß.
    Dann kam mit weiterer Verzögerung die schwierige Geburt des zweiten Investitionsprogramms. Meine Damen und Herren, ich möchte es in aller Deutlichkeit sagen: es ist wirklich nicht verwunderlich, daß dieses öffentliche Galafeuerwerk auf dem entscheidenden privaten Sektor nicht überall eine positive Kettenreaktion auslöste.
    Mir scheint es manchmal so zu sein, daß in der Diskussion über Wachstum, über Eventualhaushalt, über Defizitfinanzierung, über Staatsverschuldung und was es sonst noch an schönen Begriffen gibt, bei der amtlichen Wirtschaftspolitik der Blick dafür getrübt wird, daß es eben nicht gleichgültig ist, w e r hier investiert. Man kann eben nicht mit mehr öffentlichen Investitionen einen Ausfall privater Investitionen kompensieren. Hier gibt es einfach Unterschiede in der konjunkturpolitischen Wirkung.
    Ich habe es in diesem Hause einmal so gesagt: Öffentliche Investitionen können, so notwendig sie sind, bestenfalls die Konjunktur abstützen helfen, jedoch niemals allein zu einem Wirtschaftsaufschwung führen. Hierzu gehören die Antriebskräfte der privaten oder privatwirtschaftlichen Investitionen. Oder drücken wir es anders aus: Private Investitionen tragen die Konjunktur und ermöglichen erst die Produktivitätsfortschritte, ohne die eben kein Wachstum denkbar ist.
    Ich habe mir hierzu vom Ifo-Institut einige Zahlen geben lassen, die ich einmal nennen möchte. Wenn seit 1955 der Anteil der Industrieinvestitionen an den gesamten Bruttoanlageinvestitionen ständig zurückgegangen ist, nämlich von 28,5 % im Jahre 1955 auf 20% im Jahre 1966 — im Jahre 1967 dürfte dieser Anteil der Industrieinvestitionen an den gesamten Bruttoinvestitionen sogar unter 20% liegen —, so scheint mir das bedenklich zu sein.
    Ich komme noch einmal auf die Zahl zurück, die von der Bundesregierung projektiert worden ist. Meines Erachtens ist eine Zunahme des Sozialprodukts um real 4 % unzureichend. Voraussetzung hierfür ist aber laut Bericht der Bundesregierung eine Steigerung der öffentlichen Investitionen um 13 % und der Investitionen der Unternehmen ohne Wohnungsbau um 7,5 %. Selbst diese Zuwachsrate, meine Damen und Herren, kommt eben nicht dadurch zustande, daß man nun die Unternehmen oder die Unternehmer mit dem Zuruf aufmuntert: Nun investiert mal schön.
    Nein, unternehmerische Investitionsentscheidungen lassen sich nicht kommandieren. Sie hängen von Gewinnerwartungen, Finanzierungsmöglichkeiten und auch psychologischen Faktoren ab.

    (Abg. Ravens: Und von Nachfrage!)

    — Na, selbstverständlich, Herr Kollege. Wovon sonst?

    (Abg. Ravens: Eben, das ist die Frage!)

    Ich möchte zu den psychologischen Faktoren noch einiges sagen. Wer nun ständig von neuen Forde-



    Dr. Staratzke
    rungen und Ankündigungen, z. B. Nachholbedarf an sozialer Symmetrie, Steuererhöhungen, Soziallastensteigerung, mehr Mitbestimmung usw., erschreckt wird, der ist wahrhaftig nicht um seine Aufgabe zu beneiden, langfristige Investitionsentscheidungen treffen zu müssen.

    (Abg. Lange: Mindert die Mitbestimmung Gewinnerwartungen?)

    — Das löst Unsicherheit aus, Herr Kollege; das löst Unruhe aus; das löst das bekannte Unbehagen aus. Aber ich möchte auf diese Dinge nicht weiter eingehen.
    Ich möchte sagen, Herr Bundesfinanzminister, es ist Ihnen ganz sicher bekannt, daß 1 % mehr Sozialprodukt dem Bund rund 750 Millionen DM mehr an Steuern bringt — das wissen Sie —; diese Sozialproduktsteigerung läßt sich aber nun einmal nur durch Mehrinvestitionen schaffen. Das ist der Circulus vitiosus, der hier vorliegt. Dieser Circulus vitiosus hätte viel früher durch größere Anreize auf dem privatwirtschaftlichen Sektor aufgebrochen werden müssen.
    Die Sachverständigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben hier eigene Vorstellungen zu einem volkswirtschaftlichen Rahmenplan entwickelt. Ich darf auf das Sachverständigengutachten verweisen; es ist in den Ziffern 312 bis 332 nachzulesen. Statt daß nun seitens der Bundesregierung hier kräftige Anstrengungen unternommen worden wären, diesen Rahmenplan zu verwirklichen, hat die Bundesregierung nach meiner Meinung zu früh resigniert mit dem Hinweis, dafür sei die Zeit noch nicht reif. Ich meine, diese vorzeitige Resignation kann uns einige Prozent Sozialprodukt oder die notwendige Stabilität dieses Aufschwungs kosten.
    Ich komme nun zu dem Antrag. Meine Freunde und ich von der Fraktion der Freien Demokraten haben also in diesem Zusammenhang zu Beginn dieses Jahres - lesen Sie das Datum nach — einen Antrag eingereicht, der Ihnen vorliegt und der zum Inhalt hat, die Investitionssteuer doch noch zu senken oder alternativ von der Steuerprämie laut Stabilitätsgesetz Gebrauch zu machen

    (Abg. van Delden: Ist das nicht auch falsche Psychologie?)

    oder die Ergänzungsabgabe auszusetzen.
    Wir wissen, meine Damen und Herren, daß es in dieser Frage innerhalb der Großen Koalition schwere und harte Auseinandersetzungen gegeben hat — wir wissen das —, wobei dann der Plan des Herrn Bundeswirtschaftsministers schließlich reduziert und von allem entfernt worden ist, was man noch an Expansion oder an Auftrieb hätte vermuten können.
    Wir wissen auch über den Canossagang des Herrn Bundeswirtschaftsministers zur Bundesbank nach Frankfurt. Aber ich weiß nicht, ob diesem Hause auch klar ist, daß sich die Investitionssteuer z. B. am Schluß des Produktionsganges beim Übergang in den Verbrauch mit einer Belastung von ungefähr 1 % auf den Warenwert auswirkt. Sie belastet eben über die Kalkulation die Preise. Daß diese Investitionsteuer eindeutig hemmend ist, wird niemand bestreiten können. Investitionshemmnisse aber haben nicht nur eine bremsende Wirkung, einen bremsenden Einfluß auf die Steigerung des Sozialprodukts, sondern auch auf den technischen Fortschritt und damit auf die Rationalisierung schlechthin. Technischer Fortschritt und Rationalisierung, meine Damen und Herren, sind in unserer dynamischen Wirtschaft aber das, was wir im Hinblick auf die Konkurrenz der großen Industrienationen der Welt dringend brauchen. Ich brauche daran nicht zu erinnern. Herr Minister Schiller hat heute hier darauf sehr eindringlich hingewiesen. Ich teile diese Auffassung.
    Nun noch etwas. Eine Umfrage des Ifo-Instituts ergibt zu diesen Investitionen und ihren Auswirkungen folgendes. Der Rückgang allein der industriellen Investitionen betrug von 1966 auf 1967 11 %. Ein Rückgang um 11 %, bezogen auf die von der amtlichen Statistik für 1966 ermittelten Investitionen von rund 24,5 Milliarden DM, würde — und nun hören Sie genau zu — die gesamten Investitionen der Industrie 1967 wieder nahe auf den Stand von etwa 1962 bis 1964 herabdrücken. Da es sich hier aber um Bruttoinvestitionen handelt und die Abschreibungen entsprechend den in den Jahren 1965 und 1966 getätigten Investitionen gestiegen sind, dürften die Nettoinvestitionen 1967 sogar unter der Höhe von 1962 bis 1964 gelegen haben. Und das, meine Damen und Herren, trotz Sonderabschreibungen 1967!
    Die Zunahme der Investitionen um 5 %, von der das Ifo-Institut spricht — der Herr Minister hat eben von 7,5% gesprochen —, von 1967 auf 1968 würde den Rückgang von 1966 auf 1967 nur knapp zur Hälfte ausgleichen.
    Ich darf mir erlauben, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten auf einen Artikel in der „Welt" von
    gestern hinzuweisen, wo Herr Professor Giersch, der kein Unbekannter ist, der zu den Sachverständigen gehört, folgendes geschrieben hat, was ich Ihnen in diesem Zusammenhang nicht verheimlichen möchte:
    Investitionen, die 1968 unterbleiben, stehen 1969 nicht als Kapazität zur Verfügung. Nachdem schon 1967 Investitionen vertagt worden sind, muß dies die Wachstumsrate des Produktionspotentials vermindern,
    — jetzt kommt es —
    und zwar gerade zu jener Zeit, in der nach dem Willen der Bundesregierung der konjunkturelle Aufschwung seinen Höhepunkt erreichen soll.
    Und ein anderer Satz:
    Wenig förderlich für die gemeinsame Sicherung von Stabilität und Wachstum war allerdings auch die uneingeschränkte Ablehnung jeglicher konjunkturanregender Maßnahmen durch den Bundesfinanzminister. Hätte er nicht eiligst „nein" gesagt, sondern „ja, aber", und zwar unter der Bedingung, daß sich die Tarifpartner zu einem stabilitätskonformen Lohnverhalten



    Dr. Staratzke
    verpflichten, so wären echte Verhandlungen vielleicht doch in Gang gekommen. So wie die Dinge heute liegen, kann jede Seite den Schwarzen Peter der anderen zuschieben.
    Ich meine, schon aus diesem Grunde — dieses Loch von 1967, die Frage des technischen Fortschritts und was damit zusammenhängt — müßte etwas Entscheidendes geschehen, um diese Investitionen anzuregen, damit wir nicht in eine Stagnation oder gar in einen Rückschritt in der technischen Entwicklung und in der Rationalisierung unserer Wirtschaft kommen.
    Ich sage noch einmal, die Wirtschaft hier aufzumuntern mit den Worten „Arbeitsplätze sichern", „Arbeitsplätze halten", „Nun investiert mal schön", wird bei diesen Belastungen nicht zu dem Erfolg führen, den wir alle so dringend erhoffen und den wir so dringend brauchen.
    Noch ein Wort zu denjenigen — ich weiß ganz genau, daß das kommt —, die immer der Meinung sind, man müsse nun einmal Ruhe geben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nennen Sie das „Steuerruhe" oder nennen Sie das „Steuerfrieden", wenn sich seit anderthalb Jahren die Steuerwelle bewegt? Wir kennen es ja zur Genüge, sollten es aber immer noch mal optisch hier vorführen: Sektsteuererhöhung, Branntweinsteuererhöhung, Tabaksteuererhöhung, Ergänzungsabgabe, Mehrwertsteuererhöhung, Investitionsteuer, jetzt kommt die Beförderungsteuer, ja das Wort „Grundsteuererhöhung" ist schon im Munde. Das ist doch nicht „Steuerfriede" oder „Steuerruhe", wie es hier immer wieder gepredigt wird.
    Es gibt auch eine ganze Reihe von Leuten, die sagen, man dürfe nicht den Attentismus fördern. Meinen Sie, eine heute schon bestehende degressive Investitionsteuerstaffel von 8 % im Jahre 1968 und 7 % im Jahre 1969 usw. usf. führe nicht zum Attentismus? Hier ist der Attentismus ja schon strukturell vorgegeben, und jeder, der jetzt nicht dringendst investieren muß, wird es sich ganz sicher überlegen, ob er dies bei den augenblicklichen Belastungen tun soll.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wenn wir anfingen — was man natürlich eigentlich tun müßte —, bei der Konjunkturbelebung auch noch sektoral zu differenzieren, müßte ich Ihnen, meine Damen und Herren, aus der Praxis sagen, daß in dieser Rezessionsphase in manchen kapitalintensiven Bereichen die Investitionen um 20 bis 30 % einfach zurückgestellt worden sind und daß der technische Fortschritt damit natürlich in ganz und gar unzulänglichem Maße realisiert worden ist. Ich würde es deshalb, selbst wenn rein konjunkturpolitisch keine Gründe mehr dafür sprächen, trotzdem für notwendig halten, hier eine befristete Investitionsförderung im Sinne der Aussetzung oder Ermäßigung der Investitionsteuer vorzusehen, schon allein damit der Anschluß an die frühere Entwicklung und an den Rationalisierungsstand der deutschen Wirtschaft wieder sichergestellt wird.
    Ich möchte mich zunächst in der Begründung meines Antrags auf diesen Schwerpunkt beschränken und das Hohe Haus bitten, unserem Antrage zuzustimmen und ihn an den Wirtschaftsausschuß als federführenden Ausschuß zu überweisen. Ich will damit nicht zum Ausdruck bringen, daß wir auf der Federführung des Wirtschaftsausschusses bestehen. Ich glaube, die Frage ist noch nicht geklärt. Daran würden wir nicht unbedingt hängen.

    (Beifall bei der FDP.)