Rede von
Dr.
Ulrich
Lohmar
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, damit ist das Thema, über das ich soeben gesprochen habe, beendet.
Der Kollege Martin hat die sozialdemokratische Fraktion und mich im besonderen im Verdacht, mit dem Antrag, den wir hier stellen, einen Beitrag — um in der Sprache meines Freundes Professor Ehmke zu sprechen — zur Theorie und Praxis des begrenz-
Dr. Lohmar
ten Konflikts innerhalb der Koalition zu leisten. Das ist nicht unsere Absicht, sondern uns geht es darum, der Bundesregierung und insbesondere dem Wissenschaftsminister durch präzise Hinweise bei der weiteren eigenen Meinungsbildung etwas behilflich zu sein — wenn ich es einmal freundlich so umschreiben darf.
Ihr Einwand, Herr Kollege Martin, daß man Bildungswesen und Wissenschaftssystem insbesondere wegen der Unterschiedlichkeit der Intentionen von Bildung und Forschung nicht in einem Planungssystem zusammenfassen könne, hat natürlich etwas für sich, wenn man die unterschiedlichen Aspekte ins Auge faßt. Aber beide, Bildungswesen und Forschung, Schulen und Universitäten sind Teile des Ausbildungssystems in unserer Gesellschaft, und soweit es sich um ein Ausbildungssystem handelt, brauchen wir in der Tat sachlich und zeitlich dringend die Integration unserer schulischen, unserer außerschulischen und unserer Hochschulausbildung. Ich sehe deswegen nicht recht ein, warum die sozialdemokratische Fraktion von ihrer Forderung abrücken sollte, dieses Thema auf der wirklich obersten Etage zwischen Bundesregierung und Bundesländern zu behandeln und weiterzutreiben. Ob Sie das nun Planungssystem nennen oder anders, ist uns ganz gleichgültig; uns interessiert nur, daß der Bundeskanzler endlich die Institutionen in Bewegung bringt, die in diesem Staat dafür eingerichtet worden sind und wo er in einer wesentlichen dieser Institutionen selber den Vorsitz hat. Das erwarten wir vom Regierungschef.
Ich möchte ganz wenige präzisierende Bemerkungen zu dem Teil machen, der sich mit der wissenschaftlichen Beratung der Politik beschäftigt. Zu den anderen Fragen werden meine Fraktionskollegen Liedtke und Dr. Müller etwas sagen.
Die Bundesregierung wird nach Auskunft des Bundeskanzleramtes zur Zeit gelegentlich oder ständig von mehr als tausend Wissenschaftlern beraten. Man müßte also, wenn man die Zahl nimmt, eigentlich vermuten, daß die Regierung in Weisheit umkommt. Das ist aber nicht der Fall. Es gibt zwar eine große Zahl von Beiräten, Kommissionen usw. Es gibt Professoren, die gleichzeitig in acht oder zehn Beiräten sitzen. Man fragt sich, wie sie das überhaupt noch machen. Aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist, daß es keine Stelle in der Bundesregierung gibt, wo die Hinweise, die Resultate, die Vorschläge der einzelnen Wissenschaftler für die Gesamtpolitik der Bundesregierung gesichtet, ausgewertet und angewandt werden. Das kann nach Lage unserer Verfassung nur im Bundeskanzleramt geschehen; denn immerhin soll der Bundeskanzler ja die Richtlinien der Politik bestimmen und nicht, wie in der Großen Koalition, vollziehen. Dann muß man sich doch überlegen, ob der Kanzler nicht einen Planungsstab braucht. Das hat sich Herr Kiesinger auch selber überlegt, als er Regierungschef wurde. Aber das, was man über das Schicksal dieses Planungsstabes gehört hat, kann einen nur außerordentlich pessimistisch stimmen.