Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Herren Vorredner haben in ihren Ausführungen den Eindruck vermittelt und haben es auch zum Teil ausgesprochen, daß unter den Fraktionen dieses Hauses hinsichtlich der Einführung einer zweiten Instanz in allen Staatsschutzstrafsachen Einmütigkeit bestehe. Ich glaube auch, daß von keiner Seite ernsthafter Widerstand geleistet würde, wenn ein praktikabler Vorschlag käme. Ich möchte aber am Schluß doch noch einmal in Erinnerung rufen, daß die Sache nicht so einfach liegt, wie man am Ende der Debatte glauben könnte. Wer die Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz aufmerksam verfolgt hat, hat das auch eindeutig gemerkt.
Es ist so, daß wir in einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren normalerweise zwei Instanzen für notwendig halten. In der Denkschrift des Herrn Bundesjustizministers Dehler wird ganz richtig darauf hingewiesen, daß wir unsere Gerichtsverfahren mit um so mehr Instanzen ausgestattet haben, je geringer die Kriminalität ist. Die kleine Kriminalität, die am Amtsgericht abgeurteilt wird, hat die Berufung und die Revision, die stärkere Kriminalität, die in erster Instanz vor die Strafkammern und vor die Schwurgerichte kommt, hat nur noch die Revision, und die schweren Staatsschutzdelikte, vor allem Hochverrat, Landesverrat, Verfassungsverrat, werden in einer Instanz ohne ein Rechtsmittel abgeurteilt.
Der Bundestag stand seinerzeit in einer Entschließung vom 11. Juli 1951 auf dem Standpunkt: Rechtsstaatliche Grundsätze erfordern, daß nicht ein und dasselbe Gericht im ersten und letzten Rechtszug entscheidet. Der damalige Bundesjustizminister Dr. Dehler dagegen erklärte in seiner Denkschrift — auch nicht zu Unrecht —, daß es einen zwingenden Grundsatz, in der rechtsstaatlichen Justiz immer mit zwei Instanzen zu arbeiten, nicht gebe. Er hat auch darauf hingewiesen, daß man an den Schutz der Bundesrepublik denken müsse, wenn man in zwei Instanzen die Bundesrepublik zwinge, vor den Gerichten der Länder in ihren eigenen Sachen, da, wo sie durch Hoch- und Landesverrat bedroht worden sei, Recht zu nehmen.
Von allen Vorschlägen, die zur Einführung einer zweiten Instanz in Staatsschutzstrafsachen gebracht worden sind, ist wohl nur der plausibel, die erste Instanz bei den Oberlandesgerichten einzuführen. Aber dann kommt es sehr entscheidend auf die Stellung an, die der Generalbundesanwalt in solchen Strafverfahren besitzt. Es genügt dann nicht, daß der Generalbundesanwalt allein das Recht hat, in einer _Revision vor dem Bundesgerichtshof die Sache zu vertreten, wenn es in der Entscheidung der Staatsanwälte der Länder liegt, ob sie Revision einlegen wollen. Der Generalbundesanwalt müßte das Recht haben, Revision gegen die Urteile der Oberlandesgerichte einzulegen. Aber das allein würde noch nicht genügen. Er müßte auch das Recht haben, dafür zu sorgen, daß es überhaupt in erster Instanz zu einer Anklage und zu einem Verfahren kommt. Darüber hinaus müßte ihm die Stellung eingeräumt werden, daß er bei der Ermittlung des Sachverhalts vor den Oberlandesgerichten entsprechend mitwirken kann.
Das allerdings ist eine Angelegenheit, die dieses Haus allein nicht erledigen kann. Das kann nur die Bundesregierung, insbesondere der Herr Bundesminister der Justiz, in Vereinbarungen mit den Ländern erreichen. Wir befinden uns hier auf einem Gebiet des Grundgesetzes, wo die Landesjustizhoheit berührt wird, wenn etwas Neues eingeführt werden soll. Hier hängt es davon ab, daß wir eine praktikable Lösung finden, die der Justizhoheit der Länder, aber auch dem Interesse des Bundes an einer entsprechenden Verfolgung der gegen die Sicherheit des Bundes und gegen das Grundgesetz gerichteten Verbrechen gerecht wird.