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    Deutscher Bundestag 129. Sitzung Bonn, den 26. Oktober 1967 Inhalt: Abg. Dr. Hellige tritt der CDU/CSU-Fraktion bei 6493 A Amtliche Mitteilungen 6493 A Fragestunde (Drucksachen V/2188, zu V/2188) Frage der Abg. Frau Funcke: Durchführungsbestimmungen zur Mehrwertsteuer Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 6493 B Frau Funcke (FDP) 6493 D Fragen der Abg. Frau Funcke: Höhe der Lohnsteuerausfälle durch kurzfristig beschäftigte ausländische Arbeitskräfte — Anträge auf Lohnsteuerjahresausgleich Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 6494 A Dr. Imle (FDP) 6494 B Frage des Abg. Borm: Zuschüsse zum Berlin-Flugverkehr Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 6494 C Borm (FDP) 6494 D Frage des Abg. Cramer: Rechtsbehelfsbelehrung zum Fragebogen für die EinheitswertbescheidHauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 — Vordruck EW 118 — Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 6495 A Cramer (SPD) 6495 B Frage des Abg. Cramer: Erschwerte Nachprüfung der Berechnungs- und Entscheidungsgrundlagen des Einheitswertbescheides Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 6495 C Cramer (SPD) 6495D Dr. Enders (SPD) 6496 A Dr. Stecker (CDU/CSU) 6496 A Fragen des Abg. Kiep: Wettbewerbsbeschränkungen beim Verfahren der gegenwärtigen Ausschreibung des Entwicklungsfonds der Europäischen Gemeinschaften für die Erstellung einer Seewasserdestillation auf den Niederländischen Antillen . . 6496 B II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 Frage des Abg. Dr. Stecker: Maßnahmen zur Beseitigung der Ölrückstände nach dem Auslaufen der Altölbeihilfen Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6496 C Dr. Stecker (CDU/CSU) . . . . . 6496 D Dr. Imle (FDP) 6496 D Frage des Abg. Dr. Stecker: Förderung des Baues von Verbrennungsanlagen mit Bundes- oder ERP- Darlehen an private Unternehmungen Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär.. . . . . . . . 6497 A Dr. Imle (FDP) . . . . . . . . 6497 A Frage des Abg. Westphal: Unterschiede in der Entwicklung des Kohlenbergbaues zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 6497 B Westphal (SPD) 6497 C Frage des Abg. Westphal: Unterschiedliche Auswirkung des Montanunionvertrages auf den verstaatlichten bzw. den privatwirtschaftlich organisierten Bergbau Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6497 D Westphal (SPD) . . . . . . . . 6497 D Frage des Abg. Zebisch: Fördermaßnahmen zur Ansiedlung weiterer Industriebetriebe in den Lkr. Thirschenreuth, Neustadt-Waldnaab, Eschenbach, Kemnath und im Stadtkreis Weiden 6498 B Fragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Tankstellengewerbe — Einkommenssituation, wirtschaftliche und rechtliche Lage, Schutz vor dem Mißbrauch wirtschaftlicher Macht durch die Mineralölgesellschaften Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 6498 C Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 6498 C Frage des Abg. Dröscher: Angebot einer amerikanischen Firma an das deutsche Elektro-Unternehmen Braun AG auf Übernahme der Aktienmajorität Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6499 D Dr. Mommer, Vizepräsident . . . 6499 D Dröscher (SPD) . . . . . . . . 6500 B Moersch (FDP) . . . . . . . . 6500 D Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 6501 A Frage des Abg. Walter: Leistungsfähigkeit der Gemeinden am Zonenrand Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 6501 C Genscher (FDP) 6501 C Frage des Abg. Weigl: Befreiungsmöglichkeit für jüngere Angestellte in der gesetzlichen Rentenversicherung 6502 A Fragen des Abg. Kubitza: 370-m-Rundbahn im Bereich der Luitpold-Kaserne in Dillingen (Donau) Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6502 B Kubitza (FDP) . . . . . . . . 6502 B Frage des Abg. Kubitza: Allwetter-Hartplatz in dem erwähnten Kasernengelände Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 6502 D Kubitza (FDP) 6502 D Fragen des Abg. Lemper: Bundessprachenschule in Euskirchen Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6503 A Lemper (SPD) . . . . . . . . . 6503 A Weiland (CDU/CSU) . . . . . . 6503 D Frage des Abg. Cramer: Angebliche Absicht zur Verlegung des Marineamtes von Wilhelmshaven Adorno, Parlamentarischer Staatssekretär 6503 D Cramer (SPD) 6504 A Frage des Abg. Geldner: Schwierigkeiten für die bayerischen Zonenrandgebiete durch Erhöhung der Transportkosten und vorgesehene Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 III Streckenstillegungen bei der Bundesbahn Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6504 B Geldner (FDP) . . . . . . . . 6504 B Fragen des Abg. Haehser: Ermittlung der bei einem Fahrplanwechsel entstehenden Kosten Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 6504 C Frage des Abg. Ramms: Aufbesserung des Eigenkapitals der Deutschen Bundesbahn wegen Übernahme der Zinslasten durch den Bund Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6505 A Fragen des Abg. Peiter: Aufnahme der Stadt Marienberg (Westerw.) in das Verzeichnis der Fern- und Nahziele , 6505 A Fragen des Abg. Weigl: Vermeidung sozialer Härten bei etwa notwendiger Versetzung einer größeren Zahl von Eisenbahnern bei der Verkehrskontrolle II in Weiden (Oberpf.) . . . . . . . . . . . 6505 B Frage des Abg. Dr. Enders: Zahl der im Jahre 1967 auf dem Schulweg tödlich verunglückten Schüler Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 6505 C Frage des Abg. Dr. Enders: Wirksamer Schutz für Kinder auf dem Schulweg Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6505 D Frage des Abg. Dr. Enders: Staffelung der Anfangszeiten des Schulunterrichts und Schaffung von Über- und Unterführungen an gefährlichen Straßenübergängen Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6506 A Dr. Enders (SPD) . . . . . . . 6506 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Überprüfung der Sicherungsvorschriften für den Luftfracht- und Luftpostverkehr bei der Flughafen AG Frankfurt (Main) Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 6506 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6506 C Frage des Abg. Dr. Wuermeling: Verkehrssituation am Bahnübergang Wallen bei Linz/Rhein Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 6506 C Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . . 6506 D Josten (CDU/CSU) 6507 A Fragen des Abg. Zebisch: Schnellstraßen in den Lkr. Thirschenreuth, Neustadt-Waldnaab, Eschenbach, Kemnath sowie in der gesamten Oberpfalz — Termin für den Ausbau der Autobahn Nürnberg—Amberg—Waidhaus und der Bundesstraße Regensburg—Weidenhof 6507 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das. Rechnungsjahr 1968 (Haushaltsgesetz 1968) (Drucksache V/2150), in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil — Finanzänderungsgesetz 1967 (Drucksache V/2149) —, mit Entwurf eines Gesetzes über die Verbilligung von Gasöl für Betriebe der Landwirtschaft (Gasöl-Verbilligungsgesetz — Landwirtschaft) (Drucksache V/2194) — Fortsetzung der Ersten Beratung —, mit Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bildung eines Rates für Finanzplanung (Finanzplanungsrat) (Drucksache V/2134) sowie mit Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission zur Vorbereitung einer Reform der direkten und indirekten Steuern (Drucksache V/2164) Spitzmüller (FDP) 6507 D Dr. Schellenberg (SPD) 6514 D Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . 6522 B Stingl (CDU/CSU) 6524 A Katzer, Bundesminister 6549 B Büttner (SPD) . . . . . . . 6557 B Mischnick (FDP) . . . . . . . 6558 C Dr. Götz (CDU/CSU) 6566 A Ollesch (FDP) 6568 A Geiger (SPD) 6570 D Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . 6572 A Frau Funcke (FDP) 6573 B Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 6575 A Mertes (FDP) 6575 B IV Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Brandt, Bundesminister . . . . . 6532 A, 6546 A Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 6533 B, 6541 C von Kühlmann-Stumm (FDP) . . . 6534 B Dr. Furler (CDU/CSU) . . . . . 6537 C Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 6539 C Dr. Mende (FDP) . . . . . . . 6543 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 6545 A Genscher (FDP) . . . . . . . 6547 C Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 6548 C Sammelübersicht 23 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Übersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 18. Oktober 1965 bis 30. September 1967 eingegangenen Petitionen (Drucksache V/2181) Entwurf eines Zehnten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Zehntes Rentenanpassungsgesetz — 10. RAG) (Drucksache V/2182) — Erste Beratung —, in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen (Sozialbericht 1967) sowie das Gutachten des Sozialbeirats über die Rentenanpassung (Drucksache V/2117) Becker (CDU/CSU) 6575 D Killat (SPD) 6576 D Entwurf eines Gesetzes über den rechtlichen Status der Rhein-Main-DonauGroßschiffahrtsstraße zwischen dem Main und Nürnberg und über die damit zusammenhängenden Eigentumsverhältnisse (Drucksache V/1820); Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache V/2195) ; Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses (Drucksache V/2176) — Zweite und dritte Beratung — 6578 B Entwurf eines Gesetzes zur Förderung freiwilliger sozialer Hilfsleistungen (Abg. Horten, Porten, Frau Schroeder [Detmold], Frau Dr. Schwarzhaupt, Teriete u. Gen.) (Drucksache V/1966) 6578 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Beschleunigung der Erteilung von Sichtvermerken (Drucksache V/2163) . . . . 6578 C Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses über die Vorschläge der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Einbeziehung von Bruchreis zur Stärkeerzeugung und von Quellmehl in die Verordnung Nr. 178/67/EWG zur Festsetzung der Erstattung bei der Erzeugung von Getreide- und Kartoffelstärke und Quellmehl eine Verordnung des Rats zur Festlegung der Interventionsbedingungen für Ölsaaten in den letzten beiden Monaten des Wirtschaftsjahres und zur Festlegung der Grundsätze für den Absatz der von Interventionsstellen aufgekauften Saaten (Drucksachen V/2047, V/2060, V/2173) 6578 D Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über das Vorgehen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der den Unternehmen des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs auferlegten Verpflichtungen, die unter den Begriff des öffentlichen Dienstes fallen (Drucksachen V/1858, V/2177) 6578 D Entwurf eines Gesetzes über eine Holzstatistik (Drucksache V/2180) — Erste Beratung — 6579 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. September 1966 mit dem Königreich der Niederlande über die Regelung der Grenzübergänge der Eisenbahnen (Drucksache V/2189) — Erste Beratung — 6579 A Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes (Drucksache V/1749); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache V/2186) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 6579 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen Tätigkeiten des Filmverleihs (Drucksachen V/1744, V/2183) 6579 C Nächste Sitzung 6579 D Anlagen 6581 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 6493 129. Sitzung Bonn, den 26. Oktober 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 128. Sitzung, Seite 6463 D, Zeile 22 statt 10. September 1966: 10. November 1966. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 27. 10. Arendt (Wattenscheid) 30. 10. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 27. 10. Bading * 26. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Behrendt * 27. 10. Bergmann * 27. 10. Böhm 3. 11. Deringer 27. 10. Dr. Dittrich * 27. 10. Frau Dr. Elsner 27. 10. Dr. Emde 27. 10. Frau Geisendörfer 26. 10. Freiherr von Gemmingen 27. 10. Gerlach * 27. 10. Gibbert 27. 10. Haase (Kellinghusen) 28. 10. Hamacher 27. 10. Hussong 27. 10. Jacobi (Köln) 26. 10. Dr. Jungmann 31. 10. Kiep 27. 10. Koenen (Lippstadt) 27. 10. Kriedemann * 26. 10. Dr. Kübler 31. 10. Kunze 31. 10. Lange 26. 10. Lenz (Brühl) 31. 10. Liehr 10. 11. Dr. von Merkatz 3. 11. Merten 31. 10. Müller (Aachen-Land) * 27. 10. Paul 23.10. Dr. Schulz (Berlin) 30. 11. Dr. Starke (Franken) 27. 10. Steinhoff 27. 10. Strohmayr 26. 10. Stücklen 27. 10. Freiherr von Vittinghoff-Schell 26. 10. Weigl 27. 10. Dr. Wilhelmi 27. 10. b) Urlaubsanträge Dr. Miessner 6. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Exner (CDU/CSU) zu Punkt 3 der Tagesordnung. Zu den Maßnahmen, die die Bundesregierung im Rahmen ihrer mittelfristigen Finanzplanung zur Anlagen zum Stenographischen Bericht Konsolidierung der Bundesfinanzen und zum Ausgleich der Haushalte der kommenden Jahre vorschlägt, gehört auch der Vorschlag, in der Rentenversicherung der Angestellten die Pflichtversicherungsgrenze zu beseitigen. Alle Angestellten, deren Monatseinkommen die Grenze von DM 1800 übersteigt, sollen künftig grundsätzlich der Pflicht zur Mitgliedschaft in der Rentenversicherung unterliegen. Wir haben über diese Frage, seit die Bundesregierung ihre Absicht bekanntgegeben hat, in der Offentlichkeit eine recht lebhafte Diskussion gehabt. Dabei hat sich gezeigt, daß der Vorschlag der Bundesregierung keineswegs nur Beifall gefunden hat; es hat zum Teil recht kritische Stimmen gegeben, und es darf auch nicht verschwiegen werden, daß auch in unserer Fraktion in dieser Frage bis zur Stunde die letzten Bedenken keineswegs ausgeräumt sind. Nun hat der Verlauf der bisherigen Diskussion zu dieser Frage es den Interessierten in gleicher Weise wie den Betroffenen nicht gerade leicht gemacht, für die eigene Urteilsbildung die notwendige sachliche Übersicht und Einsicht gewinnen zu können. Kräftige ideologische Nebelbildung hat der wünschenswerten Klarsicht hier deutlich im Wege gestanden. Lassen sie mich deshalb zunächst einmal in diesem Zusammenhang auf einige grundsätzliche Tatbestände verweisen: Ich darf als erstes daran erinnern, daß wir in der Rentenversicherung der Arbeiter bisher zu keiner Zeit eine Pflichtversicherungsgrenze gekannt haben. Alle in abhängiger Tätigkeit beschäftigte Arbeiter sind, unabhängig von ihrer Einkommenshöhe, in der Rentenversicherung der Arbeiter pflichtversichert. Das gleiche gilt für die knappschaftliche Rentenversicherung, nur mit dem einen bemerkenswerten Zusatz, daß diese unbeschränkte Mitgliedspflicht hier immer auch für die Angestellten gegolten hat. Ausgenommen sind lediglich Angestellte mit Arbeitgeberfunktion. Es ist also durchaus keine so einschneidende Neuerung und auch schon gar nicht als ein Abweichen von der in der Rentenversicherung bisher bestimmend gewesenen Leitlinie anzusehen, wenn die Versicherungspflicht nunmehr auch auf alle Angestellten ausgedehnt werden soll. Viel eher wird man davon sprechen können, daß mit diesem Schritt in einem wesentlichen Bereich unseres Systems sozialer Sicherheit eine längst überfällige Abrundung vorgenommen werden soll. Sicherlich wäre es aber unzureichend, wenn man unterstellen wollte, daß es in der Bundesregierung mit dieser Maßnahme lediglig darum ginge, den Rentenversicherungsträgern eine zusätzliche Einnahme zu verschaffen, um für die Bundeshaushalte der kommenden Jahre eine entsprechende Entlastung zu haben. Wenn man nun ein einigermaßen vollständiges Bild über die allgemeine Situation zu Beginn der breiten Diskussion in diesem Fragenkomplex geben will, so darf der Hinweis auf die Darlegungen der 6582 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 Sozialenquete-Kommission in dieser Frage nicht fehlen. Die Wissenschaftler haben sich sehr eindeutig für die Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze ausgesprochen. Sie verweisen zur Begründung vor allem auf die nach ihrer Ansicht für eine auf dem Umlageverfahren basierende Rentenversicherung unerläßliche Solidarhaftung der Generationen untereinander. Davon dürfte der höher verdienende Angestellte nicht ausgenommen sein. Das ist in der Tat der entscheidenste Gesichtspunkt. In einer Rentenversicherung, die auf dem Umlagesystem aufgebaut ist — und kein anderes System wäre für unsere Rentenversicherung heute denkbar —, bestimmt sich die Einzelleistung in Form der Rente nicht allein aus der eigenen eingebrachten Vorleistung, sondern immer zugleich auch aus der Leistungskraft der Versichertengemeinschaft. Die aktive Generation hat die Rentenleistungen für die inaktive Generation durch ihre Beiträge aufzubringen, und es ist nicht einzusehen, warum die höher verdienenden Angestellten von der Einkommensverteilung zugunsten einkommensschwächerer Schichten, die damit zwangsläufig verbunden ist, ausgenommen bleiben sollen. Wenn die Leistungskraft der Versichertengemeinschaft für die Einzelleistung der Rentenversicherung ein so entscheidender Faktor ist, dann ist die Sicherung dieser Leistungskraft auch als die entscheidende Grundlage einer vorausschauenden Politik für unsere Rentenversicherung anzusehen. Daraus ergeben sich Konsequenzen, vor allem auch für die Frage der freiwilligen Weiterversicherung, die im Zusammenhang mit der Diskussion um die Beseitigung der Pflichtversicherungsgrenze immer eine wesentliche Rolle gespielt hat. Von bestimmter Seite wird nämlich die Auffassung vertreten, daß eine Erleichterung zur freiwilligen Weiterversicherung an Stelle der Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze zu einem kaum nennenswert anderen Ergebnis, vor allem finanziell, führen würde. Wenn die Rentenversicherung auf die Sicherung ihrer finanziellen Grundlage aus den eben dargelegten Gründen einen so großen Wert legen muß, dann braucht sie vor allem konstante Beitragseinnahmen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß sie nur einen begrenzten Kreis freiwilliger Mitglieder gebrauchen kann, die ja selber darüber bestimmen wollen, wann und in welcher Höhe sie Beiträge entrichten oder ob sie es überhaupt tun sollen. Jede Ausweitung dieses Personenkreises bedeutet daher immer auch eine Vergrößerung des Unsicherheitsfaktors für die Rentenversicherung, der sich ohnehin nicht ganz ausschalten läßt. Niemand denkt heute daran, die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung einzuengen oder sie gar völlig zu beseitigen. Man sollte aber andererseits aus den dargelegten Gründen Verständnis dafür haben, daß eine Ausweitung der freiwilligen Versicherung über das heute vorhandene Maß hinaus ebensowenig in Frage kommen kann. Daß es nach Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze für die Wertung und Behandlung früherer freiwilliger Beiträge Probleme gibt, ist unbestritten. Aber für diese Fragen werden sich Lösungen finden. In der heutigen Debatte anläßlich der ersten Lesung des Gesetzes muß es uns in erster Linie um die Grundsätze gehen. Wir wollen ja hier keine Ausschußarbeit betreiben. Zum Abschluß dieses Kapitels kann ich daher nur sagen: Beibehaltung der freiwilligen Weiterversicherung — ja —; Ausweitung der freiwilligen Weiterversicherung — nein —! Ich habe eben betont, daß die Versicherungspflichtgrenze vor allem beseitigt werden soll, weil allein auf diesem Wege der höherverdienende Angestellte zur Solidarhaftung der Generationen herangezogen werden kann. Damit erübrigt es sich eigentlich, noch auf eine andere kritische Frage einzugehen, die bei den Erörterungen um diese Dinge immer wieder aufkommt, auf die Frage nämlich, ob der leitende Angestellte, der vielzitierte Generaldirektor also, in bezug auf seine Alterssicherung plötzlich schutzbedürftig geworden sei. Davon kann gewiß keine Rede sein, obwohl eine Einsichtnahme in die Unterlagen unserer Sozialämter einem sehr rasch zeigen kann, daß auch für manchen dieses Personenkreises der glanzvolle berufliche Werdegang eben doch vor den Schaltern der Sozialämter endet. Auch dieser Gesichtspunkt darf bei der persönlichen Einstellung zur Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze nicht unberücksichtigt bleiben. In einer Industriegesellschaft mit ihren oft überstürzend raschen Veränderungen sind eben alle in einem ganz anderen Maße in ihrer existenziellen Sicherheit gefährdet als je zuvor. Bleibt noch zu erwähnen, daß durch die Beitragsbemessungsgrenze wie sie in der Rentenversicherung Geltung hat, der nunmehr pflichtversicherte höherverdienende Angestellte ja auch nur eine gewisse Grundsicherung erreichen kann. Je höher-sein persönlich-es Einkommen diese Beitragsbemessungsgrenze übersteigt, desto mehr wäre er unterversichert, müßte er auf privater Basis für eine zusätzliche Alterssicherung Sorge tragen. Im übrigen hat die Sozialenquete-Kommission in ihrem Bericht einen Tatbestand erwähnt, der die ganze Frage der Mitgliedspflicht in der Rentenversicherung in einem neuen Licht erscheinen läßt. Die Wissenschaftler verweisen nämlich auf einen bernerkenswerten Wandel, der sich bei jüngeren höherverdienenden Angestellten in den letzten Jahren in ihrer Einstellung zurgesetzlichen Rentenversicherung vollzogen hat. Bei diesem Personenkreis, so etwa sagt die Sozialenquete-Kommission, überwiegt eindeutig -der Wunsch nach Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung. Es gebe heute in diesen Kreisen das Gefühl des Aufgeschlossenseins, ganz im Gegensatz zu früher; wo jede Ausdehnung des Kreises ,der Pflichtversicherten als Zwang angesehen wurde. Die Sozialenquete-Kommission gibt für (diesen Wandel eine ebenso ausführliche wie einleuchtende Begründung. Man spürt heute eben stärker, daß man gegenüber ,den elementaren Risiken des Lebens wie dem Risiko des Währungsverfalls, des Arbeitsplatzverlustes, der Invalidität usw. in einer auf Gesetz beruhenden allgemeinen Versicherung am besten gesichert sei. Es kann so kaum bestritten werden, daß in Kreisen der Betroffenen bestenfalls Teile -der älteren Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 6583 Angestellten mit dem Vorschlag der Bundesregierung nicht einverstanden sind, weil sie in der Regel entweder auf privater Basis oder im Wege der freiwilligen Weiterversicherung bei ,der gesetzlichen Rentenversicherung für ihr Alter vorgesorgt haben und nun eine Schlechterstellung befürchten. Im übrigen muß auf die vorgesehene Befreiungsmöglichkeit als Übergangslösung für alle jene verwiesen werden, die entweder das 50. Lebensjahr vollendet haben oder die sich für ihr Alter bei einer privaten Lebensversicherung in einer vergleichbaren Weise versichert haben. Über den Streit, wie viele Angestellte von dieser Befreiungsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch machen werden, möchte ich mich nicht näher auslassen. Nur eines scheint mir erwähnenswert: Von niemandem, der die von der Bundesregierung angenommene Quote von 20 % bestreitet, konnten bisher auch nur annähernd stichhaltige Angaben für eine andere Quotegemacht werden. Die Tatsache jedoch, daß diese Zweifel 'aus der gleichen Richtung kommen, aus der auch 1957 bei der großen Rentenreform die stärksten Zweifel geäußert wurden, sollte uns zu denken geben. Als Letztes möchte ich zur Begründung für die Aufhebung der Pflichtversicherungsgrenze auf die doch sicherlich bevorstehende Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für freie Berufsgruppen hinweisen, zu der sich ja alle Parteien bereits grundsätzlich bekannt haben. Nur durch die Beseitigung der Pflichtversicherungsgrenze kann letztlich der groteske Zustand vermieden werden, daß am Ende der Einzelhändler Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung ist und der leitende Angestellte seines Unternehmens nicht. Alles in allem ist der Schritt, der hier gemacht werden soll, sicherlich nicht als eine Maßnahme im Sinne einer großen Sozialreform anzusehen; wer so argumentiert, der scheint mir zu übertreiben. Aber ganz gewiß wird diese Entscheidung der Rentenversicherung nicht nur eine Mehreinnahme einbringen; von ihr werden vielmehr auf lange Sicht unzweifelhaft starke harmonisierende und das ganze System sozialer Sicherung abrundende Wirkungen ausgehen. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Geldner (FDP) zu Punkt 3 der Tagesordnung. Offensichtlich hat es in bestimmten Regierungskreisen Erstaunen hervorgerufen, als welch stabiler Faktor sich gerade die kleineren und mittleren Betriebe in der rückläufigen konjunkturellen Entwicklung erwiesen haben. Es hat sich nämlich gezeigt, daß in diesem Bereich unserer Wirtschaft — und das gilt insbesondere für das Handwerk mit seinen über 4 Millionen Beschäftigten in rund 650 000 Betrieben — ,die Arbeitslosigkeit im Durchschnitt weit geringer war als in anderen Bereichen, in denen Großbetriebe auf die Herstellung von Massengütern spezialisiert waren. Für uns Freie Demokraten war dies keine erstaunliche Erscheinung, weil wir wissen, in welch mannigfacher Weise gerade diese Sektoren sich auch schon in der Vergangenheit, d. h. auch während der Hochkonjunktur, als anpassungsfähig erweisen mußten, wenn sie sich in dem ständig wandelnden Prozeß der Bedarfsänderung behaupten wollten. Dieses jahrzehntelange Training auf der Basis einer umfassenden und — wie sich eben jetzt wieder erweist — guten und praxisnahen Ausbildung hat gerade die kleineren und mittleren Betriebe in den vergangenen Monaten in die Lage versetzt, sich den konjunkturellen Wandlungen elastisch anzupassen. Das hat sich insbesondere als ein großer Vorteil für die beschäftigten Arbeiter und Angestellten erwiesen, da hierdurch ihr Arbeitsplatz weit sicherer war und weit sicherer ist als in manchen Großbetrieben, die in der Vergangenheit mit mancherlei Vergünstigungen und dem Versprechen einer Lebensstellung geworben hatten. Es hat uns daher sehr gefreut, festzustellen, daß der Herr Bundesarbeitsminister diese Situation richtig erkannt hat, wie wir seinen Feststellungen und Ausführungen auf dem Handwerkskammertag entnehmen. Es ist aber in diesem Zusammenhang eine ernste Frage an die Bundesregierung zu richten. Wie will die Bundesregierung dazu beitragen, daß in Erkenntnis dieser Situation Maßnahmen getroffen werden, die gerade diesen Sektor vor weiteren einschneidenden Kostensteigerungen einigermaßen bewahren? Es ist kein Geheimnis, daß gerade bei den kleineren und mittleren Unternehmungen wie auch im Handwerk die Kostensituation durch einen besonders hohen Anteil an Arbeitskosten gekennzeichnet ist. Die Lohn- und Lohnnebenkosten werden im Handwerk mit seinem Jahresumsatz 1966 in Höhe von 135 Milliarden DM auf immerhin 30 Milliarden beziffert; das ist knapp ein Viertel des Umsatzes. Und hier bringt die Lohnbezogenheit der sozialen Abgaben ihre besonderen Probleme mit sich, weil z. B. die Steigerung der Beitragssätze nicht nur Einkommensminderungen auf der Arbeitnehmerseite hervorrufen, sondern ebenso stille Kostenerhöhungen auf der Unternehmerseite, die der Offentlichkeit im allgemeinen gar nicht bewußt werden. Die Vorschläge des Finanzänderungsgesetzes entsprechen nun gerade nicht den Erkenntnissen des Herrn Bundesarbeitsministers und den Ausführungen auf dem Handwerkskammertag und auch nicht den Erkenntnissen des Herrn Bundesfinanzministers, der vorgestern darlegte, daß es sein Ziel sein müsse, im Rahmen steigender Masseneinkommen die Umverteilungsprozesse einzudämmen und einzuschränken. Das, was die Bundesregierung im Finanzänderungsgesetz vorschlägt, führt nämlich zu besonderen Belastungen gerade der kleineren und mittleren Unternehmungen, die durch ihre Lohnintensität charakterisiert sind. Ich denke dabei nicht nur an die mehrprozentige Steigerung der Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung, sondern ebenso an die Situation in der Krankenversicherung und an die geforderten Steuerhöhungen. Diese Maßnahmen 6584 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 bringen besondere Probleme, wenn nicht .gar Gefahren, gerade in dem Sektor, der sich als außerordentlich stabil erwiesen hat. Es erscheint uns daher erforderlich gerade auch im Hinblick auf die Arbeitsplatzsicherheit der Betroffenen hier in diesem Hause wie in den .Ausschüssen die Vorschläge der Regierung nicht nur unter fiskalischen Gesichtspunkten zu sehen, sondern ebenso unter denen der Gefahren für den mittelständischen Bereich und denen der Arbeitsplatzsicherheit. So wie die Dinge hier liegen, wird nicht ent. sprechend den Erkenntnissen des Herrn Bundesfinanzministers und des Herrn Bundesarbeitsministers gehandelt, Erkenntnisse, über die wir uns freuen und die wir bejahen, sondern diesen Erkenntnissen diamentral entgegengesetzt. Wir Freien Demokraten halten es für notwendig, hier in dieser Stunde warnend auf diese Probleme hinzuweisen, weil es nicht Sinn einer vernünftigen Finanzplanung sein kann, durch scheinbare fiskalische Ausgleiche neue Gefahren an anderer Stelle heraufzubeschwören. Anlage 4 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Pitz-Savelsberg (CDU/CSU) zu Punkt 3 der Tagesordnung. Ich greife das Wort von der Solidarität der Generationen auf, das heute so viel gebraucht wurde im Verhältnis der Aktivgeneration zur alten Generation. Natürlich gilt es auch im Verhältnis zur nachfolgenden Generation. Damit sind wir bei der Frage des Familienlastenausgleichs. Wir sind uns alle klar darüber, daß uns die Stabilität unserer Verhältnisse etwas wert sein muß. Deshalb bestanden auch keine Illusionen darüber, daß die mittelfristige Finanzplanung Opfer fordern würde. Nach den Ergebnissen der Koalitionsgespräche haben wir eine etwas andere Lage vor uns als auf Grund der Vorlage. Eine Position ist verschwunden, die mehr als ein Schönheitsfehler in den Augen der Familienpolitiker war; das war die beim Kindergeld vorgesehene Einkommensgrenze. Ich begrüße den Verzicht auf die Einkommensgrenze dankbar; denn wäre sie Gesetz geworden, hätte sie den Charakter des Kindergeldes umgemünzt von einem Rechtsanspruch zu einer Bedürftigkeitsfrage. Ich will diesen Gedanken nicht vertiefen, denn er ist bereits behandelt worden. Aber sie hätten auch zur weiteren Zersplitterung des Kindergeldrechtes beigetragen und die Kindergeldbezieher nach dem Kindergeldgesetz schlechter gestellt als den öffentlichen Dienst hinsichtlich der Kinderzuschläge. Hier eine Bedürftigkeitsgrenze, dort keine! Auf dem Wege zu einem einheitlichen Kindergeldrecht wäre dies ein erhebliches Präjudiz gewesen. Aber den Preis, den wir zahlen müssen für den Verzicht auf die Einkommensgrenze, ist eine Reduzierung des Kindergeldes für das dritte Kind. Das ist nur sehr schwer hinzunehmen. Die erneute Schmälerung des Familienlastenausgleichs zwingt uns zu einer Vergegenwärtigung der Gesamtlage in diesem Bereich. Wie sieht der Familienlastenausgleich am Ende des Jahres 1967 aus? Das Kindergeld für das 3. Kind ist um 3 DM gekürzt. „Was sind schon 3 DM?" konnte man gestern schon hier im Hause hören. Es bedeutet vielleicht im Einzelfall nicht viel. Aufs Ganze gesehen bedeutet es eine Konsumschmälerung um 65 Mio. Auf keinem anderen vergleichbaren Gebiet gibt es eine lineare Kürzung oder einen Eingriff in den Besitzstand. Zum Jahresschluß aber läuft für viele Familien auch die Ausbildungszulage aus, die sie für ihre in Schul- oder Berufsausbildung befindlichen Kinder bisher bezogen. Dazu kommt eine empfindliche Erhöhung der Schülerfahrpreise vor nicht langer Zeit. Es kommt in den Ländern die Neigung hinzu, Erziehungsbeihilfen zu kürzen, Lernmittelfreiheit ganz oder teilweise zu streichen, ganz zu schweigen von den Belastungen, die aus erhöhten Verbrauchssteuern auf den Mehrpersonenhaushalt zukommen. Für die ausfallende Ausbildungszulage gibt es keinen Ersatz. Es gibt auch keine andere Form von Hilfen, um wenigstens die Fälle aufzufangen, die ohne weitere Hilfe in der Gefahr eines Abbruchs der Ausbildung stehen. Wir sind deshalb ohne Ersatzlösung, weil es in langen Jahren nicht gelungen ist, Bund und Länder zu einer gemeinsamen Ausbildungsförderung zu bringen. Die Länder haben bis heute mit Erfolg dem Bund die Zuständigkeit für Maßnahmen auf diesem Gebiet bestritten. Jetzt ist der letzte Rest des AusbildungszulagenEtats zum Jahresende entschwunden. Für eine Anschlußlösung ist es zunächst zu spät. Zunächst — sage ich. Wir werden hart an der Sache bleiben, und auch diese Seite der Förderung der Familien nicht zu kurz kommen lassen. Es treffen also im Augenblick die verschiedensten Kürzungen bei der Familie zusammen. Ein merkwürdiger Trend wird sichtbar, die Familie auf ihre Eigenkraft und Eigenverantwortung zu verweisen. Es kann die Familien nur ehren, daß man ihre Leistungsfähigkeit so hoch einschätzt. Aber selbst das beste Pferd bricht einmal zusammen, wenn die Last zu groß wird. Grundlage unserer Konzeption des Familienlastenausgleichs ist tatsächlich die Solidarität der Generationen. Die Aktivgeneration — von 15 bis 65 Jahren — erreichte 66 % im Jahre 1966. Nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes wird sie aber im Jahre 1970 nur noch 63 %betragen. Das bedeutet, daß die Lasten, die die Aktivgeneration für die alte Generation und für die Jugend zu übernehmen hat, in dem Maße ansteigt, in dem sich die Altersschichtung im Volk verschiebt, zuungunsten der Aktivgeneration. Die auf sie zukommenden Lasten sind überschaubar, soweit es sich um schon bestehende Verpflichtungen handelt. Aber die Lasten wachsen ja. Auch mit dieser gleichen Vorlage, mit der man einerseits das Kindergeld kürzt, legte man ihr weitere Verpflichtungen auf, die in der Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 6585 nächsten Generation erfüllt werden müssen. Wenn man diese größeren Verpflichtungen auch für gesellschaftspolitisch notwendig hält, kommt man doch nicht daran vorbei, mit einzukalkulieren, daß die Rentenlast einmal durch die Beitragsleistungen nicht mehr gedeckt werden kann. Auf die Frage, was dann zu tun sei, gab der Kollege Stingl hier heute morgen selbst die Antwort, daß dann die Aktivgeneration mehr leisten müsse. Auch das ist richtig. Wenn das aber so ist, dann darf man es heute nicht an der notwendigen Solidarität gegenüber dieser Generation fehlen lassen. Dann muß der Familienlastenausgleich als Leistung der Gesellschaft an die Familie wirksam genug sein, um die junge Generation lebens- und berufstüchtig in die Zukunft hineinwachsen zu lassen. Das müssen wir uns etwas kosten lassen. Wir müssen in den Menschen investieren, in gute Berufsausbildung und gute Sozialerziehung. Das, scheint mir, wird oft nicht so gesehen. Investitionen in den Menschen brauchen längere Zeit zur Reife. Sie kommen immer erst in der nächsten Generation zum Tragen. Diese Tatsache verführt zu falschen Konsequenzen wenn der Blick allzu sehr auf schnellen Ertrag des Einsatzes gerichtet ist. So warnt tauch das zweite Jahresgutachten der Wirtschaftssachverständigen davor, den Rotstift am falschen Ende anzusetzen und Ausgaben für den Nachwuchs aus Gründen gegenwärtiger Finanzenge zu opfern und damit den folgenschweren Fehler zu begehen, die Weichen langfristig falsch zu stellen. Die gegenwärtige Lage auf dem Gebiet der Familienpolitik zwingt uns, zu einer neuen Lösung zu finden. Das ist ein großer Vorteil. Diese neue Lösung muß den drei Kernanliegen der Familie gerecht werden: 1. Kindergeld als angemessener Ausgleich für die Kinderzahl; dabei sollte es keine verschiedenen Kategorien der Familienleistungen mehr geben; 2. Wohngeld und Familienzusatzdarlehen zum Ausgleich des größeren Wohnbedarfs; 3. Ausbildungsförderung zum Ausgleich der erheblichen Lasten für die Schul- und Berufsausbildung der Kinder. Wenn auch mancher schmerzliche Schritt, der jetzt getan wird, uns schwer erträglich ist, so ist es anderseits doch auch sicher, daß nur auf dem Hintergrund einer gesicherten Haushaltslage eine gute Sozialpolitik und ein wirksamer Familienlastenausgleich gestaltet werden können. Daran knüpft sich die Hoffnung auf bessere Lösungen. Und nur dieser Gedanke läßt die augenblicklichen Maßnahmen tragbar erscheinen. Anlage 5 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidt (Kempten) (FDP) zu Punkt 3 der Tagesordnung. Nachdem bereits in der bisherigen Diskussion des klassischen Teil der Sozialpolitik, soweit er vom Finanzänderungsgesetz 1967 angesprochen wird, deutlich geworden ist, daß die Bundesregierung leider ohne jede Konzeption an die Dinge herangegangen ist, daß auf der einen Seite ideologische Barrikaden vorhanden sind und auf der anderen Ratlosigkeit vorherrscht, muß ich namens der Freien Demokratischen Fraktion darüber hinaus feststellen, daß der durch die Folgen des Krieges bedingte Teil sozialpolitischer Maßnahmen so gut wie gar nicht angesprochen wurde. Das geschieht nicht etwa, wie man zunächst glauben könnte, weil dort keine Einsparungen vorgenommen würden, sondern weil man diesen Personenkreis seitens der Bundesregierung offensichtlich abzuschreiben gedenkt. Hier wird deutlich, daß die drei verhängnisvollen Sätze der Regierungserklärung im Dezember 1966 kein Zufall waren, daß die mangelhafte Beantwortung der Anfrage der FDP zur Kriegsfolgengesetzgebung nicht nur auf ein mangelndes Konzept zurückzuführen ist, sondern daß darüber hinaus die Bundesregierung sich wohl entschieden hat, die Disparität zwischen klassischen und kriegsbedingten Sozialleistungen weiter zu vergrößern und sich damit weiterhin vom Prinzip der sozialen Gerechtigkeit zu entfernen. Wer die automatische Dynamik in der Rentenversicherung und Unfallversicherung sowie beim Bundesentschädigungsgesetz vollauf bejaht, darf und kann andere Personengruppen von dieser Dynamik nicht ausschließen. Deshalb lehnen wir die in Artikel 5 vorgesehene Streichung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes ab. Wir teilen vollauf die Meinung des Bundesrates, der ebenfalls keinen Anlaß sieht, die Bundesregierung aus der Berichtspflicht bezüglich der Kriegsopferrenten und ihrer Entwicklung zu entlassen. Wir sind der Auffassung, daß sich das Hohe Haus auch in der Kriegsopferversorgung die Verantwortung, die Entwicklungen zu beachten, durch den Vorschlag der Bundesregierung nicht nehmen lassen darf. Aùch in der Haushaltsvorlage 1968 wird im Haushaltsansatz des Vertriebenenministeriums die Absicht der Bundesregierung deutlich, rechtliche und soziale Verpflichtungen, die aus den Kriegsfolgen erwachsen sind, vor sich herzuschieben bzw. in Vergessenheit geraten zu lassen. Während der Haushalt des Vertriebenenministeriums 1966 immerhin noch mit 268 Millionen — gleich 0,4 % des Gesamthaushaltes — bestückt war, wurde bereits durch die Reduzierung 1967 auf 125 Millionen — gleich 0,15 % — die negative Haltung der Bundesregierung gegenüber dem von diesem Ministerium betreuten Personenkreis deutlich. Obwohl der Haushalt 1967 gegenüber 1966 um 13 % zunahm, mußten Vertriebene, Flüchtlinge, Heimkehrer und politische Häftlinge eine 53%ige Kürzung in Kauf nehmen. Trotz dieses bereits hohen Eingriffes scheut sich die Bundesregierung nicht, im Haushalt 1968 die 125 Millionen noch einmal um 23 % auf 96,3 Millionen — gleich 0,12 % — abzusenken, obwohl auch diesmal das Gesamtvolumen einen Zuwachs von rund 9 % aufweist. 6586 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 Wenn die Bundesregierung eine Zäsur zwischen solchen Personengruppen, die das Glück hatten, in guten Haushaltsjahren in die Kriegsfolgengesetzgebung hineinzuwachsen, und solchen, die geduldig den Versprechungen und Zusagen glaubten, nun aber auf der Strecke bleiben sollen, zu machen gedenkt, so werden wir Freien Demokraten ihr auf diesem Weg keinen Schritt folgen. Für uns gilt weiterhin die Priorität der Beseitigung der Kriegsfolgen vor anderen sozialpolitischen Maßnahmen, und ich möchte hier die Bundesregierung noch einmal und mit aller Deutlichkeit an die gemeinsame Verantwortung für die Kriegsfolgen erinnern. Heimatvertriebene und Flüchtlinge, Heimkehrer und politische Häftlinge haben im Vertrauen auf die Regierungserklärungen der früheren Bundesregierungen darauf gewartet, daß ihre rechtlichen und sozialen Ansprüche realisiert werden. Ich möchte (die sozialdemokratische Fraktion daran erinnern, daß sie unter 8 b) ihres 8-PunkteProgrammes zur Koalitionsbildung vom November 1966 erklärt hat: ,,... wir müssen zu jeder Zeit den sozialen Verpflichtungen gerecht werden, die aus Krieg, Flucht und Vertreibung erwachsen sind." Ich möchte aber auch dem Herrn Bundesfinanzminister ins Gedächtnis zurückrufen, daß er in Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP zur Abwicklung von Kriegs- und Nachkriegsfolgen — Drucksache V/1639, vom 12. April 1967 —, erklärt hat: Entscheidungen über gesetzliche Regelungen zum Ausgleich von Kriegs- und Nachkriegsfolgen für Deutsche aus dem anderen Teil Deutschlands können nur im Rahmen der vorgesehenen mittelfristigen Finanzplanung getroffen werden, die alle Prioritäten sachgerecht gegeneinander abzuwägen haben wird. In diesem Zusammenhang muß ich den Herrn Bundesfinanzminister fragen: Wo sind die Ansätze im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung bzw. im Haushalt 1968 zu finden, oder ist es so, daß der Rechtsanspruch der Sowjetzonenflüchtlinge in der Priorität bei der Bundesregierung an letzter Stelle rangiert? Es geht bei der Beseitigung der noch nicht geregelten Kriegsfolgen, bei den Abschlußgesetzen für Heimkehrer und politische Häftlinge, beim Währungsausgleichsgesetz und beim Leistungsgesetz für Sowjetzonenflüchtlinge im Augenblick nicht um quantitative Ausgabensätze, sondern um qualitative Rechtsansprüche, es geht um das gleiche Recht, die gleiche soziale Leistung für Schäden und Verluste, die unter gleichen Tatbeständen infolge des Krieges entstanden sind. Es geht aber vor allem auch darum, daß insbesondere ein großer Teil der Flüchtlinge sich bereits in einem Alter befindet, wo er bei weiteren Vertröstungen und einem Hinausschieben der Maßnahmen dies nicht mehr erleben wird. Die FDP-Fraktion ruft daher die Regierungsfraktionen auf, bei den einsetzenden Beratungen des Haushalts 1968 und des Finanzänderungsgesetzes 1967 sich der sozialen Verantwortung gegenüber den vom Kriege besonders Betroffenen bewußt zu sein und mit dafür zu sorgen, daß die notwendige Regelung der Rechtsansprüche in einer Weise und in kürzester Frist so durchgeführt wird, wie es der auch von den Regierungsfraktionen immer vertretenen sozialen Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik entspricht. Anlage 6 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Schroeder (Detmold) (CDU, CSU) zu Punkt 3 der Tagesordnung. Das Finanzänderungsgesetz bringt nunmehr ein Gesetzgebungswerk zum Abschluß, das zu unser aller Bedauern seit dem Herbst 1965 in ein unbefriedigendes Hin und Her geraten war: die Novellierung des Mutterschutzgesetzes und der entsprechenden Bestimmungen der RVO über Mutterschaftshilfe. Wir haben diese Novellierung im Juli 1965 verabschiedet; im Herbst 1965 wurde ein Teil hinausgeschoben, ein Teil zum 1. 1. 1966 in Kraft gesetzt. Am 1. 1. 1967 wurde wiederum die Inkraftsetzung auf den 1. 1. 1969 verschoben. Selbst bei guten Kennern der Materie bestand keine Klarheit mehr, was nun eigentlich gültiges Recht war, was nicht. Die Ablösung dieses Provisoriums durch klare Rechtsverhältnisse ab 1. 1. 1968 ist zunächst einmal außerordentlich zu begrüßen, besonders auch der Art. III § 6, der dem Arbeitsminister die Ermächtigung geben soll, den Gesamtwortlaut des Gesetzes nunmehr neu bekanntzugeben. Alle Betroffenen, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, Betriebe und Gewerbeaufsichtsämter müssen dringend wissen, woran sie sind. Es empfiehlt sich, sich nunmehr noch einmal zu vergegenwärtigen, was für die einzelnen Betroffenen an Verbesserungen insgesamt eingetreten ist und was von den Vorstellungen, die wir 1965 gehabt haben und auch bereits im Gesetz verankert hatten, geändert werden mußte. Dabei komme ich doch zu einer recht positiven Bilanz. Ohne auf die verschiedenen InkraftsetzungsTermine einzugehen, möchte ich zunächst die wichtigsten Verbesserungen nennen: 1. Die Verlängerung der Schutzfrist von 6 auf 8 Wochen nach der Geburt 2. Wesentlich verbesserte Bestimmungen über die Gestaltung des Arbeitsplatzes der werdenden Mutter 3. Das generelle Verbot der Akkordarbeit 4. Die Ausdehnung einer Reihe von Beschäftigungsverboten auch auf stillende Mütter. Als finanzielle Verbesserungen für die arbeitende Mutter darf ich nennen: 1. Die Neuregelung der Verpflichtung des Arbeit- gebers, Lohneinbußen, die durch gesetzliche Be- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 6587 schäftigungsverbote und -beschränkungen entstehen, zu ersetzen 2. Eine günstigere Berechnung des Mutterschaftsgeldes 3. Zahlung von Mutterschaftsgeld an versicherte Frauen, die nicht als Arbeitnehmerinnen beschäftigt sind, so an Arbeitslose, freiwillig weiterversicherte Selbstständige und auch Rentenbezieherinnen 4. Klarstellung über die Zahlung des Mutterschaftsgeldes an nichtversicherte erwerbstätige Frauen zu Lasten des Bundes an Stelle der Verpflichtung des Arbeitgebers. Im Bereich der RVO ist eine der positivsten neuen Bestimmungen die Einführung der Vorsorgeuntersuchungen als Pflichtleistung der Krankenkassen. Nach dem Urteil aller Sachverständigen ist hiermit ein wesentlicher Schritt im Kampf gegen die Mütter-und Säuglingssterblichkeit getan. Es wird ermöglicht, gefährdete Fälle rechtzeitig zu erkennen. Es ist nur zu hoffen, daß recht viele Mütter von diesen Möglichkeiten auch wirklich Gebrauch machen: Vier wichtige Punkte möchte ich hier ansprechen, die nach Verabschiedung des Finanzänderungsgesetzes nicht der Novellierung von 1965 entsprechen werden. 1. Die Novelle von 1965 sah die Erstattung von Klinikentbindungen als Pflichtleistung der Krankenkassen vor. Sie soll nunmehr Kannleistung der Kassen bleiben, die durch Satzung geregelt wird. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, hier doch noch den Rechtsanspruch in das Gesetz einzufügen. Die Bundesregierung hat sich diesem Vorschlag mit Rücksicht auf die finanzielle Lage der Krankenkassen nicht anschließen können. Dabei werden vom Bundesrat und von der Bundesregierung sehr unterschiedliche Schätzungen über die dadurch entstehende zusätzliche . Belastung der Kassen gemacht. Der Bundesrat hat sie auf 20 bis 25 Millionen DM, die Regierung auf 100 Millionen DM geschätzt. Wir sollten im Ausschuß prüfen, woher diese unterschiedlichen Schätzungen kommen. Wir wollten weiter eine Ubersicht darüber anstreben, inwieweit jetzt schon Klinikentbindung von den Kassen gewährt wird, ob und wie viele Anträge abgelehnt werden müssen, ob sich bei Hausentbindungen Gefährdungen ergeben haben. Durch die Einführung der Vorsorgeuntersuchungen wird auch bei der jetzt bestehenden Regelung eine bessere Gewähr als bisher gegeben sein, gefährdete Fälle einer Klinikentbindung zuzuführen, wenn sich dies aus gesundheitlichen Gründen als nötig erweist. Wir sollten also prüfen, ob nicht die Vorlage der Bundesregierung au c h den Notwendigkeiten gerecht wird. 2. Nicht eingeführt wird der Pauschbetrag von 100 DM an Stelle des Entbindungskostenbeitrages und des Stillgeldes als gesetzlich vorgeschriebene Leistung der Krankenkasse. Es bleibt auch hier bei der durch Satzung möglichen Kannleistung. Der einzelne wird dadurch in seinem bisherigen Besitzstand nicht beeinträchtigt. Die Kassen werden von sich aus, wenn dies im Bereich ihrer finanziellen Möglichkeiten liegt, diese Pauschalierung einführen, schon wegen des erheblich geringeren Verwaltungsaufwandes. 3. Der dritte Punkt betrifft den zusätzlichen Pauschalbetrag des Mutterschaftsgeldes für mitversicherte Familienangehörige von 150 DM, ¡der in der Novelle von 1965 vorgesehen war. Dies war ein besonderes Anliegen vieler meiner politischen Freunde. Esging uns hier um die Hilfe für die Familien, in denen die Mutter nicht berufstätig ist oder sein kann, weil bereits weitere Kinder zu betreuen sind. Wir sahen auch hierin ein Stück Familienpolitik, in etwa ein praktisches Zeichen zur Verwirklichung 'der so oft geforderten Aufwertung 'der Arbeit der „Nur-Hausfrau". Wir müssen uns jedoch den finanziellen Notwendigkeiten beugen. Es bleibt auch hier bei der bisherigen Regelung: Ein Pauschbetrag von 35 DM. Jedoch ist eine Kannleistung der Krankenkassen bis zu 150 DM im Finanzänderungsgesetz vorgesehen. Ich glaube, 'daß diese Regelung das Günstigste ist, was zur Zeit getan werden kann. Die grundsätzliche Berechtigung der Hilfe ist m. E. damit anerkannt. Sie ist nicht auf jeden Fall ausgeschlossen. Wir können aber in der gegenwärtigen Situation nicht vom Gesetz her 'die Krankenkassen weiter belasten. Die befriedigende Lösung dieser 3 Fragen wird von oder finanziellen Kraft der Krankenkassen ¡abhängen, ein Grund mehr, der die Reform der Krankenversicherung dringend notwendig macht. 4. Der vierte, besonders für die Krankenkassen wichtige Punkt, der 'im Finanzänderungsgesetz anders geregelt wird, als es die Novelle von 1965 vorsah, ist die neue Regelung der Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Krankenkasse. Der Bund soll pro Entbindungsfall einen festen Betrag von 400 DM an die Kassen zahlen. Die bisherige Leistung des Bundes pro Fall wird auf 500 DM durchschnittlich geschätzt, so daß zusätzlich in etwa ein Betrag von 50 Millionen DM bei etwa 500 000 versicherten Müttern auf die Krankenkasse zukommt. Wir dürfen dabei aber nicht übersehen, daß sich die Kassen ursprünglich bei ,der Novellierung des Gesetzes von 1965 eine wesentliche Entlastung von den Kosten der Mutterschaftshilfe versprochen hatten. Der Bund ist dazu zur Zeit nicht in der Lage. Allen, denen die .finanzielle Leistungskraft der Krankenkassen am Herzen liegt, werden dies bedauern. Es kann nur wiederholt werden: Die Krankenkassenreform bleibt Aufgabe dieses Parlamentes. Ich möchte .albschließend noch auf eines .hinweisen: Der Mutterschutz für die berufstätige Frau wird in Zukunft immer mehr ,an Bedeutung gewinnen. Die Zahl der jungen Frauen, 'die bis zur Geburt ihres 6588 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 ersten Kindes berufstätig bleiben, wächst ständig. Schon jetzt ist die Zahl der Selbstversicherten, die Mutterschaftshilfe in Anspruch nehmen, die also noch im Arbeitsprozeß stehen, gleich hoch wie die der mitversicherten nicht erwerbstätigen Frauen. Wir 'haben vor einiger Zeit hier die Frauen-Enquete behandelt und beraten sie jetzt in ,den Ausschüssen. Dabei ist immer wieder das Problem angesprochen: Wie kann die Frau ihre Aufgabe im Beruf und als Mutter miteinander vereinbaren? Die Regelung ,des Mutterschutzes wird ,dabei eine erhebliche Rolle spielen. Ich begrüße in diesem Sinne nochmals, daß nun eine gesetzliche Klarheit geschaffen wird, die tragbare Lösungen bietet. Anlage 7 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Spitzmüller (FDP) zu Punkt 4 der Tagesordnung. a) Sozialbericht 1. Zur Gestaltung des Berichts Der Sozialbericht 1967 zeichnet sich positiv durch eine erweiterte Darstellung der Struktur und der Schichtung der laufenden Renten aus. Diese Schichtung gewährt einen interessanten Einblick in die Verteilung der Renten nach ihrer Höhe. Es ist etwas Mode geworden, die soziale Situation der aus dem Erwerbsleben ganz oder teilweise Ausgeschiedenen — es handelt sich ja nicht nur um Altersrentner — unter Hinweis auf Durchschnittswerte, Durchschnittsrenten und dergleichen mehr darzustellen. Mit solch einer Darstellung können in der Offentlichkeit absolut falsche Eindrücke über die soziale Situation der alten Menschen bzw. Rentner entstehen. Wir möchten daher vor einer allzu starken Bezugnahme auf solche Durchschnittswerte warnen, weil sie auch bei politischen Entscheidungen zu unsachgemäßen Beschlüssen auf Grund von Fehlschlüssen führen können. Um Schlußfolgerungen über die soziale Situation der alten Menschen ziehen zu können, müßten ausreichende Daten und Unterlagen über deren direkte und indirekte Gesamtbezüge und Einkünfte vorliegen. Wir möchten daher eine Anregung geben: Die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und der anderen Rentenversicherungsgesetze zur Vorlage versicherungstechnischer Bilanzen, des Gutachtens des Sozialbeirates und der Sozialberichtes bedürfen einer Ergänzung. Sie könnten im Rahmen der Änderungen des geltenden Rentenversicherungsrechts mit beschlossen werden. Diese Ergänzung sollte sich insbesondere auf die Vorlage von Berichten beziehen, die ein ausreichendes Bild über die Gesamtversorgungssituation der Rentner vermitteln. Um nur ein kleines Beispiel zu erwähnen: Es ist ein entscheidender Unterschied, ob z. B. ein Rentnerehepaar von einer durchaus akzeptablen Rente seinen Gesamtlebensunterhalt bestreiten muß oder ob z. B. eine verhältnismäßig geringe Rente eine Ergänzung sonstiger Einkünfte — eine erfreuliche Ergänzung — darstellt. Aus einer Schichtung der Rentenstruktur in tabellarischen Übersichten ist eine solche Schlußfolgerung nicht im geringsten möglich. Es ist insbesondere von Frau Professor LiefmannKeil in der öffentlichen Informationssitzung des Bundestagsausschusses schusses für Sozialpolitik am 8. und 9. März 1967 in Berlin (Protokoll Seite 40) darauf hingewiesen worden, „daß wir hier eine Einkommensstatistik brauchen. Das, was wir vom Bundesarbeitsministerium an Unterlagen für die Renten-, Pensions- und sonstigen Empfänger. haben, nützt uns gar nichts, wenn die Einkommenstatistiken nicht besser sind. Das hat auch die an und für sich außerordentlich verdienstvolle Untersuchung von Herrn Ministerialdirigenten Tietz (BMA), die im Herbst im Bundesarbeitsblatt veröffentlicht wurde, deutlich gemacht." In Ergänzung dessen, was ich eingangs sagte, scheint mir die in diesem Zusammenhang getroffene Feststellung von Frau Professor LiefmannKeil im Hinblick auf die künftige Diskussion über sozialpolitische Fragen in diesem Hause und in den sonstigen politischen Gremien von besonderer Bedeutung: „Ich glaube, man sollte sich erst über die Einkommensbegriffe Klarheit verschaffen, bevor man hinsichtlich der Höhe der Rente Vergleiche zieht und bevor man Forderungen stellt." Bei Annahme unserer Anregung könnten die künftigen Sozialberichte ein brauchbares Instrument werden, das nicht nur einen ausreichenden Aufschluß über die Einkommenssituation der alten Menschen gibt, sondern auch sachgemäße Entscheidungen in der Sozialpolitik in einer besseren Weise als bisher fördert. 2. Bemerkenswerte Feststellungen und Daten Die Ubersicht Nr. 7 weist eine Steigerung der öffentlichen Sozialleistungen um 10,6 % im Jahre 1966 gegenüber 1965 aus. Die Steigerung des Bruttosozialproduktes zu Marktpreisen betrug im gleichen Zeitraum 6,3 %. Dies ist selbstverständlich durch unser System sozialer Sicherheit und unsere Erwerbs- und Bevölkerungsstruktur bedingt. Ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang gut, wenn wir uns vor Augen halten, daß auch 22 Jahre nach Kriegsende die Kriegsfolgen trotz Wirtschaftswunder, Hochkonjunktur und dergleichen mehr nicht überwunden sind und auch in den nächsten Jahrzehnten nicht überwunden sein werden. Wenn man allerdings eine Politik verfolgen will, in der die Umverteilungsprozesse eingeschränkt werden, wie es der Herr Bundesfinanzminister als ein erstrebenswertes Ziel dargestellt hat, so ist dies nur durch eine grundsätzliche Neuorientierung unseres gesamten . Systems sozialer Sicherheit im Rahmen nicht nur einer sozialpolitischen, sondern einer gesellschaftspolitischen Konzeption möglich. Wer glaubt, hier gebe es ein „Sowohl-Als-auch", irrt sich. Ein „Sowohl-Als-auch" bedeutet nichts anderes als eine Politik der Halbheiten. Ich erlaube mir, in diesem Zusammenhang nochmals auf die Übersicht Nr. 5 hinzuweisen, d. h. auf Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 6589 die Tatsache, daß das verfügbare Nettoeinkommen der Arbeiter, Angestellten und Beamten, prozentual bezogen auf das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit, seit 1950 bis heute permanent gesunken ist, und zwar mit einer einzigen Ausnahme im Jahre 1965, als eine Besserung infolge der Steuersenkung eintrat. Die Funktion des Sozialberichts liegt ja nicht zuletzt darin, eine Grundlage für künftige sozialpolitische Entscheidungen abzugeben. Ich wiederhole hier nochmals in aller Deutlichkeit: Wer ein möglichst kontinuierliches Einkommen vom Eintritt ins Erwerbsleben bis zum Tod unbeschadet aller möglichen Risiken und der jeweiligen Verpflichtungen in den einzelnen Lebensabschnitten gewährleisten will, muß durch die Höhe der sozialen Abgaben und der direkten und indirekten Steuern bei unserer derzeitigen und künftigen Bevölkerungsstruktur derart in das Bruttoerwerbseinkommen eingreifen, daß für eine rechtzeitige Vermögensbildung während ides Arbeitslebens kaum mehr Raum bleibt. Wer ,die Sozialberichte der Vergangenheit und den neuesten in Drucksache V/2117 vorliegenden Bericht aufmerksam liest und die Entwicklungstendenzen zu analysieren weiß, kann zu anderen Schlußfolgerungen kaum kommen, wenn er sich keinem Wunschdenken hingeben will. 3. Gutachten des Sozialbeirates Es war zweifellos ein Handicap für den Sozialbeirat, eine Empfehlung über die Anpassung der Renten geben zu müssen, ohne die Beschlüsse der Bundesregierung über die mittelfristige Finanzierung der Rentenversicherung zu kennen. Zumindest scheinen einige Überlegungen bei der Empfehlung eine Rolle gespielt zu haben, die als Vorschläge der Bundesregierung im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes vorliegen. Trotzdem zeigt es sich, daß die Mehrheit der Beiratsmitglieder die Beschlüsse der Bundesregierung für bedenklich halten, und zwar in konjunkturpolitischer Hinsicht, dia sie einen Vermögensverzehr, einen möglichen Vermögensverzehr der Rücklagen der Rentenversicherung für so problematisch halten, daß ihnen eine Annahme der Vorschläge der Bundesregierung in dem bekanntgewordenen Rahmen nicht akzeptabel erscheint. Das geht insbesondere aus der Empfehlung hervor, die Beitragssätze ab Januar 1968 von 14 auf 16 % zu terhöhen, entgegen dem Vorschlag der Bundesregierung um 1 %, von 14 auf 15 %. Abgesehen davon muß 'der Sozialpolitische Ausschuß des Bundestages die verschiedenen Überlegungen ides Sozialbeirates noch eingehend beraten, bevor er seine Entscheidung über die 10. Rentenanpassung trifft. b) 10. Rentenanpassungsgesetz Der Entwurf eines 10. Rentenanpassungsgesetzes erscheint im Vergleich zu den bisherigen Entwürfen besonders bemerkenswert. Durch die verwaltungstechnische und gesetzestechnische Gestaltung der Rentenanpassung soll der Eindruck erweckt werden, die Leistungsverbesserungen erfolgten im Prinzip wie bisher. Der Pferdefuß :der Zuwachskürzungen, unid zwar durch den sogenannten Krankenversicherungsbeitrag der Rentner wie die Änderung ,des Steigerungssatzes in der Knappschaftsversicherung, ist wohlweislich in das Finanzänderungsgesetz gepackt worden. Was von dieser Methode der Verschleierungsversuche der Rentenkürzungen zu halten ist, ist heute morgen schon gesagt worden. Zur Rentenanpassung muß noch ein grundsätzliches Wort gesagt werden, weil in den Beiträgen der Koalitionsfraktionen zum sozialpolitischen Teil des Finanzänderungsgesetzes einige sozialpolitische Anliegen und wirtschafts- und finanzpolitische Schlußfolgerungen total durcheinandergeworfen worden sind. Wir Freien Demokraten halten die Rentenschere, d. h. das Auseinanderklaffen von Neu-und Altrenten nicht gerade für einen Schönheitsfleck in unserer gesetzlichen Rentenversicherung. Nun ist heute morgen so getan worden, als ob das Nachhinken 'der Bestandsrenten eine Folge einer falschen Entscheidung uneinsichtiger Politiker aus dem Jahre 1957 sei. Damit sich niemand irgendwelchen Illusionen hingibt: ein Heranziehen ,der Bestandsrenten hätte in der Vergangenheit Kosten in Höhe von 17 Mrd. DM verursacht. Diese Zahl ist das Ergebnis versicherungsmathematischer Berechnungen. Was würde das heute bedeuten? Entweder es bestünde kaum ein Vermögen, das noch Manipulationen zur Überbrückung finanzieller Schwierigkeiten zuläßt, oder aber die Eingriffe in 'den Leistungsrahmen, die wir nunmehr vornehmen müssen, wären schon zu einem früheren. Zeitpunkt erforderlich geworden und das jetzige System hätte sich in seiner jetzigen Form nicht einmal 10 Jahre aufrechterhalten lassen. Wir sind also der Auffassung, daß Diskussionen über die künftige Rentenentwicklung nicht nur im Hinblick auf die Bestandsrentner geführt werden können, ida diese im Vergleich zu den Neurentnern sowieso schon benachteiligt sind. Es erscheint uns ,daher auch aus diesem Grunde als eine besondere Ironie, daß diejenigen, die an 'dem sogenannten bruttobezogenen Prinzip festhalten wollen, mit der Krankenversicherungsabgabe gerade diejenigen belasten wollen, die am weitesten von der Bruttolohnbezogenheit entfernt sind. Und das alles um der Optik willen, um den Schein wahren zu können, ein System habe sich bewährt und werde sich weiter bewähren. Diese 10. Rentenanpassung, die wir im Prinzip bejahen, ist daher nicht nur :aus der Entscheidung für das kommende Jahr zu sehen, sondern auch im Hinblick auf die Gesamtsituation der Rentenversicherung in der Zukunft. Wir betrachten sie nicht als einen isolierten Vorgang, der gewohnheitsmäßig durch den Bundestag zu absolvieren ist, sondern als eine Entscheidung, die im Gesamtzusammenhang mit unserem Rentenversicherungsrecht zu sehen ist. . 6590 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 Anlage 8 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Horten (CDU/CSU) zu Punkt 6 der Tagesordnung. Mit dem vorliegenden Antrag eines Gesetzes zur Förderung freiwilliger sozialer Hilfsleistungen soll erreicht werden, daß ein von Jahr zu Jahr wachsender Notstand gemildert, ja, wenn irgend möglich, weitgehend beseitigt wird. Es handelt sich um den empfindlichen Mangel an geeigneten Kräften für pflegerische und erzieherische Arbeit in Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten, in Altenwohn-, Kinder-und Jugendheimen sowie Kindertagesstätten und Kindergärten. Wenn wir mit Recht stolz darauf sind, daß wir mit Sozialaufwendungen von nahezu 80 Milliarden DM jährlich in der Welt an der Spitze stehen, dann ist dieser Stolz nur begründet, wenn wir auch dafür sorgen, daß mit diesen Mitteln auch in den obengenannten Anstalten zweckmäßige, ausreichende und der menschlichen Würde entsprechende Hilfeleistungen erfolgen. Dies ist nun leider in zunehmendem Maße nicht mehr der Fall. Allein in der Krankenversorgung fehlen heute nach vorsichtigen Schätzungen 30 000 Pflegepersonen. Nach den neuesten Angaben der Nürnberger Bundesanstalt und des Landesarbeitsamtes Düsseldorf hat die Zahl der offenen Stellen im Krankenpflegeberuf auch im vergangenen Jahr nicht abgenommen, obwohl noch 1500 ausländische Schwestern, die zum größten Teil aus Asien stammen, neu eingestellt worden sind. Wer die Sozial-Enquete unter diesem Aspekt kritische durchsieht, insbesondere !die Ziffern 697 ff. über das Krankenhaus-Problem, sowie die Ziffern 360 bis 362 über Sicherung bei langfristigen Leiden und Gebrechen, wird ernste Sorgen empfinden, zumal die Altersstruktur unseres Volkes und manche andere Gründe den Bedarf an Pflegepersonen in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach noch erheblich steigern werden. Ein ähnlich ernstes Bild ergibt sich bei den Kindertagesstätten, ,die nach der Frauenenquete „um etwa ein Drittel ihres Bestandes vermehrt werden müßten, wenn allen pädagogischen und sozialen Anforderungen entsprochen werden sollte". Die Frauenenquete stellt dann weiter kurz fest, daß die Errichtung weiterer Kindertagesstätten keineswegs nur eine Finanzierungsfrage sei, „sondern mehr noch eine Frage der Gewinnung und Heranbildung der erforderlichen Fachkräfte". Bei den Altenheimen gibt die Frauenenquete den heutigen Stand mit 250 000 Plätzen 'an; sie beziffert den echten Bedarf aber auf 419 000 Plätze. Diese Zahlen, die sich ohne Schwierigkeit noch weiter ergänzen und deutlicher illustrieren ließen, genügen hier heute wohl, um zu zeigen, daß der immer stärker wachsenden Zahl von pflege- und betreuungsbedürftigen Personen auch nicht annähernd eine entsprechende Zahl von Pflegepersonen gegenübersteht. Überall tauchen braune, gelbe, schwarze helfende Hände in den Krankenhäusern auf. Mehr als 20 000 Ausländer sind heute allein in der Krankenpflege tätig. Dabei zeigt ein Bericht des Deutschen Roten Kreuzes, daß .die Möglichkeiten, weitere Kräfte vom Ausland heranzuziehen, praktisch erschöpft sind. Hinzu kommt der Hinweis der verschiedenen Organisationen der Gesundheitspflege, daß zahlreiche Anstalten überhaupt nur deswegen noch aufrechterhalten werden können, weil die vorhandenen Pflegerinnen trotz teilweise erheblicher Überalterung, vor allem bei Ordensschwestern und Diakonissen, sich geradezu aufopfern und weit mehr als ihre Pflicht tun. Es muß also unbedingt etwas Wirksames geschehen, um diese höchst unbefriedigenden Zustände zu verbessern. Darauf zielt der vorliegende Antrag ab. Es gibt einen beträchtlichen Kreis älterer alleinstehender Frauen, Rentnerinnen, älterer verheirateter Frauen ohne Kinder oder mit erwachsenen Kindern, jüngere verheiratete Frauen ohne Kinder oder mit einem Kind, verheiratete Frauen, die vor der Eheschließung in Pflegeberufen tätig waren, die bereit und in 'der Lage wären, hier in Teilzeitarbeit mitzuhelfen, wenn gewisse Voraussetzungen ihnen diesen Entschluß erleichtern würden. Diese Frauen sind fast durchweg nicht auf eine zusätzliche reguläre Erwerbstätigkeit angewiesen, sondern streben danach, ihre Kraft und Erfahrung in echter Hilfsbereitschaft für pflegerische Hilfsdienste zur Verfügung zu stellen, um damit ihrem Leben einen neuen Inhalt zu geben, wenn ihre Aufgabe als Hausfrau und Mutter sie nicht mehr so stark beansprucht. Durch den Einsatz solcher Hilfskräfte könnten hauptamtliche Pflegerinnen entlastet und damit für die ihnen eigentlich obliegenden wichtigeren Aufgaben frei gemacht werden. Daß es bisher nicht gelungen ist, diese Frauen in ausreichendem Maße für eine Hilfstätigkeit zu gewinnen, hängt nachweisbar damit zusammen, daß das Entgelt für soziale Hilfsleistungen heute als Einkommen im Sinne des Einkommensteuergesetzes betrachtet wird. Dies bedeutet, daß diese Entgelte als zusätzliche Einkommen bei verheirateten Frauen steuerlich teilweise außergewöhnlich hoch belastet werden, da sie die vorhandenen Renten- und Pensionseinkünfte durch Anrechnung beträchtlich mindern. Schließlich kann durch zusätzliche Kranken-und Rentenversicherung, die in vielen Fällen gar nicht benötigt wird, eine weitere Erschwerung eintreten, ganz abgesehen davon, daß die zwangsläufig mit der heutigen Praxis verbundenen Antrags- und Formularschwierigkeiten die in diesen Dingen unerfahrenen Frauen von vornherein abschrecken. Nach dem Urteil erfahrener Krankenhausoberinnen und der einhelligen Meinung der Wohlfahrtsverbände wäre es durchaus möglich, zahlreiche Hilfskräfte zusätzlich zu gewinnen, wenn nur die heute bestehenden und immer wieder beklagten Hemmnisse wegfallen würden. Ich will hier keine Einzelbeispiele anführen, sondern mich mit der Feststellung begnügen, daß unter den heutigen Verhältnissen zusätzliche Einkommen aus Teilzeitarbeit aus den verschiedensten Gründen um die Hälfte oder gar zwei Drittel gemindert werden können mit der negativen Folge, daß es dann, Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. Oktober 1967 6591 zumal bei den bereits erwähnten Antrags- und Formularschwierigkeiten, gar nicht zu einer Teilzeitarbeit kommt. Nun wird gegen die von uns beantragte Regelung vor allem eingewendet, daß eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht gegen den Grundsatz der Solidarität verstoße und damit !die Grundlage unserer ganzen Sozialordnung gefährde. Selbstverständlich ist der Grundsatz der Solidarität: „Einer für alle, alle für einen" eine großartige Grundlage für unsere gesamte Sozialversicherung. Wenn nun aber nachweisbar die Überspitzung dieses Grundsatzes dazu führt, daß Frauen gezwungen werden, zusätzlich in Versicherungen zu gehen, die sie nicht brauchen und wegen des teilweise notwendigen Arztwechsels gar nicht wollen, dann muß doch gerade zur Bewahrung des Grundsatzes der Solidarität soviel Verständnis für das 'soziale Anliegen selber bestehen, daß man unter der Überbetonung des theoretischen Grundsatzes die Sache selbst nicht leiden läßt. Die Zustände in den Krankenhäusern, Altenheimen usw. sind teilweise so katastrophal, daß wir es uns einfach nicht mehr. leisten können, ein großes Resevoir an hilfs- und arbeitswilligen deutschen Frauen nicht auszunützen und statt dessen spanische Mädchen — die z. B. kürzlich auf dem Venusberg in Streik traten — oder gar Koreanerinnen, die, wie sich nachträglich herausstellte, gar nicht ausgebildet waren, heranholen. Wesentlich für die Beurteilung der ganzen Frage ist der Gedanke, daß es sich bei der Arbeit im Krankenhaus oder im Heim nicht um eine Arbeit im üblichen Sinne handelt, sondern infolge des sozial-ethischen Charakters um etwas anderes bzw. etwas mehr. Die freiwillige Hilfstätigkeit in Pflegeberufen ist eben keine reine Erwerbstätigkeit, sondern besitzt eine darüber weit hinausgehende Komponente sozialer Hilfe, deren Mobilisierung unter den heutigen Verhältnissen einfach notwendig ist, wenn wir unsere sozialen Einrichtungen erhalten und im Sinne der Sozial- und Frauenenquete noch weiter ausbauen wollen. Es wäre also gerade ein Beispiel dafür, idaß wir den Gedanken der Solidarität zweckmäßig und elastisch anwenden, wenn wir in diesem besonderen Falle anerkennen würden, daß die betreffenden Frauen ihren Beitrag zur Solidarität eben nicht finanziell, sondern durch persönlichen Einsatz in der sozialen Hilfstätigkeit leisten. Wahrscheinlich kann in unserer modernen Gesellschaft das differenzierte Gefüge von Sozialleistungen mit zum Teil starkem Wechsel in der Beanspruchung nur aufrechterhalten und noch erweitert werden, wenn man in wachsendem Umfange die Reserven freiwilliger Hilfskräfte mobilisiert, wie das z. B. in England und den USA schon in einer nach meiner Empfindung 'beispielhaften Weise geschieht. Wir haben im Entwurf des Gesetzes von vornherein eine 'auf drei Jahre beschränkte Geltungsdauer vorgesehen, um die Möglichkeit offenzuhalten, aus den Erfahrungen schnell die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Ich beschränke mich auf diese allgemeinen Ausführungen und überlasse die Behandlung aller weiteren Einzelheiten den Ausschußberatungen. Mir kam es nur darauf an, Ihnen die Grundgedanken darzulegen, die zu unserem Antrag geführt haben, in dem Bestreben, die teilweise besorgniserregenden Zustände in Krankenhäusern, Altenheimen usw. zu verbessern und damit ein Beispiel für wirksame, sich den Verhältnissen anpassende praktische Sozialpolitik zu geben.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Kurt Spitzmüller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Nichts charakterisiert die Sozialpolitik dieser Bundesregierung eigentlich besser als die Überschrift des Entwurfs eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, zweiter Teil: „Finanzänderungsgesetz 1967". In wesentlichen Teilen dieses Entwurfs geht es um nichts anderes als um Einschränkungen des derzeitigen sozialen Leistungsrechts. Damit wird klar, daß in der Öfentlichkeit verkündete Wunschvorstellungen der Vertreter der Regierungsparteien und deren Sprecher in absehbarer Zeit nicht nur nicht realisierbar sind, sondern daß das derzeitige Leistungsrecht überdies noch eingeschränkt werden muß.
    Darüber hinaus aber werden gesellschaftspolitische Entscheidungen von eminenter Tragweite als reines Finanzproblem angegangen und einer Entscheidung zugeführt, bei der kaum Zeit für Grund-



    Spitzmüller
    satzdebatten und für sachgemäße Beratungen in den Ausschüssen verbleibt.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das werden wir ja sehen, das hängt von Ihrer Mitarbeit im Ausschuß ab!)

    — Sie wissen doch ganz genau, Herr Kollege Schellenberg, daß die Rentenversicherungsträger eigentlich das Gesetz schon haben müßten, damit es wirklich ohne Schwierigkeiten in der Verwaltung durchgeführt werden kann.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Nein, erst Mitte November und nur wegen der Höhe des Steigerungsbetrages!)

    — Aber Sie geben doch zu, daß, nachdem die nächste Woche sitzungsfrei ist, nicht viel Zeit übrigbleibt.
    Ich glaube, es steht dem Parlament sehr gut an, diese Tatsachen in der derzeitigen wirtschafts- und finanzpolitischen Situation nüchtern und ohne Emotionen zu diskutieren und Wege zu suchen, die sich langfristig als realisierbar erweisen. Wer die bisherige Entwicklung und die künftigen Möglichkeiten kritisch betrachtet, weiß, daß die Vorschläge dieses Finanzänderungsgesetzes, auch wenn sich zahlreiche Politiker dieser Erkenntnis verschließen wollen, die Vorboten einer Götzendämmerung für die sozialpolitischen Schönredner darstellen.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Wir haben mit großem Interesse der Rede des Herrn Bundesfinanzministers gelauscht und haben sie auch studiert, und wir haben festgestellt, daß sie auf ganzen Strecken in einem wundersamen Widerspruch zu den von der Regierung vorgesehenen Vorschlägen steht, ganz zu schweigen von dem Wirrwarr an Vorstellungen, der in den Koalitionsfraktionen mindestens bis Dienstag herrschte, vielleicht auch heute am Donnerstag noch herrscht. Die vorgeschlagenen Zielvorstellungen des Herrn Finanzministers Strauß in seiner Rede stehen oft in diametralem Gegensatz zu den von seiner Regierung geforderten Beschlüssen, wenn ich z. B. daran denke und in Ihr Gedächtnis zurückrufen darf, daß Herr Finanzminister Strauß u. a. den Satz geprägt hat — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich das noch einmal plastisch vor das Auge der Kollegen stellen —:
    Es muß uns gelingen, die Umverteilungsprozesse in unserem sozialen Sicherungssystem Zug um Zug mit den steigenden Masseneinkommen zurückzudrängen und das im Markt verdiente Leistungseinkommen zur Grundlage der Sicherung des einzelnen ... zu machen.
    Wir Freien Demokraten hören mit großer Freude eine solche Botschaft; aber Sie werden entschuldigen, wenn wir sagen: uns fehlt der Glaube, daß diese Regierung in der Lage wäre, eine solche Politik einzuleiten, geschweige denn durchzusetzen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, es kann doch dem Herrn Bundesfinanzminister nicht entgangen sein, daß in seinem Beisein beschlossen wurde, z. B. in der gesetzlichen Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte den Beitragssatz in den nächsten drei Jahren um 3 % zu erhöhen. Wenn wir nur die Annahmen der Bundesregierung zugrunde legen, dann wird allein in den nächsten vier Jahren durch diese eine zusätzliche Umverteilungsmaßnahme eine Umverteilung von rund 19 Milliarden DM bewirkt, ganz zu schweigen von den Umverteilungskosten, die sich weiterhin kostensteigernd für die Wirtschaft und einkommensmindernd in den Haushalten der Arbeiter und Angestellten auswirken werden, als da sind: Steuererhöhungen, Abschaffung der Pflichtversicherungsgrenze und Wiedereinführung des Arbeitgeberbeitrages für beschäftigte Rentner. Wir müssen feststellen, daß schon in der Vergangenheit — tun wir doch nicht so, als ob wir keine Unterlagen hätten — eine permanente Einschränkung des verfügbaren Einkommens der Arbeiter und Angestellten durch die Entwicklung des Sozial- und Steuerrechts erfolgte. Wir werden bei der Behandlung des Punktes 4 Gelegenheit haben, noch näher auf den Sozialbericht 1967 einzugehen. Aber eine Übersicht will ich doch vor Ihre Augen stellen, die Übersicht Nr. 5, aus der klar hervorgeht, daß einkommensmindernde Gesetze immerzu beschlossen worden sind und daß das verfügbare Nettoeinkommen des Arbeiters und Angestellten von Jahr zu Jahr gesunken ist; eine Ausnahme bildete das Jahr 1965, wo dieser Trend als klar erkennbare Konsequenz der Steuersenkung gestoppt wurde. Seit 1950 ist das Nettoeinkommen der Arbeitnehmer im Verhältnis zum Bruttoeinkommen von 87,2 auf 81,9 zurückgegangen.
    Wir Freien Demokraten betrachten es genau wie der Bundesfinanzminister als ein erstrebenswertes Ziel, wenigstens die weiteren Belastungen des Arbeitseinkommens möglichst einzudämmen. Nur eines müssen wir Freien Demokraten mit aller Klarheit feststellen: daß die Vorschläge des Finanzänderungsgesetzes genau das Gegenteil bewirken. Eine weitere kräftige Belastung des Arbeitseinkommens wird erfolgen, oder es wird das eintreten, wogegen sich Herr Arbeitsminister a. D. Blank oft gewehrt hat; er hat nämlich oftmals gesagt, er wehre sich gegen eine weitere Versozialisierung des Arbeitseinkommens. Genau das wird nun durch die Vorschläge des Finanzänderungsgesetzes bewirkt.
    Aber nicht nur hier bestehen Widersprüche zwischen den verkündeten Zielen und den vorgeschlagenen Maßnahmen. Wenn die These des Finanzministers richtig ist, die er hier vorgetragen hat -
    wir Freien Demokraten glauben, daß sie richtig ist —, daß sich der Leistungswille des einzelnen dann am besten entfalten kann, wenn er nicht durch allzu schwere fiskalische Bleiklötze gehemmt wird, dann wäre z. B. die Schaffung einer Versicherungsberechtigung und die Beibehaltung einer Versicherungspflichtgrenze ein konsequenter Weg, diese These zu untermauern. Aber man geht den umgekehrten Weg. Man erfaßt zwangsweise alle Angestellten — einschließlich derer mit Arbeitgeberfunktion — in einer staatlichen Versicherungseinrichtung.
    Hier erfolgt eine Weichenstellung in eine Einbahnstraße, aus der es keine Umkehr mehr gibt. Wir



    Spitzmüller
    wollen doch davor nicht die Augen verschließen. Diese Weichenstellung erfolgt einmal aus sozialpolitischen Gründen — das entspricht der Zielvorstellung der Sozialdemokratischen Partei —, zum anderen natürlich auch aus einer finanziell schwierigen Situation heraus. Es geht vordergründig in der mittelfristigen Finanzplanung nicht so sehr um die Tatsache, daß dieser Kreis besonders schutzbedürftig sei, als vielmehr darum, daß mit dieser Maßnahme zunächst einmal Mehreinnahmen von 3 Milliarden DM in den nächsten vier Jahren erzielt werden. Man zielt also mehr auf das Geld dieser neuen Mitglieder ab, als daß man auf ihre Schutzbedürftigkeit abstellt. Man übersieht dabei sogar die großen Verpflichtungen, die man damit als Hypothek für die Zukunft schafft.
    Schon 1957 war klar, daß die Rentenformel in der Knappschaftsversicherung und in den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte nur dann durchzuhalten ist, wenn der Bund mit absolut wachsenden Beträgen zur Finanzierung der Leistungen der Rentenversicherungen beiträgt. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, nicht ohne Grund haben Sie damals versucht, im Gesetz einen 40%igen Beitrag des Bundes zu fixieren. Sie sind damals mit Ihrer Vorstellung nicht durchgekommen. Aber selbst wenn Sie durchgekommen wären — auch das wollen wir klar herausstellen —, wären Sie heute in einer schwierigen Lage. Sie könnten nämlich die 40 % auch nur dadurch garantieren, daß Sie die Steuern recht kräftig erhöhten; andernfalls hätte der Bund keine Finanzierungsmasse, um diese 40 % zu geben.
    Wenn wir uns die Entwicklung der Ausgaben der Rentenversicherungsträger im letzten Jahrzehnt vor Augen halten, stellen wir gleichzeitig fest, daß der Anteil der wachsenden Bundeszuschüsse — mit Ausnahme der Knappschaft — prozentual absinkt. Absolut haben wir also steigende Bundeszuschüsse. Prozentual zu den Leistungen, die die Rentenversicherungsträger erbringen müssen, ist aber ein Absacken festzustellen.
    Die Antwort auf unsere Kleine Anfrage Drucksache V/2123 spricht hier eine deutliche Sprache.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Und es gab eine klare Antwort der Bundesregierung!)

    — Wir sind sehr dankbar, Herr Kollege Schellenberg, daß uns die Bundesregierung auf diese Frage im Teil I eine klare Antwort gegeben hat. Wir müssen aber feststellen, daß die Teile II und III bis heute noch nicht beantwortet sind; in diesen Teilen geht es um die möglichen Berechnungen für den Fall, daß das Bruttosozialprodukt nur um 3 %, oder sogar erfreulicherweise um 7 % anwächst.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das machen 'wir im Ausschuß!)

    Wir sind auch bezüglich dieser Anfrage vertröstet worden. Man hat uns gesagt, die Unterlagen würden uns später zugeleitet. Die Regierungsarbeit bei der Beantwortung Kleiner Anfragen der Opposition funktioniert also nicht ganz so, wie Sie es eben durch Ihren Zuruf darzustellen versuchten, Herr
    Kollege Schellenberg. Das wissen Sie zur Genüge.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Als Opposition vieler Jahrewissen wir es sehr genau. Aber es ist besser geworden, und das freut uns!)

    — Ich habe nicht den Eindruck, Herr Kollege Schellenberg, daß es besser geworden ist. Sie verkünden hier einen sehr subjektiven Eindruck, und zwar nur deshalb, um Ihre Koalitionstreue besonders unter Beweis zu stellen.

    (Beifall 'bei der FDP.)

    Diese Antwort auf unsere Kleine Anfrage sagt aus: Der Bundeszuschuß steigt für die Knappschaftsversicherung von 69 auf 75 %. Er sinkt für die Arbeiterrentenversicherung von 24 auf 20 und für die Angestelltenversicherung von 10 auf 5 %.
    Meine Damen und Herren, das ist eben eine Folge der schwierigen Finanzsituation. Aber es waren gerade in der Vergangenheit immer Ihre Kollegen von der SPD, die auf diese schrumpfenden Anteile mit scharfer und beißender Kritik hingewiesen haben. Wir Freien Demokraten können nur feststellen, daß unter der Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten dieser früher beanstandete Schrumpfungsprozeß nicht nur schlechthin fortgesetzt, sondern sogar verstärkt fortgesetzt wird.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Nachdem Sie uns durch Ihren Finanzminister eine so traurige Erbschaft hinterlassen haben, Herr Kollege Spitzmüller!)

    — Lieber Herr Kollege Schellenberg, ich bin Ihnen für diesen Zwischenruf außerordentlich dankbar. Sie stellen die Dinge nämlich so dar, als ob in diesem Hause nicht die Mehrheit zu entscheiden hätte und wir gar keine parlamentarische Demokratie mehr hätten, sondern als ob der Finanzminister entschiede, egal, von welcher Partei er gestellt wird. Ich erinnere mich, Herr Kollege Schellenberg — wenn ich Ihnen das zurückgeben darf —, daß wir schon fünf, sechs, sieben Jahre früher in einer Finanzmisere gewesen wären, wenn die Mehrheit dieses Hauses in den Jahren 1955, 1956, 1957 'und in den folgenden Jahren den Vorstellungen der Sozialdemokraten gefolgt wäre.

    (Beifall bei der FDP.)

    Lesen Sie einmal nach, was Ihre Kollegen — —

    (Abg. Dr. Schellenberg: Haben Sie die Zurücknahme der SPD-Anträge bemerkt, Herr Kollege Spitzmüller?)

    — Herr Kollege Schellenberg, selbstverständlich habe ich bemerkt, daß sich die Kollegen der SPD bei der Stellung von Anträgen, die Kosten verursachen, um eine gewisse Zurückhaltung bemühen. Aber ich habe das erst seit etwa Mai 1965 bemerkt, Herr Kollege Schellenberg.

    (Zustimmung bei der FDP. — Abg. Dr. Schellenberg: Als Opposition!)

    —Selbstverständlich als Opposition, Herr Kollege
    Schellenberg. Aber ich erinnere mich — ich will



    Spitzmüller
    die Dinge nicht aufrühren —, daß ich im letzten Bundestag in einem Ausschuß saß, in dem wir es unter großen Schwierigkeiten zuwege brachten, daß Anträge der SPD von mehr als 8 Milliarden DM abgelehnt wurden, woraufhin im Bundestag in letzter Minute noch ein Kompromiß gefunden wurde — um außenpolitischen Schaden abzuwenden —, der immerhin 1 Milliarde DM Mehrkosten entstehen ließ. Ich würde mit dem Hinweis auf den Finanzminister etwas vorsichtig sein; denn der Finanzminister hatte diesem Kompromiß nicht zugestimmt.
    Nun, Herr Kollege Schellenberg, zurück zu Ihrem Fraktionskollegen Dr. Möller. Er hat hier gestern in seiner grundsätzlichen Haushaltsrede auch einige bemerkenswerte Ausführungen zur Sozialpolitik gemacht. Er hat u. a. festgestellt — genauso wie Sie, Herr Kollege Schellenberg, im. Juni dieses Jahres —, daß die sozialdemokratische Fraktion an der bruttolohnbezogenen Rente festhält. So weit, so gut. Nun habe ich zufällig erfahren, daß Ihr hochverehrter Fraktionskollege und -vorsitzender Helmut Schmidt (Hamburg) vor einem illustren Kreis in der Redoute in Godesberg einen Vortrag über die Arbeitsweise der Großen Koalition gehalten und dort erklärt hat, es sei doch alles in Ordnung und es sei für den intellektuellen Zuhörer genüßlich, nunmehr den Debatten zu folgen. Er wollte damit wohl darauf hinweisen, daß man auf die feinen Nuancen, auf die noch eben hörbaren andersklingenden Töne achtgeben müssen. Ich habe mich nun entsprechend der Feststellung des Kollegen Schmidt bemüht, festzustellen, ob in der Rede des Kollegen Möller ein feiner Ton nebenher zu hören war. Ich habe ihn nicht gehört.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Das kann am Gehör liegen! — Heiterkeit links.)

    Aber ich hatte noch Zeit, heute nacht nicht nur zu schlafen, sondern auch nachzudenken, und dabei bin ich auf etwas ganz Eigenartiges gestoßen. Meine Damen und Herren von der SPD, das möchte ich Ihnen einmal vortragen. Es wird auch für die Kollegen von der CDU höchst interessant sein. Der Kollege Möller sprach von der bruttolohnbezogenen Altersrente. Ich habe festgestellt, daß die Sozialdemokraten im Jahre 1957 als Oppositionspartei der Meinung waren, daß ein Steigerungssatz in der Rentenformel von 1,8 % die akkurat richtige Zahl sei, um eine bruttolohnbezogene Rente zu fixieren. Sie sind mit diesem Steigerungssatz von 1,8 % nicht durchgekommen und haben sich mit 1,5 % beschieden. Sie haben im Jahre 1958 einen Steigerungssatz von 2,5 % als richtige Größe für die bruttolohnbezogene Knappschaftsaltersrente angesehen und auch bekommen. Sie haben sich offensichtlich — ich höre, daß die Fraktionen sich einig sind, das Gesetz mit den bekannten Kompromißänderungen anzunehmen — nur dazu bekannt und bequemt, festzustellen, daß dieser Steigerungssatz von 2,5 %, der die ursprüngliche bruttolohnbezogene Knappschaftsrente ergab, nun auf 2,0 % zurückgeführt werden kann und es dann trotzdem bei einer bruttolohnbezogenen Rente bleibt. Meine Damen und Herren von der SPD, das ist eine sehr interessante Feststellung, denn damit wird deutlich gemacht, daß mit dem
    Schlagwort „bruttolohnbezogene Rente" noch gar nichts ausgesagt ist.

    (Beifall bei der FDP.)

    Das muß man einmal in den Raum stellen.
    Nun hat Herr Kollege Möller natürlich noch etwas anderes gesagt. Er hat erklärt: Jede Diskussion über die Rentenformel von 1957 lehnen wir ab; das würde das Vertrauen in die Rentenversicherung erschüttern. Ich kann mich nur wundern. Die Rentenformel der Knappschaftsversicherung des Jahres 1957 wird mit Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion geändert, denn der Steigerungssatz wird von 2,5 auf 2,0 sinken.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Es sind also, wie der Herr Bundesfinanzminister es so treffend formuliert hat, die Barrikaden, die die Sozialdemokraten selbst errichtet haben und auf denen sie weiterkämpfen, von ihnen selbst längst eingerissen worden.

    (Abg. Genscher: Gummibarrikaden!)

    Aber, meine Damen und Herren, so ungeschickt ist die Mehrzahl der deutschen Bürger nicht, daß sie nicht wüßten, daß man die Milliarden, die man einsparen muß, nicht bei einigen wenigen holen kann.
    Wir haben den Mut gehabt, im Jahre 1957 — und Sie haben uns deswegen zehn Jahre lang verteufelt — nein zu sagen zu den Renteneuregelungsgesetzen, nicht weil wir gegen die Dynamik waren — das möchte ich ausdrücklich betonen —, sondern weil wir gegen die Automatik waren, die darin enthalten ist; das war nämlich der wahre Grund. Wir meinten, daß es nicht gut ist, dem Rentner eine Rente zu versprechen, von der man nicht sicher weiß, daß sie gegeben werden kann, für Jahrzehnte gegeben werden kann, und dem Arbeitnehmer einen Beitragssatz zu versprechen, von dem man nicht weiß, ob er beizubehalten ist.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir können heute nur feststellen, daß wir damals ,den Mut zur Unpopularität hatten, keine Versprechungen ins Blaue hinein zu machen. Sie haben zugestimmt und darüber hinaus noch weitere Versprechungen gemacht. Wir müssen heute feststellen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei und meine Damen und Herren von der CDU: leider sind Sie nicht in der Lage diese Versprechungen zu erfüllen. Wir bedauern das außerordentlich; es wäre uns lieber, Sie könnten Ihre Versprechungen von damals einhalten; niemand wäre glücklicher als wir. Leider müssen wir heute feststellen: Sie müssen durch die Änderung der Knappschaftsrentenformel ganz kräftig in das Leistungsrecht eingreifen, und Sie müssen über den Krankenversicherungsbeitrag auch ein bißchen an den Leistungen für die Rentner in der Arbeiter- und Angestelltenversicherung manipulieren. Sie können Ihre Versprechungen nicht halten.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Aber Sie werden dem nächsten Rentenanpassungsgesetz wieder zustimmen!)




    Spitzmüller
    — Herr Kollege Schellenberg, wir haben den Rentenanpassungsgesetzen zugestimmt, weil wir jedesmal erklärten: Die Grundsatzentscheidung ist im Jahre 1957 von der Mehrheit des Hauses getroffen worden, und damit haben wir bei der jährlichen Rentenanpassung jeweils nur über die jährlich gegebene Situation zu entscheiden, und wenn diese jährlich gegebene Situation eine Zustimmung erlaubte, dann haben wir die Zustimmung gegeben. Es ist etwas anderes, ob Sie die Sache grundsätzlich und langfristig betrachten oder ob Sie die Sache en detail und für das eine Jahr, das zur Debatte steht, ansehen.

    (Beifall bei ,der FDP.)

    Das, glaube ich, muß man einmal klar herausstellen.
    Herr Kollege Schellenberg, wir haben im Jahre 1957 erklärt: Wer vielen vieles geben will, muß vorher vielen vieles nehmen. Genau diesem Wahlspruch folgend, sind 'die Regierung und Sie als regierungstragende Partei jetzt in die Situation gekommen, daß Sie unter dein Motto: Wer vieles einsammeln will, muß von vielen einsammeln, angetreten sind und antreten mußten. Das wollen wir ganz klar herausstellen. Es ist einfach nicht möglich, so zu tun, als ob der kleine Mann nicht an dieser Last teilhaben würde.
    Meine Damen und Herren, ich möchte noch ein Letztes zu den Ausführungen des Kollegen Möller feststellen. Nicht der Mut, die Dinge nüchtern zu betrachten und kritisch, mit genügend Unterlagen ausgerüstet, an eine Reform heranzugehen, schafft Chaos, sondern .die Feigheit, sich den notwendigen Reformen, ja, sogar den Diskussionen über notwendige Reformen zu versagen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Selbst wenn man davon ausgeht, wie der Herr Bundesfinanzminister es ausgeführt hat, daß es nur noch wenige in unserer Gesellschaft gibt, die in der Lage sind, allen vielfältigen Risiken des Lebens allein aus eigener Tasche zu begegnen, so ist damit noch keineswegs gesagt, daß es Aufgabe staatlicher Sozialpolitik sein muß, allen Arbeitnehmern vorzuschreiben, in welcher Form, in welcher Höhe, bei welchen Einrichtungen und in welchem Umfang sie Vorsorge zu treiben haben.

    (Abg. Frau Kalinke: Sehr wahr!)

    Das ist im Grunde nichts anderes als eine Unmündigkeitserklärung für den Arbeitnehmer, wenn man ihm auf die Dauer keinerlei Wahl der Vorsorge mehr überläßt, weil man so kräftig in sein Einkommen eingreift, daß für Möglichkeiten einer zusätzlichen individuellen Vorsorge kein Spielraum mehr bleibt.
    Es ist einfach — bitte entschuldigen Sie, ich weiß nicht ob das Wort „schizophren" parlamentarisch noch zulässig ist — schizophren, zu sagen: Wir müssen das System weiter halten, wir müssen es weitertreiben, und daneben noch von verstärkter Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand zu sprechen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Die Beiträge werden kräftig steigen. Allein auf der Grundlage der Regierungsvorlage wird der Höchstbeitrag von 196 DM auf 306 DM in den nächsten vier Jahren ansteigen. Meine Damen und Herren, verschließen wir doch nicht die Augen vor der Situation in der Knappschaft! Dort sind wir an der oberen Grenze der Belastungsfähigkeit mit 23,5 % Beitragssatz angekommen. Dort kommen wir schon auf Pflichtbeiträge von 400 und demnächst von 500 DM im Monat.
    Und was geschieht? Weil man die Beiträge nicht weitertreiben kann, weil man nicht noch weiter in das verfügbare Einkommen des Arbeiters und des Angestellten eingreifen kann, kürzt man die Rente. Das ist unsere Sorge, die Sorge der -Freien Demokraten, bei der Angestelltenversicherung und bei der Arbeiterrentenversicherung. Noch können Sie manipulieren. Noch können Sie die Beitragssätze höher schrauben. Aber wie lange wird das noch gut gehen?
    Verschließen wir doch die Augen nicht vor der Situation, daß die Rentenversicherung mit der Formel des Jahres 1957 darauf aufgebaut ist, daß die Leistungen aus drei Quellen gespeist werden, d. h. daß die Versicherungsträger drei Quellen der Einnahmen haben und daraus die vielfältigen Ausgaben bestreiten müssen. Da ist einmal der Beitrag, da sind zum anderen die Zinserträge — keine große Säule, aber immerhin doch eine kleine sprudelnde Quelle —, und da ist als drittes der Bundeszuschuß. Und nun, meine Damen und Herren, gehen Sie hin und kürzen den ohnehin langsamer wachsenden Bundeszuschuß noch kräftig. Eine Quelle wird weniger sprudeln. Die andere Quelle, die Erträge aus Zinsen, wird ebenfalls, prozentual gesehen, weniger fließen. Ja, wir fürchten sogar, daß sie absolut gesehen weniger fließen wird, weil die 8 Milliarden DM Vermögensverzehr, die in der Gesetzesvorlage als Möglichkeit drin sind, vielleicht doch gebraucht werden. Das bedeutet dann eben einen zusätzlichen Einnahmeverlust von 100 oder 150 Millionen DM im Jahr. Wenn Sie also mit diesen zwei Quellen die Kassen geringer füllen, müssen Sie die anderen Quellen, die Beitragsquellen, verstärken, und das tun Sie ja auch. Aber auch hier werden wir eines Tages, früher oder später, an der oberen Leistungsgrenze sein.
    Wir als Freie Demokraten wollen nicht, daß man den heutigen Rentnern und den heutigen Beitragszahlern, die noch in Arbeit stehen, etwas vorgaukelt, von dem man nicht wirklich im Innersten seines Herzens überzeugt ist, daß man es auch halten kann.

    (Beifall bei der FDP.)

    Das ist unsere Sorge, nicht, daß wir den Leuten nicht genügend geben wollten. Wir wollen vielmehr, daß sie aus ihrem Leistungslohn auch noch etwas verfügbar haben und der Sparprozeß nicht aus der aktiven Zeit in die inaktive Zeit verlegt wird. Deshalb sollten wir uns nicht gegenseitig mit sozialen Parolen schlagen, sondern wir sollten versuchen, einen Weg zu finden, auf dem wir durchkommen.



    Spitzmüller
    Wer die Rentenformel und ihre Konsequenzen begriffen hat, muß wissen, daß unter den gegebenen Umständen — Bevölkerungsstruktur, Wachstumsraten, wirtschaftliche und politische Situation — eine Zurückdrängung des Umverteilungsprozesses gar nicht möglich sein wird. Deshalb müssen wir sagen: was der Herr Bundesfinanzminister hierzu gesagt hat, ist leider nicht haltbar. Wir würden es sehr begrüßen, wenn er sagte, daß dies zwar eine ideale Ziel- und Wunschvorstellung von ihm ist, aber daß er weiß, daß die Realitäten anders sind, daß die Realitäten es allenfalls zulassen werden, das Nettoeinkommen vielleicht bei 80 % des Bruttoeinkommens zu halten, daß es aber auch da schon großer, großer Anstrengungen bedarf, wenn man nicht noch mehr in das verfügbare Einkommen des Arbeiters und Angestellten eingreifen will.
    Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf eines eingehen. Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten wird durch den sogenannten Rentnerkrankenversicherungsbeitrag belastet. Hier ist eine großartige Idee geboren worden, die zum Inhalt hat, daß die Rente zunächst erhöht, dann aber doch wieder in etwas niedrigerer Höhe ausbezahlt wird. Damit wird die Fiktion aufrechterhalten, daß in das Leistungsrecht nicht eingegriffen werde. Zur Rechtfertigung dieser verwaltungsmäßig sehr umständlichen und kostspieligen Maßnahme wird die Theorie vom Lohnersatz strapaziert. Es wird so getan, als werde der Rentner in Höhe von 4 oder neuerdings anscheinend 2 % seines Einkommens zu den Leistungen seiner Krankenversicherung herangezogen. In Wirklichkeit liegen die Dinge leider viel komplizierter und sind weit wenider durchschaubar. Von diesen 2 % bekommt die Krankenversicherung schlechthin — nicht seine Krankenversicherung, sondern die Krankenversicherung schlechthin — einen Teilbetrag, und der andere Teil dieser 2 % wird verwendet, um die Löcher bei der Rentenversicherung zu stopfen.

    (Sehr richtig bei der FDP.)

    Warum diese fragwürdige Argumentation, diese vermeidbaren verwaltungsmäßigen Belastungen? Im Zusammenhang mit dem Sozialbericht, in dem bestimmte Vorstellungen entwickelt worden sind, werden wir noch einmal darauf zu sprechen kommen.
    Wieso eigentlich, meine Damen und Herren, ist die Rente desjenigen, der im Jahre 1967 Rentner wurde, keine Lohnersatzfunktionsrente? Denn sie wird ja nicht zum Krankenversicherungsbeitrag herangezogen. Auch hier eine etwas eigenartige Konstruktion! Hier wird doch um des optischen Eindrucks willen etwas aufgebaut, was kein Vernünftiger und Nachdenkender mehr akzeptieren kann. Für den Rentner ist entscheidend, was er erhält, und nicht, nach welchen Theorien oder auf Grund welcher Verwaltungspraxen in das bisher übliche Leistungsrecht eingegriffen wird.
    Herr Kollege Windelen hat sehr dankenswerterweise etwas angesprochen, was ich noch vertiefen möchte. Bezüglich der Sozialleistungen insgesamt steht die Bundesrepublik in der EWG an der Spitze, ebenso bezüglich der Einzelleistungen bei der Alterssicherung, während die Franzosen bei den Leistungen für die kinderreiche Familie an der Spitze stehen. Nun treten ja in der Finanzgestaltung nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland Schwierigkeiten auf, sondern auch in Frankreich, und die Italiener stehen vor ähnlichen Problemen. An diese Probleme müssen wir doch — ich möchte sozusagen zur Entlastung unserer Kollegen sagen, daß das kein nationales Problem ist, sondern den Politikern offensichtlich international Schwierigkeiten macht — mit Mut herangehen. Bei den Leistungen für die kinderreiche Familie stehen wir innerhalb der EWG an letzter Stelle, und im Rahmen des Finanzplanungsgesetzes greifen wir genau in diese Leistung ein, bei der wir ohnehin am Ende marschieren. Die Franzosen stehen mit ihren Sozialleistungen in der Krankenversicherung innerhalb der EWG an letzter Stelle, und sie greifen aus Ersparnisgründen auch wieder gerade dort ein, wo sie am schwächsten sind. Ich frage mich: Wie soll da noch eine Harmonisierung erfolgen, wenn offensichtlich in allen Staaten der EWG bestimmte Schwergewichte gesetzt worden sind, die zu den Tabu-Zonen gehören, die keiner gern irgendwie zur Diskussion stellt, geschweige denn entscheidende Änderungen auf diesem Gebiet vornimmt?
    Herr Bundesfinanzminister, Sie haben ein Problem angesprochen, und ich glaube, der Herr Bundesarbeitsminister wird mir darauf eine Antwort geben. Ich glaube, das ist eine ganz entscheidende Frage. Es ist die Frage: Was ist eigentlich sozialer Besitzstand? Ich wäre gar nicht darauf gekommen, eine solche Frage zu stellen, wenn nicht der Herr Bundesfinanzminister am 6. September erklärt hätte, es werde nicht in den sozialen Besitzstand eingegriffen. Und gestern hat der Herr Bundesfinanzminister erklärt, es sei der Eindruck erweckt worden, als müßten die Rentner aus ihrem gegenwärtigen Besitzstand diesen Krankenversicherungsbeitrag bezahlen. Hier ergibt sich eine eminent wichtige Grundsatzfrage, deren Beantwortung viel zur Entschärfung und Entgiftung des bisherigen sozialpolitischen Klimas und der Diskussionen beitragen könnte.
    Meine Damen und Herren, notwendige Diskussionen über sachgemäße sozialpolitische Entscheidungen sind in der Vergangenheit immer wieder mit dem Argument torpediert worden, es dürfe in den Besitzstand nicht eingegriffen werden. Wenn irgend jemand etwas sagte, wurde er sofort zurückgewiesen nach dem Motto: Sie greifen ja in den Besitzstand ein! Ich erinnere mich noch gut der Rede des Kollegen Barzel vor dem CDU-Parteitag im Jahre 1966, die ich zwar nicht gehört, aber gelesen habe, in der er zu bestimmten Vorstellungen, die im Finanzministerium erwogen wurden, sagte: Wir warnen und wir rufen diesen Herrschaften zu: Hände weg von der Rentenversicherung! Er hat das unter großem Beifall gesagt, meine Damen und Herren. In der Zwischenzeit aber haben Sie die Hände ganz kräftig in der Rentenversicherung.

    (Beifall bei der FDP.)




    Spitzmüller
    Man sieht also, wie schnell sich die Dinge wandeln können.

    (Zuruf von der FDP.)

    Meine Damen und Herren, was meinte der Finanzminister also am 6. September und vorgestern mit diesen Formulierungen? Was versteht die Bundesregierung unter sozialem Besitzstand? Ist damit das jeweils geltende Recht, also der rechtliche Rahmen, gemeint, oder ist damit — das ist eigentlich die einzige Schlußfolgerung, die die Äußerung des Bundesfinanzministers zuläßt — das absolute Maß der sozialen Leistungen zu dem betreffenden Zeitpunkt gemeint, in Mark und Pfennig ausgedrückt, also der finanzielle Rahmen zu dem jeweiligen Zeitpunkt?
    Unter dieser letzten Definition, meine Damen und Herren, wäre sogar die Kürzung des Steigerungssatzes in der Knappschaftsversicherung von 2,5 auf 2% zuzüglich Rentnerkrankenversicherungsbeitrag kein Eingriff in den Besitzstand. Eine solche Auslegung würde sogar bedeuten, daß Änderungen der Rentenformel, wie sie jetzt in der Knappschaftsversicherung und auch in der Angestellten- und Arbeiterversicherung vorgenommen werden oder bei den bisher üblichen Anpassungen erfolgen könnten, nicht als Beeinträchtigung des Besitzstandes angesehen werden könnten. Das ist eine so eminent wichtige Frage, daß wir hier nicht nur von der Regierung ein klärendes Wort erwarten, sondern auch von den Regierungsfraktionen. Nicht nur die Opposition, sondern die ganze deutsche Öffentlichkeit muß in der Zukunft wissen, was der einzelne oder was eine Gemeinschaft mit dem Schlagwort „sozialer Besitzstand" umreißt und meint.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ich darf noch hinzufügen, daß der Rentner bisher natürlich von der Erwartung ausging, daß dies der rechtliche Rahmen sei. Aber vielleicht sind hier neue Erkenntnisse gereift. Wir sind auf die Beantwortung sehr gespannt.
    Was den Rentnerkrankenversicherungsbeitrag angeht, hielten wir es für einfacher und überschaubarer, zu sagen, daß die künftige Entwicklung mit gewissen Schwierigkeiten belastet ist, statt zu solchen Hilfskniffen zu greifen. Denn der Rentenbescheid wird dadurch nicht leichter lesbar, sondern er wird noch viel schwieriger. Ich frage die Herren von der SPD: Sind Sie nicht auch mit dem Vorsatz in die Regierung gegangen, dafür zu sorgen, daß die Rente übersichtlicher wird und daß der einzelne diesen Rentenbescheid lesen und besser verstehen kann? Wenn das vollzogen wird, über was Sie sich geeinigt haben, haben Sie sich von diesem Ihrem Ziel weit entfernt.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir können die von Ihnen gefundene Kompromißformel nur als weitere Vernebelungsversuche ansehen.
    Noch ein Wort zu den finanziellen Berechnungen. Herr Bundesarbeitsminister, wie konnten bei gleichen Annahmen über die künftige Entwicklung der Bruttolöhne zwischen den Berechnungen der Bundesregierung und denen des Bundesverbandes der Rentenversicherungsträger Unterschiede in Höhe von mehreren Milliarden für die nächsten Jahre entstehen? Warum sind diese Differenzen nicht rechtzeitig so aufgeklärt worden, daß das Parlament weiß, worin die Unterschiede liegen? Diese Situation erinnert fatal an die Ausgangssituation im Januar 1957, als der Kollege Professor Schellenberg von der SPD am Beginn der zweiten Lesung der Rentenneuregelungsgesetze der Bundesregierung die bange Frage vorlegte, ob man mit einer so wenig gründlich vorbereitenden Gesetzesvorlage überhaupt weiterarbeiten könne. Dieselbe Frage müssen wir uns heute im Jahre 1967 stellen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Trotz Beteiligung der SPD an der Regierung befinden wir uns nunmehr bei der Beratung der Änderung des Rentenversicherungsrechts in derselben Situation: fragwürdiges Zahlenmaterial, unausgewogene Vorschläge zur Änderung des bestehenden Rechts und dazu noch ein Zeitdruck, der stärker gar nicht mehr sein könnte. Allein dieser Zeitdruck verhindert schon eine sachgemäße und fundierte Beratung. Insofern hat sich also, meine Kollegen von der SPD, gegenüber der Situation des Jahres 1957, in dem die CDU über 'die absolute Mehrheit verfügte, nichts, gar nichts geändert.
    Wenn der Finanzminister nun auf Seite 34 seiner Rede darauf hinweist, daß in der Rentenversicherung in diesem Jahre in möglichst großem Umfang dauerhafte Lösungen für die Zukunft erreicht werden sollten, befindet er sich in einem merkwürdigen Widerspruch zu seiner Aussage auf Seite 29. Dort hat er nämlich festgestellt, daß die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen noch keine Dauerlösung darstellten. Das, glaube ich, stimmt.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Aber dann handelt es sich um Übergangslösungen, und da stellen wir die Frage: Übergang wohin, zur Volksversicherung, zur Einheitsversicherung für Arbeitnehmer oder zu einer Alterssicherung mit begrenzten, aber immerhin möglichen individuellen Entscheidungsmöglichkeiten? Übergangslösungen sind notwendig, ,das bekennen auch wir Freien Demokraten. Aber man sollte schon wissen, wohin die Reise geht. Wir können keiner Übergangslösung zustimmen, wenn das Ziel, das nach den Übergangslösungen angesteuert wird, nicht erkennbar ist.
    Wer Entscheidungen für langfristig tragbare Lösungen treffen will, muß ausreichende Unterlagen über die derzeitige Situation sowie über mögliche und wahrscheinliche zukünftige Entwicklungen haben. Wir halten es einfach für fahrlässig, in den Mittelpunkt aller steuer-, finanz- und sozialpolitischen Überlegungen, Betrachtungen und Entscheidungen ein einziges Wunschbild zu stellen: das von einer 5- bis 51/2prozentigen jährlichen Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts. Wer einen Überblick über mögliche künftige Entwicklungen gewinnen will, darf sich nicht an eine einzige Entwicklungslinie klammern, er muß günstigere und ungünstigere Entwicklungen in .den Kreis der Betrachtungen und



    Spitzmüller
    Überlegungen mit einbeziehen, wenn er zu vernünftigen und gültigen Entscheidungen kommen will.

    (Beifall bei der FDP.)

    Offenbar aber hat die Bundesregierung dies leider versäumt, sonst hätte sie auf unsere Kleine Anfrage Drucksache V/2061 zur zukünftigen Entwicklung der Brutto- und Nettoarbeitsverdienste, der steuerlichen Belastung, der sozialen Abgaben und der Nettoeinkommen zumindest eine Antwort im Rahmen ihres einzigen Modells geben können. Aber nicht einmal dazu war sie in der Lage. Sie hat uns die Angaben darüber in Aussicht gestellt, und wir warten bis heute auf die zugesagte Beantwortung, ja wir müssen in diesem Zusammenhang sogar fragen: Werden uns die Zahlen noch vor der dritten Lesung des Finanzplanungsgesetzes zur Verfügung stehen?
    Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß die Bundesregierung es unterlassen hat, Alternativrechnungen zu der angenommenen 5- bis 51/2prozentigen Steigerung des Bruttosozialproduktes vorzunehmen, geht auch schon aus der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage zu Fragen der Finanzplanung des Bundes hervor. In der Drucksache V/2123 — das ist die Drucksache, Herr Kollege Schellenberg, von der Sie vorhin sagten, daß die Regierung hier doch eine sehr saubere Antwort gegeben habe — hat die Bundesregierung unter dem Datum vom 29. September erklärt, daß Rechnungsergebnisse zur Annahme einer Entwicklung mit Zuwachsraten von 3 % und 7 % nicht vorlägen und daß sie auch nicht in der üblichen Frist von 14 Tagen zu erstellen seien. Zwischenzeitlich sind vier Wochen vergangen, und wir warten noch immer auf die Beantwortung dieser Frage.
    Diese Situation, meine Damen und Herren, bedeutet doch nichts anderes, zumindest für den Sozialbereich, als daß den Fraktionen Entscheidungen auf gut Glück oder ins Blaue hinein abverlangt werden.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wenn man nicht genügend Unterlagen hat, bleibt eben nur noch das blinde Vertrauen etwa nach dem Motto, es werde schon gut gehen. Dasselbe Motto — das können Sie in den Protokollen des Jahres 1957 nachlesen — hat im Jahre 1957 viele Kollegen, insbesondere von der CDU/CSU-Fraktion, letztlich dazu bewogen, zu sagen: Stimmen wir zu! Leider müssen diese Kollegen heute feststellen, daß es zehn Jahre lang gut gegangen ist, daß wir aber jetzt in der Situation stehen, wo wir erkennen müssen, daß es nicht unter allen Umständen und immer gut gehen wird. Wir bitten deshalb um Verständnis, daß wir in dem, was die Regierung zu diesen Fragen der Finanzplanung vorgelegt hat, und in den Kompromissen, die von den Regierungsfraktionen angeboten werden, nichts anderes sehen als den Ausdruck sozialpolitischer Ratlosigkeit.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ein Journalist hat es gestern in einer großen und angesehenen deutschen Tageszeitung sehr klar und hart umrissen, indem er festgestellt hat: Die Große Koalition erweist sich in den Fragen der Sozialpolitik nicht als Addition des Mutes, sondern als Addition der Angst.
    Wir Freien Demokraten — das möchte ich abschließend sagen — sind zur Mitarbeit in allen entscheidenden Fragen bereit, aber wir verlangen die Bereitstellung von Unterlagen in den Ausschüssen und die Beantwortung der noch nicht beantworteten Teile unserer Kleinen Anfrage, Unterlagen, die auch bei unterschiedlicher Betrachtungsweise der Probleme sachgemäße Entscheidungen in der einen oder andern Richtung erlauben. Das ist bisher nicht der Fall. Das, was als mögliche Lösungen angeboten wird, ist höchstens ein Verlagern der Probleme in die nächste Zukunft; es ist die Flucht vor grundsätzlichen Entscheidungen.
    Nach unserer Beurteilung ist die Zukunft der Rentenversicherung unsicherer denn je, ja sogar die Frage, welcher Rentenanspruch in Zukunft bestehen soll, ist durch die vorgeschlagenen Maßnahmen in der Knappschaftsversicherung offen. Unsicherheit breitet sich aus, da die ökonomischen Möglichkeiten im Ansatz in etwa noch im Einklang stehen mit dem veränderten Leistungsrahmen, den die Regierung vorsieht, aber in völligem Widerspruch zu den Aussagen der sozialpolitischen Schönredner der Koalition.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Karl Mommer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Finanzänderungsgesetz, dessen erste Lesung wir heute durchführen, stellt die sozialdemokratische Fraktion insbesondere im sozialpolitischen Bereich vor schwere Aufgaben. Deshalb möchte ich jetzt zusammenfassend unsere Auffassungen darstellen. Wir werden in der Diskussion im einzelnen noch die Möglichkeit haben, uns mit den Darlegungen der FDP auseinanderzusetzen, sofern es mir in diesen einführenden Ausführungen zeitlich nicht möglich ist.

    (Abg. Ollesch: Keine Vertagung!) — Ja, wir kommen darauf.

    1. Bei den Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit und auch hier in diesem Hause um die Fragen der Sozial- und Gesellschaftspolitik im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung spricht man einerseits von „sozialer Demontage" und andererseits vom „Marsch in den Versorgungsstaat". Herr Kollege Spitzmüller hat das ein bißchen anders ausgedrückt. Er hat zwar nicht direkt von „sozialer Demontage" gesprochen,

    (Abg. Moersch: Er hat zitiert! — Lachen bei der FDP)

    — nicht im Wortlaut, aber im Sinn! — (Zuruf des Abg. Spitzmüller)

    — als er meinte, der soziale Bestand sei nicht mehr gewährleistet.

    (Weitere Zurufe von der FPD.)




    Dr. Schellenberg
    Er hat aber auf der anderen Seite von einer „Sozialisierung der Arbeitseinkommen" gesprochen.
    Herr Kollege Spitzmüller, Sie haben ein Wort gebraucht, das hier nicht üblich ist: „schizophren". Ich will es nicht verwenden.

    (Lachen und Zurufe von der FPD.)

    Ich will nur sagen, daß Sie, Herr Kollege Spitzmüller, hier einen Mischmasch der einen Auffassung — „Beeinträchtigung des sozialen Besitzstandes" — und der anderen Auffassung — „zuviel Versorgungsstaat" — vorgetragen haben, ohne aber — und das ist das Entscheidende — eine finanzielle Deckung darzulegen. Das ist die zentrale Aufgabe, vor der dieses Haus steht, vor der alle, die politische Verantwortung tragen, auch Sie, meine Damen und Herren von der FDP, stehen.
    Wie ist denn die Lage im Bereich der Sozialpolitik?

    (Zurufe von der FDP: Schlecht!)

    — Das werden wir genau untersuchen. — In dieser ersten großen wirtschaftlichen Rezession der Nachkriegszeit,

    (Oh-Rufe bei der FDP)

    die wir gerade durch Maßnahmen

    (Ah-Rufe bei der FDP)

    der Wirtschaftspolitik und auch der Finanzpolitik zu überwinden beginnen, in dieser Phase der wirtschaftlichen Abschwächung

    (Abg. Moersch: Glauben Sie alles, was Sie sagen?)

    hat die Sozialpolitik im Grundsätzlichen — auf alle Details komme ich selbstverständlich zu sprechen — ihre Bewährungsprobe bestanden. Seit 1966 stagniert praktisch das Sozialprodukt. Aber die Leistungen für soziale Sicherheit haben kräftig zugenommen. Um es in Zahlen auszudrücken: alle Sozialleistungen, auch die durch Beiträge der Versicherten und ihrer Arbeitgeber, haben im Jahre 1966 68,9 Milliarden DM betragen, und sie werden nach dem Finanzbericht des Herrn Bundesfinanzministers in diesem Jahre auf 77,3 Milliarden DM anwachsen. Das ist die Folge einer größeren Zahl von Arbeitslosen, der größeren Zahl von Rentnern, auch -der gestiegenen Durchschnittshöhe der Renten und der Verbesserung der Kriegsopferversorgung, um nur einige Beispiele zu nennen.
    Aber es kommt — und darin stimme ich Ihnen, Herr Kollege Spitzmüller, zu — bei der weittragenden Entscheidung, die mit dem Finanzänderungsgesetz zu treffen ist, selbstverständlich darauf an, auch die Sozialleistungen, finanziert durch Beiträge der Arbeitgeber, der Versicherten und des Bundes, in langfristiger Entwicklung zu sehen. 1957 haben die gesamten Sozialleistungen 31,2 Milliarden DM betragen. Sie machten damals 13,8 % des Bruttosozialprodukts aus. In diesem Jahre werden sie mit den genannten 77,3 Milliarden DM auf 16,1 % des Bruttosozialprodukts angewachsen sein. Die Steigerung ist nominell und natürlich auch im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt sehr beachtlich.
    Die Steigerung des Anteils der Sozialleistungen am Bruttosozialprodukt ist aber vor allem eine Folge des gegenwärtigen Stillstandes des Bruttosozialprodukts. Weil wir das wissen, sind wir Sozialdemokraten — selbstverständlich einschließlich der Sozialpolitiker — bereit, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die volkswirtschaftliche Leistungskraft wieder zu Wachstum zu bringen; dies bildet die Voraussetzung für die Bereitstellung der Mittel der sozialen Leistungen im weitesten Sinne des Wortes.

    (Beifall bei der SPD.)

    Insofern arbeiten Sozialpolitiker, Wirtschafts- und Finanzpolitiker in meiner Fraktion vertrauensvoll zusammen. Das ist auch in der gestrigen Rede meines Kollegen und Freundes Dr. Möller zum Ausdruck gekommen.

    (Abg. Frau Kalinke: Welch ein Fortschritt mit Gottes Hilfe! — Zuruf von der FDP: Jawohl!)

    Die gesamten Sozialleistungen waren absolut und verglichen mit dem Sozialprodukt in unserem Lande noch niemals höher als heute. Während die Löhne und Gehälter gegenwärtig stagnieren, haben — und das ist wirtschaftspolitisch von großer Bedeutung — vor allem die Sozialleistungen die Massenkaufkraft gesichert. Die Sozialleistungen haben sich damit als eine wichtige Konjunkturstütze erwiesen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wer die Höhe des Sozialaufwands kritisiert, der möge doch die Frage beantworten — ich richte sie an die Damen und Herren von der FDP —: Wie stände es um die soziale und politische Stabilität in unserem Lande ohne diese Sozialleistungen?

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Der Anstieg der Sozialleistungen wurde im wesentlichen durch Beiträge der Arbeitenden und ihrer Arbeitgeber, durch eine gewisse Verflüssigung der Mittel der sozialen Sicherung und aus Bundesmitteln aufgebracht.
    Die Bundesmittel für Sozialleistungen, die im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes eine beachtliche Rolle spielen, haben sich, auch langfristig gesehen, in absoluten Beträgen erhöht. Sie sind von 10,8 Milliarden DM im Jahre 1957 auf 20,3 Milliarden DM im Jahre 1967 angestiegen und werden sich im Jahre 1968 auf 21,8 Milliarden DM belaufen, was auch mit der Tatsache zusammenhängt, daß jetzt keine Schuldbuchforderungen mehr gegeben werden.
    Das ist in absoluten Beträgen eine gewaltige Steigerung. Aber — und das müssen wir für jede weitere Diskussion wissen — in Relation zum gesamten Bundeshaushalt sind die Sozialleistungen des Bundes von 33,3 % im Jahre 1957 auf 27,6 % im Haushaltsentwurf für 1968 zurückgegangen.
    Nach diesen finanziellen Ausgangsdaten nun zur Stellungnahme der Sozialdemokraten.
    Als Opposition haben wir wesentlich daran mitgewirkt — das wird jedermann zugestehen —, diesen Sozialleistungsstand zu erreichen. In der Regie-



    Dr. Schellenberg
    rungsverantwortung sind wir unbedingt entschlossen, diese Sozialleistungen grundsätzlich — auf die Abweichungen komme ich sofort — auch in Zeiten finanzieller Schwierigkeiten zu sichern. Hierfür einige Beispiele: Verbesserung der Leistungen in der Kriegsopferversorgung, Erhöhung des Arbeitslosengeldes, um den Betroffenen so lange zu helfen, bis sie durch die Wirtschaftspolitik unserer Bundesregierung

    (Zuruf von der FDP: Wieder Arbeit bekommen!)

    — wieder Arbeit bekommen.
    2. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Entwurf des Finanzänderungsgesetzes kommt der sozialen Sicherung für das Alter, der Rentenversicherung, eine besondere Bedeutung zu. Die Sicherung des Lebensabends hat nach Auffassung der Sozialdemokraten — und ich weiß mich darin völlig eins mit unserem Koalitionspartner —

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    im Rahmen der Gesellschaftspolitik eine fundamentale Bedeutung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sozialdemokraten, wo sie stehen, ob in der Bundesregierung, ob im Parlament, haben darum gerungen, daß diese Alterssicherung durch die mittelfristige Finanzplanung möglichst nicht beeinträchtigt wird. Herr Kollege Stingl wird nachher für seine Fraktion sprechen und den Standpunkt der CDU/CSU in dieser Hinsicht erläutern und dabei sicherlich der FDP in entsprechender Weise antworten.
    Wir haben uns — die beiden Regierungsparteien von heute — im Jahre 1957 zu diesem Rentensystem mit der bruttolohndynamischen Rente entschlossen. Damals hat jeder von uns den Altersaufbau unseres Volkes gekannt.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    In Kenntnis dieses Altersaufbaus haben wir die Entscheidung über das neue Rentensystem getroffen. Jetzt haben sich infolge der wirtschaftlichen Abschwächung die finanziellen Probleme, die wir seit über 'zehn Jahren kennen, verschärft. Dies auch deshalb, weil sich dieses Haus im Jahre 1957 für eine um vier Jahre verzögernde Anpassung entschieden hat. Das führte seit der Rentenreform dazu, daß die Renten trotz der Anpassung verhältnismäßig hinter der Lohn- und Gehaltsentwicklung ,der Aktiven zurückgeblieben sind. Jetzt, in der Zeit der Abschwächung der Lohn- und Gehaltsentwicklung, wäre es eine schwere Erschütterung der sozialen Sicherung, wenn wir nunmehr zum Nachteil der Rentner dieses System der Bruttolohndynamik verschlechtern würden.

    (Zuruf von der FDP: Das tut ihr doch!)

    — Nein, ich werde im einzelnen genau darlegen, was wir tun und wozu wir uns nach eingehenden Besprechungen und Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner entschlossen haben.
    Meine Damen und Herren: Die Frage der Beibehaltung der bruttolohndynamischen Rente ist nicht nur eine Angelegenheit der Rentner, sondern eine Frage ides Vertrauens aller Bürger nicht nur in die soziale Sicherheit, sondern in unserer Demokratie überhaupt.
    Das Finanzänderungsgesetz gewährleistet grundsätzlich — Ausnahmen werde ich darlegen, damit Sie sich nicht beunruhigen, meine Damen und Herren von der FDP; aber es sind leider von Ihnen nur wenige da — —

    (Zuruf von der FDP: Vor allen Dingen die Qualität!)

    — Das will ich gern zugeben. — Das Finanzänderungsgesetz gewährleistet grundsätzlich weiterhin die bruttolohndynamische Rente. Trotz des RentnerKrankenversicherungsbeitrages von 2 %, auf den ich noch zu sprechen komme, werden sich die Renten des Bestandes bis 1971, also in jenem Zeitraum, für den wir jetzt mittelfristige Finanzplanung treiben, um 29,8 % erhöhen. Das ergibt sich aus den Grundsätzen ,der Lohndynamik. Wir wissen schon jetzt nicht nur, wie ,die Anpassung für 1968 weitergehen soll, sondern auch, wie sich die Rente bei Aufrechterhaltung der Dynamik 1969, 1970 und 1971 berechnen wird. Das weiß man gerade wegen der nachhinkenden Anpassung schon heute. Die Renten werden sich also bis 1971 um 29,8 % erhöhen, ungeachtet des Beitrages zur Rentnerkrankenversicherung.
    Noch eine andere Bemerkung, Herr Kollege Spitzmüller! Die Gewährleistung der bruttolohndynamischen Rente ist für uns — und ich meine, auch damit zugleich für unseren Koalitionspartner zu sprechen — keineswegs nur eine Aufgabe bis 1971. Deshalb haben wir schon als Opposition mit besonderem Nachdruck darauf bestanden, daß versicherungstechnische Bilanzen nicht nur bis 1971 vorgelegt werden, sondern daß die Vorausrechnungen für Jahrzehnte erfolgen. In Kenntnis dieser versicherungstechnischen Bilanzen wissen wir ganz genau, daß die Rentenversicherung — — Bitte schön, Herr Kollege Spitzmüller, wollen Sie eine Fragestellen?