Rede von
Dr.
Hermann
Schwörer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Moersch, Sie werden es ja erleben; wir werden es Ihnen beweisen.
Die FDP sagt, noch hätten wir einen Geldwertschwund; trotzdem wollten wir das Wachstum ankurbeln. — Meine Herren, das, was Sie hier äußern, ist keine echte Sorge. Das dient nur dazu, diese Regierung von Anfang an zu behindern, eine Wirtschaftspolitik, wie sie die gegenwärtige Situation erfordert, zu machen.
Wir wollen alle miteinander einen möglichst geringen Geldwertschwund; doch weiß jeder, daß es einen Geldwertschwund zu allen Zeiten, auch in der guten alten Zeit gegeben hat.
Ich möchte noch ein Zweites sagen, ohne es im einzelnen auszuführen. Der Lebenshaltungskostenindex, wie wir ihn heute haben, ist keine ideale Aussagegröße für die Stabilität des Geldwertes. Darüber sollte man sich zu einem späteren Zeitpunkt einmal unterhalten. Jedenfalls wissen wir, daß die Kaufkraft in den letzten Jahren nicht gesunken, sondern kräftig gestiegen ist. Und sie wird auch weiter steigen.
Es ist deshalb meiner Ansicht nach unverantwortlich von Ihnen, wenn Sie im Zusammenhang mit der Bildung der neuen Bundesregierung von einer „geplanten Inflation" reden und damit unserem Volk, das zwei echte Inflationen erlebt hat, unbegründet Sorgen machen
mit der Absicht, die neue Regierung von vornherein abzuwerten.
Ich bin im Gegenteil erfreut darüber, daß die Regierung erkannt hat, daß jetzt die Hauptsorge dem Wachstum zu gelten hat. Der größte Teil unseres
Volkes atmet auf, weil die Sicherung der Arbeitsplätze von diesem Wachstum entscheidend abhängt.
Das Funktionieren eines modernen Staates im dritten Drittel des 20. Jahrhunderts ist ohne ein kräftiges Wachstum nicht zu denken; das hat der Herr Bundesfinanzminister heute auch schon ausgesprochen. Es ist deshalb nicht denkbar, weil die Aufgaben des Staates wachsen. Er braucht ständig mehr Mittel, um den großen Komplex der Gemeinschaftsaufgaben und der Sicherung der Zukunft in jeder Form zu bedienen.
Die Wirtschaft braucht weiterhin laufend zusätzliche Investitionsmittel, um mit dem technischen Fortschritt Schritt zu halten, und auch der einzelne kann bei stagnierenden Einkommen vieles Notwendige in seiner Familie und in seinem eigenen Leben nicht tun. Sie werden mir sicherlich insoweit zustimmen, meine Kollegen von der FDP.
Doch vielleicht fragen Sie, wo die Grenze zwischen einem erwünschten und einem übertriebenen Wachstum liegt. Ich glaube, daß das Ziel der Bundesregierung, 4 %, gut liegt. Wir werden es ohne inflationäre Entwicklungen erreichen können, wenn wir die in der Regierungserklärung aufgezeigten Bedingungen beachten: Das Zusammenwirken aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten in einer freiwilligen und gemeinsamen Aktion.
Die Haushaltsdinge haben wir selbst in der Hand.
Bezüglich der Abschlüsse der Tarifpartner gibt es hoffnungsvolle Ansätze, daß wir hier zu der konzertierten Aktion kommen.
Ich bin der Meinung, daß auch die Unternehmer in ihrer Preispolitik sich ebenso stabilitätsgerecht verhalten
und eventuell vorhandene Luft in den Preisen lieber zu Preissenkungen als zu partiell überhöhten Lohnzugeständnissen verwenden sollten.
Damit kommen sie dem Arbeitnehmer eher zugute, als wenn durch hohe Lohnkostenabschlüsse in kapitalintensiven Bereichen das allgemeine Lohnniveau durch gleiche Lohnerhöhungen in den lohnintensiven Bereichen nach oben gedrückt wird. Das ist bei dem heutigen Umfang der Dienstleistungen im Sozialprodukt von besonderer Bedeutung.
Ich bin sicher, daß die Unterstützung der Bundesregierung für die konzertierte Aktion, wenn sie durch das persönliche Engagement des Bundeskanzlers, des Wirtschaftsministers und des Finanzministers getragen wird, ihren Erfolg haben wird. Die öffentliche Meinung wird das ihrige dazu tun, daß die Vernunft bei allen Abschlüssen sich durchsetzen wird.
Damit entfällt für uns die Sorge, daß aus dem neuen Aufschwung ein neuer Preisauftrieb entstehen könnte.
3794 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966
Dr. Schwörer
Nun gibt es zwei Probleme, die Kollegen meiner Fraktion angesprochen haben und die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind. Ich möchte dazu noch einige Sätze sagen, weil ich mit ihnen nicht konform gehe.
Der Zeitpunkt der Maßnahmen zur Wachstumsförderung: Kollege Pohle hat davon gesprochen, daß er noch nicht gekommen sei. Ich bin der Meinung, daß wir jetzt die Aufhebung der Restriktionen und die Einleitung der Wachstumsanreize zu betreiben haben. Damit stehen wir mit den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, mit den Verbänden der Wirtschaft, mit den Gewerkschaften und auch mit den allermeisten Unternehmern im Einklang.
Die Wiederankurbelung der Wirtschaft wird eine gewisse Anlaufzeit brauchen, ebenso wie die Dämpfung eine Zeitlang gedauert hat. Man kann die Wirtschaft nicht wie einen Radioapparat abdrehen und wieder schnell auf volle Lautstärke drehen. Der eingeleitete Aufschwung wird mindestens ein halbes Jahr brauchen, bis er sich auswirkt.
Ich bin also der Meinung, es ist berechtigt, wenn die Regierungserklärung eine sofortige Aktion fordert.
Ich kann nicht glauben, daß es einen Sinn haben soll, Kapazitäten der Wirtschaft ein halbes Jahr ungenützt oder halb ausgenützt zu lassen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß das eine Senkung der Kosten bringen soll.
Das gleiche gilt für die Arbeitslosenzahl. Ich glaube, daß man mit den ausländischen Arbeitskräften, mit denen heute operiert wurde, in dieser Zahl im nächsten Jahr nicht rechnen kann. So mancher ausländische Arbeitnehmer wird am Anfang des nächsten Jahres nicht wieder neu nach Deutschland gerufen werden.
Nun das zweite Problem: W a s ist zu tun? Auch auf diese Frage möchte ich antworten, daß die Regierungserklärung richtig liegt, wenn sie fordert, daß zusätzliche Investitionen bei Bahn und Post und auch beim Straßenbau und Wohnungsbau vorgenommen werden sollten.
Darüber hinaus aber sollten meiner Ansicht nach durch eine verstärkte Förderung der Investitionen für Rationalisierung in den Bereichen der Wirtschaft neue Impulse gegeben werden, bei denen zur Zeit der stärkste Rückgang zu verzeichnen ist. Ich glaube, mit diesen Investitionen dienen wir der Stabilität deshalb auch am besten, weil wir damit auf dem Lohnsektor die Entspannung erreichen, die allein zur Kosteneinsparung führen kann, eine Entspannung also, die durch Einsatz von zusätzlichen maschinellen Anlagen erreicht wird. Dies ist auch eine Möglichkeit, die Selbstfinanzierung der Unternehmen wieder zu verbessern.
Als Nebenprodukte würden dabei abfallen: erstens Verbesserung der Lage der Investitionsgüterindustrie, vor allem auch der Stahlindustrie, zweitens Einsparung ausländischer Arbeitskräfte und damit dauerhafte Verbesserung der Devisenbilanz, drittens Rückgang der aus dem Export drohenden Gefahren für die Währungsstabilität — durch Anreicherung des inländischen Angebots —, viertens höhere Produktivität für die Gesamtwirtschaft , und damit verbesserte Möglichkeiten auf allen Gebieten und schließlich fünftens höhere Steuereingänge auf Grund dieser Maßnahmen.
Ich glaube, daß die USA mit diesen gezielten Maßnahmen ausgezeichnete Erfahrungen gemacht haben. Daß durch verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten gewisse Steuerausfälle entstehen, ist möglich. Doch ich bin der Meinung, daß, bis diese sich auswirken, die Umsatzsteuer bereits vorher wesentlich mehr an Aufkommen erbracht haben wird.
Es gehört Mut dazu und eine gewisse Phantasie auf dem wirtschaftspolitischen Gebiet. Aber ich bin überzeugt, daß diese Bundesregierung diesen Mut und diese Phantasie aufbringen wird. Wir werden die Einzelheiten in den Ausschüssen, vor allem im Zuge der Beratung des Stabilitätsgesetzes, noch zu besprechen haben.
Ich möchte für heute zum Schluß nur noch sagen: Diese Regierung hat in der Bevölkerung ein großes Kapital an Vertrauen. Ich bin sicher, daß sie dieses Kapital zum Wohl des ganzen Volkes nützen wird, und ich glaube, daß wir alle miteinander das Bestreben haben, daran nach Kräften mitzuwirken.