Rede:
ID0508204300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 21
    1. die: 2
    2. 15: 2
    3. Wir: 1
    4. treten: 1
    5. nunmehr: 1
    6. in: 1
    7. Mittagspause: 1
    8. ein.: 1
    9. Sie: 1
    10. dauert: 1
    11. bis: 1
    12. Uhr.Ich: 1
    13. unterbreche: 1
    14. so: 1
    15. lange: 1
    16. Sitzung.: 1
    17. Um: 1
    18. Uhr: 1
    19. wird: 1
    20. sie: 1
    21. wiederaufgenommen.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1966 Inhalt: Abg. Weiland tritt in den Bundestag ein . 3699 A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Mischnick (FDP) 3699 B Schoettle, Vizepräsident . . . . 3699 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 3706 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 3713 B Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 3725 C Dr. Dehler (FDP) 3730 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 3737 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 3744 C Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . 3751 D Schmücker, Bundesminister . . . 3758 C Stein (Honrath) (CDU/CSU) . . . 3761 A Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . 3763 D Dr. Arndt (Berlin) (SPD) 3769 A Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) 3771 C D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 3774 C, 3775 A, 3788 D, 3789 A Dr. Luda (CDU/CSU) 3774 D Gscheidle (SPD) 3778 C Gewandt (CDU/CSU) 3781 D Dr. Friderichs (FDP) 3783 A Dr. Schiller, Bundesminister . . 3784 B Rasner (CDU/CSU), zur GO . . . 3789 A Opitz (FDP) 3789 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 3790 B Schulhoff (CDU/CSU) 3791 B Dr. Schwörer (CDU/CSU) 3792 C Mertes (FDP) 3794 D Nächste Sitzung 3795 C Anlagen 3797 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3699 82. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach* 19. 12. Dr. Aigner* 22. 12. Arendt (Wattenscheid) 16. 12. Dr. Arndt .(Berlin/Köln) 17. 12. Bading* 16. 12. Bauer (Würzburg)** 16. 12. Bazille 31. 12. Berkhan** 16. 12. Blachstein 15. 12. Blumenfeld** 16. 12. Brand 18. 12. Dr. Burgbacher 31. 12. Draeger** 16. 12. Dröscher* 16. 12. von Eckardt 16. 12. Dr. Eckhardt 31. 12. Eisenmann 31. 12. Frau Dr. Elsner* 16. 12. Erler 31. 12. Flämig** 16. 12. Dr. Furler* 16. 12. Frau Geisendörfer 18. 12. Gerlach* 16. 12. Hahn (Bielefeld)* 17. 12. Dr. Hellige** 16. 12. Frau Herklotz** 16. 12. Horten 15. 12. Hösl** 16. 12. Kahn-Ackermann** 16. 12. Frau Kalinke 31. 12. Dr. Kempfler** 16. 12. Frau Klee** 16. 12. Dr. Kliesing (Honnef)** 16. 12. Dr. Kopf** 16. 12. Frau Dr. Krips 31. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 15. 12. Lemmrich** 16. 12. Lenz (Trossingen) 31. 12. Lenze (Attendorn)** 16. 12. Dr. Löhr 17. 12. Mauk* 22. 12. Frau Dr. Maxsein** 16. 12. Dr. von Merkatz** 16. 12. Metzger* 17. 12. Missbach 17. 12. Müller (Aachen-Land)* 16. 12. Müller (Berlin) 15. 1. 1967 Neumann (Berlin) 17. 12. Frau Pitz-Savelsberg 31. 12. Dr. Rinderspacher** 16. 12. Dr. Schmid (Frankfurt)** 16. 12. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schulz (Berlin)** 16. 12. Seibert 15. 12. Dr. Serres** 16. 12. Seuffert* 19. 12. Struve 31. 12. Dr. Süsterhenn 17. 12. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell** 17. 12. Weigl 1. 3. 1967 Dr. Wilhelmi 16. 12. Baron von Wrangel 17. 12. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Im konjunkturpolitischen Maßnahmekatalog der Regierungserklärung nimmt die Anregung an die Adresse der Deutschen Bundesbank, den Diskontsatz fühlbar zu senken, die erste Stelle ein. Daraus kann wohl geschlossen werden, 'daß die Bundesregierung der Senkung des Zinsniveaus eine entscheidende Bedeutung bei der Überwindung der sich in unserer Wirtschaft abzeichnenden rezessiven Erscheinungen beimißt. Es würde den Rahmen eines kurzen Diskussionsbeitrages sprengen und auch die Zwecksetzung einer Debatte über die politischen Absichtsbekundungen einer Regierungserklärung überschreiten, sich über die Wirkungen einer Diskontsenkung im gegenwärtigen Zeitpunkt zu verbreiten. Mir scheinen aber einige Bemerkungen über die unterschiedliche Rolle von Bundesregierung und Bundesbank in der Wirtschaftpolitik angebracht. Wie sich aus § 3 des Bundesbankgesetzes ergibt, ist die Aufgabe der Bundesbank die Sicherung der Währung. Nur soweit dieses Ziel nicht gefährdet wird, ist sie gehalten, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Der ihr vom Gesetzgeber erteilte Auftrag lautet daher STABILITÄT VOR WACHSTUM. Im Widerstreit der Ziele von Stabilität und Wachstum hat sie den Part der Stabilität zu ergreifen. Angesichts der Stimmen in der Öffentlichkeit vor allem aber wegen des Drängens gewisser gesellschaftspolitischer Gruppierungen auf eine Lockerung der Restriktionen soll dies von dieser Stelle aus einmal deutlich ausgesprochen werden. Die Bundesregierung hat neben der Stabilität der Währung noch andere Zielsetzungen zu berücksichtigen, nämlich Wachstum und Vollbeschäftigung. 3798 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 Wie sich schon einige Male 'in der Vergangenheit gezeigt hat, kann sie dadurch in Gegensatz zur Haltung der Notenbank geraten, in einen Gegensatz, der sozusagen institutionell bedingt ist. Ein solcher Konflikt deutet nicht auf tiefgreifende Meinungsunterschiede in wirtschaftspolitischen Grundauffassungen hin, sondern ist der Ausdruck des stets vorhandenen Spannungsverhältnisses zwischen Stabilität und Expansion. In der Finanz- und Haushaltspolitik steht der Bundesregierung ein Instrumentarium zur Verfügung, das unmittelbar zur konjunkturgerechten Steuerung der Gesamtnachfrage eingesetzt werden kann. Dieses Instrumentarium soll durch das Gesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität in seiner Wirksamkeit auf die anderen öffentlichen Haushalte ausgedehnt, wesentlich verfeinert und dadurch effektiver gemacht werden. Wir sollten alles daran setzen, diesen Gesetzentwurf sobald als möglich zu verabschieden. Dann würde nämlich der Zwang wegfallen, Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die ihre Ursachen im Bereich der öffentlichen Haushalte haben, auf dem Umweg einer primär auf dem privatwirtschaftlichen Sektor wirkenden Restriktionspolitik bekämpfen zu müssen. Andererseits wird man rezessiven Erscheinungen dann besser mit gezielten Maßnahmen, z. B. durch zusätzliche öffentliche Investitionen, begegnen können. Die Versuchung, konjunkturelle Schwierigkeiten mittels einer Politik des leichten Geldes auf eine spätere Phase zu verlagern, wird dann nicht mehr so stark sein. Auf einem Gebiet besteht allerdings keine direkte Einwirkungsmöglichkeit, nämlich auf dem Gebiet der Tarifpolitik. Daher ist ein enges Zusamenwirken zwischen der staatlichen Wirtschaftspolitik und der Tarifpolitik der Sozialpartner — wie es die Regierungserklärung fordert — unerläßlich. Ich verkenne dabei nicht, daß dies — vor allem für die Gewerkschaften — schwierige Fragen aufwirft. Sie sollten aber realistisch und nicht auf dem Hintergrund ideologischer Formeln gelöst werden. So verstanden kann das in der Regierungserklärung vorgelegte Konzept einer wirtschaftspolitischen Globalsteuerung zu einer optimalen Entfaltung der schöpferischen Kräfte der Marktwirtschaft führen. Von ihr ist unser Wohlergehen in der Zukunft abhängig. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Schiller vom 14. Dezember 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/1182 Frage VIII/4) : Trifft es zu, daß Entwurf und Ausführung des Werbeplakats für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Kanada einer amerikanischen Public-relation-Firma vergeben wurde? Diejenigen Plakate, die in Nordamerika selbst, d. h. in Kanada und USA, für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Montreal werben sollen, sind von einer amerikanischen Public-Relations-Firma entworfen und gedruckt worden. Hierfür sprachen sowohl Kostengründe wie die Überlegung, diese Werbemittel voll auf den amerikanischen Geschmack abzustellen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. von Heppe vom 13. Dezember 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/1215 Frage V) : Trifft es zu, daß die Bundesregierung für ihr Historisches Institut in Paris einen Neubau zu errichten beabsichtigt? Das Deutsche Historische Institut in Paris ist in zwei im Bundeseigentum stehenden Etagen im Hause 5, Rue du Havre, in Paris untergebracht. Zurzeit reichen die Räumlichkeiten aus. Mit dem Anwachsen .der Bibliothek wird, auch mit Rücksicht auf die statischen Verhältnisse, in einigen Jahren eine anderweitige Unterbringung erforderlich werden. Konkrete Pläne für einen Neubau bzw. einen Ankauf eines geeigneten Objektes liegen zurzeit nicht vor.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich will Sie nicht über Gebühr aufhalten.

    (Abg. Rasner: Wir machen aber gern Überstunden!)

    Vielleicht darf ich aber in Kürze noch sagen, was mir am Herzen liegt. Ich fragte nach dem Geist dieser Koalition. Ich kann mir nicht vorstellen, wie diese hier vertretenen Anschauungen zusammenklingen können. Man darf ja nicht nur, Herr Schmidt, von der Regierung Kiesinger-Brandt sprechen; man muß Kiesinger-Brandt-Katzer-Wehner sagen.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Noch besser!)

    Vielleicht gewöhnen wir uns daran: KiesingerBrandt-Katzer-Wehner.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Ich frage mich, wie man diese Meinungen und Richtungen unter eine Decke bringt. Ich habe mir überlegt, welche Patrone, welche Schutzheiligen — ich bin ein guter Katholik; Sie wissen das —

    (Heiterkeit) hat wohl dieses Kabinett.


    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Die heilige St. Barbara, weil es alles Kanonen sind! — Erneute Heiterkeit.)

    — Das wäre ja meine! Ich bin doch ein alter Artillerist. Vielleicht ist es Alexis de Tocqueville oder Karl Schmitt? Ich weiß es nicht.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Nein, nicht unser Carlo, sondern ein ganz anderer Professor. Sie werden wissen, was er bedeutet. Ist es Thomas von Aquin — —

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Was Sie sagen, ist ausgesprochen bösartig!)

    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3735
    Dr. Dehler
    — Das ist nicht böse; das ist sehr bewußt gesagt! Wir können einmal darüber sprechen, lieber Herr Kollege Schmidt. Das ist sehr bewußt gesagt.

    (Abg. Matthöfer: Weshalb wollten Sie denn eigentlich mit uns eine Koalition machen? — Heiterkeit bei der SPD.)

    — Es ist nicht gesagt, daß das gegen Sie gerichtet ist. Ich hoffe, Sie haben mich richtig verstanden, Herr Schmidt, und wissen, was ich damit sagen wollte. Ist es Marx? Ist es Engels? Ist es Lassalle? Ich weiß es nicht.

    (Zurufe von der SPD: Ist es Bebel? — Ist es Schumacher? — Ist es Thomas Dehler? — Heiterkeit.)

    — Natürlich, langsam werde ich in den Rang des Säulenheiligen erhoben. Das ist das Schicksal des alternden Politikers.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Ist die Bestandsaufnahme, die uns die Regierung gegeben hat, wirklich erschöpfend? Geht sie wirklich auf den Grund? Ich will einmal ganz elementar nur einige Fragen anrühren: deutsche Einheit — das große Ziel, das uns gestellt ist. Führt das, was die Regierung uns hier gesagt hat, irgendwie weiter gegenüber dem, was in der Vergangenheit erklärt worden ist? Immer noch stehen die Reden des jetzigen Justizministers — ich sehe ihn gern in meinem Sessel auf der Rosenburg — ohne Entgegnung.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Nun ja, ich habe diesen Sessel gekauft, nicht aus meinen Mitteln,

    (Heiterkeit)

    aber nach meinem Geschmack. Auf die Rede vom Januar 1958 und auf meine Rede mit bittersten Anklagen ist niemals erwidert worden, mit keinem Satz. Der Herr Bundeskanzler war damals außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU. Niemals ist erwidert worden auf das, was wir damals an Vorwürfen bis zur Anklage hin erhoben haben: Aus vielen Fakten ergibt sich, man will die Wiedervereinigung nicht, man geht ihr aus dem Wege, man hat Möglichkeiten nicht geprüft, man hat Möglichkeiten nicht getestet.

    (Widerspruch in der Mitte. — Abg. Rasner: Jetzt geht es aber unter Ihre Würde, Herr Dehler!)

    Wie kann man glauben, es komme zur deutschen Wiedervereinigung, wenn man die jetzige Verteidigungskonzeption fortsetzt? Wie kann man glauben, daß durch die Bindung des einen Teils Deutschlands, der Bundesrepublik, in der NATO, durch die Bindung des anderen Teils im Warschauer Pakt der Weg zur Wiedervereinigung geöffnet und nicht in Wirklichkeit verbaut wird?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was sonst?)

    — Was sonst? Eine andere Regelung über unsere Sicherheit. Wir haben sehr konkrete Vorstellungen. Sicher ist Ihnen zugänglich, was die Koalition zwischen CDU/CSU und FDP 1961 in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt hat. Lesen Sie es nach! Das war
    nicht nur — ich war damals sehr mitbestimmend dabei, weil es mir ein Herzensanliegen ist — aus meinem Willen entstanden, sondern gab wieder, was der Präsident dieses Hauses in einer geschichtlichen Rede am 30. Juni 1961 am Schluß der 3. Legislaturperiode im Auftrag und mit Zustimmung des ganzen Hauses erklärt hatte: Anstreben eines Friedensvertrages mit dem Ziele einer anderen militärischen Organisation und Sicherheit für uns. Selbstverständlich! Das ist doch der einzige Weg.
    — Wann ist darüber jemals mit denen, auf die es ankommt, gesprochen worden?
    Ich will nicht auf die Verhandlungen, die im Oktober 1955 in Moskau stattgefunden haben, eingehen. Auf jeden Fall sind die damals geschaffenen diplomatischen Beziehungen noch niemals genützt worden!

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Ihr wart doch lange genug in der .Regierung damals! An wen richten Sie das, Herr Dehler?)

    — Ist es meine Schuld? Das ist ja hochinteressant, daß die eine Seite uns vorwirft, wir seien unzuverlässig und brächen dauernd aus der Regierung aus, und Sie meinen, wir hätten noch viel öfter ausbrechen müssen.

    (Beifall bei der FDP. — Heiterkeit.)

    Natürlich, das hätten wir 1961 schon einige Tage — verehrter Herr Schmidt, hören Sie zu, wenn ich Ihnen antworte — nach dem Beginn der Koalition tun müssen, denn damals ist von gewissen Damen und Herren der CDU/CSU der damalige Bundeskanzler Adenauer bedrängt worden wegen der Vereinbarungen, unter die er zusammen mit den Herren Strauß und Mende seine Unterschrift gesetzt hatte; er hat es dann abgewertet: „Dat FDP-Papier!" Ich glaube, Herr Ludwig Erhard, Sie haben sich einmal gerühmt, diesen Koalitionsvertrag niemals gelesen zu haben. Sie hatten es schwer! Ich warne Sie, Herr Helmut Schmidt; an Ihrer Stelle hätte ich es mir schwarz auf weiß geben lassen. Nein, nein, ich halte nichts von der Gemeinschaft der — —

    (Beifall bei der FDP.)

    Bestandsaufnahme! Gehört zur Bestandsaufnahme nicht eine Überprüfung des Sicherheitssystems? Die NATO ist sehr fragwürdig geworden. Frankreich ist aus der Militärorganisation ausgeschieden, die Beteiligung der anderen ist immerhin zurückhaltend. Keiner weiß es besser als der Bundeskanzler, auf welche Vorstellungen dieses ganze System zurückgeht. Es ist interessanterweise in dem Kopf eines Leiters des State Department in Washington erfunden worden: Man müsse die Politik des containment, die Politik des roll-back machen, man müsse den kommunistischen Block auf allen Seiten einkreisen; dann werde der Kommunismus gehindert werden, sich nach außen auszuweiten, und die Diversion, die Zersetzung werde sich nach innen richten. Das war die Spekulation.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das war das Kabinett Adenauer-Blücher!)

    3736 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966
    Dr. Dehler
    In Vietnam müssen es jeden Tag arme amerikanische Soldaten büßen. Man hat geglaubt, man brauchte dort 1956 den Gürtel nur zu schließen und könne dann den Zersetzungsprozeß abwarten. Ist nicht die Frage aufzuwerfen, ob dieses Verteidigungssystem heute noch sinnvoll ist, ob unser Beitrag in der NATO in dieser Form fortzuführen ist? Muß man nicht Phantasie haben, um die Dinge im Interesse des Friedens und im Interesse des deutschen Volkes anders zu ordnen?
    Europa! Können wir mit derselben Nomenklatur immer noch von Europa sprechen? Die Politik in Europa hat dazu geführt, daß Europa gespalten ist, unheilvoll gespalten ist. Ich glaube nicht, daß jemals die Brücke zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der EFTA und den anderen, die noch draußen stehen, geschlagen werden kann. Die Dinge sind viel zu sehr fixiert. Das Ziel der politischen Integration Europas, an das die deutsche Jugend geglaubt hat, ist gescheitert; es ist nichts herausgekommen. Auch der letzte Versuch, wenigstens die Bindung zwischen Frankreich und uns zu verstärken, ist gefährdet. Wir haben ein völliges Versagen der Europa-Politik. Es wird nichts darüber gesagt, wie die Dinge weitergeführt werden sollen, abgesehen von allgemeinen Worten. Sollen die gewaltigen finanziellen Opfer, die wir bringen, ohne europäisches Ziel weiterhin gebracht werden?
    Sie wissen, keine Partei war so wie die Freie Demokratische Partei skeptisch gegenüber den Römischen Verträgen. Die CDU/CSU glaubte damals, sie könne ein katholisches Europa schaffen.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Natürlich, das hören Sie nicht gern; ich weiß das genau. Denken Sie doch an die handelnden Staatsmänner!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dummes Zeug!)

    Das war Alcide de Gasperi, der Vorsitzende der Democrazia Cristiana, das war Robert Schuman, der Vorsitzende der katholischen Partei, des MRP in Frankreich, das war Konrad Adenauer, das waren die katholischen Ministerpräsidenten der Beneluxstaaten. — Selbstverständlich!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Henri Spaak!) Ich will Ihnen die Tatsache auch gern — —


    (Abg. Rasner: Das ist ein Trauma, sonst nichts!)

    — Ich weiß, das hören Sie nicht gern.
    Wir haben die Verträge abgelehnt, weil wir wußten, daß die Römischen Verträge gerade zur Spaltung Europas und zu großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen würden. Ludwig Erhard hat damals ein großes Wort gesagt: wirtschaftlicher Unsinn, aber politisch notwendig. Was er jetzt in Skandinavien in Erinnerung an seine damalige Haltung gesagt hat, das bestätigt durchaus unseren Standpunkt.
    Ich denke an eine Szene, die ich mit dem Herrn Bundeskanzler 1954 in einer Besprechung im State Department in Washington hatte. Die Saar-Frage war damals aktuell. — Wir wollen doch ein bißchen Bestandsaufnahme machen. — Ich blieb allein —
    Jaeger war noch dabei — mit meiner Erklärung: Die Saar ist ein deutsches Land und darf niemals, auch nicht unter der Etikette der Europäisierung, unter den Einfluß Frankreichs kommen. Ohne uns gäbe es keine deutsche Saar. Leugnen Sie auch das, unseren Einsatz mit Leidenschaft, von Max Becker, Heinrich Schneider und vielen anderen?
    Zu den wirtschaftlichen Dingen habe ich schon eine Reihe von Tatsachen gesagt. Vielleicht noch ein Wort über die staatspolitischen Fragen, die besonders auch Helmut Schmidt angeschnitten hat und die ich durchaus unterstütze. Ich bin nur skeptisch, Herr Schmidt, daß die Demokratie in unserem Volke, ich glaube, Sie sagten: verankert oder tief verwurzelt sei. Ich glaube es nicht.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Fester als vor einer Generation!)

    In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu den Wahlen. Wenn die Menschen am Ende über die Gewerkschaft sozialdemokratisch wählen, wenn die Berufsverbände für den Menschen auch bei seiner politischen Bildung im Vordergrund stehen und wenn ein anderer Teil unseres Volkes, und kein unbeträchtlicher, für seine politische Entscheidung über das Bekenntnis zur Kirche und seiner Konfession stimmt, wächst kein Staatsgefühl. Noch einmal: Wenn es keine Liberalität gibt, wenn es keine wirksame liberale Kraft gibt, wird dieser Staat Schaden nehmen.

    (Abg. Dr. Dittrich: Aber was hat das mit dem Staatsgefühl zu tun?)

    Wir werden selbstverständlich eine klare, ich hoffe auch arbeitsame Opposition zu führen versuchen. Am Ende — das gibt uns das Recht zur Opposition, dann zur harten Opposition — werden wir das Maß setzen. Auf das, was wir wollen — nationalpolitisch, staatspolitisch, wirtschaftspolitisch — kommt es an. Noch einmal: wir sind die Hüter der richtigen Gedanken.

    (Beifall bei der FDP. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    Es gibt für das politische Leben unseres Volkes kein höheres Gesetz als das, was in den Grundsätzen der Liberalen niedergelegt ist: die geistige, die politische und die nationale Freiheit. Ob Sie ihnen entsprechen, Herr Bundeskanzler, danach werden wir Sie und die Bundesregierung messen.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Maria Probst
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Wir treten nunmehr in die Mittagspause ein. Sie dauert bis 15 Uhr.
Ich unterbreche so lange die Sitzung. Um 15 Uhr wird sie wiederaufgenommen.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.13 Uhr bis 15.01 Uhr.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
    Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3737