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    Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1966 Inhalt: Abg. Weiland tritt in den Bundestag ein . 3699 A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Mischnick (FDP) 3699 B Schoettle, Vizepräsident . . . . 3699 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 3706 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 3713 B Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 3725 C Dr. Dehler (FDP) 3730 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 3737 A Dr. Pohle (CDU/CSU) 3744 C Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . 3751 D Schmücker, Bundesminister . . . 3758 C Stein (Honrath) (CDU/CSU) . . . 3761 A Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . 3763 D Dr. Arndt (Berlin) (SPD) 3769 A Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) 3771 C D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 3774 C, 3775 A, 3788 D, 3789 A Dr. Luda (CDU/CSU) 3774 D Gscheidle (SPD) 3778 C Gewandt (CDU/CSU) 3781 D Dr. Friderichs (FDP) 3783 A Dr. Schiller, Bundesminister . . 3784 B Rasner (CDU/CSU), zur GO . . . 3789 A Opitz (FDP) 3789 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 3790 B Schulhoff (CDU/CSU) 3791 B Dr. Schwörer (CDU/CSU) 3792 C Mertes (FDP) 3794 D Nächste Sitzung 3795 C Anlagen 3797 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3699 82. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach* 19. 12. Dr. Aigner* 22. 12. Arendt (Wattenscheid) 16. 12. Dr. Arndt .(Berlin/Köln) 17. 12. Bading* 16. 12. Bauer (Würzburg)** 16. 12. Bazille 31. 12. Berkhan** 16. 12. Blachstein 15. 12. Blumenfeld** 16. 12. Brand 18. 12. Dr. Burgbacher 31. 12. Draeger** 16. 12. Dröscher* 16. 12. von Eckardt 16. 12. Dr. Eckhardt 31. 12. Eisenmann 31. 12. Frau Dr. Elsner* 16. 12. Erler 31. 12. Flämig** 16. 12. Dr. Furler* 16. 12. Frau Geisendörfer 18. 12. Gerlach* 16. 12. Hahn (Bielefeld)* 17. 12. Dr. Hellige** 16. 12. Frau Herklotz** 16. 12. Horten 15. 12. Hösl** 16. 12. Kahn-Ackermann** 16. 12. Frau Kalinke 31. 12. Dr. Kempfler** 16. 12. Frau Klee** 16. 12. Dr. Kliesing (Honnef)** 16. 12. Dr. Kopf** 16. 12. Frau Dr. Krips 31. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 15. 12. Lemmrich** 16. 12. Lenz (Trossingen) 31. 12. Lenze (Attendorn)** 16. 12. Dr. Löhr 17. 12. Mauk* 22. 12. Frau Dr. Maxsein** 16. 12. Dr. von Merkatz** 16. 12. Metzger* 17. 12. Missbach 17. 12. Müller (Aachen-Land)* 16. 12. Müller (Berlin) 15. 1. 1967 Neumann (Berlin) 17. 12. Frau Pitz-Savelsberg 31. 12. Dr. Rinderspacher** 16. 12. Dr. Schmid (Frankfurt)** 16. 12. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schulz (Berlin)** 16. 12. Seibert 15. 12. Dr. Serres** 16. 12. Seuffert* 19. 12. Struve 31. 12. Dr. Süsterhenn 17. 12. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell** 17. 12. Weigl 1. 3. 1967 Dr. Wilhelmi 16. 12. Baron von Wrangel 17. 12. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmidhuber (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Im konjunkturpolitischen Maßnahmekatalog der Regierungserklärung nimmt die Anregung an die Adresse der Deutschen Bundesbank, den Diskontsatz fühlbar zu senken, die erste Stelle ein. Daraus kann wohl geschlossen werden, 'daß die Bundesregierung der Senkung des Zinsniveaus eine entscheidende Bedeutung bei der Überwindung der sich in unserer Wirtschaft abzeichnenden rezessiven Erscheinungen beimißt. Es würde den Rahmen eines kurzen Diskussionsbeitrages sprengen und auch die Zwecksetzung einer Debatte über die politischen Absichtsbekundungen einer Regierungserklärung überschreiten, sich über die Wirkungen einer Diskontsenkung im gegenwärtigen Zeitpunkt zu verbreiten. Mir scheinen aber einige Bemerkungen über die unterschiedliche Rolle von Bundesregierung und Bundesbank in der Wirtschaftpolitik angebracht. Wie sich aus § 3 des Bundesbankgesetzes ergibt, ist die Aufgabe der Bundesbank die Sicherung der Währung. Nur soweit dieses Ziel nicht gefährdet wird, ist sie gehalten, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Der ihr vom Gesetzgeber erteilte Auftrag lautet daher STABILITÄT VOR WACHSTUM. Im Widerstreit der Ziele von Stabilität und Wachstum hat sie den Part der Stabilität zu ergreifen. Angesichts der Stimmen in der Öffentlichkeit vor allem aber wegen des Drängens gewisser gesellschaftspolitischer Gruppierungen auf eine Lockerung der Restriktionen soll dies von dieser Stelle aus einmal deutlich ausgesprochen werden. Die Bundesregierung hat neben der Stabilität der Währung noch andere Zielsetzungen zu berücksichtigen, nämlich Wachstum und Vollbeschäftigung. 3798 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 Wie sich schon einige Male 'in der Vergangenheit gezeigt hat, kann sie dadurch in Gegensatz zur Haltung der Notenbank geraten, in einen Gegensatz, der sozusagen institutionell bedingt ist. Ein solcher Konflikt deutet nicht auf tiefgreifende Meinungsunterschiede in wirtschaftspolitischen Grundauffassungen hin, sondern ist der Ausdruck des stets vorhandenen Spannungsverhältnisses zwischen Stabilität und Expansion. In der Finanz- und Haushaltspolitik steht der Bundesregierung ein Instrumentarium zur Verfügung, das unmittelbar zur konjunkturgerechten Steuerung der Gesamtnachfrage eingesetzt werden kann. Dieses Instrumentarium soll durch das Gesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität in seiner Wirksamkeit auf die anderen öffentlichen Haushalte ausgedehnt, wesentlich verfeinert und dadurch effektiver gemacht werden. Wir sollten alles daran setzen, diesen Gesetzentwurf sobald als möglich zu verabschieden. Dann würde nämlich der Zwang wegfallen, Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die ihre Ursachen im Bereich der öffentlichen Haushalte haben, auf dem Umweg einer primär auf dem privatwirtschaftlichen Sektor wirkenden Restriktionspolitik bekämpfen zu müssen. Andererseits wird man rezessiven Erscheinungen dann besser mit gezielten Maßnahmen, z. B. durch zusätzliche öffentliche Investitionen, begegnen können. Die Versuchung, konjunkturelle Schwierigkeiten mittels einer Politik des leichten Geldes auf eine spätere Phase zu verlagern, wird dann nicht mehr so stark sein. Auf einem Gebiet besteht allerdings keine direkte Einwirkungsmöglichkeit, nämlich auf dem Gebiet der Tarifpolitik. Daher ist ein enges Zusamenwirken zwischen der staatlichen Wirtschaftspolitik und der Tarifpolitik der Sozialpartner — wie es die Regierungserklärung fordert — unerläßlich. Ich verkenne dabei nicht, daß dies — vor allem für die Gewerkschaften — schwierige Fragen aufwirft. Sie sollten aber realistisch und nicht auf dem Hintergrund ideologischer Formeln gelöst werden. So verstanden kann das in der Regierungserklärung vorgelegte Konzept einer wirtschaftspolitischen Globalsteuerung zu einer optimalen Entfaltung der schöpferischen Kräfte der Marktwirtschaft führen. Von ihr ist unser Wohlergehen in der Zukunft abhängig. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Schiller vom 14. Dezember 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/1182 Frage VIII/4) : Trifft es zu, daß Entwurf und Ausführung des Werbeplakats für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Kanada einer amerikanischen Public-relation-Firma vergeben wurde? Diejenigen Plakate, die in Nordamerika selbst, d. h. in Kanada und USA, für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Montreal werben sollen, sind von einer amerikanischen Public-Relations-Firma entworfen und gedruckt worden. Hierfür sprachen sowohl Kostengründe wie die Überlegung, diese Werbemittel voll auf den amerikanischen Geschmack abzustellen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. von Heppe vom 13. Dezember 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/1215 Frage V) : Trifft es zu, daß die Bundesregierung für ihr Historisches Institut in Paris einen Neubau zu errichten beabsichtigt? Das Deutsche Historische Institut in Paris ist in zwei im Bundeseigentum stehenden Etagen im Hause 5, Rue du Havre, in Paris untergebracht. Zurzeit reichen die Räumlichkeiten aus. Mit dem Anwachsen .der Bibliothek wird, auch mit Rücksicht auf die statischen Verhältnisse, in einigen Jahren eine anderweitige Unterbringung erforderlich werden. Konkrete Pläne für einen Neubau bzw. einen Ankauf eines geeigneten Objektes liegen zurzeit nicht vor.
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    Rede von Josef Bauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Schultz, es ist gar kein Zweifel, mit dieser Minderheit meine ich Ihre Fraktion.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die nächste Sorge, die in der Regierungserklärung vom Herrn Bundeskanzler angesprochen worden ist, ist die Haushaltssanierung. Sie muß nicht nur rasch, sondern auch wirksam und nicht nur für den Augenblick, sondern schon für die kommenden Jahre erfolgen. Das ist zweifellos eine ungewöhnlich schwierige Aufgabe, meine Damen und Herren, sicher eine der schwierigsten, der sich eine Regierung und der zuständige Minister jemals gegenübergestellt sahen. Sie erfordert einen Mann mit ungewöhnlicher Tatkraft und klarem Blick in die finanziellen und wirtschaftlichen Zusammenhänge. Wir begrüßen deshalb ganz besonders, daß diese Regierung den Vorsitzenden der CSU, unseren Freund Franz Josef Strauß, mit dieser schwierigen Aufgabe betraut hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir lassen es nicht dabei bewenden, ihm dafür — und das sollte das ganze Haus tun — alles Gute zu wünschen, wir versprechen ihm auch unsere stete Mithilfe und Mitwirkung. Wir werden uns dabei nicht davon abbringen lassen, auch mit ihm den einen oder anderen Strauß auszufechten, aber stets in Freundschaft und in der gemeinsamen Sorge und in der Verantwortung für das Ganze.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Wir möchten ihn ermuntern und ihm sagen, er solle nicht nur hart bleiben, sondern auch ein ganzes Werk tun. Nicht halbe Maßnahmen, nicht Rücksicht auf dieses oder jenes können jetzt helfen. Wir können uns nicht jedes Jahr und nach jedem Haushalt neue Sanierungsversuche leisten. Jetzt, und zwar rasch, muß das Schwerste getan werden; denn dann ist das Folgende leichter.

    Wir wünschen, daß der Bundesfinanzminister auch mit der Modernisierung des Haushaltsrechts und mit der mittelfristigen Planung Erfolg hat und daß es ihm gelingt, die stets ausgezeichnete Mannschaft des Finanzministeriums zu derartigen Leistungen anzuspornen. Wenn er sich den ersten Finanzminister, Fritz Schäffer, der auch aus der CSU-Landesgruppe gekommen ist und der heute wohl von allen Seiten als einer der ausgezeichnetsten Finanzminister anerkannt wird,

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    zum Vorbild nimmt, dann wird er sich seiner Aufgabe nach unserer Auffassung in großartiger Weise entledigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, viel ist in jüngster Zeit von Voraussicht und Vorausschau die Rede. Auch der Herr Bundeskanzler hat das mehrmals angesprochen. Wir möchten klarstellen, daß Voraussicht und Vorausschau nicht etwa Dirigismus, geschweige denn Planwirtschaft oder gar Steuerung in diesem Sinne bedeuten. Auch weiterhin sollen für uns die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft die Grundlage bilden, angepaßt allerdings jeweils den augenblicklichen Notwendigkeiten.
    Wir sind uns bewußt, daß die Regierung dieses schwierige Werk nicht allein vollbringen kann. Sie braucht dazu die Unterstützung dieses Hohen Hauses. Sie bedarf insbesondere der Unterstützung der ganzen deutschen Öffentlichkeit. Eine ganz besondere Aufgabe kommt dabei, so scheint es mir, der deutschen Publizistik in all ihren Bereichen, in Presse, Rundfunk und Fernsehen, zu.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Nur mit ihrer Hilfe wird es gelingen, unser Volk stets rechtzeitig und vollständig zu unterrichten, ihm die meist komplizierten Zusammenhänge klarzumachen und übertriebene Sorge oder gar Panik in einer solchen Zeit von ihm fernzuhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Natürlich, meine Damen und Herren, muß das in voller Meinungsfreiheit vor sich gehen. Selbstverständlich bedarf auch diese Regierung und diese Große Koalition der Kritik, der harten Kritik, wenn Sie wollen, durch die Massenmedien. Aber eines sollte uns doch gemeinsam sein: die Zielsetzung, uns gegenseitig zu helfen. Darum sollte diese Kritik stets wohl fundiert sein, nicht zersetzend, sondern anregen, von hoher Ethik getragen, auf gültigen Wertmaßstäben aufbauend. Nur so läßt sich auch Stabilität im öffentlichen Leben wiederherstellen. Ich bin überzeugt, daß die gute deutsche Publizistik ihre Ehre darein setzen wird, mit ihren gewaltigen Mög-
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3727
    Bauer (Wasserburg)

    lichkeiten zu dieser Art der Stabilisierung ihren Beitrag zu leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mit Recht hat der Bundeskanzler davon gesprochen, daß ein kooperativer Föderalismus eine gerechte und fruchtbare Ordnung in den Bereichen des Bundes, der Länder und der Gemeinden herbeiführen soll. Daß wir von der Christlich-Sozialen Union diese Aussage ganz besonders begrüßen, ist selbstverständlich. Die CSU hält den Förderalismus für ein gesundes Gestaltungsprinzip im öffentlichen Leben. Wir meinen damit nicht etwa den Föderalismus aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, sondern einen Föderalismus, der den heutigen Verhältnissen angepaßt ist, der die gesunden Kräfte überall dort, wo sie bereit sind, mitwirken läßt und ihnen die Möglichkeit zur Mitgestaltung gibt, also einen kooperativen Föderalismus, der nicht nur das Verhältnis Bund-Länder regeln soll, sondern auch das Verhältnis der Länder zueinander ebenso wie das Verhältnis der Gemeinden zum Land und der verschiedenen Selbstverwaltungseinrichtungen untereinander. Die modernen wirtschaftlichen Verhältnisse bringen es mit sich, daß die Entwicklung nicht überall gleichmäßig verläuft. Es gibt immer wieder Umstellungen, Verzögerungen, ein Vorauseilen und unterschiedliche Hemmnisse. Einmal wird dieser und einmal wird jener der Hilfe bedürfen, und in vielen, vielen Fragen bedarf es wohl des Zusammenstehens aller, die hier angesprochen sind. Den Willen, meine Damen und Herren, das zu berücksichtigen, den Willen, auf allen Ebenen zusammenzuwirken und zusammenzuarbeiten, um gemeinsam die besten Lösungen zu finden, diesen Willen bezeichnen wir als den modernen kooperativen Föderalismus. Er ist nicht etwa nur ein Prinzip des Forderns oder des Abwehrens, er ist ein Prinzip des Zusammenbauens und des Ausgleichens. Ausgleich ist aber nicht nur für den Bundeshaushalt, sonder für alle Haushalte erforderlich. Er ist darüber hinaus erforderlich, um unser Wirtschaftsgefüge in Gang zu setzen.
    Dieser kooperative Föderalismus ist auch ein Gestaltungsprinzip für die Verwirklichung des angestrebten vereinigten Europas. Vor der Integration muß die Kooperation und die Föderation stehen. Mit solchen Zielsetzungen können wir auch unsere junge Generation für das konkrete Gestalten eines solchen gemeinsamen Europas begeistern. Mit diesem Prinzip können wir mancher Streitfrage aus dem Wege gehen, die sich bei der unmittelbaren Forderung nach Integration ergeben könnte. Wie wären wir aber imstande, durch kooperativen Föderalismus Europa zu schaffen und zu bauen, wenn wir diesen nicht im eigenen Lande erfolgreich zu verwirklichen trachteten?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wenn ich schon dabei bin, von einem Ausgleich der Lasten zu sprechen, so möchte ich das Wort der Regierungserklärung aufnehmen, daß die notwendigen Belastungen möglichst gleichmäßig auf die Gruppen und Schichten des Volkes verteilt werden sollen. Wir stimmen dieser Aussage vorbehaltlos zu. Wir möchten sie weiterführen und ergänzen. Es gibt nichts Schrecklicheres als die Gleichmacherei, nichts Ungerechteres als eine scheinbare bis ins letzte regulierende sogenannte Gerechtigkeit. Diese fälschliche so genannte Gerechtigkeit ist nichts anderes als eine geisttötende Prinzipienreiterei und eine Beckmesserei. Daher ist es erforderlich, daß die Lastenverteilung den einzelnen Bedürfnissen angepaßt wird, soweit das möglich ist. Der Schwache, der Kranke, der Arme muß geschont, der Starke und Vermögende mehr herangezogen werden. Manchmal allerdings hat man bei uns den Eindruck, als hätten weite Kreise unseres Volkes das gesunde Prinzip der Selbsthilfe völlig vergessen. Man will alles und jedes, das geringste Risiko und das kleinste Mißgeschick auf den abstrakten Staat abwälzen. Wir sind sehr gern bereit, zuzugestehen, daß der Staat selbstverständlich die Aufgabe hat, den Menschen zu helfen, aber den Menschen in ihrer Gesamtheit, dem gesamten Volke. Er hat für das allgemeine Wohl zu sorgen. Darum gilt es, meine Damen und Herren, dieses Prinzip der Selbsthilfe wieder da zum .Tragen kommen zu lassen, wo die Kräfte dafür vorhanden sind. Aus Bequemlichkeit oder falscher Gleichmacherei zu schematisieren heißt nur, unnötig Steuergelder auszugeben. Vielleicht haben wir bei der stürmischen Entwicklung der beiden letzten Jahrzehnte manchmal zu sehr in die natürlichen und gewachsenen Gegebenheiten eingegriffen. Hier Korrekturen anzusetzen, meine Damen und Herren, ist nicht sozialer Abbau, sondern, wie ich meine, die Wiederherstellung einer natürlichen und gesunden Ordnung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das in Gang befindliche Anpassungsverfahren gilt für unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik nach innen ebenso wie für die Wirtschafts- und Finanzpolitik nach außen. Wir sind aus einem verständlichen Optimismus heraus Verpflichtungen eingegangen, die uns jetzt schwer drücken. Der Grundsatz, daß Verträge erfüllt und gehalten werden müssen, wird auch von uns anerkannt. Wir hoffen aber auch, Verständnis zu finden, wenn wir mit unseren Partnern darüber verhandeln wollen, was wir bei zeitlicher Begrenzung in Zukunft noch zu leisten vermögen. Stationierungskosten in der bisherigen Höhe und im bisherigen Verhältnis gehen über die Kräfte der kommenden Jahre ganz sicherlich hinaus. Die Regierung wird Mittel und Wege ersinnen müssen, wie sie mit geringeren Mitteln gleiche Wirkungen erzielen kann.
    Meine Damen und Herren, um hier Mißverständnissen vorzubeugen: Ich rede nicht etwa einer einseitigen militärischen Verdünnung oder einer Demontage der Verteidigung das Wort. Schwächungen zur Unzeit auf diesem Gebiet wären alles andere als eine konsequente und wirksame Friedenspolitik, von der der Herr Bundeskanzler so leidenschaftlich gesprochen hat. Aber wir müssen mit unseren Bundesgenossen überlegen, wie wir die gemeinsam gestelllten Verteidigungsaufgaben bewältigen können, ohne die Stabilität nach innen zu gefährden.
    Ebenso müssen wir um Verständnis bitten, wenn wir uns Gedanken über die Entwicklungshilfe, die
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    Bauer (Wasserburg)

    wir bisher geleistet haben, machen. Selbstverständlich erachten wir es auch in der Zukunft als eine Pflicht und als einen Beitrag des deutschen Volkes, weiterhin Entwicklungshilfe zu leisten. Aber sie muß unserer Haushaltslage angepaßt werden. Ich meine auch, daß weder Qualität noch Quantität unserer Entwicklungshilfe Not zu leiden brauchen, wenn dem Ausbau der menschlichen und technischen Hilfe mehr Gewicht zugemessen wird als in der Vergangenheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich denke voller Respekt an die erfreuliche Tätigkeit der Entwicklungshelfer, die im Verhältnis zu ihrer Wirksamkeit viel weniger kosten, die sich aber in manchen Ländern, insbesondere auf lange Frist gesehen, bereits als eine gewaltige Hilfe erwiesen haben.
    Dabei dürfen freilich die deutsche Wirtschaft und der deutsche Export nicht leiden. Besonders möchte ich durch diesen Hinweis, wenn ich von Export und Wirtschaft spreche, mithelfen, etwas die Sorgen in der deutschen Arbeitnehmerschaft um den Arbeitsplatz zu vermindern. Es ist selbstverständlich für uns, daß wir bei den auftretenden Restriktionen in erster Linie an die Sicherung des Arbeitsplatzes unserer deutschen Arbeiter denken müssen.
    Wir sind den Gastarbeitern zu großem Dank verpflichtet. Sie haben uns wacker geholfen, unsere Wirtschaft aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Mit allen Wirtschaftssachverständigen bin ich darüber einig, daß wir ihrer Hilfe auch in der Zukunft noch bedürfen werden. Aber Zahl und Einsatz der Gastarbeiter müssen der jeweiligen Wirtschaftslage angepaßt werden. Unter keinen Umständen darf gerade jetzt etwa der Eindruck entstehen, daß der Gastarbeiter besser gestellt ist, sowohl was die Sicherung des Arbeitsplatzes wie auch die soziale Sicherheit anlangt.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben davon gesprochen, daß der schwierige Anpassungsprozeß, der sich in den Steinkohlengebieten vollzieht, wohlgezielte Maßnahmen verlangt, um eine dauernde Heilung zu erreichen. Wir stimmen Ihnen zu. Kohle und Stahl werden die besondere Aufmerksamkeit der Bundesregierung erfordern.
    Es gibt aber auch noch andere Strukturprobleme — ich bin sicher, es wird noch von weiteren gesprochen werden —, die für unser Volk von entscheidender Bedeutung sind. Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang darauf hinweise, daß die Bewahrung einer gesunden und leistungsfähigen Landwirtschaft auch ein solches Strukturproblem ist, das uns und dieser Regierung und dieser Koalition ein ernstes Anliegen sein muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In diesem Bemühen ist in der Vergangenheit bereits Vieles und Gutes geschehen. Ich möchte gerade an die jüngste Zeit erinnern, an die erfolgreiche Tätigkeit des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Er war nicht nur bemüht, nachteilige Wirkungen der EWG zu vermeiden, sondern er hat gleichermaßen mutig auch auf die Chancen des Gemeinsamen Marktes für unsere Landwirtschaft aufmerksam gemacht und sich bemüht, diese uns nutzbar zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir sind ihm dafür ganz besonders dankbar. Wir haben, was unsere eigenen Hilfsmöglichkeiten anbelangt, Herr Bundesminister, nur den einen Wunsch, daß Sie Sich bei knappen Haushaltsmitteln in Zukunft noch mehr als bisher darum bemühen, diese Mittel noch stärker gezielt im Sinne der Aussagen des Grünen Berichts einzusetzen.
    Meine Damen und Herren, wenn wir den Herrn Bundeskanzler recht verstehen, ist auch er der Auffassung, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft immer mehr und stärker zusammenwachsen muß, daß die dafür aufzubringenden Mittel und ihr methodischer Einsatz wohldurchdacht und laufend überprüft werden müssen. Die neue Regierung wird in der Wirtschaftsgemeinschaft bald wichtige Entscheidungen für das Verhandlungsmandat in der Kennedy-Runde zu treffen haben. Herr Bundeskanzler, hier gibt es Sorgen besonders auch im Bereich der Landwirtschaft. Wir hoffen, daß durch diese Entscheidungen, die wohl im Januar fällig werden, nicht neue strukturelle Fehlentwicklungen eingeleitet werden, die dann wieder für den eigenen Haushalt bitter und hart wären und die wir wohl in einer sehr schwierigen Zeit kaum auszugleichen vermögen.
    Ihre Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, enthält eine Vielzahl von Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung. Es wird Aufgabe der Fachleute sein, sich dazu im einzelnen zu äußern.
    Ich möchte zu einer Klarstellung beitragen. Oberstes Gebot all unserer Überlegungen muß die Erhaltung der Stabilität unseres guten Geldes, der D-Mark sein.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die Grenzen der sicherlich ebenso erwünschten wie notwendigen Expansion liegen für uns dort, wo dieses Prizip gefährdet wird.

    (Beifall in der Mitte.)

    Das Gleichgewicht in den optimalen Zielen jeder Wirtschaftspolitik ist der sicherste Schutz für den sozial und wirtschaftlich schwächeren Teil unseres Volkes. In seinem Interesse liegt es daher, extreme Entwicklungen jeder Art, die harte Eingriffe in den Wirtschaftsablauf erforderlich machen, zu vermeiden. Damit ist ein Teil jener Vorstellungen angesprochen, die der jetzige Wirtschaftsminister Professor Schiller — ich sehe ihn hier leider nicht — in seiner Sprache als „konzertierte Aktion" bezeichnet hat. Es wird sicherlich viel davon abhängen, ob es dem Herrn Minister Schiller gelingt, die „Orchestergemeinschaft der deutschen Wirtschaft" zu einer einheitlichen Melodie zusammenzubringen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Das gilt insbesondere auch für die außerhalb dieses Hauses mitwirkenden und mitgestaltenden Kräfte, ich sage es ganz deutlich, für die Sozialpartner, deren Mitverantwortung für die Weiterentwicklung
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966 3729
    Bauer (Wasserburg)

    unserer Wirtschaft nicht genug unterstrichen werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir wünschen dem Minister, der für diesen Bereich die Verantwortung trägt, viel Erfolg bei diesem Versuch, den er angekündigt hat.
    Alle Maßnahmen und Aktionen sollten uns aber nicht vergessen lassen, daß die Freiheit des Unternehmers, die gestaltende Kraft des unangetasteten Eigentums und eine gesunde Entwicklung breiter Mittelschichten in unserem Volk in der Vergangenheit die erfolgreichsten Antriebskräfte für unsere Wirtschaftsentwicklung waren und es auch in Zukunft bleiben müssen.
    Werden diese Grundsätze beachtet und steht, wie es unsere Auffassung ist, der Mensch auch künftig im Mittelpunkt allen politischen und wirtschaftlichen Überlegens, so ist es verhältnismäßig einfach — ich sage verhältnismäßig einfach —, auch unsere Familien heil zu erhalten. Wer mit uns der Auffassung ist, daß der Staat und jede menschliche Gemeinschaft so fest, so stark und so gesund ist wie ihre Familien, der wird uns zustimmen, wenn wir fordern, daß bei allen noch so notwendigen finanz-
    und wirtschaftspolitischen Maßnahmen immer auch die Auswirkung auf die Familie mitbedacht werden muß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, bei den außenpolitischen Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers haben wir mit besonderer Freude zur Kenntnis genommen, daß er der Entwicklung des deutsch-französischen Verhältnisses die entscheidende Rolle für die Zukunft Europas zugesprochen hat. Auch wir sind der Überzeugung, daß ohne ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich die erhoffte europäische Friedensordnung nicht denkbar ist. Der deutsch-französische Vertrag ist dafür nach wie vor zweifellos die geeignete Grundlage und ein guter Anfang. Wir freuen uns, daß die Regierung diesen Vertrag mit konkreten Maßnahmen fortführen will. Wir sind der Auffassung, Herr Bundeskanzler, daß eine gewisse Staatsverdrossenheit, die sich in der Vergangenheit in manche Schichten unseres Volkes eingeschlichen hat, besonders in die junge Generation, beseitigt werden kann, wenn unser Bemühen um die Zusammenarbeit sichtbarer wird und aus ihr schließlich eine politische Ordnung in Europa entsteht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir bitten deshalb die Bundesregierung, mit aller Kraft dafür zu sorgen, daß dies ermöglicht wird und gleichzeitig darauf zu achten, daß nicht auf Nebengleisen und durch Hintertüren das Erreichte und Angestrebte wieder vereitelt wird.
    Wir sind sicher, daß das französische Volk es begrüßen wird, wenn seine Staatsführung den guten Willen der neuen Bundesregierung anerkennt und davon Kenntnis nimmt, welch breite Mehrheit unseres Volkes hinter diesem guten Willen und hinter den Absichten dieser Regierung steht. Nicht nur Frankreich, sondern unsere Verbündeten insgesamt und das Ausland überhaupt werden erkennen müssen, daß diese Koalition aus den beiden großen Parteien einen neuen Anlauf in unserer Außenpolitik bedeutet, dessen Erfolg oder Mißerfolg nicht ohne Rückwirkung auf die innenpolitische Entwicklung und Stabilität in diesem unserem Lande sein wird.
    Meine Damen und Herren, für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, daß die Bundesrepublik die legitime Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches ist. Wir haben alle Verpflichtungen aus dieser Tatsache übernommen, darum müssen wir uns auch alle Rechte daraus vorbehalten. Daher ergibt sich auch unsere Einstellung zum Münchner Abkommen. Wir stimmen mit der Bundesregierung darin überein, daß man aus ihm keine territorialen Forderungen ableitet. Wir sind aber der Meinung, daß man staats- und völkerrechtliche Fakten, die seinerzeit in einem von allen Beteiligten anerkannten Verfahren geschaffen wurden, nicht nachträglich annullieren kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man kann Millionen von Menschen, die unter dem Zwang dieser Fakten — ohne selbst gefragt zu sein — Rechte und Pflichten übernahmen, nicht nachträglich ihrer Staatsbürgerschaft und anderer Ansprüche berauben, die sich daraus ergeben. Das verbieten -- so meinen wir — schon die Prinzipien der allgemeinen Menschenrechte, die für alle Völker gelten sollen. Diese Feststellung ist nicht aggressiv gedacht; sie basiert auf dem Gedanken der Freiheit aller Menschen, auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und auf der geschichtlichen Entwicklung des deutschen Volkes.
    Selbstverständlich werden wir versuchen, alles zu tun, um unseren Landsleuten, die in der Unfreiheit leben, das Leben zu erleichtern. Aber es wäre ebenso ihr wie unser Untergang — lassen Sie mich auch das sagen, damit die Rangordnung wiederhergestellt und das klargestellt wird —, würden wir dabei den Vorrang der Freiheit preisgeben oder um irgendeines augenblicklichen Vorteils willen auch nur gefährden oder einschränken lassen.
    Meine Damen und Herren, es ist unser Ziel, unser Land und mit ihm ganz Europa stets so attraktiv zu gestalten, daß es ständig ein Vorbild der Freiheit, ein Hort der Kultur und ein Ausdruck sozialer Gerechtigkeit ist. Deswegen bitten wir Sie, Herr Bundeskanzler, weiterhin auch Ihr Augenmerk auf jene Gebiete zu lenken, die immer und auch angesichts und trotz des Eisernen Vorhangs das Schaufenster dieser Bundesrepublik sind, die Zonenrand- und die Grenzgebiete.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen. Diese Regierung, diese Große Koalition ist aus politischer Notwendigkeit geboren. Die Wiederherstellung stabiler politischer Verhältnisse, die Anpassung des Grundgesetzes an die Erfordernisse einer zwanzigjährigen Entwicklung, die Verhinderung jedweder Unstabilität durch politische Minderheiten und schließlich die akute Bereinigung der Schwierigkeiten der jetzigen Übergangsphase von einem stür-
    3730 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966
    Bauer (Wasserburg)

    mischen politischen und wirtschaftlichen Aufbau zu einer konsequenten und normalen Entwicklung muß Sinn und Zweck einer solchen Koalition sein.
    Es ist nicht eine neue Politik, die wir betreiben wollen, es ist die Forderung nach der Fortsetzung der bisherigen Politik, aber neu ausgedrückt durch den Willen dieser beiden Partner, die neun Zehntel der deutschen Wählerschaft repräsentieren. Gelingt es den Bemühungen der Bundesregierung und dieses Hohen Hauses, diese erwähnten Ziele zu erreichen, so hat diese Koalition einmal ihren geschichtlichen Sinn erfüllt. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihrer Regierung Glück und Erfolg.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Maria Probst
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dehler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Geschichte ist nichts zufällig. Sie ist im Guten und sie ist im Bösen vom Geiste her bestimmt. Wir wissen das aus den bitteren Erfahrungen unseres Volkes. Das gilt auch für die Bildung dieser Koalition zwischen der CDU/CSU und der SPD. Sie ist ein Teil einer Entwicklung — man kann vielleicht sagen: Krisis - der Liberalität, ich meine des Kampfes gegen die Liberalität und gegen eine Partei, die sie trägt. Das ist bedeutsam. Ich habe das alles schon einmal erlebt, und manchmal erscheint es einem gespenstisch. Immerhin habe ich fast fünfzig Jahre politische Erfahrung, und ich weiß, woran die Weimarer Demokratie zugrunde gegangen, ist. Herr Kollege Barzel hat gesagt, wir wissen, was Hitler war. Viel wichtiger ist es, zu fragen, wie es zu Hitler kam.
    Ein ganz kurzer Rückblick: Die Weimarer Zeit begann mit starken liberalen Impulsen. Die Weimarer Verfassung war erfüllt von dem Geiste ausgezeichneter liberaler Männer und Frauen. Und die Entwicklung war dann ein Rückgang dieser liberalen Haltung, des liberalen Bewußtseins, der liberalen Partei, auch als Folge eines bitterbösen Kampfes gegen die Liberalität von kirchlicher Seite, nicht zuletzt von katholischer Seite, die im Liberalen etwas Liberalistisch-Atheistisches sah, und von sozialistischer Seite, die im Liberalen das Liberalistisch-Manchesterliche sah. So ist die politische Substanz unseres Volkes am Ende verkümmert, so wurde der Weg zum schauerlichen Abenteuer gebahnt, mit schlimmen Folgen für unser Volk und für die Welt.
    Darum ist die augenblickliche Situation nach meiner Meinung so sehr charakterisiert durch die Erklärung der Regierung zum Wahlrecht. Es ist für mich besonders beklemmend, daß eine Regierungserklärung die Frage des Wahlrechts an die Spitze ihres Programms stellt. Wie sonderbar! Man will mit einem manipulierten Wahlrecht die Partei, die sich der Liberalität, der geistigen, politischen, wirtschaftlichen und nationalen Freiheit verpflichtet hat, erledigen.
    Noch einmal: Wir haben das stolze Gefühl, daß wir die unverlierbaren geistigen und seelischen
    Kräfte hüten, denen Europa als Vollendung von dreitausend Jahren Geschichte seine kulturelle, seine politische, seine wirtschaftliche Entwicklung verdankt. Es ist unsere Überzeugung, daß das, was wir vertreten, nach wie vor die bestimmende, fruchtbare Leitvorstellung unserer Zeit ist

    (Beifall bei der FDP)

    und daß das, was die beiden Parteien vertreten, die sich hier jetzt zusammengefunden haben, der Versuch der christlichen Demokratie, der Versuch der sozialistischen Demokratie — wenn ich es ein klein wenig leitbildmäßig ausdrücke —, zwar in Deutschland entstanden ist, aber, wie ich meine, eine Fehlentwicklung war und ist. Und durch die Kumulation von Leitbildern, die — so sagte es ja Herr Kollege Barzel — nicht kongruent sind, entsteht nichts Positives; im Gegenteil, damit wird die Fehlentwicklung, das Fehlerhafte kumuliert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber Sie haben bei dieser Ehe Pate gestanden!)

    — Ach nein, meinen Segen hat sie nicht gehabt. Ganz im Gegenteil! Auch wenn ich mir überlege, was heute gesagt worden ist, muß ich feststellen: Die Lösung, die ich angestrebt habe als bittere Konsequenz dessen, was geschehen war, die Koalition mit der SPD, wäre als Alternative, als Weg zum Lebendigmachen unserer Demokratie die bessere gewesen. Denn hier wird nichts Neues geboten, das ist kein neuer Anfang, sondern das ist fast im Gegenteil eine Steigerung passiver Ergebnisse der Entwicklung. Das ist meine Sorge.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch albern!)

    — Nun, das dürfen Sie nicht sagen, daß das albern sei. Das ist keine faire Kritik. Ich glaube, es ist richtig, was ich sage.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie glauben!)


    Dr. Dehler
    — Ich glaube auch, was ich sage; selbstverständlich! Sonst wäre ich nicht da. — Das, was wir in Frankfurt mit Ludwig Erhard geschaffen haben, die Marktwirtschaft, die liberale Marktwirtschaft — —

    (Zurufe von der CDU/CSU: Soziale!)

    — Die liberale! Es gibt ja doch nur eine. (Zuruf von der CDU/CSU: Nein, nein!)

    Die soziale Marktwirtschaft ist ja doch leider — aus den Ausführungen des Kollegen Bauer klang das wieder hervor — von vornherein der Versuch einer Exkulpation, der Versuch, sich von den ehernen Gesetzen des Marktes zu lösen. Wie hat Herr Kollege Bauer gesagt — sehr interessant! — „Soziale" Marktwirtschaft, mit den notwendigen Angleichungen an die Forderungen des Tages. Nein! Die Marktwirtschaft ist eben immer das Richtige. Aber ich komme noch darauf zurück. — Nein, damals waren Sie nicht koalitionswürdig, Herr Kollege Schmidt, weil Sie wirtschaftspolitische Auffassungen vertreten haben, die zum Unheil für das deutsche Volk, auch für die deutschen Arbeiter, geworden wären.

    (Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Schäfer: Woher wissen Sie denn das?)

    — Herr Kollege Dr. Schäfer, lesen Sie doch einmal nach, was im Wirtschaftsrat mein verehrter Kollege Schoettle oder Kollege Dr. Kreyssig aus München in ihren Angriffen gegen Ludwig Erhard damals erklärt haben! Die haben nämlich den Antrag gestellt, daß er von seinem Amt als Leiter des Wirtschaftsamtes im Wirtschaftsrat abberufen werde; sie stellten in Aussicht Chaos, Hunger von Millionen von Menschen. Das waren ihre Auffassungen. Ich will ja doch nur motivieren, warum wir 1949 glaubten, mit der CDU/CSU, die sich damals halt doch von ihrem Ahlener Programm, von den Irrtümern ihrer Düsseldorfer Leitsätze mindestens zum Teil — Herr Katzer bis heute noch nicht — abzusetzen versucht hatte, wirtschaftspolitisch Gutes erreichen zu können. Wir haben es auf Kosten der Außenpolitik, und ich meine, auch ein bißchen der Staatspolitik tun müssen.
    1953, Herr Kollege Schmidt, war die CDU/CSU die stärkste Partei. Daß sie die Koalitionsbildung in die Hand nahm, war doch zwingend. 1957 hatte sie die absolute Mehrheit. 1961 fehlten ihr zur absoluten Mehrheit drei Stimmen. 1965 fehlten ihr acht Stimmen. Immer war sie die stärkste Partei. Ich will Ihnen nur einmal das Trauma nehmen, daß wir unsere Funktion nur in der Aufgabe gesehen hätten, zu verhindern, daß Sie zum Zuge kamen. Das ist sachlich und funktionell falsch. — Ich bin in Zeitnot, Herr Kollege Schmidt; lassen Sie mich diese zwanzig Minuten bis 1 Uhr dazu benutzen, das zu sagen, was mir am Herzen liegt.
    Diese Wahlrechtsmanipulation ist eine schlechte Sache, eine schlimme Sache, Ausdruck einer Gesinnung, die ich von dem so ehrenhaften, von mir geschätzten Herrn Dr. Kiesinger nicht erwartet hätte. Das ist ein böser Geist, der wieder hochkommt. Es ist ja nicht das erste Mal, daß man diesen Versuch macht. 1955/1956 — ich komme auf das zurück, was ich soeben gesagt habe — geriet die Koalition in ernsten Konflikt wegen der Außenpolitik. Natürlich, es wurde mir bewußt, daß das, was Herr Dr. Adenauer erstrebte, nicht den Erklärungen entsprach, auch keinesfalls das Ziel der deutschen Einheit ins Auge faßte, sondern daß alle Dinge in eine ganz andere Richtung gingen: Bindung dieser Bundesrepublik an westliche Organisationen und damit zwangsläufig Verzicht auf die deutsche Einheit. Es gab dramatische Verhandlungen. Sie wurden drüben im Palais Schaumburg auf Tonbändern aufgenommen. Weil ich damals widerspenstig war, schwang man die Waffe des Wahlrechts: Grabensystem! Wie aktuell die Dinge wieder sind! Damals bestand so wie heute in Düsseldorf die Koalition von SPD und FDP aus Abwehr dieses bösen und, wie ich meine, tückischen Versuchs, die liberale Partei, weil sie nicht parierte, weil ihr die nationale Forderung heilig war, mit der Tücke des Wahlrechts auf die Knie zu zwingen. Und wie war es denn 1962? War es um ein Haar anders, als wir meinten, ein Minister sei nicht tragbar, und wir unsere fünf Minister zurückzogen? Was war die Antwort? Nun, die Verhandlungen mit Ihnen über die Änderung des Wahlrechts.
    Nun möchte ich das ein bißchen korrigieren, was Sie, Herr Helmut Schmidt, über die Ansicht des von uns so vermißten Herrn Kollegen Fritz Erler gesagt haben. Ich möchte wiedergeben — ich nehme an, die Frau Präsidentin ist einverstanden —, was er damals trefflich gesagt hat:
    Nach Aussagen sehr prominenter FDP-Abgeordneter hat es 1958 eine Absprache gegeben, die der damalige FDP-Vorsitzende — —O nein, ich habe die falsche Seite; das stammt von Herrn Wehner.

    (Heiterkeit.)

    — Ich komme auf Sie, Herr Wehner, gern in einem anderen Zusammenhang zurück.

    (Anhaltende Heiterkeit.) Fritz Erler hat damals erklärt:

    Ich habe schon klargemacht, daß wir Sozialdemokraten nicht bereit sind, im Zuge von Verhandlungen über eine Regierungsbildung Wahlrechtsabsprachen mit dem Ziel zu treffen, den früheren Koalitionspartner einer Partei damit von der politischen Bildfläche verschwinden zu lassen.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] meldet sich zum Wort.)

    — Ich will das einmal vorlesen, damit Sie das ganz begreifen. —
    Ein solcher Trick ist mit Fairness im politischen Ringen nicht zu vereinbaren.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ich bin weiter der Meinung, daß ohnehin Wahlrechtsänderungen nur von einem Bundestag verabschiedet werden sollten, wenn sie nicht für die nächste, sondern nur für die übernächste Bundestagswahl gelten,
    8732 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Dezember 1966
    Dr. Dehler
    — also kein Übergangswahlrecht; kein Übergangswahlrecht, Herr Bundeskanzler, es ist keine gute Sache! —
    weil nur dann Diskussionen über das Wahlrecht im Parlament, rein unter den Gesichtspunkten der Gerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit und der politischen Wirkung eines Wahlrechts geführt werden, für die Weiterentwicklung der Demokratie und nicht im Blick auf den Schlitz der Wahlurnen schon für die nächste Bundestagswahl. Wahlrechtsdiskussionen muß man aus diesen rein parteitaktischen Erwägungen herausholen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich bin im Zweifel, ob wir für die Sicherung einer stabilen Entwicklung in unserem Lande in der Weise, wie es manchen Christlichen Demokraten vorschwebt, das Mehrheitswahlrecht tatsächlich brauchen.
    — „Ich bin im Zweifel", sagt Herr Erler. —
    Die Frage ist ja sogar in der CDU keineswegs unumstritten. Große Teile der CDU halten das Mehrheitswohlrecht nicht für das geeigneteste Mittel für diesen Zweck und fürchten sogar für den Bestand ihrer Partei in einigen Gebieten der Bundesrepublik.
    ... Es gibt Länder, die trotz des Mehrheitswahlrechtes in politische Krisen hineingekommen sind, und es gibt andere Länder, wie die skandinavischen, die mit einem Verhältniswahlrecht zu einem außerordentlichen Maß an politischer Stabilität ... gekommen sind. Ich glaube, daß es eine falsche Vorstellung ist, allein mit dem Wahlrecht einen Gesellschaftskörper, der krank wäre, heilen oder einen gesunden Gesellschaftskörper vor Krankheiten schützen zu können. Das Wahlrecht ist dabei immer nur ein Faktor neben vielen anderen.