Ich bitte um Entschuldigung, Frau Präsidentin, ich möchte gern ein wenig fortfahren dürfen.
Es wird drittens von dem angeblichen schwarzroten Proporz nach österreichischem Vorbild geredet. Bei aller Kritik, die möglicherweise in der Endphase der östereichischen Koalition vielleicht angebracht
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gewesen sein mag — uns geht das ja eigentlich nichts an, das ist ein anderes Land; wir lassen das offen —, bleibt doch eines festzuhalten: Osterreich hätte nach diesem Kriege seine staatliche Einheit in Freiheit und seine Fortschritte in der inneren Entwicklung des Landes nicht erreichen können, den Staatsvertrag nicht erreichen können, wenn es nicht zu einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit der beiden großen Parteien jenes Landes gekommen wäre.
Wir Deutschen haben bisher weder einen Friedensvertrag noch die staatliche Einheit erreicht. Die Bestandsaufnahme hat statt dessen gezeigt, wie weit wir davon immer noch entfernt sind. Viele gewaltige Hindernisse sind noch zu überbrücken und abzubauen. Wer ernsthaft darangeht, auch nur einige von diesen Hindernissen abzubauen, soweit wir Deutschen das können, der braucht dazu eine breite Basis des Vertrauens in diesem Haus und im deutschen Volk.
Wir sind uns, genau wie Herr Barzel es für seine Fraktion ausgeführt hat, völlig darüber klar, daß die neue Regierungskonstellation ein Umdenken der Mitglieder und der Anhänger beider Koalitionspartner verlangt, und zwar sowohl hinsichtlich der Gleichwertigkeit der Partner als auch hinsichtlich der neuen Ausgangspositionen in den politischen Sachverhalten. Es ist für beide von uns neu, und wir beide werden Kinderkrankheiten des Angewöhnens zu überwinden haben. Die Menschen in beiden Teilen unseres Landes — dessen sind wir uns bewußt — werden diese veränderten Kräfteverhältnisse in der Bundesrepublik auf ihre Wirksamkeit, auf ihre Effizienz hin prüfen. Wir haben keinen geheimen Koalitionsvertrag miteinander geschlossen, sondern wir erklären, daß diese Regierungserklärung den Rahmen unserer gemeinsamen Politik abgesteckt hat.
Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen über die Rolle des Parlaments in dieser neuartigen Situation machen. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung die Krisensituation beschrieben, aus der die neue Regierung zustande kam. Wir sollten dazu bemerken und festhalten: Es war das Parlament, das sich gegen die alte, krisenbehaftete Regierung aufgelehnt hat. Es war das Parlament, das aus sich heraus die neue Regierung geschaffen hat. Ein Beweis für die Funktionstüchtigkeit des Deutschen Bundestages! Dieser Deutsche Bundestag hat mit der Wahl des neuen Bundeskanzlers und mit der Vereidigung der neuen Bundesminister seine Rechte aber keineswegs in andere Hände gelegt. Er wird auch in Zukunft nicht etwa nur ein Forum für Regierungsproklamationen und für eigene Akklamationen darstellen, sondern er wird vielmehr auch in Zukunft seine Aufgaben erfüllen, nämlich erstens politische Ziele zu setzen, zweitens Initiativen zu ergreifen und vor allem drittens Kontrolle über die Bundesregierung auszuüben.
Die Abgeordneten der Opposition genauso wie die der Regierungsparteien haben die gemeinsame
Verpflichtung, diese Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages stets und ständig zu wahren. Die FDP als Opposition gehört genauso als integrierter Teil zur politischen Führung unseres Staates, wie dies bisher für die sozialdemokratische Opposition gegolten hat.
Im Gegensatz allerdings zu uns in unserer früheren Oppositionsrolle, Herr Mende, genießen Sie heute erstmalig den großen Vorteil, daß an der Regierung Politiker beteiligt sind, welche die staatstragende Aufgabe der Opposition voll und ganz und 17 Jahre lang begriffen haben.
Ich darf Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP, im Namen unserer Fraktion sagen: Alles, was wir über die Rolle der Opposition und über deren Rechte gesagt haben, als wir selbst noch Oppositionspartei waren, bleibt weiterhin gültig, und dafür setzen wir uns ein.
Wir wollen, daß auch die Führung der Opposition über Daten und Entscheidungsgründe zu den wichtigen Fragen unserer Politik durch die Bundesregierung informiert wird. Auch dafür werden wir uns einsetzen.
Uns scheint, daß dem Parlamentarismus in der veränderten politischen Landschaft eine neuartige Chance gegeben wird. Es entsteht ein stärkeres Spannungsverhältnis zwischen dem Parlament als ganzem einerseits und der gesamten Regierung andererseits. Hier wäre ein bißchen die Rückkehr zu Montesquieu denkbar. Als Bindeglied zwischen beiden begrüßen wir die beabsichtigte Ernennung parlamentarischer Staatssekretäre. Damit wird eine alte Forderung aus den Reihen des Parlaments, nicht nur aus unseren Reihen, endlich befriedigt. Auch zukünftig, nehme ich an, vertreten die Fraktionen, auch bei diesem Spannungsverhältnis zwischen Gesamtparlament und Gesamtregierung, in diesem Hause in reiner Form die Ziele ihrer jeweiligen Partei und stehen dadurch auch in einem gesunden Spannungsverhältnis untereinander. Das wird sich auch in Zukunft zwischen der CDU/CSU einerseits und der Sozialdemokratie andererseits nicht ändern können. Wir wollen es im Grunde auch nicht ändern.
Die breite Regierungsmehrheit im Hause wird den einzelnen Fraktionen und einzelnen Abgeordneten mehr Raum als bisher für eigene Initiativen geben. Vielleicht werden sich auch wechselnde Mehrheiten ergeben, wie letzten Donnerstag schon einmal geschehen, ohne daß dies nun, wie früher häufiger geschehen, zur Erschütterung der Regierung und zur Erschütterung deren politischer Stabilität führen kann und muß. Das ist eine große Änderung.
Dieser Raum für mehr Initiative ist aber kein Freibrief für Interessenpolitik, ganz gleich, aus welcher Fraktion, von welcher Gruppe sie vorgetragen werden könnte.
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Bundeskanzler Kiesinger hat sich an die führenden Kräfte dieses Parlaments gewandt, besonders an die Fraktionsvorstände, aber darüber hinaus an jeden, und hat gebeten, dafür zu sorgen, daß das Gemeinwohl über Gruppeninteressen gestellt werde. Der Bundeskanzler war zu solcher Bitte legitimiert, wie ich meine, nachdem er vorher sich selbst und seiner Regierung die gleiche Aufgabe gestellt hatte. Meine Damen und Herren, jedermann in diesem Hause einschließlich Regierung und einschließlich des — schwach besetzten — Bundesrates, jedermann in diesem Hause möge sich diesen Schuh anziehen. Er paßt uns allen miteinander.
Haushaltskrise und wirtschaftliche Rezession verlangen Staatsraison von den Vertretern des Volkes. Die Bundesregierung wird bei dieser Lage die Ausschüsse und das Plenum von der Notwendigkeit ihrer Gesetzentwürfe und von der Effizienz ihrer Verwaltung überzeugen müssen. Die politischen Argumente der Regierung würden einer breiten Öffentlichkeit verdeutlicht, wenn die dankenswerte Praxis 'fortgeführt werden würde, bedeutende Debatten direkt und in ausführlichen Zusammenfassungen durch Hörfunk und Fernsehen zu übertragen. Ich glaube, dies hat — nach Abwägung alles dessen, was dafür und dagegen spricht — im Grunde doch sehr zur Politisierung unseres Volkes beigetragen. Wir werden darauf dringen, daß alle wichtigen Entscheidungen der Regierung öffentlich hier im Parlament vertreten werden, und wir erwarten, Herr Bundeskanzler, daß die Minister auf Sonntagsreden verzichten, die im Gegensatz zum Regierungsalltag stehen.
Wir werden die Regierung in Verantwortung nehmen, nicht nur in die politische Richtungsverantwortlichkeit der Regierung als Ganzes, als Einheit, sondern wir meinen speziell auch die Leistungsverantwortung der einzelnen Ressortminister. Wir erwarten hier Leistung auch und gerade von unseren eigenen Ministern.
Wenn es Zweifler gibt, die eine Vorstellung nähren von einer schweigsamen Regierungskoalition, die ausschließlich Entscheidungen der Regierung entgegennimmt, so sei denen gesagt: Die Große Koalition bedeutet nicht eine Identifizierung des einen Partners mit dem anderen. Die Große Koalition bedeutet zeitlich begrenzte Einigung erstens über die Aufgaben der Regierung, zweitens über die Person des Kanzlers aus den Reihen der stärksten Gruppierung der Koalition und drittens die Verteilung der Ressortaufgaben auf die beiden Partner.
Die Große Koalition bedeutet nicht den Versuch, Einfluß zu nehmen auf die Besetzung der Ressorts der anderen Fraktionen durch deren einen oder anderen Kandidaten. Jeder Partner muß selbst wissen, welche Politiker er für seine besten Vertreter hält, in welcher Weise sie ihre Fraktion in der Regierungsverantwortung repräsentieren und deren Bild in der Öffentlichkeit bestimmen.
Es wird, Herr Moersch, keine falsche Kameraderie der Koalitionspartner geben, und ich sage es ganz frei und offen, wir werden auch keine „Leichen im Keller" dulden. Es wird keine Vertuschung und keine Verschleierung von Tatbeständen aus der parlamentarischen oder der Regierungspraxis geben.
Herr Bundeskanzler, das fängt an bei den Geheimfonds im Bundeskanzleramt und hört vielleicht bei der Beschaffung des Schützenpanzers Hispano Suiza noch nicht einmal auf.
Wir fordern die Bundesregierung auf, in angemessener Frist Vorschläge über die Form der parlamentarischen Kontrolle über den Reptilienfonds zu machen.
Wir erklären, daß wir indirekte Propagandafinanzierung zugunsten einzelner Parteien oder Politiker nicht dulden wollen.
Nicht nur der FDP, der Opposition, sondern allen Fraktionen dieses Hauses ist der Auftrag der ständigen Reform von Arbeitsweise, Stil und Organisation des Deutschen Bundestages gestellt. Seit Jahren liegt z. B. hier der Vorschlag der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft auf dem Tisch, eine Registrierungspflicht für alle Interessenvertreter einzuführen. Das notwendige Wirken der Interessenvertreter muß, wie ich meine, auch auf andere Weise öffentlich durchsichtig gemacht werden. Deshalb sollten Interessenvertreter, deren Auffassungen für politische Entscheidungen wichtig sind, in den Fachausschüssen des Deutschen Bundestages in aller Regel in öffentlicher Sitzung gehört werden, viel häufiger, als es bisher geschehen ist.
Durch solche Verdeutlichung der Argumente und Interessen würde einerseits das Gewicht und das Ansehen der Arbeit der Experten verstärkt, aber andererseits könnten auch die Begehrlichkeit von Interessenten und Leistungsmängel der Verwaltung auf diese Weise für jedermann offengelegt werden. Das Parlament würde sich damit Verdienste erwerben.
In dem Zusammenhang eine Anregung an die Bundesregierung: vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn die Regierung die Wünsche der Interessenverbände gelegentlich durch direkte Meinungsumfragen bei den Betroffenen an der Quelle überprüfen würde.
Zur wirksamen Kontrolle der Regierung — das sage ich eigentlich zum Vorstand unseres eigenen Hauses und nicht an die Adresse einer bestimmten
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Fraktion oder der Regierung — und für Gesetzesinitiativen aus dem Parlament muß auch die Verbesserung des wissenschaftlichen Hilfsdienstes des Deutschen Bundestags, der im bescheidenen Rahmen sein Bestes gibt, endlich verwirklicht werden.
Ich wiederhole an die Adresse unserer Kollegen aus allen drei Fraktionen im Vorstand des Bundestages: es genügt nicht, die Rolle des Parlaments zu postulieren; notwendig sind neben der politischen Qualität dieser 500 Abgeordneten eben auch tatsächlich ausreichende Arbeitsmöglichkeiten und -hilfen für die Abgeordneten.
Ich sage das mit einer gewissen persönlichen Enttäuschung. Ich habe es hier vor 12 Monaten schon einmal gesagt, aber diese unsere Kollegen, die in unserem Vorstand auf diesem Gebiet tätig sind, haben sich vielleicht zu sehr von Bedenken außerhalb des Hauses beeindrucken lassen.
Nun zur Beurteilung der Regierungserklärung selbst, meine Damen und Herren. Es fällt die tiefgreifende Analyse der wirtschafts- und finanzpolitischen Situation auf. Auf diesem Felde muß zunächst der Schwerpunkt der Regierungsarbeit liegen. Die beste Außenpolitik kann nicht viel nützen, wenn das Land innen nicht gesund ist. Mein Freund Alex Möller wird zu diesem Hauptthema im Laufe des heutigen Tages noch ausführlich für unsere Fraktion Stellung nehmen. Ich will mich zu diesem Thema auf wenige Bemerkungen beschränken.
Die Bundesregierung sagt, gegenwärtig seien optimales Wirtschaftswachstum und Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes die ersten Ziele. Wir stimmen dem zu. Wir fügen hinzu: wir halten die Überwindung der konjunkturellen Rezession und der Strukturkrisen in einzelnen Bereichen, besonders bei Kohle, Energie und Stahl, für den entscheidenden Maßstab, an dem diese neue Bundesregierung gemessen werden wird.
Wir wollen, daß das Vertrauen der Arbeitnehmer in die Kontinuität der Vollbeschäftigung wiederhergestellt wird; die Sorge um den Arbeitsplatz darf in Deutschland nicht um sich greifen. Die Sicherung der Arbeitsplätze hat für uns den Vorrang vor dem weiteren Ausbau von Sozialleistungen. Wir wollen das Vertrauen der Unternehmer in die Kontinuität der Wirtschafts- und Kreditpolitik in unserem Lande wiederhergestellt sehen; die Investitionen müssen wieder in Gang gebracht werden.
Wir vertrauen darauf, daß die Sozialpartner sich an Hand der von der Regierung angekündigten Orientierungsdaten nach den Notwendigkeiten von Stabilität und Wachstum unserer Wirtschaft richten.
Wir vertrauen ebenso darauf, daß die Bundesbank, die schon allzu lange die einzig tätige Instanz der Wirtschaftspolitik hat sein müssen, ihre Kreditpolitik jetzt wieder an der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung orientiert.
Für uns Sozialdemokraten ist die Wiederherstellung von Stabilität und kontinuierlichem Wachstum der Volkswirtschaft kein Selbstzweck, sondern die Erreichung dieser Ziele soll uns ermöglichen, auf Bildungsinvestitionen und Wissenschaft, auf Berufsausbildung, auf zukunftsorientierte Umschulung und Fortbildung, auf Gesundheitspolitik, auf soziale Infrastruktur insgesamt jenes Gewicht zu legen, das ihnen nach sozialdemokratischer Überzeugung zukommen muß. Fritz Erler hat von diesem Pult aus vor einem Jahr in einer anderen Debatte über eine Regierungserklärung gesagt: Die Leistung unserer Wirtschaft hängt in Zukunft ab von der Ausschöpfung unserer Begabungsreserven. — Das bleibt nach wie vor unsere sozialdemokratische Meinung.
Einige innenpolitische Bemerkungen!
Wir hoffen, daß die Reform des Strafrechts bei aller gebotenen Sorgfalt mit Energie vorangebracht wird. Wir wollen endlich eine gesetzliche Grundlage haben für eine freiheitlich gesonnene, wirklichkeitsnahe Rechtspflege, und wir drücken unseren Willen aus, daß dies besonders für das politische Strafrecht gelten möge, das nach unserem Willen noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden muß.
Herr Mischnick hat vom Notstandsproblem gesprochen. Kollege Mischnick, durch die Große Koalition ist das Notstandsproblem weder erleichtert noch erschwert worden; es ist absolut dasselbe geblieben. Es ist ein Problem von sehr schwierigen Zusammenhängen und sehr wichtigen Erwägungen, die angestellt werden müssen. Unsere sozialdemokratischen Auffassungen — auf drei Bundesparteitagen unserer Partei geformt und erhärtet — sind diesem Hause bekannt; sie gelten unverändert. Wir wiederholen, daß es der Klärung noch vieler Einzelfragen bedarf, und wir wiederholen — auch Herr Kollege Barzel hat das ausgeführt, ich unterstreiche es —, daß es einer gründlichen öffentlichen Diskussion bedarf.
Ich füge hinzu, daß die bisher bekanntgewordenen, ja noch nicht regierungsoffiziellen Entwürfe der Straffung bedürfen. Wir wollen hier keine Überperfektion. Ich wiederhole auch, daß im gleichen Zuge die schon verabschiedeten Sicherstellungsgesetze verfassungspolitisch durch das Parlament überprüft werden müssen und daß die Materien der sogenannten Schubladengesetze nach unserer gewonnenen und sachlich fundierten Überzeugung in die Prozedur der ordentlichen öffentlichen Gesetzgebung gehören.
In aller Freundschaft möchten wir die Regierung davor warnen, die Notstandsregelung, die dem ganzen Hause ein besonderes Maß an Besonnenheit und auch an schöpferischer Muße abverlangt, so lange hinauszuschieben, bis sie etwa wiederum in dem leicht angeheizten Klima einer Vorwahlzeit dann hier zur Entscheidung stünde.
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Wir erwarten im übrigen von der Regierung ein Gesamtkonzept der von ihr für notwendig gehaltenen Grundgesetzänderungen und Grundgesetzverbesserungen.
Wir möchten keine Änderungen von Fall zu Fall haben. Um auszuschließen, daß unser Grundgesetz mit einer Fülle von Zusätzen belastet würde, die im einzelnen sinnvoll sein, in ihrer Gesamtheit aber ein störendes und gefährliches Konglomerat bilden könnten — gerade deswegen möchten wir ein Gesamtkonzept dessen, was Sie für notwendig halten. Das Grundgesetz ist kein Objekt für Tagesopportunitäten.
Soweit wir sehen, geht es beim Grundgesetz neben dem Problem der Notstandsgesetzgebung — über das schon geredet ist — um drei große Aufgabenkomplexe:
1. die Finanzreform, eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung unserer innerstaatlichen Gesamtstruktur und eine unerläßliche Voraussetzung für kooperativen Föderalismus. Die Regierung wird daran gemessen werden, ob und wie es ihr gelingt, dem Parlament ihren Entwurf dafür so rechtzeitig zuzuleiten, daß eine Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode wirklich möglich wird. Die Regierung wird daran gemessen werden.
2. Wir sind bereit, im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des wirtschaftlichen Wachstums den Art. 109 zu ändern, wenn in der weiteren — wie ich hoffe, zügigen —Ausschußberatung unsere Vorschläge zur Vervollkommnung dieses Gesetzes akzeptiert werden. Ebenso erklären wir unsere Bereitschaft, im Grundgesetz die Voraussetzungen für die von uns geforderte und von der Regierung jetzt angekündigte mittelfristige Finanzplanung zu schaffen. Das gleiche gilt von dem Art. 113, der zu einem noch besseren Instrument der Verhinderung von solchen Ausgaben gemacht werden kann, die die Regierung nicht verantworten will.
3. Wir sind einverstanden, wenn die Grundsätze des Wahlrechts der — alle vier Jahre auftretenden — Versuchung zur Manipulation entzogen und in das Grundgesetz hineingenommen werden sollen.
Über den Inhalt dieser letzten Verfassungsänderung gibt es jedoch einstweilen sehr verschiedene Meinungen in diesem Hause und in jener der beiden Regierungsfraktionen.
Die Regierung hat ihre Absicht erklärt, ein Wahlrecht zu schaffen, das klare Mehrheiten im Bundestag ermöglicht. Diese Absichtserklärung findet in beiden regierungstragenden Fraktionen sehr unterschiedliche Beurteilung. Meine Fraktion — das habe ich hier zu erklären — wird auf einer sehr gründlichen Prüfung dieser schwierigen Materie bestehen, ehe sie überhaupt zu einer Entscheidung bereit ist. Meine Partei wird diese Frage auch auf einem Bundesparteitag behandeln.
Wir erkennen im Augenblick sowohl Vorteile als auch Nachteile. Jedenfalls würde ein relatives Mehrheitswahlrecht — d. h. ein Abgeordneter je Wahlkreis und keinerlei Listenmandate — die Struktur der deutschen Innenpolitik insgesamt, aber auch die Struktur aller beteiligten Parteien, auch ihre geistige Struktur, ganz wesentlich ändern.
Die politische Landschaft in Deutschland ist ohnehin dem Wandel unterworfen. Stärker als je zuvor hat sich in unserem Volk die Erkenntnis durchgesetzt, daß frühere starre Frontstellungen der heutigen politischen Wirklichkeit nicht mehr entsprechen. Das gilt insbesondere für die konfessionell gebundene Wählerschaft. Sie erkennt heute — und hierzu haben die beiden großen Kirchen von sich aus vieles beigetragen —, daß das Evangelium keinen Wähler seiner eigenen politischen Entscheidung entheben kann.
Neben dieser Entwicklung ist andererseits auf die Dauer das Entstehen extremer Flügelparteien links und rechts des bisherigen Spektrums des Deutschen Bundestages nicht unwahrscheinlich. Dies ist wie ich meine, keinerlei Anlaß zu hysterischer Aufregung. Wie ich meine, handelt es sich vielmehr um eine normale Erscheinung des kontinental-europäischen Parlamentarismus.
Diese Erscheinung allein jedenfalls wäre kein Grund zur Änderung des Wahlrechts — so meinen wir jedenfalls.
Schließlich muß jede Demokratie in Europa mit diesen Erscheinungen jeweils auf ihre Art fertig werden.
Ich wiederhole also für meine Fraktion: Wir werden die Wahlrechtsvorschläge, die die Regierung angekündigt hat, prüfen; aber wir sind darauf nicht festgelegt. Für meinen Freund Fritz Erler und mich persönlich will ich an dieser Stelle allerdings bekennen, daß wir für ein relatives Mehrheitswahlrecht eintreten, weil es ein Verantwortung erzwingendes Wahlrecht ist und weil es den Zwang zu Koalitionen aufhebt.
Was die Regierung zur Außen- und Deutschlandpolitik gesagt hat, war klar und sachlich, wenn auch verständlicherweise gegenüber dem innenpolitischen Teil relativ zurückhaltend. Manchem Bürger ist die tatsächliche Stellung Deutschlands in der Welt noch nicht ausreichend bewußt geworden. Gewiß sind z. B. auf Parteitagen offene Worte gesprochen worden. Aber hier im Parlament und in einer breiten Öffentlichkeit haben immer noch viele versucht, ihr Wunschdenken als reale Wirklichkeit auszugeben. Wir alle müssen seit längerer Zeit erkennen, daß in der Weltpolitik das allgemeine Interesse der Friedenserhaltung und der Rüstungsbegrenzung vor das Teilinteresse der Wiedervereinigung unseres Landes gestellt wird. Wir werden deshalb alle miteinander das Ziel der Vereinigung unseres Volkes nicht aufgeben. Wir werden auch das Unrecht der Vertreibung nicht als Recht anerkennen. Aber wir stimmen dieser Regierung ohne
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Einschränkung zu, wenn sie gesagt hat: ihr erstes Wort zur Außenpolitik ist der Wille zum Frieden und zur Verständigung.
Dem stimmen wir ohne jede Einschränkung zu.
Verständigung bedeutet zuallererst, daß man aufeinander hört, daß man hört, was der andere sagt, und daß man erwartet, daß er zuhört, wenn man selber spricht. Wir müssen wahrheitsgemäß feststellen, daß wir von keiner anderen europäischen Regierung hören, daß sie in ihrer innersten Überzeugung davon ausgehe, beim Abschluß eines Friedensvertrages deutsche Hoffnungen auf eine Veränderung der Oder-Neiße-Linie unterstützen zu wollen. Das müssen wir feststellen als das, was wir gehört oder nicht gehört haben; das ist die gegenwärtige Lage. Es tut uns und unserem Volk gut, das auszusprechen und nicht darum herumzureden.
Es wäre verfehlt, deshalb die deutschen Rechtsansprüche einfach über Bord zu werfen. Aber ebenso verfehlt wäre es, die bloße Verfechtung von Rechtsansprüchen allein schon für Außenpolitik zu halten.
Wir unterstützen deshalb aus voller Überzeugung die Absicht der Regierung zur Verständigung und zur Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn. Wir sind sicher, daß auch unsere vertriebenen I Landsleute, die der Deutsche Bundestag durch eine gemeinsame Erklärung aller 1950 in Obhut genommen hat und deren Interessen wir gemeinsam vertreten, besonders an einem vertrauensvollen Verhältnis zu den Nachbarvölkern im Osten interessiert sind.
In dieser Gewißheit begrüßen wir die Ausführungen des Bundeskanzlers gegenüber Polen und gegenüber der CSSR und stimmen ihnen zu. Für das Klima der Verständigung hoffen wir auch weiterhin auf die Kirchen und auf die Wissenschaft in unserem Lande.
Die Bundesregierung will auch im Verhältnis zur Sowjetunion einen neuen Ansatz suchen. Das wird gewiß nicht leicht sein. Zwischen der Sowjetunion und uns liegt ein Krieg, der von einer deutschen Regierung vom Zaun gebrochen worden ist und von beiden Völkern mehr Opfer gefordert hat als jemals ein Krieg zuvor. Zwischen beiden Völkern liegt auch die sowjetische Politik der Spaltung, deren Ziele wir nicht billigen werden. Zwischen beiden Völkern liegt schließlich manches ungute Wort, das in den letzten zwei Jahrzehnten hinüber und herüber gegangen ist. Wir werden nach einer Sprache suchen müssen, die beiden verständlich ist und keinen verletzt. Diese Sprache wird auf unserer Seite frei sein müssen von Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit, aber sie kann und wird nicht frei sein von Festigkeit und Würde.
Unsere Sprache wird den Selbsterhaltungswillen
eines Volkes widerspiegeln, das zwar durch die
Taten der damaligen nationalsozialistischen Führung manches verspielt, aber eines sicherlich nicht verspielt hat: sein Recht, sich seine innere Ordnung selbst zu geben und seinen Willen frei zu bilden.
Gegen den Willen einer der vier Großmächte gibt es keine Wiedervereinigung. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Großmächte auch die Interessen der Nachbarnationen Deutschlands berücksichtigen müssen und wollen. Auch das gehört zur Bestandsaufnahme. Die deutsche Frage wird nur lösbar in gesamteuropäischen und weltpolitischen Zusammenhängen. Wir können sie nicht in nationalistischer Verengung betrachten. Vielleicht — da uns eine solche nationalistische Betrachtungsweise manchmal vorgeworfen wird — darf ich in diesem Zusammenhang mit Dankbarkeit die Unterstützung erwähnen, die die Bundesrepublik Deutschland durch befreundete Regierungen bei der Abwehr solcher Vorwürfe erfahren hat. Ich nenne die Beispiele des italienischen Staatspräsidenten und der Außenminister Großbritanniens und Dänemarks.
Gewiß, welt- und machtpolitische Gegebenheiten haben entscheidend dazu beigetragen, daß wir die Spaltung unseres Landes bisher nicht haben überwinden können. Doch haben auch unsere eigenen Regierungen in zurückliegenden Jahren nicht genug Initiative ergriffen und nicht genug Phantasie gezeigt. Im Verhältnis beider Teile unseres Landes zueinander wollen wir uns davon leiten lassen, den Menschen im geteilten Land das Leben zu erleichtern, die nationale Substanz zu erhalten und jeden nur möglichen Ansatz zur Überwindung der Teilung zu schaffen. Die Bundesregierung muß sich erfindungsreich und hartnäckig, gleichwohl aber sorgsam darum bemühen, daß die innerdeutsche Situation verändert, d. h. daß unser Handlungsspielraum gegenüber dem SED-Regime in Ostberlin voll ausgenutzt wird.
Von besonderer Bedeutung erscheint uns dabei der Hinweis der Regierung auf eine Ausweitung des innerdeutschen Handels. Wir erlebten, daß in den letzten Jahren die Unternehmungen der uns verbündeteten und befreundeten Länder durch die Möglichkeiten von Krediten und Garantien ihrer Länder im Handel mit der Zone einen Wettbewerbsvorsprung erhalten haben, den die Unternehmungen der Bundesrepublik und die Unternehmungen Westberlins ohne entsprechende Maßnahmen unsererseits nicht einholen können. Deshalb sollte die Regierung bald darangehen, für den innerdeutschen Handel einen revolvierenden Kreditoder Garantiefonds zu schaffen. Seine Aufgabe wäre es, den Unternehmen in der Bundesrepublik und in Westberlin vergleichbare Wettbewerbspositionen im langfristigen Geschäft, besonders für Produktions- und Investitionsgüter zu verschaffen, wie ausländische Unternehmen sie haben. Das läge übrigens wirklich auch im gesamtdeutschen Interesse; es würde nämlich den anderen Teil Deutschlands in den Stand versetzen, seine eigenen Lieferfähigkeiten uns gegenüber zu erhöhen.
Über dies hinaus hoffen wir, Herr Bundeskanzler, daß die angekündigten organisatorischen Maßnah-
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men zur Verstärkung innerdeutscher Kontaktflächen demnächst konkrete Gestalt annehmen können.
Wir verfolgen selbstverständlich mit Interesse die Reaktionen der Kommunisten in Ostberlin auf diese Regierungsbildung hier in Bonn. Wir bemerken, daß die Polemik der SED gegenüber der Großen Koalition von der Beurteilung in anderen kommunistischen Ländern und in anderen kommunistischen Parteien sehr weitgehend abweicht.
Wir bemerken mit Interesse, daß die Kommunisten in Ostberlin den Bürgern in der sogenannten DDR vieles von dem, was wir hier sagen und ankündigen, verschweigen, weil sie einstweilen noch nicht wissen, wie sie dazu Stellung nehmen sollen, während man in anderen kommunistischen Ländern und Parteien sehr viel offener und zutreffender über das berichtet, was hier in Bonn vor sich geht. Ulbricht und seine Leute behaupten, die Regierungsbildung würde eine Verstärkung des — wie sie es nennen — aggressiven und revanchistischen Kurses bedeuten. Wir sollten uns von solchen Stimmen nicht irre machen lassen, meine Damen und Herren, wir sollten auch nicht zurückpolemisieren, wir sollten in unserem Bestreben fortfahren, für Entspannung auch innerhalb unseres eigenen Landes zu sorgen. Nicht zuletzt deshalb haben wir Sozialdemokraten die Große Koalition auch gewollt.
Die Ausführungen der Bundesregierung zur Entspannungspolitik finden unsere Zustimmung, obwohl wir meinen, Herr Bundeskanzler, daß hier einige Akzente doch etwas klarer gesetzt werden sollten. Die Ausführungen zur Rüstungskontrolle, zur Rüstungsminderung, zur Abrüstung erschienen uns nicht weitgehend genug. Wir nehmen an, daß Sie unter dem Ausdruck „Mitarbeit" an diesen Problemen auch eigene Initiativen und Vorschläge verstehen. Wir Sozialdemokraten vertreten in der Frage der Atomwaffen unverändert den Standpunkt, daß weder nationaler Besitz noch deutscher Mitbesitz an nuklearen Waffen erforderlich sei, daß er auch nicht gewollt werden soll.
Wir erwarten daher, daß die Bundesregierung einem Atomwaffensperrvertrag, der die Bundesrepublik nicht diskriminiert, dann beitritt, wenn sich auch die anderen interessierten nichtnuklearen Mächte zu einem solchen Beitritt bereit erklären sollten.
Wir vermissen in der Regierungserklärung Gedanken über die Gestaltung unseres Bündnisses, über die künftige Verteidigungsstrategie. Hier ist ein Gegensatz zwischen Herrn Barzel und mir: Wir vermissen auch Gedanken über den Auftrag der Bundeswehr. Wir geben zu, daß die Zeit für solch grundlegende Überlegungen und für die dazu notwendigen Fühlungnahmen mit anderen Regierungen vielleicht noch zu kurz war; wir wissen auch, daß in diesen Tagen in Paris entscheidende Verhandlungen solcherart stattfinden. Immerhin erwarten wir, daß die neue Bundesregierung im Laufe des nächsten Jahres dem Deutschen Bundestag ihre
Analysen und ihre Vorstellungen zu dieser wirklich bedrängenden Problematik vorlegt.
Die Regierung hat unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten ausreichend gewürdigt. Wir alle streben eine Zusammenarbeit mit den USA im Geist der gleichberechtigten Partnerschaft an. Ich will nun zwar die im Gang befindlichen Verhandlungen nicht stören, aber wir müssen doch darauf hinweisen, daß sowohl aus finanziellen wie aber auch aus militärischen Gründen eine Abgeltung für die Stationierungskosten amerikanischer Truppen durch Devisenleistungen der Bundesrepublik Deutschland in Zukunft äußerstenfalls in Höhe der Hälfte der bisherigen Größenordnung geleistet werden kann.
Sie darf andererseits nicht auf den Bezug militärischer Güter und Dienstleistungen aus den Vereinigten Staaten beschränkt bleiben, aus finanziellen Gründen nicht, aber auch aus Gründen der Notwendigkeiten unserer eigenen Bundeswehr nicht.
Im übrigen gehen wir vertrauensvoll davon aus, daß auch und gerade unser wichtigster Verbündeter, die Vereinigten Staaten von Amerika, die Bedeutung der strategischen Positionen in Europa nicht mit der Elle im Grund zweitrangiger Devisenprobleme wird messen können und wollen. Darauf möchten wir im Grunde vertrauen.
Im Verhältnis zu den westlichen Nachbarnationen hat die Regierung den Grundsatz ausgesprochen, es komme darauf an, praktische Schritte auf dem Wege zur Einigung anzustreben und nicht unnachgiebig idealen Vorstellungen nachzulaufen. Wir halten das für richtig; das Wünschenswerte darf nicht das Mögliche verhindern.
Die Bundesregierung wird die volle Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion haben, wenn sie darangeht, das deutsch-französische Verhältnis im freundschaftlichen Geist der Zusammenarbeit zum Wohle beider Länder und zum Wohle Europas zu beleben.
Das muß und darf auch nicht das gute freundschaftliche Verhältnis zu den anderen europäischen Staaten beeinflussen oder gar beeinträchtigen. Wir denken hier besonders auch an die skandinavischen Staaten, die in der Vergangenheit für unsere deutschen Interessen so viel Verständnis aufbrachten und für deren Sorgen wir das gleiche Verständnis aufbringen müssen.
Unser Verhältnis zu Großbritannien ist klar. Es besteht in einer guten und freundschaftlichen Partnerschaft in allen Angelegenheiten, die beide Länder gemeinsam betreffen. England mit seinem weltweiten Einfluß, mit seiner gelebten Demokratie, mit seiner nüchternen, aber aus reicher Erfahrung schöpfenden Urteilskraft ist ein Teil Europas und für uns Deutsche zugleich ein wertvolles und wichtiges Bindeglied zur ganzen Welt. Wir brauchen England in der Wirklichkeit unseres Kontinents für die Kräftigung der europäischen Wirtschaft, für die Sicherung unseres eigenen Landes und für den Aufbau eines Systems einer gefestigten Gemeinschaft Europas.
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Meine Damen und Herren, ich darf eine Schlußbemerkung machen. Wir glauben, daß die Demokratie heute im Bewußtsein unseres Volkes stärker als jemals in früheren Generationen verankert ist. Diese Verankerung der Demokratie im Bewußtsein der heute lebenden Deutschen steht und fällt ganz gewiß nicht mit einer zeitbedingten Koalition in diesem Hause; ganz gewiß nicht! Auch einige bisweilen nicht gerade schmeichelhafte Äußerungen über diese neue Regierung und die neue Koalition aus den Reihen der Jüngeren in Wissenschaft und Literatur sind überwiegend doch Ausdruck des leidenschaftlichen Engagements dieser Menschen für die Demokratie!
Dies ist im Grunde doch etwas Positives. Wir wissen, daß unser Volk in beiden Teilen des Landes große Erwartungen hegt, die von einer breiten Mehrheit getragene neue Regierung werde die schweren Probleme bewältigen, vor denen unsere Nation steht. Die Zweifler durch Leistung zu überzeugen und die Erwartenden nicht zu enttäuschen, ist die gemeinsame Aufgabe, vor der die Regierung und die beiden Fraktionen stehen, die diese Regierung gebildet haben.
Unser Volk muß wieder Vertrauen in seine Regierung gewinnen. Das gilt nicht nur für die Wähler der CDU und CSU und für die Wähler der SPD, sondern das gilt für die Wähler aller Parteien; das gilt für jeden einzelnen Staatsbürger. Jedermann in Deutschland hat Anspruch darauf, seiner Regierung vertrauen zu können.
Gerade weil das so ist, wird meine Fraktion an die künftige Arbeit dieser Regierung scharfe Maßstäbe und scharfe Kontrolle anlegen.
Wir Sozialdemokraten stehen dabei in der geistigen und politischen Tradition einer Partei, die vor über hundert Jahren mit dem Willen angetreten ist, den Frieden zu sichern und Freiheit und Gerechtigkeit für alle zu verwirklichen. Wir stehen fest auf dem geistigen Boden unseres Godesberger Programms, und wir setzen die politische Arbeit kontinuierlich fort, die wir vor 17 Jahren in diesem Hohen Hause begonnen haben, nämlich: Bemühung um den Frieden, um den Ausbau des freiheitlichen, des sozialen und des demokratischen Rechtsstaates in der Bundesrepublik Deutschland und Bemühung um die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts für alle Deutschen.
Wir erklären: Die Regierungserklärung bietet uns eine gute Grundlage für die Fortsetzung dieser 17jährigen Arbeit. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird sich deshalb mit ihrem ganzen menschlichen und politischen Gewicht dafür einsetzen, daß auf der neugewonnenen gemeinsamen Basis die Politik gemacht werde, die zum Wohl unseres Volkes notwendig ist.