Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach der bis zum 31. Dezember 1965 gültigen Fassung der Abgabenordnung konnte die Verwaltung mit Zustimmung des Steuerpflichtigen die Entscheidung über einen Einspruch aussetzen, wenn wegen einer gleichen oder ähnlichen Streitfrage ein Rechtsmittel in einer höheren Rechtsstufe anhängig war . Eine ähnliche Bestimmung sollte im Laufe der parlamentarischen Beratungen der Finanzgerichtsordnung wieder in die Abgabenordnung eingefügt werden. Sie ist aber mit dem ausdrücklichen Hinweis gestrichen worden, die Verwaltung solle sofort entscheiden. Danach verfährt zur Zeit die Zollverwaltung. Es ist mir aber zweifelhaft, ob die Verwaltung nicht doch die Möglichkeit hat, die Entscheidung über die Einsprüche wegen gerichtshängiger Musterprozesse auszusetzen. Diese Frage werde ich im Benehmen mit dem Justiz- und Innenministerium sobald wie möglich abschließend klären lassen. Ich darf Sie, Herr Abgeordneter, über das Ergebnis dann schriftlich unterrichten. Sollte die Zulässigkeit der Aussetzung oder des Ruhens bejaht werden — wofür manches spricht so werde ich unverzüglich die Zollstellen anweisen, die Entscheidung über Einsprüche zurückzustellen, soweit bei den Finanzgerichten Musterprozesse anhängig sind. In diesem Fall würde sich das von Ihnen angeschnittene Kostenproblem erledigen, was ich begrüßen würde.
Das bei Einlegung von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln bestehende allgemeine Kostenrisiko kann dem Steuerpflichtigen allerdings nicht abgenommen werden. Es widerspricht auch nicht rechtsstaatlichen Prinzipien, daß der Staatsbürger bei der Verfolgung seiner vermeintlichen Rechte ein solches Risiko tragen muß. Die Kosten betragen bei einem Streitwert von 1000 DM, der in der Mehrzahl der vorliegenden Fälle nicht überschritten wird, 36 DM, wenn über den Einspruch entschieden worden ist und die Klage vor einer Entscheidung des Finanzgerichts zurückgenommen wird. Selbstverständlich bin auch ich der Auffassung, daß dem Staatsbürger Kosten erspart werden sollten, soweit die Verfahrens- und Kostenbestimmungen das irgendwie zulassen.
Die Finanzgerichte sind übrigens nicht auf Grund des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 14. Oktober 1966 mit Klagen überschwemmt worden. Die Ursache liegt vielmehr in der Erhebung der Einsprüche, auf die die Verwaltung keinen Einfluß hat. Mit dem Erlaß vom 14. Oktober 1966 sollte den Zollstellen das Material an die Hand gegeben werden, die eingelegten Einsprüche — es sind immerhin etwa 150 000 Fälle — rasch zu behandeln. Auf den Ablauf des Verfahrens bei den Finanzgerichten hat die Verwaltung keinen Einfluß. Wohl aber können die Finanzgerichte sich selbst dadurch helfen, daß sie das Ruhen des Verfahrens anordnen. In dem angeführten Erlaß ist ausdrücklich vorgesehen, daß die Finanzverwaltung dem Ruhen des Verfahrens zustimmt, wenn das Gericht das Ruhen wegen eines gleichartigen bereits anhängigen Verfahrens anordnen will. Im übrigen wird die von mir nach Überprüfung der Rechtslage in Aussicht gestellte Aussetzung der Einspruchsentscheidung die von Ihnen, Herr Abgeordneter, befürchtete Überschwemmung der Finanzgerichte vermeiden helfen.