Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, zu Beginn der heutigen Sitzung habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen.
Der Deutsche Bundestag hat eines seiner ältesten und angesehensten Mitglieder verloren. Am 1. Adventssonntag, dem 27. November, verstarb unser Kollege Dr. h. c. Wenzel Jaksch an den Folgen eines schweren Verkehrsunfalles.
Wenzel Jaksch wurde am 25. September 1896 in Langstrobnitz im Sudetenland geboren. Er erlernte in Wien das Maurerhandwerk und nahm kurz nach Beendigung der Lehre als Soldat in der österreichisch-ungarischen Armee am ersten Weltkrieg teil, aus dem er schwerverwundet zurückkehrte.
Nachdem er bereits mit 17 Jahren der österreichischen Sozialdemokratischen Partei beigetreten war, bemühte er sich nach dem ersten Weltkrieg im neugegründeten tschechoslowakischen Staat um den organisatorischen und geistigen Aufbau der sudetendeutschen Sozialdemokratie. Von 1920 bis 1928 war er als Redakteur in Komotau und Prag tätig und zusammen mit Politikern anderer Parteien unermüdlich um ein friedliches Zusammenleben von Tschechen und Deutschen bemüht. Von 1929 bis 1938 gehörte Wenzel Jaksch der Prager Nationalversammlung als Abgeordneter der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei an. Im März 1938 wählte ihn seine Partei zum Vorsitzenden.
Wenzel Jaksch lehnte es für seine Partei ab, sich der Henlein-Bewegung anzuschließen. Nach dem Anschluß des Sudetenlandes mußte er aus seiner Heimat fliehen. Das bittere Schicksal der Emigration brach nicht seinen politischen Willen. Im Gegenteil: mit großer Leidenschaft setzte er sich in der englischen Emigration bei der tschechoslowakischen Exilregierung für die Interessen des sudetendeutschen Volksteils ein.
1949 kehrte Wenzel Jaksch nach Deutschland zurück. Er übernahm innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands die zentrale Flüchtlingsbetreuung.
Von 1950 bis 1953 leitete er im Hessischen Innenministerium das Landesamt für Vertriebene und Evakuierte.
Wenzel Jaksch war Vorsitzender der in der Seligergemeinde zusammengeschlossenen ehemaligen sudetendeutschen Sozialdemokraten. Im Jahre 1964 wurde unser verstorbener Kollege zum Präsidenten des Bundes der Vertriebenen gewählt.
Für sein gleichermaßen mit dem historischen Bewußtsein des Geschichtsforschers wie mit der Anteilnahme des gestaltenden Politikers geschriebenes Werk „Europas Weg nach Potsdam" aus dem Jahre 1958 wurde ihm die Würde des Ehrendoktors ver- liehen. Die hohen Ehrungen, die unserem Kollegen Wenzel Jaksch vor wenigen Wochen aus Anlaß seines 70. Geburtstages vom Herrn Bundespräsidenten und der Bundesregierung, von seinen Parteifreunden und von unzähligen ihm nahestehenden Menschen zuteil wurden, sind nun durch seinen unerwarteten Tod zum Zeichen eines wehmütigen Abschieds geworden.
Dem Deutschen Bundestag gehörte unser verstorbener Kollege für die Sozialdemokratische Partei seit 1953, zunächst über die Landesliste Hessen, später Nordrhein-Westfalen, an. Seine parlamentarische Arbeit galt in erster Linie dem Schicksal und der Eingliederung der Heimatvertriebenen, ferner den Fragen des Verhältnisses zu unseren ost- und südosteuropäischen Nachbarstaaten. Er gehörte dem Auswärtigen Ausschuß und dem Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge an.
Ich spreche der Gattin unseres verstorbenen Kollegen Wenzel Jaksch, seinen Angehörigen und der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands die tiefe Anteilnahme des Hauses aus.
Sie haben sich zu Ehren unseres verstorbenen Kollegen erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, zunächst habe ich mitzuteilen, daß die Punkte 2 bis 15, d. h. die ganze gedruckte Tagesordnung außer dem Punkt 1, von der Tagesordnung abgesetzt werden müssen, weil im Anschluß an die Plenarsitzung die Fraktionen Sitzungen abhalten.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
3522 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 76, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. November 1966
Der Ausschuß für Gesundheitswesen hat am 25. November 1966 mitgeteilt, daß gegen die
Richtlinie des Rats vom 28. Juli 1966 zur Änderung des Artikels 22 der Richtlinie des Rats vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten
keine Bedenken bestehen.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 113/64/EWG hinsichtlich der Kontrolle des innergemeinschaftlichen Handels mit Magermilchpulver für Futterzwecke
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden;
Verordnung des Rates über die Gewährung einer Erstattung bei der Erzeugung für die Grob- und Feingrießsorten aus Mais, die in der Brauerei-Industrie Verwendung finden
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden;
Verordnung des Rates zur Verlängerung der Geltungsdauer und zur Änderung der Verordnungen Nr. 55/65/EWG und Nr. 56/65/EWG, die besondere Bestimmungen über den Absatz bestimmter Käsesorten enthalten
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden;
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 14/64/EWG betreffend die Festsetzung der Einfuhrpreise und Abschöpfungen für Folgeerzeugnisse auf dem Rindfleischmarkt
— Drucksache V/1161 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 25. Januar 1967;
Verordnung des Rates zur Änderung der Liste der den Verordnungen Nr. 19 und 13/64/EWG über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Getreide beziehungsweise für Milch und Milcherzeugnisse unterliegenden Erzeugnisse
— Drucksache V/1164 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dein Plenum am 15. Dezember 1966;
Verordnung des Rates betreffend die Festlegung der abweichenden Vorschriften beim innergemeinschaftlichen Handel mit Butter
— Drucksache V/1163 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 15. Dezember 1966.
Zu der in der Fragestunde der 73. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. November 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Hirsch, Drucksache V/1133 Nr. II t), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Gradl vom 28. November 1966 eingegangen. Sie lautet:
Das sogenannte „Helmstedter Abkommen" vom 4. Oktober 1949 gilt heute noch. Die in diesem Abkommen vorgesehenen Genehmigungen für den Gelegenheitsverkehr mit Omnibussen über die Demarkationslinie werden den Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland von den zuständigen Landesbehörden erteilt. Ob und in welcher Höhe Gebühren erhoben werden, richtet sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen.
Zu der in der Fragestunde der 74. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. November 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Dröscher, Drucksache V/1133 Nr. X/7 **), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 29. November 1966 eingegangen. Sie lautet:
Die Frage nach der Dreiteilung von Bundesstraßen war von Ihnen, Herr Abgeordneter, im Jahre 1962 schon einmal gestellt und von mir in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 29. Juni 1962 beantwortet worden. Ich hatte darauf hingewiesen, daß sich zweispurig angelegte Straßen nicht in drei Fahrspuren einteilen lassen, weil dann die für eine gefahrlose Abwicklung des Verkehrs verbleibende Fahrspurbreite bei der Breite einer Anzahl von Fahrzeugen nicht ausreicht. Auch ist dann der beim Überholen notwendige Sicherheitsraum zwischen den Fahrzeugen nicht mehr immer vorhanden. Für die Fahrer des gerade auf den Bundesstraßen anteilmäßig sehr hohen Lastkraftwagenver-
*) Siehe 73. Sitzung, Seite 3410 D **) Siehe 74. Sitzung, Seite 3470 D
kehrs bedeutet das Fahren auf nicht ausreichend breiten Fahrspuren über längere Strecken hinweg zudem eine starke Belastung, die leicht zu Unfällen führen kann.
Bekanntlich ist auch das Überholen auf einer dreispurigen Straße mit Gegenverkehr mit besonderen Gefahren verbunden, weil die mittlere Fahrspur für beide Fahrtrichtungen gilt. Die Erfahrungen aus dem westlichen Ausland mit dreispurigen Straßen haben immer wieder gezeigt, daß die Unfälle wesentlich höher sind als auf zweispurigen Straßen mit Gegenverkehr. Aus den genannten Gründen ist der Bundesminister für Verkehr der Auffassung, daß in der Bundesrepublik das im Ausland früher praktizierte System der dreispurigen Straße mit Gegenverkehr, auch bei einer etwas angespannten Haushaltssituation, nicht angewendet werden sollte. Das schließt nicht aus, daß in bestimmten Fällen dreispurige Bundesstraßenabschnitte mit Gegenverkehr gebaut werden, wobei die zusätzliche Spur als Kriechspur ausgewiesen ist.
Zu der in der Fragestunde der 74. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. November 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Marx , Drucksache V/1133 Nr. X/9 a), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 29. November 1966 eingegangen. Sie lautet:
Bei der Deutschen Bundesbahn wird als Verwaltungsdienst der gesamte Dienst bei zentralen Stellen, Direktionen und Ämtern bezeichnet. Er umfaßt alles in allem etwa 8,2 % des Gesamtpersonalbestandes. Dieser Personalbestand wurde seit dem 1. Januar 1965 trotz der gegenwärtigen Organisationsform um rund 1500 auf ca. 36 000 Kräfte verringert. Weitere fühlbare Einsparungen sind im Zusammenhang mit den in Aussicht genommenen Organisationsänderungen und der weiteren Umstellung auf elektronische Datenverarbeitung zu erwarten. Größenordnungen hierfür lassen sich zwar noch nicht zuverlässig festlegen, doch dürften allein durch die Straffung auf der Direktionenebene, natürlich ohne Entlassungen und im Laufe einiger Jahre, etwa 5000 bis 6000 Kräfte eingespart werden können.
Wir kommen nun zur
Fragestunde
.
Zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Die Frage I/1 des Abgeordneten Rollmann ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Die Frage I/2 des Abgeordneten Höhmann wird bei einem anderen Ressort aufgerufen.
Die Frage des Abgeordneten Bauer aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz:
Wie weit sind zwischenzeitlich die bilateralen Verhandlungen fortgeschritten, die nach Auskunft des Bundesjustizministers in der Fragestunde vom 8. Dezember 1965 abgeschlossen werden sollten, bevor die Bundesregierung das Europäische Auslieferungsübereinkommen und das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen ratifizieren will?
wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort ist noch nicht eingegangen, sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernemeldewesen.
Zunächst die Frage III/1 des Abgeordneten Bauer :
Wie steht das Bundespostministerium zu der Anregung, eine Briefmarkenserie mit Landschaftsmotiven besonderer Anziehungkraft im Bereich der Bundesrepublik Deutschland — vergleichbar etwa den beliebten französischen Ausgaben — herauszubringen?
Bitte, Herr Staatssekretär! *) Siehe 74. Sitzung, Seite 3471 B