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ID0507017600

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    Deutscher Bundestag 70. Sitzung Bonn, den 8. November 1966 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Dr. Conring 3279 A Amtliche Mitteilungen . . . . . . 3279 A Zur Tagesordnung Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 3280 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 3280 D, 3282 A Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 3280 D Genscher (FDP) 3281 C Fragestunde (Drucksache V/1085) Fragen des Abg. Seibert: Preisbindung Schmücker, Bundesminister . . . . 3282 D Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Verhandlungen deutscher Raketenwissenschaftler mit China und der Südafrikanischen Union Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . 3283 A Jahn (Marburg) (SPD) 3283 B Fragen des Abg. Dr. Mommer: Erteilung von Visen betreffs Polen und der CSR . . . . . . . . . . . 3283 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Anrede „Frau" Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . . 3283 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 3284 A Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53 Bonn Alleinvertrieb: Dr. Hans Heger, 532 Bad Godesberg, Postfach 821, Goethestraße 54, Tel. 6 35 51 Fragen der Abg. Frau Blohm: Gewährleistung schneller ärztlicher Hilfe in Notfallsituationen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3284 C Frage des Abg. Lemmrich: Hoher Anteil junger Kraftfahrer am Verkehrsunfallgeschehen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 3285 A Lemmrich (CDU/CSU) 3285 B Fragen des Abg. Hofmann (Kronach) : Weiterführung der B 303 (Pfaffendorf- Schweinfurt) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3285 C Hofmann (Kronach) (SPD) . . . . 3285 D Fragen des Abg. Müller (Ravensburg) : Wirtschaftliche Einbußen der Seenfischerei, der Fluß- und Teichwirtschaft Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3286 A Fragen des Abg. Strohmayr: Familienfahrkarten der Bundesbahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3286 C Strohmayr (SPD) . . . . . . . . 3286 D Frage des Abg. Wendt: Teilweise Eingleisigkeit der Strecke Schwerte—Warburg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3287 A Wendt (SPD) . . . . . . . . . 3287 B II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. November 1966 Frage des Abg. Wendt: Ausbau der B 7 in Velmede und Bestwig Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 3287 B Wendt (SPD) 3287 C Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Auslandsbriefporto Stücklen, Bundesminister 3287 D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 3288 A Fragen des Abg. Maucher: Vorratsliste für Briefmarken . . . . 3288 A Frage des Abg. Wendt: Empfang des Zweiten Deutschen Fernsehen in Nordrhein-Westfalen Stücklen, Bundesminister 3288 B Wendt (SPD) 3288 B Fragen des Abg. Felder: Gebühren für Sendungen „Funknachrichten an mehrere Empfänger" Stücklen, Bundesminister 3288 C, 3289 B Felder (SPD) 3288 D, 3289 B Fragen des Abg. Dr. Schulz (Berlin) : Nichtbeantwortung des erbetenen Briefes eines Bundestagsabgeordneten durch den Bundespostminister Stücklen, Bundesminister 3289 D Dr. Schulz (Berlin) (SPD) 3290 A Fragen des Abg. Flämig: Forschung und Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Halbleiter-Physik . . 3290 B Frage des Abg. Dr. Bardens: Vorlage eines Berichts der Bundesregierung über die' finanzielle Situation der Krankenhäuser Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3290 C Dr. Bardens (SPD) 3290 C Frage des Abg. Dr. Bardens: Entwurf eines Fragebogens für den Bericht Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3290 D Dr. Bardens (SPD) 3291 A Fragen des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Deutsche Medizinische Dokumentationsstelle 3291 B Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Änderung des Lebensmittelgesetzes . 3291 C Fragen des Abg. Glombig: Ursachen und Bekämpfung des Krebses Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3291 C Glombig (SPD) 3291 D Fragen des Abg. Fritz (Wiesbaden) : Zustandekommen der Wiesbadener Gesundheitsausstellung „Der Mensch in seiner Stadt" Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3292 A Fritz (Wiesbaden) (SPD) 3292 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 3292 C Geiger (SPD) 3293 A Frage des Abg. Dr. Tamblé: Mietgesetz für den Fremdenverkehr Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 3293 A Dr. Tamblé (SPD) 3293 B Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Zentrale Richterakademie . .. . . . 3293 C Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Forderung nach Änderung der Richteramtsbezeichnung Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 3293 D Jahn (Marburg) (SPD) 3294 A Fragen des Abg. Ahrens (Salzgitter) : Auswirkungen und Begleitumstände von Manövern der Stationierungstruppen Grund, Staatssekretär . . . . . . 3294 C Fragen des Abg. Seuffert: Aufkommen von Beträgen aus der Kuponsteuer im Abzugsverfahren - Erstattung von Beträgen . . . . . . 3295 A Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. November 1966 III Fragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Verteuerung der Versorgung Berlins durch den Wegfall der Betriebsbei-hilf en Grund, Staatssekretär 3295 B Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . 3295 C Dr. Apel (SPD) 3295 C Wellmann (SPD) . . . . . . . 3296 A Antrag der Fraktion der SPD betr. Vertrauensfrage des Bundeskanzlers (Drucksache V/1070) Erklärung zur Tagesordnung nach § 29 GO Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 3296 B Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 3296 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 3296 B Wehner (SPD) . . . . 3296 D, 3303 D Dr. Barzel (CDU/CSU) .. . . . . 3299 D Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 3302 A Dr. Erhard, Bundeskanzler . . . 3303 C Beauftragung von Bundesministern mit einem zweiten Ressort 3304 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1967 (Haushaltsgesetz 1967) (Drucksache V/1000) — Erste Beratung — Schmücker, Bundesminister . . . 3304 C Nächste Sitzung 3317 D Anlagen 3319 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. November 1966 3279 70. Sitzung Bonn, den 8. November 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Adenauer 11. 11. Blachstein 30. 11. Dr. Dittrich * 8. 11. Erler 30. 11. Lenz (Trossingen) 30. 11. Lücker (München) * 11. 11. Dr. Rutschke ** 11. 11. Teriete 30. 11. Dr. Verbeek 30. 11. b) Urlaubsanträge Dr. Arndt (Berlin) 30. 11. Dr. Hofmann (Mainz) 30. 11. Paul 31. 12. Struve 30. 11. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesminister Dr. Stoltenberg vom 2. November 1966 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. von Merkatz zu der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Frau Freyh***) In der obigen Fragestunde haben Sie um Prüfung gebeten, ob bei der Zulassung zum Medizinstudium Bewerber, die während ihres Wehrdienstes eine Sanitätsausbildung genossen haben, bevorzugt berücksichtigt werden können. Der Bundesminister der Verteidigung bemüht sich allgemein, für Studienbewerber, die ihren Wehrdienst abgeleistet haben, eine bevorzugte Zulassung zum Studium der Fächer Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie, in denen z. Z. der Numerus clausus besteht, zu erreichen. Dabei können nach seiner Auffassung keine Unterschiede je nach der Ausbildung in einer Sanitätseinheit oder einer anderen Truppengattung gemacht werden. Auch die Kultusminister der Länder halten eine Sonderregelung nicht für erforderlich. Wie ich in der Fragestunde vom 14. September 1966 (55. Sitzung des Deutschen Bundestages - Protokoll Seite 2652) ausgeführt habe, werden die Kultusminister der Länder und die Westdeutsche Rektorenkonferenz demnächst über einheitliche Zulassungsrichtlinien beraten. Falls künftig für die Zulassung Leistungskriterien maßgeblich sind und nicht allein das Abitur gefordert wird, scheinen die medizinischen Fakultäten nach einer Mitteilung der Westdeutschen Rektorenkonferenz geneigt zu sein, eine ordnungsgemäße Sanitätsausbildung als Positivum zu werten. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats ***) Siehe 21. Sitzung Seite 839 B Anlagen zum Stenographischen Bericht Es bleibt daher abzuwarten, welche Voraussetzungen künftig bei der Zulassung zum Medizinstudium gestellt werden. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 2. November 1966 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Sänger zu der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Frau Freyh *) Die Frage der Einrichtung einer zentralen Registrierstelle für alle Studienbewerber ist von den Kultusministern der Länder und der Westdeutschen Rektorenkonferenz geprüft worden. Beide Stellen sind der Auffassung, daß zentrale Registrierstellen nur für Fächer sinnvoll sind, für die der Numerus clausus an allen wissenschaftlichen Hochschulen besteht. Sie weisen darauf hin, daß zentrale Zulassungs- und Registrierstellen einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand erfordern, der nur vertretbar sei, wenn dadurch das Zulassungsverfahren vereinfacht werde. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Registrierstelle eine Verteiler-Funktion ausüben könne. Wenn die Zulassung für ein Fach nur an einzelnen Hochschulen beschränkt sei, so regele sich in kürzester Frist die Verteilung der Studienbewerber auch ohne besondere Verteilerstelle. Wegen der Probleme, die sich bei der zentralen Registrierstelle für die Fächer Medizin und Zahnmedizin ergeben haben, darf ich auf meine Antwort in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 14. September 1966 (55. Sitzung des Deutschen Bundestages - Protokoll Seite 2652) Bezug nehmen. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz weist noch darauf hin, daß bei der steigenden Zahl von Abiturienten die Möglichkeit besteht, daß auch für andere Fächer als Medizin und Zahnmedizin der Numerus clausus an allen wissenschaftlichen Hochschulen eingeführt werden muß. Dann wäre Anlaß zur Prüfung, ob auch in diesen Fächern zentrale Zulassungs- und Registrierstellen einzurichten sind. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 2. November 1966 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Rinderspacher zu der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Frau Freyh*) Nach §§ 22 Abs. 6 und 31 Abs. 5 der Bestallungsordnung für Ärzte vom 15. September 1953 i. d. F. der Verordnung vom 31. Mai 1965 (BGBl I S. 447) können bei der naturwissenschaftlichen Vorprüfung *) Siehe 21. Sitzung Seite 839 B 3320 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. November 1966 und der ärztlichen Vorprüfung die Studienzeiten ganz oder teilweise angerechnet werden, wenn der Studierende nach Erlangung des Reifezeugnisses a) an einer ausländischen Universität oder Hochschule Medizin studiert hat oder b) an einer deutschen oder ausländischen Universität oder Hochschule ein dem medizinischen verwandtes Studium betrieben hat. Eine im Ausland vollständig bestandene Prüfung kann nach § 31 Abs. 2 a. a. O. als Ersatz der naturwissenschaftlichen Vorprüfung anerkannt werden, wenn sie dieser gleichwertig ist. Als Ersatz der ärztlichen Verprüfung kann eine im Ausland abgelegte Prüfung nur ausnahmsweise anerkannt werden (§ 38 Abs. 3 a. a. O.). Ebenso kann für die Ablegung der ärztlichen Prüfung ein nach bestandener ärztlicher Vorprüfung an einer ausländischen Universität abgeleistetes Studium nur ausnahmsweise auf die Studienzeit ganz oder teilweise angerechnet werden (§ 39 Abs. 3 a. a. O.). Die Entscheidung trifft gemäß § 68 Abs. 1 a. a. O. jeweils die zuständige Landesbehörde des Landes, in dem die Prüfung abgelegt werden soll. Die obersten Landesgesundheitsbehörden entscheiden deshalb auch darüber, in welchen Fächern eine Anrechnung der im Ausland absolvierten Studienzeiten in Frage kommt. Die gleichen Regelungen sind für die zahnmedizinische Ausbildung getroffen und in der Prüfungsordnung für Zahnärzte vom 26. Januar 1955 (BGBl I S. 37) i. d. F. der Verordnung vom 19. Juni 1964 (BGBl I S. 417) niedergelegt worden. Nach § 19 Abs. 4 der Prüfungsordnung für Apotheker vom 8. Dezember 1934 (RMBl S. 769) i. d. F. vom 19. Dezember 1951 (BGBl I S. 1007) kann ein pharmazeutisches Studium an einer ausländischen Hochschule ausnahmsweise bis zu zwei Halbjahren angerechnet werden. Zwischen der. Bundesrepublik Deutschland und Frankreich besteht z. Z. kein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Prüfungen im Rahmen der medizinischen, zahnmedizinischen und pharmazeutischen Ausbildung. Verhandlungen sind darüber nur im Rahmen der EWG im Gange. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz weist dazu noch darauf hin, daß Äquivalenzverhandlungen mit ausländischen Hochschulen im Fach Medizin z. Z. nicht betrieben werden, weil die Studiensysteme in den einzelnen Ländern höchst verschieden sind und weil abgewartet werden solle, inwieweit das Gutachten des Wissenschaftsrates zur Neuordnung des Studiums der Medizin zu einer Änderung der Bestallungsordnung für Ärzte führen wird.
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    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser hier unter Ausschöpfung aller Geschäftsordnungsmittel umkämpfte Antrag, der Ihnen im Wortlaut vorliegt, bezweckt nicht mehr, aber auch nicht weniger, als daß der Bundestag beschließen wolle, den Bundeskanzler zu ersuchen, dem Bundestag gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes alsbald einen Antrag vorzulegen, ihm das Vertrauen auszusprechen.
    Die Stellungnahme der Abgeordneten des Deutschen Bundestages halten wir für unvermeidlich angesichts der Koalitionskrise, angesichts der politischen Krise in der CDU/CSU und angesichts der Tatsache, daß diese Krise von der jetzt mit der Minderheitsregierung regierenden CDU/CSU auf unseren Staat übertragen wird. Dies alles geschieht zum Schaden der Autorität unserer Verfassungsorgane und zum Schaden der Handlungsfähigkeit der Staatsorgane. Weil dem so ist, stellen wir diesen Antrag: der Bundestag, das vom Volk gewählte Parlament, möge seine Meinung sagen.
    Wir wissen, daß der Bundeskanzler nach Art. 68 des Grundgesetzes das Recht hat, die Vertrauensfrage zu stellen. Wir haben gehört, er wolle sie nicht stellen und er werde sie nicht stellen. Wir wissen, daß der Bundeskanzler selbst entscheiden kann und muß, ob und wann er diese Vertrauensfrage stellt. Aber der deutsche Bundestag hat sowohl das Recht als auch die Pflicht, seine eigene Meinung zu sagen, und die kann er nur sagen durch Abstimmung. Damit wird dem Bundeskanzler weder



    Wehner
    ein Recht genommen noch ein Recht eingeschränkt. Aber der Bundeskanzler bekommt durch die Abstimmung des Deutschen Bundestages die Möglichkeit, seine Lage klar vor Augen zu haben. Er möge dann selbst entscheiden, was er zu tun bereit und fähig ist.
    Wenn uns gesagt und sogar versichert wird, die eigene Partei und Fraktion des Bundeskanzlers befaßten sich doch schon mit der Regelung des Krisenablaufs, so erwidern wir, daß wir weder die CDU als Partei noch die CDU/CSU als Bundestagsfraktion daran hindern wollen, zu tun, was ihre Aufgabe ist. Aber wir können das nicht durch persönliches Zureden. Wir können das allein durch das Feststellen eines Tatbestandes.
    Die parlamentarische Opposition, die Fraktion der SPD, erachtet es als ihre Pflicht, hier den Hebel anzusetzen und den übrigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Möglichkeit zu geben, sich zu erklären. Die Fraktion der SPD wird nach den Erfahrungen, die sie mit diesem Schritt und die sie in der Haushaltsberatung machen wird, die nächsten Schritte tun, die das Grundgesetz möglich macht; ich nenne z. B. das konstruktive Mißtrauensvotum.
    Als eine Art Vorwurf wird uns entgegengehalten, wir wollten auf diese Weise angeblich zur Auflösung des Bundestages und zur Neuwahl gelangen. Aber, meine Damen und Herren, das liegt doch in Ihrer Hand! Das Grundgesetz hat dafür ganz klare Vorschriften. Und wir halten uns an das Grundgesetz. Wir haben nicht verhehlt, daß wir es für die anständigste und für die sauberste Art der Überwindung dieser Krise halten, den Bundestag neu zu wählen. Das ist unsere Meinung.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie aber Neuwahlen nicht wollen, so liegt es bei Ihnen, meine Damen und Herren, eine regierungsbildende und regierungsfähige Mehrheit zu schaffen. Das haben Sie bis jetzt nicht erreicht.
    Wieso wird von unserem Begehren nach Neuwahl, von unserer Ansicht, daß Neuwahl des Bundestages die sauberste, die anständigste Art sei, diese Krise zu überwinden, wieso wird davon im Tone des Vorwurfs gesprochen? Das Vorrecht der Demokratie ist es doch — im Gegensatz zu totalitären und autoritären Staaten oder Gebilden —, frei wählen zu können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bislang, meine Damen und Herren, die Sie die Minderheitsregierung stützen, haben Sie einander selbst und haben Sie öffentlich versichert, Sie suchten nach einer Mehrheit, um die Minderheitsregierung zu verstärken. Sie haben zu verstehen gegeben, daß Sie in Ihren Partei- und Fraktionsgremien eine Art Plan hätten, um die Krise zu überwinden. Dabei haben Sie sich darauf berufen, Ihnen sei von den Wählern der Auftrag für vier Jahre erteilt worden. Meine Damen und Herren, die Sie die Minderheitsregierung stützen: mir und meinen politischen Freunden von der SPD-Fraktion erscheint es allerdings so, daß Sie den Kredit, den Ihnen die Wähler für vier Jahre gegeben haben, in einem Jahr verwirtschaftet haben; das ist ein politischer Tatbestand.

    (Lebhafter Beifall bei ,der SPD.)

    Statt nun denjenigen, der Konkurs gemacht hat, auch noch selbst als Konkursverwalter fungieren zu lassen, wie wir es gegenwärtig erleben, sollten Sie dazu beitragen, die saubere Lösung zu ermöglichen, meine Damen und Herren! Uns stimmt der Anblick, den Sie bieten, nicht schadenfroh, zu keiner Minute, in dieser lang schwelenden und nun so offen eiternden Krise. Ein Bundeskanzler, der sieben Wochen lang vergeblich einen Staatssekretär für das Bundeskanzleramt sucht und nur Absagen einhandelt, bietet einen mitleiderregenden Anblick.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie aber keinesfalls wollen, daß der Deutsche Bundestag neu gewählt wird, daß die Wähler also selbst klare Mehrheitsverhältnisse schaffen und dadurch die Bildung einer arbeitsfähigen Bundesregierung ermöglichen, so raffen Sie sich doch auf, aus dem Hause, so wie es nun ist, eine handlungsfähige Bundesregierung zu bilden. Das können Sie aber nicht mit Geschäftsordnungsdebatten, und das können Sie auch nicht mit Obstruktion.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Sie müssen begreifen, daß Sie dann, wenn Sie in eine Minderheitssituation geraten sind, wie es jetzt Ihre Lage ist, weder mit Geschäftsordnungskniffen noch mit Androhung von Obstruktion der Lage Herr werden können. Sie haben sich dieser Lage anzupassen, anständig, wie alle anderen demokratischen Fraktionen das auch immer getan haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Beenden Sie bitte das Spiel mit der Kulissenschieberei! Hören Sie-auf, in Interviews aufeinander einzureden und aufeinander einzuschießen! Nehmen Sie Stellung zu den unhaltbar gewordenen Situationen der Regierung!
    In Wahrheit geht es doch, meine Damen und Herren, um die Liquidation einer gescheiterten Politik. Das ist schmerzlich für die, die in diese Politik große Hoffnungen gesetzt hatten. Es ist ein Unterschied, ob man in einer Lage ist, in der einem alle atlantischen Winde in die Segel zu blasen und die Segel zu blähen scheinen, oder ob, wie es heute uns allen geht, wohin sich die Bundespolitik auch wendet, ihr der Wind ins Gesicht bläst. Aber es hängt von Ihnen ab, ob man mit dieser gewechselten Lage fertig wird, anständig fertig wird, oder ob man glaubt, man könne bocken und blocken. Das wird Ihnen und das wird unserem Volk nicht helfen, meine Damen und Herren.
    Wollten Sie eine Regierung zusammenbasteln, die nur weiterwursteln soll, wie Sie es in diesen letzten Wochen getan haben, so wäre die nächste Krise schon in Sicht. Sie provozieren die permanente Krise, meine Damen und Herren, und Sie helfen sich — aber ich habe Ihnen da keinen Rat zu geben — als Partei damit auch nicht. Das ist aber Ihre Sache. Bedenken Sie doch bitte, daß unsere Bundesrepublik Deutschland nicht auf einer Insel liegt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist bekannt!)




    Wehner
    — Das nehme ich an. Nur, Ihr Verhalten entspricht nicht der Tatsache, daß das bekannt ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zur Zeit, nach der Landtagswahl vom letzten Sonntag, weisen manche Ratgeber im In- oder Ausland darauf hin, in anderen Staaten habe es auch schon gegeben und gebe es auch manchmal Regierungskrisen, deshalb werde man nicht nervös.

    (Zuruf rechts: Dänemark!)

    Sie rufen „Dänemark". Dort hat man auf saubere Weise, als klar war, daß man zwei Jahre mit ungeordneten Finanzen müßte dahinzukommen versuchen, das Folketing aufgelöst und stellt sich zur Neuwahl. Suchen Sie bitte Beispiele nicht außerhalb! Sie könnten damit nur eine schlechtere Figur machen. Worauf ich hier hinweisen will, ist, daß es manche Ratgeber des In- und des Auslandes gibt, die nun sagen: Anderswo gibt es dies auch, man muß deshalb nicht nervös werden. Aber ich bitte Sie sehr: Suchen Sie nicht falschen Trost in solchen Bemerkungen! Wir müssen im gespalteten Deutschland uns in der Demokratie bewähren. Jetzt wird es nämlich ernst. Bisher war das nur feierlich in diesen Fragen.
    Wie wollen Sie es denn miteinander vereinbaren und begründen, einerseits unseren Staat mit Ihrer Krise anzustecken und zu beladen, weil Sie selbst mit Ihrem Problem Bundeskanzler Erhard in Fraktion und Partei nicht fertig werden, und andererseits dem vom Volk gewählten Bundestag die Möglichkeit vorzuenthalten, seine Pflicht gegenüber dem ganzen Volk zu erfüllen, indem er auf parlamentarische Art kundtut, was zu geschehen hat, damit unser Staat nicht Schaden nimmt, weiteren Schaden nimmt? Das ist eine von Ihnen, ich gebe zu, wahrscheinlich aus einer verzweifelten Situation heraus gesuchte Notausgangstür: Ihre Parteikrise oder Fraktionskrise auf den Staat zu übertragen. Wie wollen Sie es dann rechtfertigen, einem der entscheidenden Verfassungsorgane dieses Staates, dem Deutschen Bundestag, die Möglichkeit vorzuenthalten, Stellung zu nehmen zu der Krise, die Sie auf unseren Staat übertragen?!
    Sie, meine Dame und meine Herren, die Sie Mitglieder dieses Minderheitskabinetts sind, können sich doch nicht nur als Mitglieder der Union verhalten. Sie dienen doch unserem Staat, Sie sind doch in der Pflicht unseres Staates. Wie wollen Sie es denn rechtfertigen, daß der Staat in den Augen seiner ärgsten Feinde als Spottgeburt erscheint, seiner ärgsten Feinde, deren eine Seite extrem links, über einen Teil Deutschlands herrscht und deren andere Seite, extrem rechts, sich rührt, weil das nun für sie eine günstige Situation zu sein scheint?! Wie wollen Sie, meine Damen und Herren, die Sie die Minderheitsregierung stützen, die Seelenqualen derer verantworten, denen es versagt war und versagt ist, an unserer demokratischen Ordnung mitzuwirken, und die doch ihre Erwartung auf uns, auf die Bundesrepublik Deutschland setzen und die dem ausgesetzt sind, was dort aus dieser Krise gemacht wird?!
    Herr Dr. Krone, Sie haben miterlebt und miterlitten, was unserer ersten Republik geschehen ist.
    Herr Dr. Gradl, Sie wissen, was die Menschen drüben fühlen und erwarten.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Herr Dr. Heck, Sie wissen sich doch mitverantwortlich und verantwortlich dafür, daß wir als Bundesrepublik Deutschland in der Erfüllung unserer Aufgabe zu bestehen haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Scheinheilig!) Herr Lücke, Sie wissen es,


    (Unruhe bei der CDU/CSU)

    daß Deutschland eine Pflicht für uns alle ist.
    Herr Dr. Jaeger, das Recht ist nicht nur dazu da, Bestehendes zu retten, sondern auch dazu, Notwendiges und Werdendes dagegen zu schützen, erstickt zu werden durch Verfaulendes.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Schmücker, Sie laden nicht Makel auf sich, wenn Sie einem politischen Freund in einer solchen Situation helfen, zu verstehen, was jetzt not tut.
    Aber Sie alle, meine Dame und meine Herren, die Sie dem Minderheitskabinett angehören, wissen doch, daß wir hier Politik, d. h. Ordnung der allgemeinen Angelegenheiten, für unser ganzes deutsches Volk zu machen verpflichtet sind. Wir wären ungetreue Volksvertreter, wenn wir die Pflicht versäumten oder zerredeten, hier heute unser Wort zur Krise zu sagen, nämlich auf parlamentarische Art zu sagen, d. h. durch Abstimmung erkennbar zu machen, was wir für erforderlich halten.
    Herr Dr. Barzel, Sie haben als Vorsitzender der Fraktion der CDU/CSU die Last Ihrer politischen Krise auf unseren Staat gewälzt. Sie dürfen dies nicht noch dadurch verschlimmern, daß Sie es dem Deutschen Bundestag unmöglich machen, zu tun, was seines Amtes ist. Obstruktion ist es nicht, die zur Überwindung der Krise führen kann.
    Wir Sozialdemokraten sehen die Lage der gegenwärtigen Bundesregierung Erhard so: sie stützt sich dem Scheine nach auf die Bundestagsfraktion der CDU/CSU; doch diese Regierungspartei ist im Bundestag nicht nur in der Minderheit, sondern sie ist auch in sich selbst so aufgespalten, daß die Regierung Erhard weder in der Außen-, der Deutschland-und der Sicherheitspolitik noch in der Wirtschafts-, der Finanz- und der Haushaltspolitik ihre eigene Partei geschlossen hinter sich hat. — Das ist ein Tatbestand.
    Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland steht vor folgenden Aufgaben:
    1. Die Bundesregierung muß um unserer äußeren Stabilität und Sicherheit willen das Verhältnis zu Washington und Paris wieder in Ordnung bringen.
    2. Um der Stabilität des Bündnisses willen und als Beitrag zur Entspannung muß sie den Ehrgeiz auf atomaren Mitbesitz aufgeben.



    Wehner
    3. Sie muß aktiv für die Normalisierung unseres Verhältnisses zu den östlichen Nachbarvölkern und für die Versöhnung mit ihnen eintreten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir alles schon gelesen!)

    4. Sie muß Klarheit schaffen über unseren eigenen Handlungsspielraum gegenüber den Ostberliner Machthabern. Sie muß diesen Handlungsspielraum ausfüllen.
    5. Die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ist durch die politischen Versäumnisse der bisherigen Regierung in die Gefahr der Stagnation und des Rückschlags geraten. Durch sofort einzuleitende Maßnahmen muß der deutschen Wirtschaft die Möglichkeit geschaffen werden, in einen neuen Aufschwung einzutreten, damit in Zukunft Stabilität und Wachstum gleichermaßen gesichert sind.
    6. Die Ordnung der Staatsfinanzen ist hierzu unabdingbare Voraussetzung. Die neue Bundesregierung muß die Haushaltskatastrophe für 1967 abwenden. Sie darf dabei die bisherige Augenauswischerei nicht fortsetzen, die für das Jahr 1968 das Defizit noch verdoppeln würde und für die folgenden Jahre ebenso.
    7. Bund, Länder und Gemeinden sind die gleichermaßen notwendigen, tragenden Säulen unseres Staates. Die finanzielle Neuordnung muß allen dreien gleichberechtigt die Voraussetzung für die Lösung ihrer jeweiligen Aufgaben verschaffen. Die Bundesregierung muß für eine allgemeine Rangordnung sorgen, die sich an den wirtschafts- und sozialpolitischen Notwendigkeiten orientiert.
    8. Wirtschaftliches Wachstum, finanzielle Ordnung und soziale Stabilität sind die innenpolitischen Grundlagen für den Fortschritt unserer Gesellschaft und für eine kontinuierliche Politik nach innen und nach außen.
    Diese Aufgaben, meine Damen und Herren, kann nur eine Bundesregierung lösen, die im Deutschen Bundestag eine Mehrheit hat.
    Ich will heute nicht Einzelheiten anleuchten, die den desolaten Zustand der Regierung und damit unseres ganzen Staats- und Verwaltungsapparats deutlich machen. Aber ich möchte Sie daran erinnern: Am Anfang dieses Monats konnten Sie hören, daß in einer Wahlversammlung der noch amtierende Bundesminister der Verteidigung an dem einen Tag über Pläne, Absichten und feste Vereinbarungen für nächste Jahre mit Stichtagen berichtete und daß er am nächsten Tag vom Inspekteur der Luftwaffe dementiert, hart dementiert wurde. Wir haben seither von dem Minister nichts wieder darüber gehört. Das ist der Zustand unserer Regierung. Den Sachverhalt selbst zu gegebener Zeit hier zur Erörterung zu bringen, mag denen überlassen bleiben, die es angeht.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.)

    Wir wollen heute hier auch nicht Details zur Debatte stellen hinsichtlich der außenpolitischen Äußerungen — sie sind sehr merkwürdig —, die der Herr Bundeskanzler etwa als Gastredner auf der Landesversammlung der CSU oder in seinem Deutschlandfunk-Interview zu Fragen der auswärtigen Politik erster Ordnung, zu Erklärungen des amerikanischen Präsidenten, den er kurz vorher doch erst besucht und konsultiert hatte, gemacht hat. Das wird alles noch zur rechten Zeit und am rechten Ort geschehen. Heute kommt es uns hier auf die entscheidenden Akzente an. Stabilität und Wachstum innen und Handlungsfähigkeit außen sind von dem Rumpfkabinett nicht zu gewährleisten.
    Ich komme hier für einen Moment noch einmal auf die Tatsache zu sprechen, daß wir die Bundesrepublik Deutschland im gespaltenen Deutschland sind, über dessen anderen Teil in diesem Hause jetzt keine weiteren Erläuterungen gebraucht werden. Was unsere innere Lage, was die innere Lage des gespaltenen Deutschlands betrifft, meine Damen und Herren, so leidet die Bundesrepublik unter drei Belastungen, die sich zusehends bemerkbar machen werden: erstens unter der finanziellen Lage, der Wirrnis in bezug auf das Verhältnis zwischen Gemeinden, Ländern und Bund und allem, was daraus folgt, zweitens unter der wirtschaftlichen Stagnation und den partiellen Krisen, die angekündigt werden oder sich ankündigen, und drittens unter dem offenbar begonnenen Prozeß der Auflösung gewohnter politischer Strukturen in der Bundesrepublik, den wir — ohne Schadenfreude — mit großer Sorge betrachten.
    Meine Damen und Herren, wer möchte es verantworten, die Bundesrepublik Deutschland auch nur einen Tag ohne handlungsfähige Regierung treiben zu lassen! Wer es verantworten will und kann, der decke weiter Herrn Bundeskanzler Erhard, der beschwere sich aber nicht über schreckliche Folgen!
    Heute haben wir hier alle, die wir vom Volk gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind, Gelegenheit, die Souveränität des vom Volk gewählten Bundestages unter Beweis zu stellen und damit unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung einen Dienst zu erweisen. Diese Gelegenheit wollen wir Ihnen allen und uns allen geben. Sie zu nutzen, dazu rufen wir Sie auf. Dieser Dienst, meine Damen und Herren, wird mehr wert sein als Propaganda und Beschwörungen. Entziehen Sie sich diesem Dienst und dieser Pflicht nicht, meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag muß durch sein Votum aussprechen, was ist.
    Ich danke Ihnen für die Geduld.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hat beschlossen, sich in dieser Debatte durch eine Erklärung ihres Vorsitzenden zu äußern. Im Hinblick auf die Rede des Kollegen Wehner möchte ich mich jedoch — zunächst — zu vier Punkten in gleicher Weise äußern, wie er es versucht hat, und dann zu der Erklärung übergehen.



    Dr. Barzel
    Erstens. Herr Kollege Wehner, Sie sagten: Jetzt wird es ernst, bisher war es nur feierlich. Wenn dies Ihre Meinung ist, dann sollte man nicht zugleich von Staatskrise sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was hier vor sich geht, sehr ernsthaft vor sich geht, mit hartem Ringen vor sich geht, ist ein Ringen um eine neue Mehrheit. Dies allein ist der Punkt, um den es geht.
    Zweitens. Herr Kollege Wehner, Sie haben einige meiner Kollegen und auch mich an unsere besondere Verantwortung erinnert. Dies ist Ihr gutes Recht. Aber ich glaube, dessen bedurfte es nicht; denn wir, meine Damen und Herren, kennen unsere Verantwortung, wir spüren sie, wir tragen sie, wir werden ihr entsprechen. Das beste dazu wäre, diese Debatte bald zu beenden, die Sacharbeit aufzunehmen und mit seriösen Verhandlungen über die Bildung einer neuen Mehrheit zu beginnen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Drittens. Herr Kollege Wehner, die Punkte, die Sie hier — in die Zukunft projiziert — vorgetragen haben, waren, wenn ich sie recht im Ohr habe, ungefähr mit dem identisch, was wir am 2. November haben lesen können. Das ist kein Einwand, sondern wenn das von dieser Stelle gesagt ist, unterstreicht es die Bedeutung einer Sache, die wir bisher nur auf einem Umdruck kannten. Ich will jetzt darauf verzichten — weil dies nicht Gegenstand der Beratungen mit meinen Freunden war —, etwa aus dem Handgelenk auf so ernste Fragen, wie Sie sie hier nannten, zu antworten. Das geht nicht so nebenher, da ist manches zu klären, da ist manches zu fragen, wie es wohl gemeint sei. Das ist wohl nicht Gegenstand dieser heutigen Debatte.
    Der vierte Punkt. Herr Kollege Wehner, Sie haben an einer Stelle Ihrer Rede die Anwendung von Geschäftsordnungsmöglichkeiten kritisch beurteilt. Geschäftsordnung ist eine Spielregel, und sie ist eine legitime Spielregel. Es gehört dazu die Übereinkunft, daß es legitim ist, sie anzuwenden. Das tut bald jener und bald dieser, und das paßt bald diesem und bald jenem nicht. Insgesamt ist es aber eine Spielregel, die uns allen, wie ich glaube, gut bekommt.
    Nun, meine Damen und Herren, zu dem, was ich im Namen meiner Fraktion hier zu erklären habe.
    Erstens. Die Verantwortlichen für das Zustandekommen dieser Debatte haben, wie wir meinen, der gemeinsamen Sache, die uns hier alle verbindet, keinen guten Dienst erwiesen. Diese Debatte erleichtert auch nicht die Lösung der objektiven Fragen, vor denen wir alle stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir tragen alle alle, dies ganze Haus — Verantwortung, Regierung wie Opposition. Die Haushaltsrede des Herrn Bundesministers der Finanzen, die wir noch heute hören werden, und die anschließende parlamentarische Debatte werden doch uns allen die objektiven Fragen aus einem wichtigen Bereich, den auch Herr Kollege Wehner angeschnitten hat, deutlich machen. Über diese Fragen ist die Koalition zerbrochen.
    Was immer werden mag: wir alle sind verantwortlich, verantwortlich auch für die Staatsfinanzen und mit diesen für den Geldwert. Es ist doch, meine Damen und Herren, nicht etwa gewollt oder gar herbeigeführt, wenn plötzlich die Steuereingänge niedriger angesetzt werden müssen; wenn nach wissenschaftlicher sorgsamer Berechnung die Bundeseinnahmen weniger hoch als erwartet sein werden; wenn der hier im Hause von allen Fraktionen gemeinsam erklärte Wille, im Interesse unserer Sicherheit und unserer Geltung zu unseren internationalen Verpflichtungen zu stehen, auch haushaltspolitische Konsequenzen hat.
    Aus seiner Amtspflicht und seiner Sorge um unser gutes deutsches Geld hat zuerst der Herr Bundeskanzler die Frage aufgeworfen, ob der Haushaltsausgleich — bei aller Bereitschaft zum Sparen und Streichen — schließlich und notfalls ohne Steuererhöhungen erreicht werden könne, dies vor allem dann, wenn der Kapitalmarkt vordringlich der Stärkung unserer produktiven Wirtschaftskraft zur Verfügung stehen soll. Dies ist die Sachfrage. An dieser ist die Koalition zerbrochen. Der Betrag, um den es geht, so wird gesagt, betrifft weniger als 1/2 % unseres Sozialproduktes. Ob bei dem bisherigen Koalitionspartner andere Gesichtspunkte und Motive eine Rolle gespielt haben, wird sich zeigen, vielleicht auch in dieser Debatte.
    Zweitens. Die Fraktion der CDU/CSU hält den Antrag der SPD für unzulässig. Es geht um eine Verfassungsfrage von höchstem Rang, um die Stellung des Verfassungsorgans Bundeskanzler. Es geht darum, daß einem Bundeskanzler nach dem Grundgesetz das Mißtrauen nur durch die Wahl eines neuen Bundeskanzlers ausgesprochen werden kann. Die Aufforderung zur Vertrauensfrage dreht die Sache um. Ein Recht, das das Grundgesetz dem Kanzler in die Hand gibt, um sich gegen eine etwaige negative Mehrheit zu behaupten, wird nun gegen ihn umgedreht. Dieses Haus kann durch den Art. 67 des Grundgesetzes, also durch konstruktives Mißtrauensvotum, durch die Wahl eines anderen Kanzlers, seinem Willen gegen eine Bundesregierung und deren Kanzler wirksam Ausdruck geben und Veränderungen verbindlich bewirken. Dies ist das Recht des Parlaments.
    Ein anderes ist das Recht des Kanzlers, niedergelegt im Art. 68 des Grundgesetzes. Dieses Recht, mit allen Konsequenzen für das Parlament, die Vertrauensfrage zu stellen, ist allein Recht des Bundeskanzlers. Allein er hat durch das Grundgesetz selbst hierfür die Initiative, und wir meinen, es ist unzulässig, einen Versuch zu unternehmen, auf den Gebrauch dieses Rechtes durch ein anderes Verfassungsorgan einzuwirken.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dies ist eine Verkennung und falsche Anwendung unseres Grundgesetzes, wie wir meinen, und das an einem Punkt, wo, wie offenkundig, das Grundgesetz gerade insoweit in seiner rechtlichen und politischen Systematik wohlausgewogen ist. Ich sage nichts



    Dr. Barzel
    Neues, wenn ich hinzufüge, daß rechtlich auch der etwa von der Mehrheit des Hauses angenommene Antrag der SPD unverbindlich wäre.
    Meine Damen und Herren, wir legen hierzu noch Wert auf folgendes: Auch Demokratie braucht Autorität.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    — Das Haus ist sich einig; hoffentlich sind wir uns auch noch bei dem nächsten Satz meiner Erklärung einig. —

    (Heiterkeit.)

    Ihr wird geschadet mit jedem Versuch, in ein unzweifelhaftes Ermessen eines Verfassungsorgans
    durch ein anderes Verfassungsorgan einzuwirken.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Vertrauensfrage nach Art. 68 des Grundgesetzes ist nach unserer Meinung eine Ermessensentscheidung allein des Bundeskanzlers als Verfassungsorgan. Die initiative zum Tätigwerden nach Art. 68 ist allein dem Kanzler durch das Grundgesetz selbst gegeben. Wir behalten uns vor, zu dieser Rechtsfrage noch im einzelnen Stellung zu nehmen.
    Drittens. Der Antrag der Opposition geht an der wirklichen Lage vorbei. Eine Koalition ist zerbrochen. Die Bundesregierung amtiert — nach ihrem eigenen Willen für eine sehr kurze Zeit — als Minderheitenregierung. Das Ringen um eine neue parlamentarische Mehrheit ist im Gange. Dem Hause und der Öffentlichkeit ist bekannt, daß wir uns zusammen mit dem Kanzler darum bemühen, eine von einer parlamentarischen Mehrheit getragene Bundesregierung zu schaffen. Dem Hause und der Öffentlichkeit ist bekannt, daß der Bundeskanzler erklärt hat, an seiner Person werde dies Mühen um eine von einer parlamentarischen Mehrheit getragene Bundesregierung nicht scheitern. Dem Hause und der Offentlichkeit ist bekannt, daß die CDU und die CSU heute und morgen die Lage in ihren zuständigen Parteigremien erörtern wollen; daß das Präsidium der CDU gestern dem Vorschlag von Bundeskanzler Professor Dr. Erhard zugestimmt hat, „im Einvernehmen mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Verhandlungen mit der FDP und der SPD aufzunehmen, um die Voraussetzungen für die Bildung einer parlamentarischen Mehrheit zu klären". Im Hinblick hierauf ist der Antrag der Opposition weder sachgerecht noch förderlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dieses Haus ist auf vier Jahre gewählt. Es hat zu zeigen, daß es alle anstehenden Fragen mit den Methoden dieses Parlaments in dieser Zeit zu lösen vermag.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein viertes! Wir legen Wert darauf, dies auch heute zu sagen. Wir nehmen für niemanden den ganzen wirtschaftlichen Aufstieg in Anspruch, der für die Bundesrepublik Deutschland mit der Währungsreform begann. Das ganze deutsche Volk, in allen seinen Schichten, hat dies geschafft. Wir wissen, wie sich das deutsche Volk aus dem Elend wieder emporgearbeitet hat. Aber darüber sollten wir endlich, gerade wenn wir in die Zukunft gukken, aufhören zu streiten: daß die wirtschaftspolitischen Voraussetzungen für den Erfolg durch Ludwig Erhard, zunächst in Frankfurt und dann in Bonn, geschaffen wurden.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir legen Wert darauf, diese Achtung und diesen Respekt zu bekunden. Es ist nötig, heute daran zu erinnern, in einer Zeit, in der viele die Tatsachen des Weges zum Wiederaufbau und seine Bedingungen aus ihrem Gedächtnis löschen möchten und manche Jüngeren nicht wissen, wie es eigentlich war.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir Deutschen sind heute — aus Krieg, Vertreibung und Trümmern — in der Produktion der Welt die dritte, im Handel die zweite und im Sozialen die erste Nation der Welt. Wir sind ein modernes Land. Es wird an den Entscheidungen dieses ganzen Hauses liegen, auch an der rechtzeitigen finanzpolitischen Entscheidung dieses ganzen Hauses, ob dies so bleibt und das Fundament für morgen gesund bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Fünftens und letztens. Die Koalition, die Ludwig Erhard führte und wollte, ist zerbrochen. Wer mit Recht von einer sich wandelnden Welt spricht, in der wir Deutsche vieles neu zu überdenken haben, der kann und darf nicht so tun, als trüge irgendeiner von uns allein die Verantwortung. Die Bedingungen der deutschen Politik sind objektiv schwerer geworden. Die CDU/CSU hat die Konsequenz gezogen, daß nun mit allen demokratischen Parteien offen und vorurteilslos über den weiteren Weg der Bundesrepublik Deutschland gesprochen werden soll. Niemand kann von uns erwarten, daß wir hierbei Ludwig Erhard irgendwie ins Unrecht setzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sollte dies etwa ein Neubeginn sein — und ich sage dies nicht gegen die Rede des Kollegen Wehner, sondern gegen so manche Stimme draußen und vorsorglich für andere, die hier noch sprechen könnten —, daß wir zunächst einmal die Gegensätze aufreißen und uns auch im menschlichen Bereich auseinanderreden? Der Herr Bundeskanzler hat sich der heutigen Aussprache stellen wollen. Auch dies ist eine Haltung, die Anerkennung verdient. Auch deswegen stehen wir von der CDU/CSU für ihn ein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, Ludwig Erhard will nun ohne Rücksicht auf sich mit uns eine Mehrheit für eine Regierung suchen und finden. Er wie wir wissen: es geht um keinen von uns, sondern es geht — lassen Sie mich dies sagen, weil hier auf den letzten Wahlkampf angesprochen worden ist und dies unsere Parole war; nur so ist es gemeint — um Deutschland. Unser Deutschland braucht eine stabile, den ernsten Fragen der Zeit gewachsene Bundesregierung mit einer parlamentarischen Mehr-



    Dr. Barzel
    heit. Das ganze Haus, wir alle miteinander sind vor eine demokratische Bewährung gestellt.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)