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ID0506421700

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    Deutscher Bundestag 64. Sitzung Bonn, den 12. Oktober 1966 Inhalt: Fragestunde (Drucksachen V/970, V/980) Fragen des Abg. Geiger: Einheiten im Meßwesen — Kurzformen für Meßeinheiten — Notwendigkeit kostspieliger Um- und Neukonstruktionen 3061 C Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Neuregelung der Vorschriften über die Berichtigung und Änderung von Steuerbescheiden Grund, Staatssekretär . . . . . . 3061 D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 3062 A Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Einordnung der Zuwendungen zur Altershilfe für Landwirte usw. Grund, Staatssekretär . . . . . . 3062 B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 3062 C Fragen des Abg. Börner: Erhöhung der Kfz- und Mineralölsteuer — Folgen einer Kürzung des Straßenbauhaushalts 1967 Grund, Staatssekretär . . . . . . 3063 A Börner (SPD) . . . . . . . . . 3063 C Fellermaier (SPD) . . . . . . . 3064 B Matthöfer (SPD) . . . . . . . . 3064 C Leber (SPD) . . . . . . . . . 3064 D D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 3064 A, 3065 A Picard (CDU/CSU) . . . . . . . 3065 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 3065 B Seifriz (SPD) . . . . . . . . . 3065 C Fragen des Abg. Matthöfer: Kürzung der Kilometer-Pauschale Grund, Staatssekretär 3065 D Matthöfer (SPD) 3066 B Frage des Abg. Kubitza: Förderung der Bildungsbemühungen von Fernschülern Kattenstroth, Staatssekretär . . . 3066 D Kubitza (FDP) . . . . . . . . 3067 A Dr. Müller (München) (SPD) . . . 3067 C Fragen des Abg. Weigl: Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflichtgrenze 3067 C Frage des Abg. Prochazka: Ratifizierung des Dritten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens Kattenstroth, Staatssekretär . . . 3067 D Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Deutsches Kulturinstitut in Kyoto Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3068 B Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Errichtung eines deutschen Kulturzentrums in Osaka/Kobe Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3068 B Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 3068 C Frage des Abg. Ertl: Italienische Angriffe gegen angebliche Unterstützung der Anschläge in Südtirol aus der Bundesrepublik Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3068 D Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 3068 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Oktober 1966 Frage des Abg. Ertl: Wahrheitsgehalt der Dokumentation der Republikanischen Partei Italiens Dr. Schröder, Bundesminister . . 3069 A Ertl (FDP) 3069 B Frage des Abg. Ertl: Schritte der Bundesregierung zur Abwehr der italienischen Angriffe Dr. Schröder, Bundesminister . . 3069 C Prochazka (CDU/CSU) 3069 D Genscher (FDP) 3069 D Ertl (FDP) 3070 A Frage des Abg. Dr. Rutschke: Deutscher Finanzbeitrag zum Neubau der „Metropolitan Opera" in New York Dr. Schröder, Bundesminister . . . 3070 B Dr. Rutschke (FDP) 3070 B Fragen des Abg. Richter: Haushaltsmittel 1965 für nicht einkalkulierte Mängel und Fehler an Schiffen, Booten und sonstigem Marinegerät Gumbel, Staatssekretär . . . . . 3070 D Frage des Abg. Dr. Müller (München) : Förderung des Leistungssports durch die Bundeswehr Gumbel, Staatssekretär . . . . . 3071 B Dr. Müller (München) (SPD) . . . 3071 C Frage des Abg. Dr. Müller (München) : Leistungszentrum für bei der Bundeswehr dienende Hochleistungssportler Gumbel, Staatssekretär . . . . . 3071 D Dr. Müller (München) (SPD) . . . 3072 A Fragen des Abg. Schwabe: Technische Konsequenzen aus dem Triebwagenunglück im September 1966 bei Bensheim an der Bergstraße Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3072 B Fragen des Abg. Folger: Einführung von Schaffnerwagen an Stelle der Bahnsteigsperren im Nahverkehr der DB Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 3072 D Folger (SPD) 3073 A Frage des Abg. Schonhofen: Projektbearbeitung für die Autobahnquerverbindung Nordhessen–Bremen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3073 B Frage des Abg. Schonhofen: Erstellung des Teilstückes LahdeNeesen der B 482 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3073 B Frage des Abg. Schonhofen: Bau einer Brücke über die Weser am südlichen Stadtrand von Minden Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3073 D Frage des Abg. Unertl: Trassenführung der Autobahn Regensburg–Passau Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3074 A Frage des Abg. Dr. Kempfler: Auswirkung des K-Zuschlages im Stückgutverkehr auf die Zonenrand- und Ausbaugebiete Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 3074 A Dr. Kempfler (CDU/CSU) 3074 C Genscher (FDP) zur GO 3074 C Aktuelle Stunde Südtirol-Problem Borm (FDP) 3074 D D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 3075 C Ertl (FDP) 3075 D Unertl (CDU/CSU) 3076 C Prinz von Bayern (CDU/CSU) . . 3076 D Dr. h. c. Jaksch (SPD) . . . . . 3077 C Zoglmann (FDP) 3078 A Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . 3079 A Dr. Schröder, Bundesminister . . 3079 D Dr. Schulz (Berlin) (SPD) . . . . 3080 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 3081 D Große Anfrage betr. Förderung der Forschung zur wirtschaftlichen Nutzung von Kernenergie und der Weltraumforschung (CDU/CSU, FDP) (Drucksache V/788) Dr. Schober (CDU/CSU) . . . . . 3082 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 3087 C Dr. Lohmar (SPD) . . . . . . . 3095 B Moersch (FDP) . . . . . . . . 3099 B Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke (CDU/CSU) 3101 B Flämig (SPD) 3107 A Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . 3112 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 3114 A Raffert (SPD) . . . . . . . . 3115 D Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . . 3118 C Entwurf eines Tierschutzgesetzes (Abg. Dr Schmidt [Wuppertal], Bading, Mertes, Rollmann u. Gen.) (Drucksache V/934) — Erste Beratung — Rollmann (CDU/CSU) 3121 C Büttner (SPD) . . . . . . . . 3123 C Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . 3124 C Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . 3125 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3127 C Anlagen 3129 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Oktober 1966 3061 64. Sitzung Bonn, den 12. Oktober 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 14.32 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach *) 13. 10. Dr. Adenauer 12. 10. Dr. Aigner *) 13. 10. Frau Albertz 12. 10. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 14. 10. Bading *) 14. 10. Bauer (Wasserburg) 14. 10. Bäuerle 31. 10. Berlin 20. 10. Beuster 14. 10. Dr. Birrenbach 19. 10. Blachstein 20. 10. Blumenfeld 14. 10. Buchstaller 14. 10. Burgemeister 31. 10. Dröscher *) 12. 10. Eisenmann 31. 10. Erler 31. 10. Faller *) 12. 10. Hahn (Bielefeld) *) 14. 10. Illerhaus 12. 10. Dr. Jungmann 21. 10. Klinker *) 14. 10. Könen (Düsseldorf) 22. 10. Köppler 21. 10. Kriedemann *) 12. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 20.10. Lamperspach 14. 10. Lenz (Trossingen) 31. 10. Lücker (München) *) 14. 10. Mauk *) 13. 10. Michels 14. 10. Missbach 14. 10. Dr. Mühlhan 14. 10. Müller (Aachen-Land) *) 14. 10. Frau Pitz-Savelsberg 31. 10. Porzner 14. 10. Frau Renger 14. 10. Richarts 14. 10. Dr. Schmid (Frankfurt) 14. 10. Dr. Staratzke 14. 10. Frau Strobel*) 12. 10. Strohmayr 31. 10. Teriete 20. 10. Dr. Verbeek 31. 10. Weimer 31. 10. Wurbs 14. 10. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Umdruck 101 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Förderung der Forschung zur wirtschaftlichen Nutzung von Kernenergie und Weltraumforschung - Drucksache V/788 - Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, 1. innerhalb des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung in sachlicher und organisatorischer Hinsicht dafür Sorge zu tragen, daß die staatliche Wissenschaftspolitik mit der technologischen Entwicklung abgestimmt und koordiniert wird; 2. auf eine engere Zusammenarbeit zwischen industrieller Gemeinschaftsforschung, wissenschaftlichen Forschungsarbeiten an Hochschulen und Instituten und staatlicher Forschungsförderung zu drängen; 3. die Forschungsplanung zu einem Arbeitsprogramm zusammenzufassen, die diese verschiedenen Bereiche der Forschung aufeinander abstimmt; 4. dafür Sorge zu tragen, ,daß eine einseitige Beratung der Bundesregierung in den Fragen der Weltraumforschung und der AtomkernenergieEntwicklung vermieden wird: 5. zu prüfen, ob durch ein engeres Zusammenwirken bzw. durch den Zusammenschluß von ELDO und ESRO die Koordination im europäischen Maßstab effektiver gestaltet werden kann; 6. Vorschläge für ein langfristiges Arbeitsprogramm für EURATOM zu machen; 7. zu prüfen, mit welchen Ländern Abkommen über gemeinsame Anstrengungen auf den Gebieten der Ausbildung, der Forschung und der Entwicklung abgeschlossen werden sollten. Bonn, den 12. Oktober 1966 Erler und Fraktion Anlage 3 Umdruck 102 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betr. Förderung der Forschung zur wirtschaftlichen Nutzung von Kernenergie und der Weltraumforschung - Drucksache V/788 - Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß 1. der nationale Anteil an der internationalen Weltraumforschung und Weltraumtechnik verstärkt wird; 2. für die internationale Zusammenarbeit in der Weltraumforschung eine noch wirkungsvollere Koordination der bestehenden deutschen Einrichtung der Wirtschaft und des Staates erreicht wird; 3. die Zusammenarbeit der Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft im gesamten europäischen Bereich erleichtert und verbessert wird; 3130 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Oktober 1966 4. die deutsche bzw. europäische Energiepolitik so gestaltet wird, daß die Energieerzeugung aus Kernkraftwerken neben den herkömmlichen Energieträgern zur Deckung des steigenden Energiebedarfs der Zukunft in angemessenem Umfang beitragen kann; 5. Prospektierung und Erschließung der Uranerzvorkommen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verstärkt und beschleunigt werden. Bonn, den 12. Oktober 1966 Dr. Barzel und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 4 Schriftliche Ausführungen der Abgeordneten Frau Geisendörfer zu Punkt 2 der Tagesordnung. Auf dem Raumfahrtkongreß in Bad Godesberg wurde neulich davon gesprochen, daß man „ein Wort der Ermunterung" vom Bundestag erwarte. Ich hoffe, daß alle Mitarbeiter an den Aufgaben, von denen heute die Rede war, Wissenschaftler und Techniker, dieses Wort der Ermunterung für eine Arbeit, die in der Öffentlichkeit noch nicht immer das nötige Verständnis findet und vielleicht auch noch nicht finden kann, herausgehört haben.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Schober


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Es ist mit Recht. gesagt worden, daß die technische Umwelt der Menschen, die in der Goethe-Zeit lebten, sich von der des Römischen Weltreiches weniger unterschieden habe als von der technischen Umwelt, in der die Menschen zu Beginn dieses Jahrhunderts existierten. Ich glaube, man muß hinzufügen, daß seitdem eine dauernde Beschleunigung des technischen und wissenschaftlichen Fortschrittes zu verzeichnen gewesen ist. Sicherlich ist unsere technische Umwelt heute wieder sehr stark verschieden von der, in der die Menschen zu Anfang unseres Jahrhunderts lebten. Ein amerikanischer Forscher, Brian Kerr, stellte die These auf, daß 50 % aller Forschungen, die seit Bestehen der Menschheit auf wissenschaftlichem Gebiete überhaupt betrieben worden sind, in den letzten 20 Jahren erfolgten. Brian Kerr ist außerdem der Auffassung, daß 50 % aller Berufe für Hochschüler, die heute ihr Examen machen, noch nicht bestanden, als diese Hochschulabsolventen geboren wurden. Er stellt ferner fest, daß 90 % aller Naturwissenschaftler und aller Ingenieure, die jemals gelebt haben, heute leben.
    Worauf ist die große Umwälzung unseres Weltbildes zurückzuführen? Wir glauben, daß es vor allen Dingen drei große Entdeckungen sind, die dafür gesorgt haben, daß sich unsere Welt so gründlich gewandelt hat. Es ist einmal die Entdeckung, Entfesselung und Nutzung der Kernenergie, es ist zweitens die Entwicklung der Weltraumtechnik, und es ist in engem Zusammenhang mit diesen beiden Gebieten die Entwicklung der Elektronik.
    Lassen Sie mich nun zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zunächst etwas zur Kernergie sagen. Uns berührt hier nur der friedliche Aspekt dieses Problems. Die Nutzung der Kernenergie wird unsere zukünftige Welt in entscheidender Weise verändern. Wir denken dabei sehr stark an die Energiepolitik. Aber lassen Sie mich auch daran erinnern, daß es andere Gebiete gibt, auf denen die Kernenergie in den nächsten Jahrzehnten ihre große Bedeutung erweisen wird. Da ist einmal die Verwendung der radioaktiven Isotope in der Medizin; ich nenne hier nur das Stichwort Kobaltkanone. Wir denken aber auch an die Konservierung von Nahrungsmitteln durch radioaktive Bestrahlung, ferner an die Sterilisierung von Lebensmitteln. Auch das Problem der Meerwasserentsalzung wird sich rationell nur lösen lassen, wenn wir die Mittel der Kernenergie einsetzen.
    Aber lassen Sie uns zunächst einmal bei dem sehr wichtigen Aspekt der Energieversorgung der Welt, besonders Europas und unseres Landes, für die kommenden Jahrzehnte bleiben. Alle Sachverständigen sind sich darüber einig, daß wir mit einer Verdoppelung des Bruttoverbrauchs an elektrischer Energie in den nächsten zehn Jahren in Europa werden rechnen müssen. Es gibt auch Vorausschauen, die davon ausgehen, daß sich der Verbrauch der elektrischen Energie in Europa bis zum Jahre 2000 verachtfachen wird. Meine Damen und Herren, das mögen spekulative Zahlen sein. Sicherlich werden wir aber mit einem sehr starken Anstieg des Verbrauchs an elektrischer Energie rechnen müssen. Dieser Anstieg ist auf die Dauer nur durch die Erschließung neuer Quellen möglich.
    Alle Sachverständigen sind der Überzeugung, daß der Kernenergie bei dieser Frage eine entscheidende Bedeutung zukommt. Sicherlich wird es möglich und auch notwendig sein, Kohle, Öl, Erdgas, aber auch die Wasserkraft weiter als wichtige Energieträger zu erhalten. Dieses Hohe Haus hat ja durch das Gesetz zur Sicherung des Steinkohlenabsatzes in der Elektrizitätswirtschaft das Seinige dazu beigetragen, die Situation der Kohle auf dem Gebiet der Elektrizitätsversorgung zu erleichtern. Wir dürfen aber unsere Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß die Kernenergie in der Lage sein wird, uns schon in absehbarer Zeit billigen Strom zur Verfügung zu stellen.
    Man hat daraus in anderen Ländern die Konsequenzen gezogen und Kernenergiekraftwerke in erheblichem Umfang errichtet. Ich nenne folgende Zahlen, die mir heute vorliegen. Bis zum Jahre 1971 werden in den USA Kernkraftwerke mit einer Nettoleistung von etwa 12 400 Megawatt errichtet werden. In Großbritannien werden es etwa 5600 Megawatt sein, in Frankreich etwa 2600 Megawatt, in der Sowjetunion 1533 und in der Bundesrepublik Deutschland etwa 1000 Megawatt. Wir haben also in der Entwicklung der friedlichen Nutzung der Kernenergie noch nicht den internationalen Stand erreicht. Aber wir dürfen mit einer gewissen Ge-



    Dr. Schober
    nugtuung darauf hinweisen, daß wir in den letzten zehn Jahren schon beträchtlich Raum gewonnen haben, daß unsere Anstrengungen nicht ohne Erfolg geblieben sind.
    Als wir im Jahre 1955 dieses Gebiet ganz neu in Angriff nahmen, mußte Deutschland einen Rückstand aufholen, der dadurch entstanden war, daß uns Kriegs- und Nachkriegszeit unserer besten Forscher beraubten, daß wir keine Forschungsstätten hatten. Erst mit dem Jahre 1955 war es uns möglich, die friedliche Nutzung der Kernenergie voranzutreiben.

    (V o r sitz: Vizepräsident Schoettle.)

    Damals wurde das Atomministerium begründet, und es bestand Einmütigkeit darüber, daß der staatlichen Förderung bei diesen Fragen eine sehr wesentliche Bedeutung zukomme. Von der Atomkommission sind Programme erarbeitet worden, das letzte für die Jahre 1963 bis 1967. Die Ergebnisse waren durchaus beachtlich. Bund und Länder haben zusammen in den letzten zehn Jahren 3,4 Milliarden DM für diesen Zweck ausgegeben. Wir halten das für einen guten Erfolg. Die Bundesmittel waren ursprünglich nur sehr gering. Im Jahre 1959 hat der Bundesetat für die Atomforschung zum erstenmal die Grenze von 100 Millionen DM überschritten. Seitdem haben wir eine jährliche Steigerung in diesem Etat von im Mittel etwa 23 %. Das ist auch im internationalen Maßstab eine beachtliche Leistung. Aber es erhebt sich nun die Frage: wie wird es bei uns in den nächsten Jahren weitergehen? Der Atom-Etat des Bundes ist dauernd gestiegen. Geben wir der Hoffnung Ausdruck, daß das auch in den kommenden Jahren der Fall sein wird!
    Die Entwicklung an den Hochschulen in den Ländern ist so gewesen, daß heute nahezu alle Hochschulen Kernforschungsinstitute haben. Außerdem haben wir vier Max-Planck-Institute für diese Zwecke. Grundlagenforschung wird in erheblichem Umfang betrieben. Für all diese Aufgaben hat der Bund wesentliche Mittel zur Verfügung gestellt, nämlich von 1956 bis 1955 rund 400 Millionen DM für die Erweiterung und Erneuerung wissenschaftlicher Einrichtungen und Institute.
    Meine Damen und Herren! Es würde sicherlich zu weit führen, wenn wir hier einen Überblick geben würden über die auch in der Bundesrepublik schon recht mannigfaltige Zahl von Einrichtungen, die der Atomforschung dienen. Aber lassen Sie mich hier doch einmal auf ein Ereignis hinweisen: Die größte Forschungsanlage auf diesem Gebiete in der Bundesrepublik Deutschland, die in Karlsruhe, konnte im Juli dieses Jahres auf ein zehnjähriges Bestehen zurückblicken. Ich glaube, in dieser Stunde, in der wir eine gewisse Zäsur erleben zwischen dem, was aufgeholt werden mußte, und dem, was nun in internationalem Standard weiterentwickelt werden muß, geziemt es sich, einmal einen Dank zu sagen an alle diejenigen, die dazu beigetragen haben, daß die Bundesrepublik Deutschland den Rückstand, den sie in der Atomforschung hatte, einigermaßen aufholen konnte. Ich schließe in diesen Dank ein alle Gelehrten, die Beamten, die Angestellten und
    Arbeiter, die in den Forschungsinstituten und im Ministerium tätig waren. Aber erlauben Sie mir auch, meine Damen und Herren, daß ich die Herren Minister, die mit diesen Fragen beschäftigt waren, in diesen Dank einbeziehe. Ich meine hier die Herren Strauß, Professor Balke, Lenz, und ich darf auch wohl den amtierenden Herrn Bundeswissenschaftsminister Stoltenberg mit der beachtlichen Initiative, die er bisher gezeigt hat, in diesen Dank einschließen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aus der großen Fülle der Institute und Organisationen, die wir auf dem Gebiete der Atomforschung haben, wäre sicherlich manches zu sagen. Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier nur auf zwei Fragen, die auch in unserer Anfrage enthalten sind, einen kurzen Blick werfen.
    Wir haben in Geesthacht eine Reaktorstation, die sich mit der Frage beschäftigt, wie die Kernenergie für Schiffsantriebe genutzt werden kann. Die „Otto Hahn", das erste deutsche Schiff, das mit Kernenergie betrieben wird, ist im Jahre 1964 vom Stapel gelaufen. Ich habe hier die Frage an den Herrn Bundesminister für wissenschaftliche Forschung, wie weit die Arbeiten an der „Otto Hahn" gediehen sind und wann mit der Beladung dieses Schiffes gerechnet werden kann.
    Lassen Sie mich ferner eine Frage stellen, die die im Jahre 1964 gegründete Gesellschaft für Strahlenforschung in München-Neuherberg angeht. Es ist für uns eine sehr wichtige Frage, was mit dem sogenannten Atommüll, was mit den sogenannten radioaktiven Rückständen geschieht, die auch bei uns in Zukunft mehr und mehr anfallen werden. Wir hätten vom Bundesminister für wissenschaftliche Forschung gern eine Antwort auf die Frage, wie man sich dies in der Bundesrepublik in Zukunft vorstellt.
    Kommen wir nun von der Forschung zur Nutzung!
    Die Atomkernenergie ist in den Vereinigten Staaten jetzt schon seit längerer Zeit in das Stadium der Nutzung getreten. Auch bei uns sind dafür schon beachtliche Ansätze sichtbar. Es war die Politik der Bundesregierung, dabei im Grundsatz davon auszugehen, daß hier der Initiative der Wirtschaft ein weiter Raum gegeben werden solle, ohne der Wirtschaft eine staatliche Atombehörde mit dirigistischen Maßnahmen als Autorität vorzusetzen. In der Industrie hat von Anfang an ein lebhaftes Interesse an allen Fragen bestanden, die sich mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie beschäftigten.
    Mehrere Firmen begannen im Jahre 1958 mit der Errichtung des ersten deutschen Atomkraftwerks in Kahl am Main mit einer Leistung von 15 Megawatt. Die Programme, die inzwischen aufgestellt worden sind, vor allen Dingen das Eltville-Programm mit 500 Megawatt, sind immer wieder überprüft und erweitert worden und haben schon zu beachtlichen praktischen Erfolgen geführt.
    In diesem Zusammenhang erhebt sich nun in der Gegenwart eine wichtige Diskussion. Es besteht kein



    Dr. Schober
    Zweifel darüber, daß die Atomkernenergie nur dann eine große Zukunft haben kann, wenn sie uns mit elektrischer Energie genauso billig wie bisher oder billiger beliefern kann, abgesehen davon, daß gegen Ende dieses Jahrhunderts eine große Lücke in der Energieversorgung erwartet werden muß.
    Es ist eine wissenschaftlich begründete Tatsache, daß ,die sogenannten „schnellen Brüter" in der Lage sind, durch das sogenannte Erbrüten von Spaltstoffen aus nichtspaltbarem Material genausoviel oder mehr Brennstoff zu erzeugen, als sie verbrauchen. Diese Tatsache ist für uns deshalb von so ungeheurer Bedeutung, weil damit eine wirtschaftlich rationelle Nutzung des Urans gewährleistet ist. Für die nächsten Jahrhunderte gibt es in der Welt sicherlich genügend Uran. Aber eine rationelle Nutzung dieser Vorkommen scheint uns im Interesse der Industrie, vor allen Dingen einer preiswerten Elektrizitätsversorgung, besonders wichtig zu sein.
    Ich habe nun die Frage an den Herrn Bundeswissenschaftsminister, ob er die augenblickliche Förderung von zwei verschiedenen Systemen schneller Brüter für sinnvoll hält. Darüber hat es auch in der öffentlichen Diskussion einen erheblichen Disput gegeben, der Ihnen, meine Damen und Herren, sicherlich bekannt ist. Man streitet sich darüber, ob der schnelle Brüter natrium- oder dampfgekühlt sein sollte. Im Ausland wird nur die Linie der natriumgekühlten Brüter verfolgt. Bei uns ist es so, daß auch die Linie der dampfgekühlten Brüter die Unterstützung der Bundesregierung hat. Es haben sich zwei Industriegruppen gebildet, die einen 300-Megawatt-Reaktor der einen und einen solchen der anderen Linie vorbereiten.
    Daher meine Frage an Sie, Herr Bundesminister: Halten Sie es für sinnvoll, beide Linien zu unterstützen? Zeichnen sich nicht vielleicht jetzt schon Ergebnisse ab, die zeigen, ob die eine oder die andere Linie aussichtsreicher ist?
    Ich brauche in diesem Zusammenhang sicher nicht darauf zu sprechen zu kommen, wie im Augenblick der Stand der industriellen Entwicklung der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist. Lassen Sie mich nur kurz auf die Tatsache hinweisen, daß gegenwärtig ein Leichtwasser-Demonstrationskraftwerk in Grundremmingen im Bau ist, das eine deutsch-amerikanische Gemeinschaftsleistung darstellt, die von Euratom unterstützt wird. Zwei Kernkraftwerke in Obrigheim und Lingen sind deutsche Neuentwicklungen ohne nennenswerte ausländische Unterstützung.
    Eine wichtige Tatsache ist bei alldem, daß die deutsche Industrie bereits heute in der Lage ist, selbständig Reaktoren des erprobten Leichtwassertyps anzubieten. Aber auch hier schließt sich unsere Frage an, ob die Bundesregierung der Meinung ist, daß angesichts dieser Tatsache eine staatliche Förderung auf diesem Gebiete noch weiter erforderlich erscheint. Vor allen Dingen scheint es uns wichtig zu sein, bei der Entwicklung der Kernreaktoren, die für die Wirtschaft nutzbar sind, zu einer guten Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung, Wissenschaft und Wirtschaft zu kommen, sie vielleicht zu verbessern.
    Die Reaktortechnik für die friedliche Nutzung der Kernenergie ist ohne Zukunft, wenn es uns nicht gelingt, den Brennstoff, nämlich das Uran, in ausreichendem Maße sicherzustellen. Unsere Frage an den Herrn Bundesminister für wissenschaftliche Forschung — sie ist in der ersten großen Frage enthalten — ist daher: Wie steht es um die Uranprospektierung in unserem Lande?

    (Abg. Memmel: Schlecht, schlecht!)

    Es ist so, daß in der ganzen Welt die Vorräte sicherlich noch für eine lange Zeit ausreichen. Wir wissen auch, daß es in unserem Lande wesentliche Vorkommen in Ostbayern, im Saar-Nahe-Gebiet und im Schwarzwald gibt; ich darf nur an den Ort Menzenschwand erinnern.

    (Abg. Memmel: Und an das damit verbundene Trauerspiel!)

    Wieweit sind nun die Bemühungen der Bundesregierung auf diesem Gebiet gediehen, die es ermöglichen, das Uran in Menzenschwand wirklich abzubauen? Halten Sie es für möglich, Herr Minister, die Schwierigkeiten, die vor allen Dingen durch den Naturschutz gegeben sind, in absehbarer Zeit zu überwinden? Das scheint uns eine sehr wesentliche Frage zu sein.
    Die friedliche Nutzung der Kernenergie setzt eine bedeutende Grundlagenforschung voraus. Die Wissenschaft von heute ist die Technik und die Wirtschaft von morgen. Das ist ein Satz, der allgemein anerkannt werden sollte. Die Länder, meine Damen und Herren, die auf die Dauer in der Wissenschaft, vor allen Dingen in der Naturwissenschaft, zurückbleiben, werden nicht in der Lage sein, den wirtschaftlichen Standard ihres Landes auf die Dauer zu halten. Wir haben auf allen Gebieten, die ich eben genannt habe, beachtenswerte Fortschritte gemacht. Darüber besteht gar kein Zweifel. Alles, was wir tun, wäre aber, glaube ich, illusorisch, wenn es uns nicht gelänge, die Grundlagenforschung noch breiter als bisher zu fundieren.
    Die Atomphysik, die Kernphysik, die Physik der Elementarteilchen, die Plasmaphysik, die Festkörperphysik, alle diese Grundlagenwissenschaften erfordern heute, wenn sie seriös betrieben werden sollen, Aufwendungen, die weit über die Möglichkeiten einer Universität hinausgehen. Wir richten daher an den Bundesminister die Frage, wie die Grundlagenforschung auf diesen Gebieten in der Bundesrepublik weiter gefördert werden kann. Es ist sicherlich nicht möglich, alle diese großen, schweren wissenschaftlichen Probleme in unserem verhältnismäßig kleinen Lande in ihrer ganzen Breite zu behandeln. Erhebt sich hier nicht die Frage, ob es notwendig wäre, Schwerpunkte zu bilden? Wäre es nicht zweckmäßig, uns in der Grundlagenforschung auf konkrete, bestimmte Aufgaben zu konzentrieren und mit befreundeten Nationen in wichtigen Fragen zusammenzuarbeiten?
    Wir haben in diesem Zusammenhang aber auch die Frage, wie es auf diesem Gebiet mit der Zu-



    Dr. Schober
    sammenarbeit zwischen der Bundesregierung, den Hochschulen, den Max-Planck-Instituten und der Deutschen Forschungsgemeinschaft steht. Wir halten es für möglich, daß sich die Arbeit auf diesem Gebiet noch stärker koordinieren läßt.
    Auch auf dem Gebiet der Grundlagenforschung —meine Damen und Herren, wir wissen es alle — sind bei uns schon beachtliche Ansätze vorhanden. Es ist schon Wesentliches geleistet worden. Ich brauche nur an das Elektronensynchrotron DESY in Hamburg zu erinnern, das zu den bedeutendsten Einrichtungen dieser Art in der ganzen Welt gehört.
    Lassen Sie mich zusammenfassend über unsere nationale Lage sagen, daß wir mit dem Erreichten noch nicht zufrieden sein können, aber anerkennen, daß in den letzten zehn Jahren auf dem Gebiet der Erforschung und der friedlichen Nutzung der Kernenergie Beachtliches geleistet worden ist.
    Nun ein Wort zur internationalen Zusammenarbeit.
    In Europa basiert die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet auf den Römischen Verträgen vom 1. Januar 1958. Damals ist die Euratom gegründet worden. Wir müßten uns heute einmal die Frage vorlegen, welche Ergebnisse dieser Zusammenschluß bisher gebracht hat.
    Ich glaube, daß man die Euratom-Ergebnisse durchaus als beachtlich bezeichnen kann. Es gibt 3000 Euratom-Bedienstete. Das zweite Euratom-Programm, das von 1963 bis 1967 läuft, umfaßt immerhin einen Betrag von 2 Milliarden DM. Das sind 15 % der insgesamt in den sechs Ländern aufgewendeten Summen.
    Die Euratom unterhält auch beachtliche Institute. Ich möchte sie nicht alle nennen. Lassen Sie mich nur eines ansprechen, das uns etwas Gedanken macht. Ich meine Ispra in Italien, wo das Reaktorprojekt ORGEL betrieben wird. Wir haben hier die Frage an den Herrn Minister, wie er die Zukunftsaussichten des Reaktors ORGEL beurteilt. Ist dieser schwerwassermoderierte, organisch gekühlte Brüter für Wirtschaft und Wissenschaft so interessant, daß er weiterentwickelt werden solle?
    Meine Damen und Herren, nichts weiter über die Anstrengungen von Euratom im einzelnen. Sicherlich wird in der Debatte noch manches dazu gesagt werden. Aber eine Tatsache lassen Sie mich hier noch ganz klar herausheben, und darüber sollte man ernstlich nachdenken. Trotz beachtlicher Erfolge hat Euratom die Rolle nicht spielen können, die man ihm einmal zugedacht hat. Das ist eine bedauerliche Tatsache. Aber wir dürfen uns, glaube ich, vor dieser Tatsache nicht verschließen. Man ging damals von zwei nicht ganz erfüllten Voraussetzungen aus, einmal von einer sehr bald drohenden Energielücke, die bis heute nicht eingetreten ist, und zum anderen von einer drohenden Uranknappheit. Es ist auch nicht so, daß die Forschungszentren von Euratom eine entscheidende Bedeutung im Vergleich zu den Forschungszentren der Nationen erlangt hätten.
    Daher ist die Frage berechtigt: Wie soll es mit Euratom weitergehen? Die Frage scheint uns besonders deswegen dringend zu sein, weil das zweite Fünf-Jahres-Programm Ende 1967 ausläuft. Wer das politische Ringen in den Jahren 1964 und 1965 um die Anpassung des laufenden Programms verfolgt hat, das nur zu einer Mittelerhöhung um 1 % führte, der wird unsere Sorgen verstehen. Es sind auch sicherlich noch Fragen hinsichtlich der Tätigkeit der Euratom-Kommission offen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn nach dem zweiten nun auch ein drittes Euratom-Programm aufgestellt würde.
    Wie beurteilt der Herr Minister — das ist unsere Frage — die internationale Zusammenarbeit angesichts dieser Tatsache, die uns in Euratom nun einmal entgegentritt? Wie sind etwa die Äußerungen des Präsidenten M. Chatenet zu beurteilen der offenbar der Auffassung ist, daß Euratom in Zukunft keine Vieljahresprogramme mehr brauche, sondern daß es genüge, sich auf einzelne Projekte zu konzentrieren — man hat es in der Fachpresse ,scherzhaft als ein Menu à la carte bezeichnet, das hier geboten werden soll —, daß aber andererseits die Aufgaben von Euratom erweitert werden sollten, in die Bereiche der Wissenschaft, der Industrie, der Energiepolitik überhaupt, und das vielleicht nicht ganz ohne dirigistische Beimischungen, die mit der Wirtschaftsordnung unseres Staates sicherlich nicht völlig vereinbar sind.
    Die entscheidende Frage in der Zusammenarbeit von Euratom scheint uns aber zu sein, daß die fällige Fusion der Kommissionen der europäischen Gemeinschaften, die am 8. April 1965 beschlossen wurde, erneut verschoben worden ist. Verstehen Sie deswegen, Herr Minister, unsere Sorge und unsere Bitte um Auskunft darüber, wie wir uns die Zusammenarbeit von Euratom weiter vorstellen dürfen!
    Was die Zusammenarbeit mit den Amerikanern betrifft, verweisen wir auf das Abkommen vom 3. Juli 1957, das zur Zufriedenheit beider Partner, wie wir hoffen, abgewickelt werden konnte.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich damit den Komplex der Kernforschung, der Kerntechnik und ihrer Anwendung in der Praxis abschließen. Wir hoffen und wünschen, daß die Fortschritte, die wir auf diesem Gebiete gemacht haben, in den nächsten Jahren fortgesetzt werden können in einem nationalen Rahmen, im internationalen Rahmen, damit unser Land auf die Dauer im wissenschaftlichen Bereich und später auch im wirtschaftlichen Bereich nicht zurückfällt.
    Diese Sorge des Zurückfallens in der Wirtschaft betrifft auch das Gebiet, das wir mit unserer weiteren Frage angeschnitten haben, nämlich mit der vierten Frage wegen der Weltraumfahrt. Wir haben sicherlich alle mit Bewunderung den Wettlauf verfolgt, den sich die USA und die Sowjetunion im Weltraum geliefert haben. Wir haben mit Staunen die Leistungen der Weltraumfahrer verfolgen können. Sicherlich ist manchmal die Frage aufgetaucht: Was soll das Ganze? Ist die Weltraumfahrt eine Sache, die vielleicht nur von militärischen Erwägungen abhängig ist? Sind die beiden Großmächte viel-



    Dr. Schober
    leicht nur von Prestigerücksichten getrieben? Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir glauben das nicht. Wir meinen, daß ein dritter Faktor hier von großer Bedeutung ist, über den wir heute auch sprechen sollten und der besonders wichtig ist für die Frage: Weswegen Weltraumfahrt auch in Deutschland? Ich möchte gleich von vornherein bemerken, daß wir sicherlich alle nicht anstreben, die Fahrt nach dem Mond mitzumachen. Sicherlich haben wir nicht den Ehrgeiz, daß in absehbarer Zeit ein deutscher Weltraumfahrer auf dem Mond landet. Aber die Weltraumfahrt befaßt sich ja nicht nur mit den bemannten Satelliten, sondern es gibt auch noch die ebenso wichtige nichtbemannte Raumfahrt.
    Zunächst einmal lassen Sie mich darauf hinweisen, daß es heute schon nicht mehr möglich ist, bestimmte Wissenschaften zu betreiben, ohne daß man Anschluß an die Erkenntnisse auf diesem Gebiete erlangt. Ich denke etwa daran, daß die Astronomie, daß die Astrophysik, daß die Geodäsie ohne Weltraumforschung heute nicht mehr denkbar sind.
    Lassen wir aber einmal den rein wissenschaftlichen Aspekt beiseite. Denn es gibt in diesem Zusammenhang auch Fragen, die uns ganz unmittelbar berühren. Das ist die Frage der Zukunft unserer Wirtschaft überhaupt. Die Weltraumfahrt hat einen höchst praktischen Effekt. Er betrifft zunächst einmal die Frage der Technologie. Es ist den Amerikanern und sicherlich auch der Sowjetunion gelungen, Werkstoffe und Treibstoffe zu entwickeln, die in der Lage sind, ganze Wirtschaftszweige zu revolutionieren. Die Metallurgie, die Keramik, die Chemie, die Glasindustrie, die Textilindustrie, die Industrie der Kunststoffe — alle haben in den Vereinigten Staaten von der Weltraumforschung entscheidende neue Impulse bekommen, und ich glaube, daß die Industrienation, die nicht in der Lage ist, diese Erfahrungen zu sammeln, auf die Dauer wirtschaftlich gegenüber fortgeschritteneren Völkern zurückfallen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Neben der Technologie spielt eine sehr große Rolle die Frage der Nutzsatelliten, die auch für uns von unmittelbarer Bedeutung sind. Hier ist vor allen Dingen das sehr wesentliche Gebiet der Fernmeldesatelliten zu nennen. Es ist heute schon so, daß die Kabelverbindungen über den Ozean für den sehr starken Nachrichtenverkehr zwischen den Kontinenten kaum noch ausreichen. Auf die Dauer wird nur über Fernmeldesatelliten eine befriedigende Nachrichtentechnik aufrechterhalten werden können.
    Weiter ist es so, daß auf die Dauer sicherlich Navigationssatelliten dafür sorgen werden, daß die Schiffe nicht mehr mit Sextanten zu arbeiten brauchen und daß eines Tages vielleicht auch für Flugzeuge der Leitstrahl überflüssig werden wird. Navigationssatelliten sind sicherlich eine auch für uns ungewöhnlich wichtige Sache.
    Ein drittes Gebiet, das uns alle in der täglichen Praxis sehr stark berührt, ist die Frage, ob nicht eines Tages durch meteorologische Satelliten eine etwas genauere Wettervoraussage möglich sein wird, als sie bis zum heutigen Tage möglich ist. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir treten dem augenblicklichen Stande der meteorologischen Wissenschaft nicht zu nahe, wenn wir uns eine Verbesserung auf diesem Gebiete wünschen. Vor allem braucht sicherlich die langfristige Wetterprognose noch ein etwas solideres Fundament, und das soll mit dem sogenannten Tyros-System, das die ganze Welt beobachtet, möglich sein.
    Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Entwicklung der Regel-, Meß- und Rechentechnik, die in engem Zusammenhang mit der Weltraumfahrt in den Vereinigten Staaten von Amerika und sicher auch in der Sowjetunion in unerhörtem Maße weiter vervollkommnet worden ist.
    Auf die Möglichkeiten für die Biologie, die Physiologie und die Medizin brauche ich hier sicherlich nicht im einzelnen einzugehen.
    Lassen Sie mich zum Schluß auf einige Fragen kommen, die uns in bezug auf die Weltraumforschung in Deutschland besonders bewegen. Wir wissen alle, daß früher, in den zwanziger Jahren, einige Namen deutscher Gelehrter auf diesem Gebiet eine ganz besondere Ausstrahlungskraft gehabt haben. Ich brauche Sie nur an Männer zu erinnern wie Max Valier, Professor Oberth oder Wernher von Braun. Wir konnten auf diesem Gebiet bedauerlicherweise erst noch später wieder anfangen als auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Erst zu Beginn der sechziger Jahre war bei uns ein neuer Start möglich. Seit 1962 ist das Ministerium für wissenschaftliche Forschung für diese Gebiete federführend. Ich glaube, man sollte in diesem Hohen Hause einmal dankbar anerkennen, daß der Etat für diesen Titel von 11 Millionen DM auf 228 Millionen DM angehoben werden konnte. In der Bundesrepublik sind zur Zeit schon 3000 Personen in Weltraumforschung und Raumfahrtindustrie beschäftigt. Für einen so jungen Zweig ist das sicherlich eine bedeutsame Zahl.
    Die Frage, die wir nun an die Bundesregierung haben, ist die, wie wir uns die weitere Entwicklung auf dem Gebiet der Weltraumforschung, zunächst einmal in der internationalen Zusammenarbeit, vorzustellen haben. Wir haben seit 1962 die ELDO, an der fünf Nationen sowie Australien beteiligt sind. Die Trägerrakete, die die Bundesrepublik Deutschland in der dritten Stufe baut, ist, wie wir hoffen, in einer guten Entwicklung. Wie steht es im übrigen um die Zusammenarbeit in der ELDO?
    Wir haben weiterhin die Frage, wie es um die ESRO bestellt ist, die sich in erster Linie der Weltraumforschung mit Hilfe von Höhenraketen und Satelliten widmet. Wir haben im Frühjahr dieses Jahres mit Großbritannien wegen der Finanzierung der Anteile an der ELDO einige Schwierigkeiten gehabt. Diese Schwierigkeiten sind überwunden. Wir würden aber vom Herrn Minister gern hören, wie die Entwicklung dort weitergegangen ist, vor allen Dingen, ob die deutsche Verantwortung in der ELDO und in der ESRO den erhöhten finanziellen Aufwendungen entspricht, die wir für diese beiden Organisationen leisten.



    Dr. Schober
    Eine sehr wesentliche Frage betrifft das Internationale Fernmeldesatelliten-Konsortium (INTELSAT) von 1964. In diesem Konsortium werden sicherlich die amerikanischen Erfahrungen eine so große Rolle spielen, daß sich die Frage erhebt, ob es überhaupt sinnvoll ist, daß ein europäischer Beitrag als Konkurrenz dazu auftritt. Wir haben einen sehr großen Rückstand aufzuholen. Wir haben einen engeren Zusammenschluß der in der INTELSAT zusammengefaßten Nationen in der CETS. Wir haben auch hier an den Herrn Minister die Frage, wie er die Möglichkeit eines eigenen europäischen Raumfahrtprogramms beurteilt, ob er es etwa für möglich oder erwünscht hält, daß, wie EUROSPACE es verlangt, ein eigenes, von den Amerikanern möglichst abgesetztes Raumfahrtprogramm in Europa entwickelt werden kann.
    Zum Schluß möchte ich die Frage nach der Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit NASA anschneiden. Wir dürfen hier sicher mit Befriedigung auf die Ergebnisse der Reise des Herrn Bundeskanzlers verweisen. Wir dürfen hoffen, daß ein verstärkter Austausch von Wissenschaftlern stattfindet, wobei wir ganz besonders wünschen, daß es sich hier nicht um eine Einbahnstraße handelt, auf der deutsche Gelehrte in die Vereinigten Staaten gehen, ohne daß auch amerikanische Forscher bei uns mit Nutzen lernen können.
    Wir haben dann noch die Frage, wie es um das deutsche Programm auf dem Gebiet der Weltraumforschung bestellt ist, welche Möglichkeiten der Herr Minister hier sieht, um zu einer noch besseren Zusammenarbeit, zu einer vielleicht noch größeren Konzentration der Aufgaben in Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft zu kommen. Wir haben ferner die Frage, ob die Organisationen, die wir haben, schon alle optimal arbeiten können.
    Ob wir auch ein nationales Weltraumprogramm entwickeln sollten, ist ein Problem, zu dem der Herr Minister sicher gleich Stellung nehmen wird. Wir sind der Auffassung, daß wir, wenn wir diese Frage stellen, solche Aufgaben bei uns durchaus anpacken sollten, daß wir es aber mit der Bildung von Schwerpunkten tun sollten, vor allen Dingen im Hinblick auf eine enge Zusammenarbeit mit den uns befreundeten Nationen.
    Meine Damen und Herren, wir haben hier heute ein Gebiet von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unseres Landes zu behandeln. Darüber sollten wir uns alle klar sein. Es geht nicht nur darum, daß wir Wissenschaft um ihrer selbst willen betreiben. Letztlich geht es bei der Kerntechnik, bei der Weltraumfahrt und bei der Forschung auf beiden Gebieten um unsere Zukunft. Dieses Hohe Haus sollte sich der Verantwortung bewußt sein, die darin liegt, daß wir die Wissenschaft auf allen diesen Gebieten fördern müssen und wollen. Jeder einzelne von uns ist von der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung der Zukunft abhängig. Lassen Sie uns deshalb diese Probleme mit Ernst und auch mit der nötigen Zusammenarbeit behandeln, damit wir eine gute Zukunft erarbeiten — für jeden einzelnen von uns, für unser Land, für Europa, für die Welt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Glückwunsch für die erste Rede des Kollegen Dr. Schober in diesem Hause beginnen, der die zu dieser wichtigen und schwierigen Materie gestellten Fragen begründet hat.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Im Februar dieses Jahres hatte das Hohe Haus vor allem die Fragen der allgemeinen Wissenschaftsförderung erörtert. Die Große Anfrage, die ich heute beantworten werde, befaßt sich demgegenüber mit zwei besonderen Bereichen der Wissenschaftspolitik: der Kernenergie und der Weltraumforschung.
    Beide sind Ergebnisse wissenschaftlicher Entdekkungen und technischer Entwicklungen aus dem zweiten Drittel dieses Jahrhunderts. Beide beruhen in wichtigen Grundlagen auf der Arbeit deutscher Forscher vor ein bis zwei Generationen und beide verzeichnen heute durch die politischen Hypotheken der Vergangenheit immer noch einen Rückstand der deutschen Entwicklung.
    Dieser Rückstand ist eine Tatsache, die wir nicht leicht nehmen sollten. Es handelt sich hier nicht um Gebiete, die nur gleichsam esoterisches Interesse haben, sondern um zentrale Bereiche für Leben und Weltbild von morgen. Kernkraftwerke, Weltraumstationen und Erkundungsflüge zu fernen Planeten gehören nicht mehr in das Gebiet der „science fiction", sondern sind Realitäten unserer Tage. Zusammen mit elektronischen Computern und weltweiten Nachrichtensystemen mit Hilfe künstlicher Erdsatelliten werden sie keine geringere geschichtliche Wirkung haben als die Einführung der Feuerwaffen, die Entdeckung der Seewege nach Amerika und Ostindien und die Entwicklung der Buchdruck-kunst vor fünfhundert Jahren. Anhaltende Rückständigkeit in diesen Bereichen bedeutet daher nicht nur ein wissenschaftliches oder technisches Manko auf Spezialgebieten, sondern eine schwere Hypothek für die politische und wirtschaftliche Zukunft unseres Landes.
    Ich brauche auf die Ursachen unseres Defizits in weiten Bereichen von Forschung und Entwicklung hier nicht im einzelnen einzugehen. Sie sind in diesem Hohen Hause schon mehrfach erörtert worden. Die wichtigste von ihnen ist, daß sich im Verlaufe und als Folge des zweiten Weltkrieges nicht nur im politischen und wirtschaftlichen, sondern auch im wissenschaftlichen und technischen Bereich die Schwerpunkte deutlich aus Zentraleuropa heraus auf die großen Siegermächte in West und Ost, auf die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion verlagert haben. Ihnen gegenüber befinden sich heute auch



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    die übrigen europäischen Länder im Rückstand, einige von ihnen jedoch in einer relativ günstigeren Situation als wir.
    Die nüchterne Erkenntnis der Lage ist eine wichtige Voraussetzung für künftige Erfolge. Wir sollten uns daher in diesem Punkt keiner Selbsttäuschung hingeben. Allerdings sollten wir andererseits auch nicht verkennen, daß sich unsere Situation in den vergangenen zehn Jahren entscheidend gebessert hat. In dieser Zeit wurden die Grundlagen eines neuen Anfangs gelegt. Der Weg führt seitdem wieder aufwärts. Die Erfolge, die sich dabei abzeichnen, sind noch begrenzt. Sie geben keinen Anlaß zu Überschwenglichkeit oder gar zu Selbstzufriedenheit. Aber es sind Erfolge. Bund und Länder, Wissenschaft und Wirtschaft haben hieran ihren Anteil. Was wir bisher geleistet haben, war ein Anfang. Große Anstrengungen liegen noch vor uns. Ohne sie hätte nicht nur die deutsche Volkswirtschaft im industriellen Wettbewerb der Zukunft keine Chance mehr, ohne sie wäre auch die deutsche Politik der Zukunft im Innern wie nach außen schließlich zum Mißerfolg verurteilt.
    Ich wende mich bei der Beantwortung der ersten beiden Fragen zunächst dem Bereich der Kernenergie zu. Sie kennen die wichtigsten Meilensteine dieser Entwicklung: Um die Jahreswende 1938/39 wurde in Berlin-Dahlem die Kernspaltung entdeckt, Ende 1942 bei Chikago der erste Kernreaktor in Betrieb gesetzt, zweieinhalb Jahre später in der Wüste von Neumexiko die erste atomare Versuchsexplosion ausgelöst. Ende 1952 folgte ihr das erste thermonukleare Waffenexperiment; im Sommer 1954 ging das erste Versuchsatomkraftwerk der Welt in Obninsk, zwei Jahre später das erste größere Kernkraftwerk in Calder Hall in Betrieb; 1963/64 erzielte die Kernkraftnutzung in den Vereinigten Staaten den Durchbruch zur Wirtschaftlichkeit. Inzwischen hat sich dieser Durchbruch beträchtlich erweitert. Allein in den ersten 8 Monaten dieses Jahres wurden von amerikanischen Versorgungsunternehmen unter rein kommerziellen Bedingungen 14 Kernkraftwerksblöcke mit einer elektrischen Gesamtleistung von 12,3 Millionen Kilowatt bestellt und weitere 7 Blöcke mit einer Gesamtleistung von 4,8 Millionen Kilowatt beschlossen; zusammengenommen entspricht die Bilanz von 8 Monaten fast der Zubauleistung in sämtlichen deutschen Kraftwerken während der letzten 8 Jahre.
    Die jüngste Entwicklung der Kernkraft ist jedoch nicht auf die Vereinigten Staaten beschränkt. Die Ausbaupläne für Kernkraftwerke in Großbritannien und Frankreich stehen im Verhältnis den amerikanischen kaum nach. Nachhaltige Bemühungen gibt es in Ländern wie der Schweiz, Spanien, Schweden, Kanada, Japan und Indien.
    Die Stromerzeugung der Zukunft wird in steigendem Maße Stromerzeugung aus Kernenergie sein. Mit ihr steht ein neuer Energieträger zur Verfügung, dessen Energiegehalt den aller fossilen Energieträger der Erde um ein Vielfaches übertrifft. Heutige Reaktoren können zwar nur 1 bis 2% dieses Energiegehalts nutzbar machen; mit den Brutreaktoren von morgen wird es jedoch möglich sein, diesen Faktor auf etwa 50 bis 60% zu steigern.
    Die Entfesselung der Kernenergie hat, wie wir wissen, die machtpolitischen Verhältnisse im zweiten Drittel dieses Jahrhunderts radikal verändert. Die Zähmung dieser Energie für friedliche Zwecke erscheint geeignet, die wirtschaftlichen Produktionsverhältnisse im letzten Drittel dieses Jahrhunderts ebenso grundlegend, wenn auch in einem weniger dramatischen Tempo, umzubilden.
    Die Energiewirtschaft der Industrieländer beruhte bis zum Vorabend des zweiten Weltkriegs nahezu ausschließlich auf der Kohle. Erdöl und Erdgas wurden in nennenswerten Mengen erst seit den dreißiger Jahren verwendet. Heute decken sie bereits mehr als die Hälfte des westeuropäischen und des nordamerikanischen Energiebedarfs. Künftig wird eine dritte Gruppe von Energieträgern hinzukommen: Die Kernbrenn- und Brutstoffe aus Uran, Thorium und — in einigen Jahren — auch aus Plutonium. Zusammen mit Kohle, Öl, Erdgas und der Wasserkraft werden sie schon im nächsten Jahrzehnt in wachsendem Maße zur Befriedigung des immer noch steigenden Energiebedarfs beitragen.
    In der Energiewirtschaft der Zukunft wird der Kernenergie hauptsächlich die Stromerzeugung, daneben aber wohl schon bald auch die Meerwasserentsalzung und der Antrieb großer Schiffe zufallen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten, von denen hier schon gesprochen wurde, zeichnen sich in ersten Umrissen ab.
    In den Kraftwerken der Bundesrepublik war Ende vergangenen Jahres eine Leistung von insgesamt 40 Millionen Kilowatt installiert. 1970 werden es voraussichtlich 55 Millionen und 1980 zwischen 100 und 110 Millionen Kilowatt sein. Aus heutiger Sicht könnten davon 1975 6 bis 8 Millionen und 1980 25 bis 30 Millionen Kilowatt auf Kernkraftwerke entfallen. Damit würde, wenn diese Erwartung in Erfüllung geht, innerhalb der nächsten 15 Jahre der Beitrag der Kernkraft zur gesamten Energieversorgung der Bundesrepublik auf rund 10% steigen. Bis zum Jahre 2000 könnte sich dieser Anteil auf 35 bis 40 % erhöhen. Trotz dieses steilen Anstiegs verbliebe aber auch im Jahre 2000 der größere Teil des Energiemarktes noch immer den herkömmlichen Energieträgern.
    Uran, Thorium und Plutonium werden also Kohle, Öl und Erdgas nicht verdrängen, sondern sie bei der Deckung des rasch wachsenden Energiebedarfs in zunehmendem Umfang ergänzen und die Tendenz zur billigeren Energie bestimmen. Dennoch wird dieser Prozeß nicht ohne Reibungen ablaufen. Sicher wird er gewisse Anpassungsschwierigkeiten mit sich bringen. Aber das ist der Preis jeder wirtschaftlichen Dynamik. Wenn wir die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft in dieser Welt erhalten und steigern wollen, dürfen wir uns dem Wandel nicht entgegenstellen; wir sollten ihn vielmehr fördern und ihm einen Weg bereiten, der zielgerichtet, wenn auch ohne abrupte Zusammenbrüche, zu den Strukturen von morgen führt.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Die Bundesregierung sieht diese Entwicklung. In ihrem Entwurf des Gesetzes zur Sicherung des Steinkohlenabsatzes in der Elekrizitätswirtschaft ist hierauf Rücksicht genommen. In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats zu diesem Gesetzentwurf hat die Bundesregierung ihre Auffassung noch einmal bekräftigt. Das Hohe Haus hat sich mit der Verabschiedung des Gesetzes dem angeschlossen. Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag haben aber auch schon vorher den Erfordernissen der Forschung und Technik im Kernenergiebereich in hohem Maße Rechnung getragen.
    Innerhalb von zehn Jahren — zwischen 1956 und 1965 — hat der Bund die Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Kernenergie mit 2,3 Milliarden DM gefördert. Mehr als eine Milliarde DM wurde ferner von den Ländern beigetragen. Für das laufende Haushaltsjahr haben der Bund — einschließlich der über Euratom zurückfließenden Mittel — knapp 650 Millionen DM und die Länder 260 Millionen DM für diesen Zweck bereitgestellt. Der Haushaltsentwurf der Regierung für 1967 sieht eine weitere Steigerung der Bundesmittel auf fast 740 Millionen DM vor.
    Bis Ende 1966 ergibt sich somit im Kernenergiebereich ein Gesamtbeitrag der öffentlichen Hand in Höhe von 4,3 Milliarden DM. Vier Fünftel dieses Gesamtbetrags wurden für das nationale Programm festgelegt, ein Fünftel für Beiträge zu internationalen Organisationen.
    Im nationalen Programm entfallen 2,4 Milliarden DM auf Kernforschungszentren und andere Forschungsinstitute innerhalb und außerhalb der Hochschulen; je eine halbe Milliarde DM waren für die kerntechnische Entwicklung außerhalb der Zentren und wissenschaftlichen Institute und für die Ausbildung, die Weiterbildung, den Strahlenschutz, die Reaktorsicherheit und ähnliche Zwecke bestimmt.
    Mit Hilfe dieser Gelder wurden die Forschungseinrichtungen an den Hochschulinstituten und den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft ausgebaut, Kernforschungszentren mit allgemeiner Aufgabenstellung in Karlsruhe und Jülich und mit besonderer Aufgabenstellung in München, Hamburg und Berlin geschaffen, die Entwicklungsarbeiten der Industrie unterstützt und die Einführung der Kernkraft in die Elektrizitätswirtschaft gefördert. Heute stehen im Bundesgebiet 21 Forschungs- und Ausbildungsreaktoren, ein großer sowie mehrere mittlere und kleinere Teilchenbeschleuniger zur Verfügung. Drei Versuchs- und ein Demonstrationskernkraftwerk sind fertiggestellt, drei weitere Versuchs- und zwei weitere Demonstrationskernkraftwerke sind noch in Bau. Die elektrische Gesamtleistung dieser Anlagen, zu deren Verwirklichung die deutsche Industrie und die deutsche Elektrizitätswirtschaft maßgeblich beigetragen haben, erreicht fast eine Million Kilowatt.
    Alles dies zusammengenommen bildet die Grundlage unserer weiteren Arbeit. Sie ist breit genug angelegt, um Rückschläge in der einen oder anderen Richtung auffangen zu können. Andererseits wurde sie in den letzten Jahren so weit auf Schwerpunkte konzentriert, daß eine unproduktive Verzettelung unserer Kräfte nicht länger zu befürchten ist.
    Es ist wichtig, hierbei im Auge zu halten, daß sämtliche deutschen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Kernenergiebereich ausschließlich auf friedliche Zwecke ausgerichtet sind. Es gibt in Deutschland weder Arbeiten noch Absichten zur Entwicklung oder Herstellung nuklearer Waffen. Das ist ein fundamentaler Unterschied zur Lage in Frankreich, Großbritannien oder den Vereinigten Staaten. Er hat weitreichende Auswirkungen auf die Zielsetzung und die Organisation unserer Arbeiten in der Forschung und ganz besonders auch in der industriellen Entwicklung. Wir haben nicht nur einen politisch bedingten verspäteten, sondern auch einen langsameren Start gehabt. Wir waren aber auch völlig frei in der Wahl der einzuschlagenden Wege. Wir brauchten unsere Arbeiten nicht auf die Entwicklung von Plutoniumfabriken und Urantrennanlagen auszurichten, sondern konnten von vornherein, ohne Überstürzung, aber auch ohne Kompromisse die Ziele verfolgen, die wissenschaftlich, technisch und wirtschaftlich am aussichtsreichsten erschienen. Die Ratschläge und Empfehlungen der Deutschen Atomkommission waren dabei von richtungweisender Bedeutung.
    Heute nähert sich die erste Etappe dieses von uns gewählten Weges ihrem Ende. Die deutsche Industrie ist in der Lage, Kernkraftwerke mit bewährten Druck- und Siedewasserreaktoren anzubieten, die auf dem europäischen Markt nicht nur gegenüber herkömmlichen Kohle- und Ölkraftwerken, sondern auch gegenüber den Kernkraftwerken der französischen, britischen und nordamerikanischen Hersteller konkurrenzfähig sind. Erste Aufträge unter rein kommerziellen Bedingungen dürften innerhalb der nächsten zwölf Monate erteilt werden. Die staatliche Förderung dieses Bereichs kann deshalb im wesentlichen auslaufen. Drei Ausnahmen hiervon sind jedoch noch erforderlich: Einmal sollten 'die ersten Exportbemühungen unserer Industrie noch weiter unterstützt werden, um ihr dabei die gleichen Chancen wie ihren staatlich geförderten Konkurrenten aus anderen Ländern zu verschaffen. Zum anderen muß auch die Förderung von Arbeiten und Bemühungen, die sich auf die Beschaffung und den Kreislauf der Kernbrennstoffe beziehen, vorerst noch fortgesetzt werden, wobei vor allem die Suche nach Uran im In- und Ausland — auch nach den bekannten Schwierigkeiten, die dieses Hohe Haus so oft beschäftigt haben — zu verstärken ist. Drittens werden Untersuchungen zur Überwachung und Verbesserung der Reaktorsicherheit und des Strahlenschutzes auch künftig bevorzugt zu fördern sein. Darüber hinaus wird schließlich noch eine weitere Frage sorgfältige Beobachtung finden, die Frage nämlich, ob die organisatorische Struktur der deutschen Elektrizitätswirtschaft es erlauben wird, die besonderen technischen und wirtschaftlichen Vorteile großer Kernkraftwerksblöcke voll zu nutzen.
    Die weiteren Pläne der Bundesregierung zur Förderung der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie konzentrieren sich auf mittel- und langfristige



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Vorhaben. Im mittelfristigen Programm fördert die Bundesregierung die Entwicklung von Reaktoren, Reaktorkomponenten und Brennstoffelementen für fortschrittliche Anlagen. Sie unterscheiden sich von den bisherigen im wesentlichen durch bessere Brennstoffausnutzung, größere Leistungsdichten, höhere Dampftemperaturen und damit auch — wie wir hoffen — günstigere wirtschaftliche Aussichten.
    Vier Entwicklungslinien werden hier zur Zeit verfolgt; zwei davon bilden mit dem Heißdampfreaktor und der kompakten natriumgekühlten Kernreaktoranlage zugleich eine Brücke zu den wichtigsten Projekten des langfristigen Programms. Die beiden anderen — die Schwerwasserlinie und die GasGraphit-Hochtemperaturlinie — eröffnen die Möglichkeit, auch Thorium-Brennstoff zu nutzen, — eine Aussicht, mit der man sich besonders in der Kernforschungsanlage Jülich beschäftigt. Als Sonderentwicklung gehört außerdem der Bau eines Schiffsreaktors für die „Otto Hahn" hierher, die voraussichtlich 1968 in Dienst gestellt werden kann.
    Die Kosten des mittelfristigen Programms liegen bei 800 Millionen DM. Der weit überwiegende Teil davon entfällt auf den Bund. Für die Mehrzahl der Vorhaben sind Festpreisverträge abgeschlossen. Die Bauaufsicht und die spätere Betriebsführung der Versuchsanlagen liegt bei erfahrenen Energieversorgungsunternehmungen. Der Übergang vom technischen Versuch zur wirtschaftlichen Nutzung dürfte auf diese Weise wesentlich erleichtert werden.
    Die Reaktoren, von denen bisher die Rede war, berechtigen zu großen Hoffnungen, aber sie sind doch nur ein erster Schritt. Sie werden die Kernenergiewirtschaft der nächsten zwei, drei Jahrzehnte bestimmen. Dann wird die Zeit den Brutreaktoren gehören, die heute Gegenstand von Studien und Baubeschlüssen für Prototypen sind. Diese Reaktoren erzeugen mehr spaltbare Stoffe, als sie gleichzeitig verbrauchen, und werden damit das Gespenst einer Verknappung der Energievorräte für sehr lange Zeit vertreiben. Die deutschen Arbeiten konzentrieren sich in diesem langfristigen Programm derzeit auf die Projektierung von zwei Varianten eines Brutreaktors mit schnellen Neutronen, je einer Heißdampf- und Natriumlinie. Die grundlegenden Vorarbeiten dafür wurden im Rahmen eines Assoziationsvertrages mit Euratom im Kernforschungszentrum Karlsruhe geleistet.
    Künftig wird sich auch die Industrie an dieser Entwicklung mehr und mehr beteiligen. Verhandlungen über eine Zusammenarbeit mit Holland und Belgien sind im Gange. Eine Entscheidung, meine Damen und Herren, über die Verwirklichung der jetzt zu projektierenden Prototypen wird voraussichtlich 1969 zu fällen sein. Wir müssen das Votum der verantwortlichen Wissenschaftler abwarten und können uns bei der Bedeutung dieses Vorhabens nicht auf Teilergebnisse und vorläufige Annahmen verlassen. Die Kosten, die bis dahin für die Projektierungsarbeiten noch entstehen, liegen bei 100 Millionen DM. Die weiteren Entwicklungs- und Baukosten für Versuchsanlagen und Prototypen bis zur kommerziellen Reife der Brutreaktoren gegen Ende der siebziger Jahre werden für Staat und Wirtschaft gemeinsam etwa das Zehnfache davon betragen. Dennoch werden sie nur einen Bruchteil der Summen ausmachen, die gleichzeitig von der Wirtschaft für den Bau von Kernkraftwerken mit den heute erprobten Reaktoren investiert werden müssen. Im übrigen kann man erwarten daß die volkswirtschaftlichen Einsparungen aus der anschließenden Verwendung von Brutreaktoren ihre Entwicklungskosten schon bis zur Jahrhundertwende bei weitem aufwiegen.
    Ich habe Ihnen damit einen Überblick über die Grundzüge unserer Planung zur weiteren Förderung des Reaktorbaues und der übrigen kerntechnischen Entwicklung gegeben. Diese Planung verfolgt ein hochgestecktes Ziel. Gleichwohl überschreitet sie an keiner Stelle die wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten unseres Landes und seiner Partner. Ich bin zuversichtlich, daß die Verwirklichung dieses Planes uns und ihnen zum Vorteil gereichen wird.
    Die Förderung der kerntechnischen Entwicklung ist jedoch nur eine der Aufgaben, die wir lösen müssen. Die Förderung der Kernforschung ist eine nicht minder wichtige, auf lange Sicht sogar wichtigere, zweite. Die fundamentale Bedeutung der Forschung für unser gesamtes privates und öffentliches Leben in einer hochindustrialisierten Welt wird in Zukunft mit Sicherheit noch wesentlich deutlicher hervortreten als schon in der Gegenwart. Vor allem seit dem zweiten Weltkrieg hat sich die Zunahme der wissenschaftlichen Erkenntnisse außerordentlich beschleunigt. Von besonderer Bedeutung waren dabei die Fortschritte der atomaren und subatomaren Physik. Chemie, Biologie, Astronomie, Geologie und viele andere Wissenschaften haben daraus wichtige Impulse empfangen. Gleichzeitig hat sich die Physik selbst ständig weiter verzweigt. Heute unterscheiden wir neben der klassischen Physik die Atomphysik im engeren Sinne, die Kern-und Niederenergiephysik, die Elementarteilchenoder Hochenergiephysik, die Plasma- und Fusionsphysik und schließlich die Festkörperphysik.
    Keines dieser Gebiet darf heute völlig vernachlässigt werden. Andererseits können aber auch nicht alle in all ihren Einzelbereichen auf dem gleichen hohen Stand gehalten werden. Die Bildung von Schwerpunkten der Förderung ist deshalb eine ebenso notwendige wie schwierige Aufgabe. Das Problem, meine Damen und Herren, das uns hier begegnet, hat weniger Gewicht dort, wo die Forschung im wesentlichen aus Nachdenken besteht und als Hilfsmittel höchstens einer guten Bibliothek bedarf. Experimentelle Physik von heute ist nicht von dieser Art. Sie erfordert zunehmend größere und aufwendigere Geräte. Ein anschauliches Beispiel dafür gibt die Hochenergiephysik, für die schon in naher Zukunft Beschleuniger für nötig gehalten werden, deren Investitionskosten die Milliardengrenze überschreiten und für deren Betrieb jährlich mehrere hundert Millionen DM gebraucht würden. Es gibt zahlreiche und gute Gründe für die Annahme, daß dies eine sehr nützliche wissenschaftliche Investition wäre; dennoch 'bleibt die



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Frage offen, ob nicht vielleicht andere wissenschaftliche Investitionen derselben Größenordnung einen noch sehr viel höheren Wert für die Menschheit haben. An der Grenze unseres Wissens, an der wirkliche Forschung ihren Platz hat, gibt es nur bedingt guten Rat und höhere Einsicht und damit wirklich sichere Planung.
    Ich habe diese kritischen Anmerkungen hier mit Absicht in den Vordergrund gerückt. Es wäre jedoch ein Mißverständnis, darin eine Absage an jegliche Forschungsplanung zu sehen. Ich bin im Gegenteil der Auffassung, daß ohne wesentliche Verbesserung unserer Forschungsplanung die vor uns liegenden Aufgaben überhaupt nicht bewältigt werden können. Nur ein sehr überlegtes, zielgerichtetes Vorgehen bietet die Gewähr, daß wir unsere knappen materiellen und vor allem auch personellen Ressourcen in der bestmöglichen Weise nutzen. Forschungsplanung kann sich dabei nicht nur auf die Planung der Forschungsfinanzierung beschränken, sondern sie muß auch die zahlreichen übrigen materiellen, organisatorischen und administrativen Voraussetzungen guter wissenschaftlicher Arbeit in ihren Aufgabenkreis einbeziehen.
    Überlegungen dieser Art sind besonders wichtig dort, wo die Forschungstätigkeit von sich aus den herkömmlichen Rahmen sprengt und Formen annimmt, die der industriellen Tätigkeit verwandt sind. Ich spreche hier von der sogenannten Großforschung, für die die Hochenergiephysik und Plasmaphysik gute Beispiele bieten, und von der Projektforschung, in der große Arbeitsgruppen mit Forschern verschiedener Fachrichtungen zielorientiert zusammenarbeiten, wie es etwa bei den Schnellbrüteruntersuchungen in Karlsruhe der Fall war. Hier kündigen sich neue Formen an, die neben die klassischen treten, wie wir sie aus den Hochschulen und den Max-Planck-Instituten kennen.
    An der Finanzierung der Grundlagenforschung sind heute sowohl Bund wie Länder beteiligt. Ein wesentlicher Teil dieser Mittel wird über die Haushalte der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft geleitet. Im übrigen obliegt es in erster Linie den Ländern, die Grundlagenforschung an den Hochschulen zu finanzieren, während sich der Bund hauptsächlich der Finanzierung der Großforschung widmet. Eine enge Zusammenarbeit mit den Kultusministerien der Länder, dem Wissenschaftsrat und den Selbstverwaltungsorganisationen der deutschen Wissenschaft garantiert ein hohes Maß an Koordinierung. Gleichwohl ist abzusehen, daß hier ein endgültiger Modus noch nicht gefunden wurde. In jüngster Zeit haben besonders die Empfehlungen der Finanzkommission Anlaß zu einer Überprüfung der bisherigen Aufgabenstellung gegeben. Dabei zeichnet sich auch in den Äußerungen der Länder die Tendenz ab, die institutionelle und finanzielle Verantwortung des Bundes in der sogenannten Großforschung weiter zu verstärken. Es läßt sich absehen, daß für den Bund die Schwerpunkte seiner Förderungstätigkeit für die physikalische Grundlagenforschung auch künftig in der Hochenergiephysik, in der Plasmaphysik und in der Festkörperphysik liegen werden. Den größten
    Aufwand unter den Schwerpunktprogrammen wird, wie ich schon sagte, die Hochenergiephysik erfordern. Hier gilt es, nicht nur die vorhandenen Anlagen, vor allem das Deutsche Elektronen-Synchrotron in Hamburg und die CERN-Einrichtungen in Genf in der bestmöglichen Weise zu nutzen, sondern es kommt ebenso darauf an, den weiteren Ausbau dieser Einrichtungen und den Bau neuer leistungsfähiger Anlagen rechtzeitig vorzubereiten.
    Wir werden, meine Damen und Herren, im Rahmen von CERN, aber auch in zweiseitigen deutschfranzösischen Gesprächen die Möglichkeiten einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit und neuer Projekte in der Hochenergiephysik prüfen. Internationale Institutionen können wir aber nur nutzen, wenn wir zugleich in Deutschland bestimmte Schwerpunkte für Forschung und Lehre ausbauen. In der Plasmaphysik bestehen leistungsfähige Institute in Garching, München und Jülich. Auch sie bedürfen in den kommenden Jahren einer verstärkten Unterstützung. In der Festkörperphysik konzentrieren sich die Unterstützungsmaßnahmen des Bundes auf Untersuchungen mit Hilfe der Neutronenstrahlung. Hierfür ist bekanntlich beabsichtigt, in Grenoble einen deutsch-französischen Höchstflußreaktor zu errichten, dessen Bau in Kürze beginnen dürfte.
    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, an dieser Stelle eine allgemeine Bemerkung zur internationalen Zusammenarbeit in der Wissenschaft einflechten und dann im einzelnen auf die Themen der dritten und vierten Frage eingehen.
    Wissenschaftlicher Austausch und wissenschaftliche Zusammenarbeit über die Ländergrenzen hinweg wird heute mit Recht begrüßt und gefördert. Zahlreiche Kongresse und viele Organisationen widmen sich ausschließlich dieser Aufgabe.
    Die Wissenschaft, zumindest die neuzeitliche Naturwissenschaft, war von ihren Ursprüngen an international, und zwar aus geschichtlichen und sachlichen Gründen: geschichtlich, weil sie in der Tradition der mittelalterlichen, also der vorneuzeitlichen und damit auch der vornationalen Wissenschaft stand; sachlich wegen ihrer auf das wiederholbare Experiment gestützten, auf Allgemeingültigkeit der Erkenntnis zielenden Methode.
    Über eines muß man sich jedoch dm klaren sein: Die Tatsache, daß ein wissenschaftliches Vorhaben institutionell internationalen Charakter hat, besagt über seinen sachlichen Wert noch gar nichts. Es wäre also falsch, in der Wissenschaft um jeden Preis oder in jedem Fall eine internationale Zusammenarbeit anzustreben, vielmehr sollten hier die jeweiligen sachlichen Erfordernisse der einzelnen Vorhaben stets den Ausschlag geben. Tatsächlich zeigt sich heute, daß es eine wachsende Anzahl großer wissenschaftlicher Vorhaben gibt, die eine bilaterale oder multilaterale Zusammenarbeit zwingend verlangen, weil sie die Möglichkeiten des einzelnen Landes — und ich denke dabei vor allem an unsere europäischen Länder — überschreiten. Bei vielen anderen Projekten ist eine internationale Zusammenarbeit zwar offensichtlich nicht vonnöten, aber



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    doch wünschenswert, weil sie jedem Beteiligten einleuchtende Vorteile verspricht. Drittens gibt es manche Projekte, die erst durch ihre Internationalisierung soviel Gewicht erhalten, daß man bereit war, sie zu fördern, obgleich sie sowohl dem wissenschaftlichen Wert wie auch dem Umfang nach ebensogut im nationalen Programm einen Platz hätten finden können. Schließlich aber kennen wir auch heute noch sehr viele wissenschaftliche Projekte — und auch unter ihnen befinden sich sehr bedeutende —, bei denen eine Internationalisierung unnütz, vielleicht sogar schädlich sein würde.
    Es wird daher immer von neuem kritisch zu prüfen sein, wo die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit künftig verstärkt, wo sie im bisherigen Ausmaß fortgesetzt und wo sie eingeschränkt werden sollte. Es versteht sich von selbst, daß dabei nicht nur die rein wissenschaftlichen, sondern alle Aspekte des Problems betrachtet werden müssen, — auch die politischen.
    Im Bereich der Kernforschung gibt zur Zeit die Entwicklung innerhalb der Europäischen Atomgemeinschaft eine besondere Gelegenheit zu solcher Überprüfung. Bereits vor eineinhalb Jahren, am 8. April 1965, haben die Mitgliedstaaten den Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rats und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften unterzeichnet und damit einen ersten Schritt zu ihrer Verschmelzung getan. Bekanntlich ist das Abkommen bis heute nicht in Kraft getreten. Seit der Formulierung des Gründungsvertrags der Europäischen Atomgemeinschaft im Herbst 1957 haben sich die wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in diesem Bereich wesentlich geändert. Wichtige Ziele der Vereinbarung wurden erreicht oder rückten zumindest in greifbare Nähe.
    Die Europäische Atomgemeinschaft hat sich hierbei große Verdienste erworben. Mit ihrer Hilfe wurden viele Hemmnisse für die Einführung der Kernkraft in Europa beseitigt, wichtige Voraussetzungen für einen gemeinsamen europäischen Kernenergiemarkt geschaffen, ein funktionsfähiges System der Sicherheitskontrolle eingeführt, bedeutsame europäische Forschungsvorhaben eingeleitet, die Abstimmung der nationalen Programme verbessert und der Kenntnisaustausch erleichtert. Allerdings haben sich für ihre Wirksamkeit gegenüber den ersten Plänen auch gewisse Grenzen ergeben. Die nationalen Kräfte in den Mitgliedstaaten waren zu stark, und zudem war wohl auch die wissenschaftliche und technische Entwicklung schon zu weit fortgeschritten. Bei ihrer künftigen Arbeit wird die Europäische Atomgemeinschaft diesen Fragen Rechnung tragen müssen. Für die technische Entwicklung und wirtschaftliche Nutzung der Kernkraft sollte sie dabei ebenso wie die nationalen Atombehörden mithelfen, daß die neue Energiequelle möglichst rasch und weitgehend ihren Sonderstatus verliert und zu einem normalen Bestandteil unserer Wirtschaftswirklichkeit in einem weltoffenen europäischen Markt wird. Damit würde sie der Zielsetzung des Euratom-Vertrags gerecht.
    Im Bereich der Kernforschung hat sich die Europäische Atomgemeinschaft in der jüngsten Vergangenheit mit Erfolg darum bemüht, ihre Maßnahmen auf einige wichtige Projekte zu konzentrieren. Ich glaube, daß es zum Vorteil der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten wäre, wenn diese Bemühungen von der Euratom-Kommission auch in einem neuen Mehrjahresprogramm, das wir wünschen, zielstrebig fortgesetzt werden. Als Beispiel nenne ich die Euratom-Beteiligung an den Arbeiten zur kontrollierten Kernfusion, an den grundlegenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für schnelle Brutreaktoren und an der Schiffsreaktorentwicklung. Die Europäische Atomgemeinschaft wird ferner dem Forschungszentrum Ispra neue Aufgaben stellen müssen, und zwar unabhängig davon, ob das dort entwickelte Reaktorkonzept ORGEL mit Hilfe der europäischen Industrie und der europäischen Elektrizitätswirtschaft weitergeführt wird oder nicht. Ohne dem Vorschlagsrecht der Kommission vorzugreifen, würden wir es begrüßen, wenn in Ispra künftig die Grundlagenforschung verstärkt wird. Wir halten es ferner für wünschenswert, den organisatorischen Status der Forschungszentren zu überprüfen.
    Eine Frage der Zukunft ist es, ob, in welchem Umfang und mit welcher Zielsetzung die gemeinsame Kommission der europäischen Gemeinschaften sich über das Gebiet der Kernenergie hinaus auch mit anderen Forschungs- und Entwicklungsaufgaben befassen sollte. Die Gemeinschaftsverträge enthalten hierfür bisher keine Rechtsgrundlage. Es spricht einiges dafür, daß eine solche Ausweitung der Aufgaben im Zuge der Verschmelzung der Gemeinschaften 'die rasche Weiterentwicklung der europäischen Forschung begünstigen und ihren Wirkungsgrad erhöhen könnte. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die Erfahrung aus der Euratom-Arbeit dabei genutzt, der Vielfalt der Erscheinungen Raum gelassen und die Freiheit wissenschaftlicher Betätigung gewahrt wird. Voraussetzung ist ferner, daß die Bestrebungen einer solchen europäischen Organisation sorgfältig die Arbeit anderer internationaler Wissenschaftsorganisationen berücksichtigen und Perfektionismus und Doppelarbeit vermieden werden. Andere Organisationen, die z. B. in der Weltraumforschung über den Kreis der Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaften hinausgreifen, dürfen in ihrer Wirksamkeit nicht beeinträchtigt werden.
    In der Weltraumforschung, meine Damen und Herren, der ich mich nun zuwenden möchte, befinden wir uns noch in einem verhältnismäßig frühen Stadium der Entwicklung. Gerade weil das Ungleichgewicht zwischen den führenden Weltmächten und den Ländern Europas hier auch heute noch wesentlich ausgeprägter ist, als es in der Kernenergie jemals war, ist internationale Zusammenarbeit hier noch dringlicher als im Bereich der Kernforschung. Das liegt nicht nur an der Begrenztheit der nationalen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten im Verhältnis zur Größe und Aufwendigkeit der Projekte, sondern auch an der Enge der geographischen Verhältnisse jedes einzelnen Landes, gemessen am weltweiten Ausmaß des Forschungsgegenstandes.



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    Die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit auf dem Weltraumgebiet hat sich zunächst in Europa hauptsächlich in den Organisationen ESRO, ELDO und CETS entwickelt.
    Das Anfangsprogramm der ELDO, das die Entwicklung und den Bau einer europäischen Raumfahrzeugträgerrakete zum Ziel hat, verzeichnet technisch eine befriedigende Entwicklung. Unvorhergesehene Kostensteigerungen haben die Organisation Anfang dieses Jahres jedoch einer ernsten politischen Belastungsprobe ausgesetzt, als Großbritannien seine weitere Mitarbeit am ELDO-Programm in Frage stellte. Die dadurch ausgelöste Krise ist inzwischen erfreulicherweise überwunden; ein geplantes Zukunftsprogramm zur Entwicklung hochenergetischer Antriebssysteme konnte jedoch unter diesen Umständen bisher nicht beschlossen und eingeleitet werden. Man hat sich zunächst auf die Vereinbarung eines Anschlußprogramms zur Leistungssteigerung der ersten ELDO-Rakete beschränkt, das durch eine Apogäums- und Perigäumsstufe ermöglichen wird, auch geostationäre Satelliten zu starten.
    Die Europäische Weltraumforschungsorganisation (ESRO) hat inzwischen in ihrem ersten wissenschaftlichen Achtjahresprogramm für die Zeit von 1964 bis 1971 bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Ein großer Teil ihrer wissenschaftlich-technischen Einrichtungen wird in naher Zukunft in Betrieb genommen sein. Da es eine ausreichende europäische Trägerkapazität bisher nicht gibt, ist die ESRO für den Start ihrer Forschungssatelliten vorerst noch auf die Hilfe der amerikanischen Weltraumbehörde angewiesen. Die Zusammenarbeit zwischen der ESRO und ihr hat sich günstig entwickelt.
    Die Europäische Konferenz für Fernmeldeverbindungen durch Satelliten hat eine speziellere Aufgabe. Ihr Zweck ist zunächst, die Interessen der europäischen Partner des Internationalen Fernmeldesatelliten-Konsortiums (INTELSAT) zu koordinieren. Daneben hat CETS ein eigenes Programm für die Entwicklung eines experimentellen Fernmeldesatelliten und für vorbereitende Studien über Fernseh-, Navigations- und Wettersatelliten ausgearbeitet. Die Bundesregierung hofft, daß über die Verwirklichung des Projekts eines europäischen Fernmeldeversuchssatelliten sehr bald entschieden werden kann. Sie erwartet davon eine weitgehende Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und eine wichtige Verstärkung der europäischen Position bei den 1969 beginnenden Verhandlungen über die endgültige Form der Errichtung eines weltweiten kommerziellen Satellitenfernmeldesystems. Die Bundesregierung glaubt ferner, daß künstliche Erdsatelliten in Zukunft für alle Arten der Nachrichtenübermittlung eine so große Bedeutung erlangen werden, daß es nicht zu verantworten wäre, sich an den hierfür erforderlichen Entwicklungsarbeiten nicht zu beteiligen.
    Trotz dieser im großen und ganzen recht günstigen Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit in den einzelnen genannten europäischen Organisationen müssen jedoch ihre Programme künftig noch stärker als bisher aufeinander abgestimmt werden. Die in dieser Richtung bestehenden Ansätze sind von der Bundesregierung nachdrücklich unterstützt worden. Die an sich erstrebenswerte Fusion der Organisationen wirft gewisse Probleme auf, weil ihre Mitgliedstaaten nicht völlig identisch sind. Eine wesentliche Initiative in diese Richtung wurde von der ELDO-Ministerkonferenz im Juli dieses Jahres ergriffen. Wir hoffen, daß sie bald zu sichtbaren Ergebnissen führt.
    Positiv haben sich auch die bilateralen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik in der Weltraumforschung entwickelt. Einen besonderen Impuls haben sie durch die beiden letzten Begegnungen zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten in Washington erhalten, in denen die Möglichkeiten für eine verstärkte europäisch-amerikanische Kooperation und für eine Verbesserung der deutschamerikanischen Zusammenarbeit in diesem Bereich erörtert wurden. Das Projekt eines deutschen Forschungssatelliten, der 1968 mit Hilfe einer amerikanischen Trägerrakete gestartet werden soll, macht gute Fortschritte; weitere Vorhaben sind begonnen oder in Aussicht genommen. Die Zusammenarbeit mit den USA eröffnet der Bundesrepublik außerdem sehr wertvolle Anregungen in Fragen des Managements und der Anwendung von Erkenntnissen der Weltraumforschung auf andere Bereiche der Wissenschaft und Wirtschaft. Die Bundesregierung hält eine multilaterale Kooperation zwischen den europäischen Organisationen ELDO und ESRO und den Vereinigten Staaten von Amerika bei großen Vorhaben für wünschenswert. Die NASA hat hierzu in jüngster Zeit einige interessante Vorschläge gemacht.
    Diese sich abzeichnende weitere Verstärkung der internationalen Beziehungen bringt jedoch nicht nur neue Impulse für die deutsche Weltraumforschung; sie zwingt auch zur verstärkten Ausrichtung der nationalen Bemühungen auf solche Projekte, die in die geplanten internationalen Vorhaben einmünden. Im Hinblick darauf bekommt die in Punkt 5 aufgeworfene Frage nach der Zusammenfassung und organisatorischen Konzentration der vorhandenen nationalen Forschungs- und Entwicklungskapazität besonderes Gewicht. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die derzeitigen Organisationsformen in Wissenschaft und Technik den Anforderungen der technisch orientierten Großforschung besonders bei der Weltraumforschung noch nicht voll gerecht werden. Ihren Einwirkungsmöglichkeiten sind jedoch Grenzen gesetzt. Viele der Einrichtungen, vor allem solche der extraterrestrischen Forschung, unterstehen den Ländern. Die Zusammenarbeit mit ihnen verlief bisher im großen und ganzen zufriedenstellend. Eine gewisse Koordination wird nicht selten durch die jeweilige Aufgabenstellung erzwungen, z. B. wenn beim ersten deutschen Forschungssatelliten mehrere Instrumente verschiedener Institute in einem einzigen Satelliten unterzubringen sind. Die Bundesregierung hält in diesem Bereich eine wesentliche Änderung des bisher bestehenden Zustandes zur Zeit nicht für angezeigt.



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    Die Verhältnisse liegen anders bei den Einrichtungen, die sich hauptsächlich mit Aufgaben der Raumflugforschung befassen. Hier handelt es sich vor allem um die in der Deutschen Gesellschaft für Flugwissenschaften zusammengeschlossenen hochschulfreien Anstalten der Flugforschung, und zwar im einzelnen um die Deutsche Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, die Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt und die Aerodynamische Versuchsanstalt Göttingen. Diese Anstalten werden fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln mehrerer Bundesministerien und verschiedener Länder unterhalten. Sie verfügen über große Versuchs- und Forschungsanlagen, die auch für die Entwicklungsarbeiten der Industrie zur Verfügung stehen. Weitere solche Anlagen sollen, wie das bereits für die Erprobung der dritten Stufe der ELDO-Rakete und des ersten Forschungssatelliten geschehen ist, künftig zentral errichtet und voraussichtlich von der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft betrieben werden. Übereinstimmend mit der Auffassung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages strebt die Bundesregierung gemeinsam mit den beteiligten Länderregierungen in der Raumflugforschung eine weitere Vereinheitlichung und organisatorische Konzentration an. Die drei Anstalten arbeiten zur Zeit selbst an Vorschlägen, sich in einer Gesellschaft enger zu verbinden und durch eine einheitlichere wissenschaftliche Leitung ihre Leistungsfähigkeit weiter zu heben.
    Eine weitergehende Konzentration ist auch im industriellen Bereich wünschenswert. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten ist die Bundesregierung bemüht, dies zu fördern. Die Kräfte des Wettbewerbs wirken in derselben Richtung, erfreuliche Teilerfolge konnten bereits erzielt werden. Nach Auffassung der Bundesregierung reichen sie allerdings bisher nicht aus, diesen Industriezweig zur optimalen Erfüllung seiner künftigen Aufgaben zu befähigen. Ein Blick über die Grenzen zeigt sehr deutlich, wohin schließlich auch bei uns die Entwicklung gehen muß und — wie ich zuversichtlich hoffe — in naher Zukunft auch gehen wird.
    Ich komme damit zur letzten Frage, die sich mit den Absichten der Bundesregierung zur künftigen Förderung der nationalen Weltraumforschung befaßt. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Weltraumforschung in Deutschland noch am Anfang steht und daß die bisherigen Förderungsprogramme hauptsächlich darauf abzielten, die Voraussetzungen künftiger Arbeit zu schaffen. In dieser Periode konnten ausgesprochene Schwerpunktprogramme im allgemeinen noch nicht in Angriff genommen werden. Die Förderung beschränkte sich vielmehr auf Studien für künftige Schwerpunkte bei gleichzeitiger Orientierung auf die sich kräftig anbahnende internationale Zusammenarbeit. Es galt dabei, die verfügbaren Kräfte zu mobilisieren und diejenigen Bereiche der deutschen Wissenschaft und Technik für eine Mitarbeit zu interessieren, die möglichst bald sinnvolle deutsche Beiträge zur Erforschung des Weltraums und den internationalen Vorhaben liefern konnten. Mit der Konkretisierung der internationalen Programme stellte sich auch eine weitgehende Schwerpunktorientierung der Förderung im nationalen Bereich zunehmend ein. Gegenwärtig werden mittelfristige Pläne zur Förderung der Weltraumforschung in den Jahren 1967 bis 1971 ausgearbeitet. Sie stützen sich in wichtigen Punkten auf das im Mai 1965 veröffentlichte „Memorandum Weltraumforschung" der Deutschen Kommission für Weltraumforschung. Diese Arbeiten werden voraussichtlich gegen Ende dieses Jahres zu einem Ergebnis führen. Ihr Ziel ist es, die Prioritäten der künftigen Förderung festzulegen, die Schwerpunkte der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zu bestimmen, ihre voraussichtlichen Kosten, ihre Zeit und ihren Personalbedarf abzuschätzen und so die Grundlage für eine künftige zielgerichtete Arbeit zu schaffen. Die beratende Tätigkeit ,der Deutschen Kommission für Weltraumforschung ist auch in diesem Zusammenhang von besonders großem Wert.
    Die genannten Bedingungen in der Weltraumforschung machen es erforderlich, das mittelfristige nationale Programm in besonders hohem Maße auf die internationalen Vorhaben abzustimmen. Große und sehr aufwendige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben werden grundsätzlich in bilateraler oder multilateraler internationaler Zusammenarbeit geplant und durchgeführt. Studien, Vorentwicklungsarbeiten und auch die Vorbereitung wissenschaftlicher Experimente müssen so ausgewählt werden, daß sie die deutsche Position in der internationalen Zusammenarbeit festigen. Die Erfahrung hat im Kernenergiebereich jedoch gezeigt — und Erfahrungen aus anderen Forschungsgebieten bestätigen es —, daß der größtmögliche Ertrag weder aus einseitig internationaler noch aus ausschließlich nationaler Orientierung der eigenen Anstrengungen zu erwarten ist. Zwischen beiden muß vielmehr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen, das noch Raum läßt für jene fruchtbare Spannung des Widerstreits, die die Voraussetzung des Erfolgs ist. Die Anfangsjahre brachten überdurchschnittliche Verpflichtungen für die internationalen Programme. Mit dem Ansteigen der Mittel für die Weltraumforschung insgesamt ergibt sich 1966 und voraussichtlich auch 1967 eine prozentuale Steigerung des Anteils für das nationale Programm in Forschung und Entwicklung.
    Ich fasse zusammen. Wir leben in einer Zeit, in der der Fortschritt der Wissenschaften ein revolutionäres Tempo angenommen hat. Darauf gestützt bahnt sich eine neue Etappe der industriellen Revolution an. In dieser Entwicklung zeichnen sich drei deutliche Schwerpunkte ab: die Erforschung und Nutzung der Kernenergie, die Erkundung und Erschließung des Weltraums und die Verarbeitung und Übertragung von Informationen. In allen drei Bereichen haben in den letzten zwanzig Jahren nachhaltige Eingriffe der Staaten den Gang der Ereignisse wesentlich beeinflußt. Auf sie geht die ungeheure, vielfach besorgniserregende wissenschaftliche und technische Überlegenheit der Weltmächte in hohem Maße zurück, die sich heute bereits auf wichtigen Märkten in kommerzielle Dominanz umgesetzt hat. Da die Großmächte gleichzeitig in ihrer Förderung der Grundlagenforschung nicht nachlassen, sondern sie im Gegenteil sogar ständig weiter verstärken, zeichnet sich ein grundlegender Umschlag dieser



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    Entwicklung zunächst nicht ab. Die europäischen Länder, die Träger der ersten industriellen Revolution waren, sind in der zweiten in manchen Bereichen in eine periphere Rolle gedrängt worden. Immerhin haben diese Länder inzwischen ebenfalls begonnen, ihre Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen außerordentlich zu verstärken und die Zusammenarbeit untereinander, aber auch mit den USA zu verbessern. Die Zeit ist zu kurz, um über diese Bemühungen bereits abschließend urteilen zu können. Als sicher kann jedoch schon heute gelten, daß das bisher Geleistete in Zukunft noch vielfach übertroffen werden muß, wenn die europäischen Länder den Anschluß an die Entwicklung in den Vereinigten Staaten und auch der Sowjetunion gewinnen und aufrechterhalten wollen.
    Die Bundesrepublik ist aus den bekannten politischen Gründen in diesen Wettlauf besonders spät eingetreten. Dennoch ist es ihr im Zusammenwirken von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat gelungen, einen großen Teil des Rückstands gegenüber ihren europäischen Partnern aufzuholen. Es ist im einzelnen deutlich geworden, wie sehr ein gutes Verhältnis zu diesen Ländern und den Vereinigten Staaten hierzu beigetragen hat. Neben den Fragen der Finanzierung und der richtigen Organisation der Forschung gewinnt das Problem der Menschen, der Gewinnung qualifizierter Kräfte wachsende Bedeutung. Die Bundesregierung wird hierüber und über die Fragen der Besoldung gesondert berichten.
    Die Lage der Kernforschung und der Kerntechnik in der Bundesrepublik berechtigt zu einem gewissen Optimismus. Die Situation der Weltraumforschung, bei der wir später begannen, ist relativ schwieriger. Dies gilt in noch stärkerem Maß für den Stand von Wissenschaft und Technik der Informationsverarbeitung. Die Bundesregierung bemüht sich, auch hier die Forschung und Entwicklung zu fördern, Schwerpunkte zu bilden und zumindest mittelfristig klare Zielvorstellungen zu entwickeln. Sie ist dabei bestrebt, ein gesundes Verhältnis zwischen Konkurrenz und Kooperation im nationalen wie im internationalen Bereich zu erlangen und zu erhalten. Ich weiß, daß dies von uns allen in Zukunft noch viel nüchterne Analysen, harte Entscheidungen, große Anstrengungen und auch Opfer erfordern wird. Sachliche und finanzpolitische Prioritätsentscheidungen sind nicht ohne die Zurückstellung vieler Wünsche möglich. Mit Lippenbekenntnissen für den Vorrang von Wissenschaft und Forschung ist es nicht getan. Es ist meine Hoffnung, daß diese Anstrengungen und diese Opfer schließlich unserem Lande und der Menschheit zum Nutzen gereichen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)