Rede von
Dr.
Walter
Becher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn sich der Deutsche Bundestag in dieser Aktuellen Stunde mit Südtirol befaßt, dann ganz bestimmt nicht, um sich zum Erfüllungsgehilfen der hier zitierten Taktik zu machen. Nämlich der Taktik, einen Keil zwischen Deutschland und Italien, einen Keil also auch in das westliche Bündnis zu treiben. Das ist in der Tat der Hintergrund der ganzen Aktion, die in den letzten Wochen aktuell gewesen ist. Es geht hier nicht nur darum, etwa karnevalistische Akzente zu sehen, es geht auch nicht nur darum, etwa zu sehen, daß die hoffentlich glückvoll endenden Verhandlungen zwischen Österreich und Italien gestört werden isollen. Es geht darum, zu sehen, daß hier die Elemente einer Strategie und einer Taktik im Gange sind, die weder gegen Bozen noch gegen Rom, sondern viel mehr gegen München und Bonn, also gegen die Bundesrepublik, zielen. In der Zwischenzeit liegen eine ganze Reihe von Dokumentationen vor, die der Herr Bundesaußenminister besitzt und die beweisen, was soeben von meinen Vorrednern vorgetragen wurde.
Ich möchte zur Ehre der italienischen Presse ein Wort aus dem schon zitierten „Il Tempo" vorlesen, der am Beginn der Kampagne sehr richtig gesagt hat:
Die Kommunisten benützen ein Minderheitenproblem, um die demokratische Republik Italien hinter dien Eisernen Vorhang zu ziehen, d. h. aus der EWG und aus der NATO herauszulösen.
Das ist die ganze Logik, daß man zuerst behauptet, deutsche Revanchisten seien an der Etsch tätig, daß Herr Cyrankiewicz von Warschau aus die Parallele zwischen, wie er sagt, den „westlichen polnischen Gebieten" und, wie er sagt, dem „Aldo Adige", also Südtirol, zieht und dann behauptet, die revanchistische Bundesrepublik wolle sich „über die DDR hinweg und über Österreich hinweg" in ,den Besitz
beider Gebiete bringen. Wir sollten also sehen, meine ich, daß hier eine breit angelegte Diffamierungsaktion im Gange ist, die sich gegen die Bundesrepublik richtet und die einen hochpolitischen Hintergund hat. Es ist bedauerlich, daß gerade die Zeitungen in Prag und auch in Warschau, die sich ansonsten als Vorkämpfer der Entspannung etablieren, zu den Hauptträgern dieser Aktion geworden sind.
Wir appellieren — ich möchte auch das unterstreichen, was Prinz Konstantin gesagt hat — zunächst einmal an die, die da glauben, mit Attentaten dieses Problem lösen zu können. Ihre Kurzsicht und ihre Moral schädigen das Südtirol-Problem mehr als alles andere. Genau diese Aktionen liefern den östlichen Propagandastellen Unterlagen für ihre Thesen.
Wir sollten auch von hier aus nochmals an die zuständigen Regierungen appellieren, möglichst rasch und möglichst gerecht eine Lösung herbeizuführen, die allen dient. Südtirol ist in gewissem Sinne ein Testfall für das neue Europa. Dieses Land, das heute ein Zankapfel zwischen den Völkern ist, könnte sehr wohl zu dem werden, wozu es von Natur aus im Kranze seiner Gärten bestimmt ist: zu einer Völker- und Länderbrücke. Wir glauben nicht, daß aus dem Geist des Risorgimento, aus dem Geist pangermanistischer Ideen oder anderer -ismen heraus dieses Ziel erreicht werden kann. Alle Parteien dieses Hauses sind sich wohl darin einig, daß der Gedanke einer Partnerschaft freier Völker in einem freien Europa allein in der Lage sein wird, auch dieses Problem zu lösen.
So meine ich, daß wir die Kampagne um Südtirol gegen die Bundesrepublik, gegen Mitglieder dieses Hauses, hoffentlich bald als eine vorübergehende Epoche betrachten können, die uns eine gute Lektion gab. Die Lehre nämlich, daß wir gehalten sind, die Gefährlichkeit gegnerischer Propagandaaktionen zu durchschauen, die nicht immer nur direkt auf uns zukommen, sondern meistens indirekt auf den Fittichen der Finte, und daß wir alle gehalten sind; solchen tief gezielten gemeinsamen Aktionen die gemeinsame Abwehr in der Solidarität der freien Völker entgegenzustellen.