Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf zu zwei Punkten eine Erklärung abgeben, erstens zur Geschäftsordnung, § 110: Kleine Anfragen. Die Geschäftsordnung sagt in Abs. 1 dieses Paragraphen:
Mitglieder des Bundestages in einer Zahl, die einer Fraktionsstärke entspricht, können von der Bundesregierung Auskunft über bestimmt bezeichnete Tatsachen in Kleinen Anfragen verlangen. Die Fragen sind dem Präsidenten mit kurzer Begründung schriftlich einzureichen.
Schon vom letzteren wurde seit Jahren Abstand genommen.
Die Regelung, die der Abs. 2 vorsieht und die der Herr Außenminister vorgetragen hat, wird seit 1950 nicht mehr angewandt. Im amtlichen Text ist deshalb in einer Fußnote vermerkt:
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat vom 23. Februar 1950
— 1950, fürwahr! —
wird lediglich in den amtlichen Mitteilungen, die ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen werden, bekanntgegeben, daß die Antwort der Bundesregierung eingegangen ist und unter welcher Drucksachennummer sie verteilt wird.
Der ganze Absatz 2, Herr Minister, wird nicht mehr praktiziert. Es steht Ihnen zweifellos frei, welche Antwort Sie geben wollen, ob Sie eine Antwort geben wollen und welche Antwort Sie geben wollen.
Es steht dann auch jedem Mitglied dieses Hauses, jeder Fraktion, frei, außer einer Kritik der Art und Weise der Behandlung die eigene Bewertung der Auskunft — oder der Nichtauskunft — abzugeben.
Das ist die Ordnung, wie sie hier seit über 15 Jahren praktiziert wird. Der Geschäftsordnungsausschuß wird sich im Laufe der nächsten Monate mit einigen solcher Unebenheiten im Wortlaut unserer Geschäftsordnung befassen müssen. Ich darf noch einmal sagen: der Wortlaut bezieht sich nicht mehr darauf — kann sich nicht mehr darauf beziehen —, weil Kleine Anfragen nur von Abgeordneten in Fraktionsstärke eingebracht werden können.
Zum Zweiten! Ein typisches Beispiel einer Kleinen Anfrage ist die Kleine Anfrage der SPD betreffend Erklärungen des Bundeskanzlers zur Europapolitik vom 14. September 1966, die ich, den Ausführungen folgend, die der Herr Minister hier gemacht hat, nun im Wortlaut hier verlese, damit sie entsprechend gewertet werden kann.
Ich erkläre zur Sache — und § 36 betrifft die tatsächliche oder persönliche Erklärung — —
— Eine tatsächliche Erklärung. — Gibt es noch mehr eine Tatsache als die Tatsache, daß hier etwas vorliegt?
Ich lese vor:
Nach Meldungen der deutschen Presse hat der Bundeskanzler auf seiner Skandinavienreise von Ende August/Anfang September 1966
unter anderem erklärt, man solle nicht bemüht sein, die politische Integration der EWG zu fördern, weil er glaube, je stärker die EWG in den Augen der übrigen Welt und vor allem der freien Nationen Europas ein politisches Gehäuse habe und ein politisches Instrument werde, umso schwieriger werde die Verständigung sein.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie lautet der authentische Text der Äußerung des Bundeskanzlers zu diesem Fragenkreis?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1966 2973
Dr. Schäfer
Diese Frage ist nicht beantwortet. — Das ist meine
tatsächliche Feststellung, damit Sie zufrieden sind: nicht beantwortet.
2. Hat der Bundeskanzler anläßlich seines Besuchs in Schweden in einer Tischrede die EWG und die EFTA als „künstliche und willkürliche Konstruktionen" bezeichnet, denen die moralische Berechtigung fehle, „wenn sie sich in einer Art Inzucht Vorteile gewähren, die sie den anderen verwehren"?
Meine tatsächliche Feststellung: nicht beantwortet! — Sind Sie jetzt zufrieden?
3. Hat die Bundesregierung das Ziel aufgegeben, die EWG im Geiste der Römischen Verträge nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft auszubauen,
sondern die durch sie geschaffenen Ansätze weiterzuentwickeln, um dadurch den politischen Zusammenschluß in Europa zu fördern?
— Nicht beantwortet.