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ID0506019600

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    Deutscher Bundestag 60. Sitzung Bonn, den 5. Oktober 1966 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Dr. h. c. Jaksch . . . . . . . . . . 2927 A Fragestunde (Drucksache V/958) Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Gefahr eines künftigen Mangels an Zahnärzten Bargatzky, Staatssekretär . . . . 2928 A Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 2928 B Dr. Meinecke (SPD) 2928 D Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Ausbau der B 27/243 von Herzberg bis Bad Lauterberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2929 A Bading (SPD) 2929 C Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . 2929 C Frage des Abg. Dr. Mommer: Ausschreibungsstopp für Bauten an Bundesstraßen in Baden-Württemberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 2929 D Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 2930 A Börner (SPD) . . . . . . . . . 2930 B Brück (Köln) (CDU/CSU) . . . . 2930 D Brück (Holz) (SPD) 2930 D Frage des Abg. Brück (Holz) : Verhinderung eines Exportauftrages der Saarbergwerke nach Schweden durch die Bundesregierung Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2931 A Brück (Holz) (SPD) 2931 A Hussong (SPD) 2931 C Frage des Abg. Dröscher: Aufstellung von Getränkeautomaten in Eil- und Nachtschnellzügen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 2931 D Dröscher (SPD) . . . . . . . . 2932 A Frage des Abg. Kaffka: Zuschlag pro Frachtbriefsendung bei Güterabfertigungen mit geringem Stückgutverkehr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2932 B Kaffka (SPD) 2932 C Frage des Abg. Kaffka: Zweckmäßige Aufstellung der Verkehrszeichen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 2932 D Frage des Abg. Ollesch: Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch Auftragung von Lackfolien auf Bundesstraßen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2933 A Borm (FDP) 2933 B Frage des Abg. Ollesch: Haftung für die Verkehrssicherheit der Straßen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 2933 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1966 Fragen des Abg. Jacobi (Köln) : Beziehungen zwischen der Verlagsgesellschaft mbH für Gegenwartskunde in Dinslaken und der Bundesregierung — Schrift „Zahlen Sie zuviel Miete?" von Hase, Staatssekretär 2933 C Jacobi (Köln) (SPD) 2934 A Dr. Schäfer (SPD) 2934 D Matthöfer (SPD) 2935 A Ott (CDU/CSU) 2935 B Sänger (SPD) . . . . . . . . 2935 B Büttner (SPD) . . . . . . . . 2935 C Frage des Abg. Borm: Berliner Fahne am deutschen Informationsstand in Brünn Dr. Schröder, Bundesminister . . 2935 C Borm (FDP) 2935 D Frage des Abg. Borm: Entfernung der Berliner Fahne vom Hotel des Berliner Bürgermeisters in New York Dr. Schröder, Bundesminister . . 2936 A Borm (FDP) 2936 B Wehner (SPD) . . . . . . . . 2936 B Fragen des Abg. Josten: Deutsch-japanischer Hochschulpraktikantenaustausch Dr. Schröder, Bundesminister . . 2936 D Josten (CDU/CSU) 2937 A Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Versorgungsschwierigkeiten für die Mitarbeiter deutscher Kultureinrichtungen in Krisengebieten Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2937 D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 2938 A Fragen des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Haltung Bulgariens zu dem Antrag der SBZ auf Zulassung als Beobachternation bei der UNO Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2938 B Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 2938 D Frage des Abg. Schultz (Gau-Bischofsheim) : Verletzung der Hoheitsrechte der Bundesrepublik durch sowjetische Hubschrauber Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2939 A Fragen des Abg. Schultz (Gau-Bischofsheim) : Unterrichtung der NATO-Verbündeten über diese Vorfälle — Zu ergreifende Gegenmaßnahmen Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2939 A Dr. Rutschke (FDP) 2939 B Frage des Abg. Folger: Kosten des Charterfluges des Bundeskanzlers nach Washington Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2939 C Folger (SPD) . . . . . . . . . 2939 D Frage des Abg. Folger: Politischer Nutzen der Reisebegleitung des Bundeskanzlers in die USA Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2939 D Folger (SPD) . . . . . . . . . 2940 A Dr. Müller (München) (SPD) . . . . 2940 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler . 2940 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 2944 B Wehner (SPD) 2949 A Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 2958 A Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2960 C Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 2964 D Dr. Barzel (CDU/CSU) Erklärung nach § 36 GO . . . . 2970 C Dr. Schäfer (SPD) Erklärung nach § 36 GO . . . . 2972 A Frau Dr. Probst, Vizepräsident . . . 2973 C von Hassel, Bundesminister . . . . 2973 D Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . . 2977 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . . 2980 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 2982 C Leicht (CDU/CSU) . . . . . . . 2985 C Dr. h. c. Jaksch (SPD) . . . . . . 2986 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 2987 A Majonica (CDU/CSU) . . . . . . 2988 C Antrag betr. Einrichtungshilfe für Sowjetzonenflüchtlinge (Abg. Frau Korspeter, Hirsch, Bartsch, Brünen, Hamacher, Kaffka, Dr. Kreutzmann, Lemper, Spillecke, Vit und Fraktion der SPD) (Drucksache V/772) 2989 A Nächste Sitzung 2989 C Anlagen 2991 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1966 2927 60. Sitzung Bonn, den 5. Oktober 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 14.30 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 55. Sitzung, Seite 2654 A, Zeile 28 statt Überwiesen werden soll an den Ausschuß für Gesundheitswesen mitberatend — usw.: Überwiesen werden soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend —, an den Ausschuß für Gesundheitswesen — mitberatend — usw. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach *) 13. 10. Dr. Adenauer 8. 10. Dr. Aigner *) 7. 10. Dr. Arndt (Berlin) 7. 10. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 7. 10. Dr. Artzinger *) 7. 10. Bauer (Wasserburg) 11. 10. Bäuerle 31. 10. Prinz von Bayern 7. 10. Frau Berger-Heise 7. 10. Berlin 20. 10. Blachstein 10. 10. Blöcker 7. 10. Deringer *) 7. 10. Dichgans *) 7. 10. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 5. 10. Dr. Dittrich *) 7. 10. Dr. Eckhardt 7. 10. Eisenmann 7. 10. Dr. Emde 6. 10. Dr. Eppler 7. 10. Erler 31. 10. Frieler 8. 10. Dr. Furler *) 7. 10. Haar (Stuttgart) 7. 10. Dr. Haas 6. 10. Hahn (Bielefeld) *) 7. 10. Frau Dr. Hubert 8. 10. Dr. Huys 5. 10. Illerhaus *) 7. 10. Kahn-Ackermann 5. 10. Klinker *) 7. 10. Dr. Koch 5. 10. Kriedemann *) 5. 10. Frau Kurlbaum-Beyer 8. 10. Lange 5. 10. Lenz (Brühl) *) 7. 10. Lenz (Trossingen) 31. 10. Lücker (München) *) 7. 10. Dr. Martin 5. 10. Mauk 7. 10. Memmel *) 7. 10. Frau Meermann 8. 10. Müller (Aachen-Land) *) 14. 10. 011esch 5. 10. Peters (Poppenbüll) 6.10. Frau Pitz-Savelsberg 7. 10. Raffert 5. 10. Frau Renger 12. 10. Riedel (Frankfurt) *) 7. 10. Saam 7. 10. Schlee 5. 10. Dr. Schmidt (Gellersen) 7. 10. *) Für die Teilnahme an Fraktions- bzw. Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Seibert 5. 10. Springorum *) 7. 10. Spitzmüller 5. 10. Frau Strobel *) 12. 10. Dr. Süsterhenn 8. 10. Teriete 20. 10. Dr. Verbeek 31. 10. Wächter 8. 10. Weimer 7. 10. Baron von Wrangel 15. 10. b) Urlaubsanträge Brand 15. 10. Burgemeister 31. 10. Köppler 21. 10. Richarts 14. 10. Anlage 2 Umdruck 100 Antrag der Fraktion der SPD zu der Erklärung der Bundesregierung vom 5. Oktober 1966. Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die Erklärung der Bundesregierung zu den außen- und sicherheitspolitischen Problemen im Rahmen des westlichen Bündnisses und seines Zusammenhalts ist unbefriedigend. 2. In der gegenwärtigen weltpolitischen Entwicklung ergeben sich besonders für die deutsche Politik neue Risiken. Es liegt im Interesse des wichtigsten Ziels der deutschen Politik, der Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit, die Entspannung in der Welt zu fördern. Zugleich ist die Aufrechterhaltung unserer Sicherheit, die gegenwärtig nur im Rahmen des westlichen Bündnisses gewährleistet ist, eines der wichtigsten Fundamente für jede Wiedervereinigungspolitik. Daher muß im Zuge der Überprüfung der Gesamtlage und der Stationierung verbündeter Truppen in Europa der Versuch gemacht werden, zwischen Ost und West Vereinbarungen über gleichwertige Truppenreduzierungen auf beiden Seiten zu treffen. Ein Vorschlag zur Rüstungsverminderung in Ost und West sollte zum Ansatzpunkt für Fortschritte in der Lösung der deutschen Frage werden. 3. Eingegangene Verpflichtungen zum Ausgleich der Devisenlasten unserer Verbündeten durch Truppenstationierungen in der Bundesrepublik Deutschland müssen eingehalten werden. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Deutschen Bundestag den Wortlaut der mit den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Ver- 2992 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1966 einigten Königreich bisher abgeschlossenen Devisenausgleichsabkommen vorzulegen. Die Veränderungen auf dem Gebiet der Militärtechnik und der Beweglichkeit der Streitkräfte können es möglich machen, für den erforderlichen Devisenausgleich zusätzliche neue Wege zu gehen. 4. Bei den kommenden Verhandlungen über die Verteilung der Lasten zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland muß die Gewährleistung der Sicherheit im Vordergrund stehen. Aufgabenstellung und Verfahrensweisen dieser Dreierverhandlungen sind so zu wählen, daß die schon bestehenden Differenzen innnerhalb des nordatlantischen Bündnisses nicht noch mehr vertieft werden. 5. Die Partnerschaft zwischen Europa und Nordamerika erfordert es, daß die in Genf laufenden Verhandlungen über die Kennedy-Runde zu einem Erfolg werden. Die Bundesregierung muß, auch wegen der besonderen deutschen politischen und wirtschaftlichen Interessen, durch konstruktive Vorschläge zum Gelingen der Verhandlungen beitragen. Bonn, den 5. Oktober 1966 Erler und Fraktion
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    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den positiven Seiten der Arbeit dieses Hauses gehört es seit 'einiger Zeit, daß die Regierung alsbald nach wichtigen außenpolitischen Vorgängen dem Deutschen Bundestag berichtet und wir darüber diskutieren. Hierzu gehört auch, ,daß so die Debatten zu außenpolitischen Fragen konkreter werden und wir nicht mehr, wie früher, vorher lang anberaumte, lang vorbereitete und lang andauernde außenpolitische Debatten haben, sondern so mehr zur Selbstverständlichkeit und zum Realitätssinn kommen. Ich glaube, dies ist eine gute Seite ,der Arbeit dieses Hauses, die man gegenüber der einen oder anderen Kritik in der Öffentlichkeit auch zunächst einmal betonen sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Bundeskanzler hat von seinen Gesprächen in Washington berichtet. Wir danken dafür. Nun, um diese letzte Reise hat Sie niemand beneidet, Herr Bundeskanzler, nicht nur weil es um harte Dollars ging, sondern weil diese Reise in eine politische Landschaft stattfand, in der, wenn ich so sagen darf, der Reiz mehr in Dornen und Abgründen als in fränkischer Lieblichkeit bestand. Ich meine hier nicht nur die schwierige innenpolitische Situation — hier wie dort —, sondern vielmehr die politische Landschaft. Und wir legen deshalb Wert darauf, eben diese politische Landschaft anfangs präzise in einigen Konturen zu bezeichnen, damit man generell deutsche Politik gerecht zu würdigen vermag —, auch was das Ergebnis dieser Reise betrifft.
    Erstens. Aus einsichtigen Gründen betreibt der ganze Westen, betreiben insbesondere die USA zugleich Sicherheitspolitik durch Abschreckung des potentiellen Gegners und Entspannungspolitik mit eben diesem Gegner. Dies ist offenkundig, dies ist vernünftig, und dies ist eine Folge der nuklearen Probleme und der Bedingungen des Weltfriedens heute. Durch den Krieg in Vietnam wird dies zugleich für die USA und ihre Position in Europa zu einer besonders schweren, täglichen Aufgabe, die viele Bereiche umfaßt, wie auch das Kommuniqué über das Ergebnis dieser Reise jedermann offenkundig macht.
    Auch für die deutsche Politik gilt dieses Zugleich von Sicherheits- und Entspannungspolitik. Natürlich setzt die Entspannungspolitik — mein Kollege Birrenbach hat das in der letzten Debatte am 23. September hier unmißverständlich dargetan—Sicherheit voraus. Wir Deutschen — darauf wollte ich jetzt abstellen —, und zuerst in Berlin, wir spüren sofort und vital jede, auch jede geringfügige Änderung im Bereich der Sicherheit wie in dem der Entspannung. So sind wir existentiell nicht nur an beidem interessiert, sondern zuerst und direkt von den Folgen der Vorgänge in beiden Bereichen betroffen. So kommt es, daß wir, auch wir, zugleich eine Politik machen — machen müssen —, die auf der einen Seite mit dem Stichwort „Friedensnote" und auf der anderen Seite mit dem Stichwort „Wehrhaushalt und Devisenausgleich" zu bezeichnen ist. Ich meine, dies muß zunächst einmal so erklärt werden.
    Das zweite Kennzeichen dieser Landschaft: unsere Sicherheit ist nur — wir haben dies immer wieder gesagt, aber es ist wichtig, es zu wiederholen — im atlantischen Bündnis mit den USA möglich. Der europäische Fortschritt aber, den wir nicht nur dringend wünschen, den wir einfach ganz unerläßlich brauchen, ist nur mit Frankreich möglich. Da diese beiden Punkte für die deutsche Politik ebenfalls zugleich gesehen werden müssen, bleiben uns für die deutsche Politik — ich glaube , die Redlichkeit gebietet es, dies hier einmal offen zu sagen Auswirkungen der Meinungsverschiedenheiten zwischen Paris und Washington auf uns leider nicht erspart. Seit dies so ist, ist die deutsche Politik objektiv erschwert. Wir legten Wert darauf, dies hier als Zweites zunächst zu bezeichnen.
    Das Dritte. Wir leben in einer Welt, die Ruhe will, die viel Sympathie für den Status quo hat. Unsere Politik aber ist anspruchsvoll, so anspruchsvoll, daß sie Veränderungen will. Ja, wir wollen sie nicht nur, sondern wir müssen sie wollen, um das Recht wiederherzustellen, nämlich das Recht auf Freiheit im ganzen Deutschland.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wer so anspruchsvoll ist, meine Damen und Herren, der kann nicht bequem sein.
    Wir legen Wert darauf, wenigstens diese drei Merkmale der gegenwärtigen politischen Landschaft hier an den Beginn zu stellen; denn nur wer diese Bedingungen sieht, wird die objektiven Möglichkeiten unserer Politik heute und morgen richtig einschätzen und nur so zu einem gerechten Urteil hier

    - 2945

    Dr. Barzel
    im Hause wie draußen kommen können über das, was ist, und das, was möglich ist.
    Nun zu den einzelnen Punkten.
    Erstens. Die Reise brachte erneut die Bestätigung, daß die USA die Wiedervereinigung Deutschlands
    wie es in dem Kommuniqué heißt — als „eines der Hauptziele ihrer Politik" betrachten. Diese Feststellung ist, zusammen mit dem erneuten Bekenntnis zum Alleinvertretungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, vor dem Hintergrund der gleichzeitigen Bemühungen der SBZ in New York, in der UNO und um die UNO herum von hohem und aktuellem Wert. Wir danken deshalb für diese Feststellung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das Zweite. In dem Kommuniqué heißt es — und das sollte man hier vorlesen —:
    Ein geeintes Europa ist ein Grundelement westlicher Stärke und Freiheit und ein Bollwerk gegen den Geist der Rivalität zwischen den Nationen, der in der Vergangenheit so viel Unheil gestiftet hat. Sie
    die Regierungen
    betonten nachdrücklich, daß Europa und Nordamerika einer gemeinsamen atlantischen Welt angehören und ein gemeinsames Schicksal teilen. Deshalb bleibt es ein vitales Interesse ihrer Außenpolitik, die Bande zwischen Nordamerika und dem sich einigenden Europa zu vermehren und enger zu gestalten.
    Meine Damen und Herren, wir hielten es für nötig, diese Sätze aus dem Kommuniqué zu zitieren. Sie sind nämlich mit der Zustimmung einer Weltmacht, die zur Zeit in Vietnam, außerhalb Europas, engagiert ist, zustande gekommen. Ich meine, daß dies eine Aufforderung an uns Europäer ist, uns zu überlegen, wann wir endlich erneut, durch Taten, unser vitales Interesse an der Vereinigung Europas beweisen und diese Vereinigung weiter vorantreiben können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In diesen Zusammenhang gehört die Feststellung — ebenfalls nach dem Kommuniqué —, „daß die Einheit des Westens zum Verständnis zwischen Ost und West beitragen wird und daß die Integration Westeuropas und die atlantische Solidarität den Weg zu einer umfassenderen Zusammenarbeit bei der Förderung der Sicherheit und des Wohlergehens Gesamteuropas eröffnen können." Wir halten dies für einen besonders konstruktiven Gedanken und unterstreichen das deshalb so, weil es unsere Fraktion unlängst für richtig fand, ihren europäischen Willen zu betonen.
    Ich möchte noch einmal sagen, wie unsere Meinung dazu ist:
    Die politische Einigung der Staaten des Gemeinsamen Marktes mit offener Tür für den Beitritt anderer Staaten zu gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung für die Lösung der großen Lebensfragen des europäischen Kontinents und eine Vorbedingung für seine politische, wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Stellung in der Welt der Zukunft.
    Es gibt auch keine bessere europäische Sicherheitspolitik als die konsequente Arbeit für die Einheit Europas.
    — Soweit ein förmlicher Beschluß unserer Fraktion von Anfang September.
    Wenn wir nun diese Sätze des Kommuniqués sehen und uns an das erinnern, was der französische Staatspräsident bei seinem letzten Besuch hier über seine Reihenfolge — Entspannung, Verständigung, Zusammenarbeit — gesagt hat, was er gesagt hat über das ganze Europa und die Rolle eines ganzen Deutschland in diesem Europa, wenn wir dann diese Sätze sehen, die mit den USA zusammen verabredet sind, dann, meine Damen und Herren, sind hier lichtvolle Perspektiven, die den Ansatz für eine gemeinsame Politik für morgen ebenso enthalten wie die Möglichkeit, insoweit auch mit dem französischen Nachbarn erneut in ein Gespräch einzutreten.
    Meine Damen und Herren, zum Dritten: Wir stellen mit Genugtuung und Freude fest, wie es auch der Herr Bundeskanzler eben getan hat, daß Fortschritt in den Fragen der zivilen Zusammenarbeit zu verzeichnen sind. Wir stellen dies mit besonderer Befriedigung fest, weil wir seit geraumer Zeit uns bemühen, diesen Problemen ihren besonderen politischen Rang zu geben. Ich möchte, damit das hier festgehalten ist, der guten Ordnung wegen an das erinnern, was für diese Fraktion in der Aussprache über die Regierungserklärung am 29. November 1965 gesagt wurde. Ich zitiere nur die wichtigsten Sätze hierzu:
    Wir, die Deutschen, müssen drängen, aus der NATO mehr zu machen als einen militärischen Verband. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der atlantischen Gemeinschaft kann noch intensiver werden.
    Wir können aber noch mehr tun: Die einigende Klammer der gemeinsamen Angst ist durch Gewöhnung und Abschreckung gewichen. Wir brauchen eine neue Klammer: die des konstruktiven, friedlichen, fortschrittlichen, gemeinsamen Tuns.
    Die Völker der atlantischen Gemeinschaft stehen doch alle vor ähnlichen gesellschaftspolitischen Problemen: vor Fragen der Bildung, der Ballung, des Verkehrs, des Städtebaus, der optimalen Sozial- und Wirtschaftsstruktur, vor Fragen des ökonomischen Wachstums, des verschmutzten Wassers, der unreinen Luft, des Lärms. Kurzum, wir alle stehen nicht nur gemeinsam vor der Frage, wie wir unsere Freiheit auch morgen miteinander sichern können; wir alle stehen zugleich vor der Chance, durch Gemeinsamkeit der Forschung, durch Austausch von Erfahrungen, durch Austausch auch von Menschen und Ideen enger zueinander und damit zugleich zu einem Mehr an Menschlichkeit und Rücksicht kommen zu können.
    So im November! Und so beglückwünschen wir die Bundesregierung, daß dieser Beginn nun so sichtbar und erfolgreich gemacht werden konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Dr. Barzel
    Wir freuen uns, daß auch die Anregungen zum Jugendaustausch und zu den technologischen Problemen von den USA offenkundig bereitwillig aufgenommen worden sind. Und wir meinen, meine Damen und Herren, daß auch in der atlantischen Gemeinschaft wir uns nicht nur mit den notwendigen Reparaturarbeiten beschäftigen sollten, sondern den Mut finden sollten, neue Straßen in ein friedlicheres Morgen, auch in der atlantischen Gemeinschaft, zu bauen. Aus diesem Denken ist diese Politik konzipiert, meine Damen und Herren.
    Vor dem finanziellen Hintergrund der Probleme dieser Debatte möchten wir nochmals — wir haben es unlängst schon getan — die technologische Frage herausstellen. Sie ist ja im Kommuniqué angesprochen. Wir sehen, daß auch andere europäische Völker, z. B. die Italiener, diese Frage in der Allianz insgesamt zur Sprache bringen. Wir möchten noch einmal betonen: Wir sehen, wie die Mächte mit einer entwickelten Raumfahrt und mit starker nuklearer Position Ergebnisse der aus Steuermitteln betriebenen militärischen und staatlichen Forschung ihrer Industrie zur Verfügung stellen. Unsere Patent- und Lizenzbilanz ist negativ. Die Arbeitsteilung im Bündnis, Devisenhilfe und anderes zwingen uns, auch diese Fragen international auf den Tisch zu legen. Auch dies ist geschehen. Dies wird und muß weiter verfolgt werden. Auch insoweit wollen wir den Dank an die Bundesregierung hier ganz besonders unterstreichen.
    Der Vierte Punkt: Es ist gut, daß unsere Position zum Problem Vietnam klar und unverändert ist. Sie bleibt: humanitäre Hilfe ja, militärisches Engagement nein. Wir unterstreichen, was der Herr Bundeskanzler hierzu sagte. In Vietnam wird die weltweite Gefahr ebenso deutlich wie das Stehen der USA zum gegebenen Wort. Ich meine, wir alle miteinander sollten von dieser Stelle den Friedensbemühungen des amerikanischen Präsidenten in Vietnam vollen und baldigen Erfolg wünschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zum fünften. Unter dem Gesichtspunkt der atlantischen Sicherheit ist abgemacht worden, die künftigen Anforderungen an das Bündnis zu erörtern und grundsätzlich zu überprüfen. Dies soll auch — so verstehen wir das — zwischen den USA, Großbritannien und uns geschehen. Wir begrüßen die Feststellung — und legen besonderen Wert auf sie —, daß nach dem Kommuniqué an der Behandlung dieser Fragen alle NATO-Verbündeten mitwirken wollen. Diese Offenheit für alle halten wir für selbstverständlich und für wichtig. Denn wir erstreben weder einen besonderen Bilateralismus noch eine besondere militärische Position in der Allianz. Unser Ehrgeiz gilt anderen Dingen. Unsere Politik bleibt — wir haben es bei der ersten Debatte über die künftige Politik, nachdem die Franzosen ihre Politik zur NATO reformiert hatten,dargetan —: Sicherheit im Bündnis bei prinzipiell gleichen Rechten aller.
    An ,diese Stelle gehört nun für uns — und wir als Fraktion der CDU/CSU legen großen Wert darauf — der Hinweis auf Frankreich. Frankreich ist unser Nachbar. Unser beider Schicksal ist unteilbar. Es sollte möglich sein, bald Klarheit über den Verbleib der französischen Truppen in Deutschland zu schaffen. Wir wünschen, daß sie bleiben. Die jüngste Erklärung des Herrn französischen Außenministers, „daß im Falle eines sowjetischen Angriffs auf Deutschland die französische Regierung zu ihren vertraglichen Bindungen stehe", sollte und könnte hier wohl manches erleichtern. Wir erinnern, wenn es um solche Fragen geht wie die jetzt hier angeschnittenen, auch an den deutsch-französischen Vertrag und daran, daß wir diese Zukunftsfragen auch miteinander, auch mit Frankreich, zu erörtern haben und erörtert zu sehen wünschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und nun, sechstens, zu den finanziellen Dingen. Allem voran und in aller Form erklären wir: Unser Wort gilt. Wir stehen zu dem Wort, das unsere Regierung der Regierung der USA gegeben hat. Wir stehen dazu, so wie es gegeben wurde. Über die Modalitäten der Zahlung muß gesprochen werden, in der Regierung, mit dem Parlament und mit den Verbündeten. Unser Wort gilt; daran sollte kein Zweifel sein. Unsere Sicherheit steht auf dem Wort der USA. Deshalb möchten wir uns an dieser Stelle — und wir tun dies aus einer menschlichen Gesinnung — in aller Form für den Schutz durch die USA bedanken, dankbar sein für die Anwesenheit ihrer Truppen hier, dankbar den Bürgern der USA, die hier Dienst tun, und dankbar ihren Angehörigen zu Hause.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn, wie wir hoffen, der Präsident der USA nach Deutschland kommen wird, dann wird er sich selbst davon überzeugen können, daß so das Volk, das ganze Volk denkt, und ich bin sicher, allen voran das Volk von Berlin.
    Wir sagen noch einmal: Freiheit ist teuer. Sicherheit gibt es nicht umsonst. Atomschutz hat seinen Preis. Aus dieser Gesinnung, und allein aus dieser, müssen wir hier aber auch einiges anmerken. Auch wir haben ökonomische Probleme. Auch unserer Haushaltspolitik sind objektive Belastungsgrenzen gesetzt. Die Lage Deutschlands im Bündnis ist schon geographisch von besonderer Art. Hier muß politisch und ökonomisch Stabilität und sozialer Fortschritt bleiben, bleiben auch im Gesamtinteresse des Bündnisses. So meinen wir, daß vor langfristigen weiteren Verpflichtungen auch eine Erörterung unter uns hier noch notwendig ist. Wir wissen, in unsere Kassen fließen Dollars, welche die Truppen hier ausgeben. Wir sind bemüht und unterstützen die Bundesregierung dabei, diese Belastung der US-Zahlungsbilanz auch künftig zu erleichtern.
    Wir wissen weiter, daß die Anwesenheit der US-Truppen in Deutschland nicht nur wichtig für Deutschland, sondern wichtig für alle Europäer ist. Wir wissen auch, daß die USA ein eigenes Interesse haben, sich selbst in Europa zu verteidigen, wie auch ein eigenes Interesse haben — aus eigenen politischen Gründen —, hier nicht nur militärisch anwesend, sondern stark anwesend zu sein.



    Dr. Barzel
    Meine Damen und Herren, wir weisen darauf hin — und wir tun dies aus guten Gründen —, daß wir die Schwierigkeiten für den Dollar nicht durch eine bestimmte Goldpolitik verstärken, daß wir zusammen mit anderen das Pfund stützen, usf. Wir meinen, daß alles dies in diese Debatte gehört. Wir sind, auch deshalb und in aller Form, bereit, die Position der Bundesregierung zu unterstützen, und wir werden dazu bereit bleiben.
    Nun siebentens zu der Frage der Non-Proliferation und den atomaren Problemen im Bündnis. Hierzu haben sich unsere Kollegen in der Debatte am 23. September unmißverständlich geäußert. Das gilt. Ich kann deshalb jetzt darauf verzichten. Aber ich möchte doch folgende Erwägung zur Debatte stellen.
    Ich möchte, daß wir nicht — ich zitiere jetzt etwas —
    den amerikanischen Vorschlag (MLF) behandeln, als sei er nie gemacht worden. Es kann sich also nur darum handeln, etwas Besseres zu finden und nicht unter Umständen durch unser eigenes Verhalten dazu beizutragen, daß überhaupt keine Lösung gefunden wird. Ich werde Vorschläge der Regierung sorgfältig prüfen, wenn sie auf dem Tisch liegen. Ich bin nicht bereit, heute schon zu sagen: Ich lehne einen Vorschlag ab, der noch gar nicht da ist, dessen Einzelheiten man nicht kennt.
    Soweit Fritz Erler in der „Welt" vom 11. Dezember 1965 in einer Meldung, überschrieben: „SPD lehnt deutsche Beteiligung an nuklearem Waffensystem nicht ab — Erler und Wehner korrigieren Helmut Schmidt".

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich will dies ganz sachlich als eine Frage an Sie hier weiter formulieren. Denn Herr Kollege Erler meinte weiter — ich zitiere dieselbe Stelle —, er habe immer die politische Lösung vorgezogen, aber er möchte nicht, daß die Deutschen dadurch, daß sie den kollektiven Mitbesitz ablehnten, wenn sie die bessere politische Lösung nicht bekämen, zum Schluß allein auf dem Trockenen säßen.
    Die Proliferation geht weiter. Die ganze Welt rüstet atomar auf, und nur die Deutschen als die einzigen werden dann dadurch gebrandmarkt, daß sie ihre Sicherheit ausschließlich von den Entschlüssen anderer abhängig machen müssen. Das geht nicht. Deswegen möchte ich also, daß wir zunächst uns um das Bessere bemühen, aber nicht beim Schlechtesten landen.
    Soweit, meine Damen und Herren, Fritz Erler.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das war sehr gut!)

    — Ich fand es so gut, daß man es nicht besser sagen konnte.
    Wir Deutschen haben auf diesem Gebiet vorgeleistet und sind Verzichte freiwillig eingegangen. Wir haben in der Friedensnote weitergehende eigene Vorschläge gemacht. Für uns bleiben alle militärischen Fragen allein solche der Sicherheit. Unsere Lage, wie unsere politische Substanz, wie auch heute schon sichtbare Fragen der Zukunft erlauben uns keine Verzichte ins Blaue.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die erstrebte Partnerschaft zwischen den USA und Europa im Bündnis erfordert zumindest, daß diese Frage offen bleibt. Ich habe in einer früheren Debatte hierzu die Äußerungen des Präsidenten Kennedy zitiert. Ich kann es mir jetzt ersparen. Nur wenn die Debatte weitergeht, würde ich darauf zurückkommen.
    Ich möchte nun auf die Frage an die Sozialdemokraten — und dies ist eine sehr wichtige Frage — hinsichtlich des Grades der Gemeinsamkeit und auch hinsichtlich der Unterstützung der Bundesregierung durch dieses ganze Haus in einer wichtigen Angelegenheit zusteuern. Um noch einmal den Sachverhalt darzustellen: Herr Kollege Erler hat bei der Aussprache, die wir am 30. November des vergangenen Jahres hatten, in einer Zwischenfrage, die er an seinen Fraktionskollegen Helmut Schmidt richtete, Wert auf die Feststellung gelegt, daß die Beschlüsse des Karlsruher Parteitages der Sozialdemokratischen Partei, gegen die sich unser früherer Kollege Brauer gewehrt habe, kein Wort über die MLF enthielten, sondern lediglich ja gesagt hätten zu einer atomaren Gemeinschaftslösung. Nun ist es vielleicht gut, den tatsächlichen Text der in Betracht kommenden Passage der Karlsruher Beschlüsse der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hier noch einmal in Erinnerung zu rufen. Der Text lautet:
    Die Sicherheit Europas verlangt angesichts der Reichweite und der Kosten moderner Waffensysteme eine enge Verflechtung des amerikanischen Verteidigungspotentials mit dem europäischen. Eine solche Verflechtung auch auf atomarem Gebiet würde die beste Gewähr dafür bieten, die weitere Ausdehnung der nationalen Verfügungsgewalt über Atomwaffen zu verhindern.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Deshalb hält der Parteitag eine von möglichst vielen Mitgliedstaaten des atlantischen Bündnisses getragene Gemeinschaftslösung der atomaren Verteidigungsprobleme für erforderlich, damit nicht das böse Beispiel nationaler Verfügungsgewalt Schule macht und die Allianz zerstört. Eine solche Gemeinschaftslösung, wie sie in der zur Zeit in Verhandlung begriffenen multilateralen Streitmacht angestrebt wird, ist infolgedessen ein wirksames Mittel, dem atomaren Wettrüsten entgegenzutreten und bessere Voraussetzungen für großräumige Vereinbarungen zur Verringerung der Gefahr eines atomaren Konfliktes zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    So weit der Beschluß des Karlsruher Parteitages der SPD.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ich nehme an, Sie werden mit Freude daran erinnert, meine Damen und Herren von der Opposition.



    Dr. Barzel
    Der Herr Kollege Schmidt hat dann in der Debatte am 30. November ausdrücklich festgestellt, daß er unsere Forderung nach Teilhabe ,am nuklearen Entscheidungsprozeß durchaus unterschreiben könne, und er hat dann vier Punkte, die die SPD für zweckmäßig undmöglich hielte, hier vorgetragen. Ich will sie nicht noch einmal vorlesen; sich habe sie hier.
    Und nun, meine Damen und Herren, ist die Aussprache, die wir am Freitag der vorvergangenen Woche, also am 23. September, vor der Reise des Herrn Bundeskanzlers, hatten, eben doch sehr interessant. Herr Kollege Schmidt hat — wenn ich 'es so ausdrücken darf — diesen damaligen Standpunkt weiterentwickelt. Er hat nunmehr die Forderung nach einem deutschen Vetorecht, die ereinen der Türöffner für eine Institutionalisierung gemeinsamer strategischer Planung des Westens nannte, an die Spitze gestellt. Die Amerikaner, so führte er aus, seien dabei, die Klausel, die auf eine Gemeinschaftslösung in der Allianz hinauslaufen sollte, auf eine reine Konsultativklausel einzuschränken. Wenn wir noch lange warteten, dann bekämen wir für einen deutschen Verzicht auf eine solche Klausel von den Amerikanern überhaupt nichts mehr. Die Forderung auf Mitbesitz oder auf Mitbestimmung, wie sie die Herren von Hassel und Schrader 'immer wieder aufgestellt hätten, sollten wir aufgeben.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Der Bundeskanzler solle in Washington sagen, er möchte dafür die Institutionalisierung deutscher Mitwirkung in der Planung im Bündnis und das 'deutsche Vetorecht haben.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich glaube aus sachlichen Gründen das einmal ausführlich und genau hier in die Debatte einführen zu müssen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und ich bedauere, daß ich auch nicht umhinkann, den ersten Sprecher der Opposition, den Herrn Kollegen Erler, hier zu erwähnen. Es läßt sich doch nicht bestreiten, daß die Opposition seit dem Karlsruher Parteitag .in der nuklearen Frage einen größeren Weg zurückgelegt hat.

    (Abg. Wehner: Man merkt ihnen Ihre Gewissensnot direkt an, wie Sie sich so quälen, uns das zu sagen! — Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    — Herr Kollege Wehner, Sie werden gleich das Vergnügen haben, auf eine sehr konkrete Frage, die ich noch immer vorbereite, zu antworten. Es scheint doch ein interessanter Punkt zu sein.
    Ich finde also, daß sich in der Argumentation des Karlsruher Parteitages eine ganz vernünftige Ansicht niederschlägt. Wir wollen 'deshalb noch einmal die Unterscheidung in drei Punkten formulieren, und dann kommt die Frage, Herr Kollege Wehner.
    Erstens: Es geht bei der Nichtweiterverbreitung der Atomwaffen darum, die Ausdehnung nationaler Verfügungsgewalt über Atomwaffen zu verhindern. Das ist unser Ziel, das ist immer deutlich geworden. Der Karlsruher SPD-Parteitag stellte zu Recht fest,
    daß dafür in der atlantischen Allianz durch die Verflechtung des amerikanischen Potentials mit dem europäischen die beste Gewähr geboten wird.
    Zweitens: Es kann und darf keine Täuschung darüber entstehen, daß eine Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, so wie sie jetzt international verhandelt wird, noch nichts mit Abrüstung zu tun hat. Fortschritte in der Abrüstung scheitern bis zur Stunde an der Weigerung der Sowjetunion, in eine wirksame Kontrolle einzuwilligen. Wir bleiben aber bei der Erklärung, daß sich die Bundesrepublik jedem allgemeinen kontrollierten Abrüstungsschritt der Großmächte anschließen würde.
    Und drittens, damit wir hier keine Popanze aufbauen: Das Kontrollsystem steht dann einer Rüstungsbegrenzung nicht im Wege, wenn diese dadurch als Entspannungsmaßnahme gekennzeichnet ist, daß mit ihr, eventuell schrittweise, Lösungen der politischen Probleme verbunden sind. —
    Ich denke, dies ist eine klare Position. Und nun, Herr Kollege Wehner, habe ich eine Frage an Sie. Sie wie wir sind in einer wichtigen Institution, dem sogenannten Monnet-Komitee, dem Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa, miteinander tätig. Wir alle erinnern uns sicher der denkwürdigen Sitzung vom 8./9. Mai des vergangenen Jahres in Berlin, und ich nehme an, wir alle erinnern uns gern der Beschlußfassung dieses Komitees. Darf ich aus dieser Beschlußfassung eine Passage, die hierzu gehört, vortragen. Es heißt in der Erklärung des Komitees, die wir miteinander erarbeitet, der wir miteinander zugestimmt haben:
    Auf atomarem Gebiet ist es gegenwärtig nicht möglich, eine Partnerschaft zwischen Amerika und Europa auf der Grundlage der Gleichberechtigung zu verwirklichen. Das Aktionskomitee ist aber der Auffassung, daß die Länder Europas und die Vereinigten Staaten sobald wie möglich gemeinsam nach Mitteln und Wegen suchen müßten, um in einer Gemeinschaftsaktion schrittweise eine Situation herbeizuführen, in der die großen Entscheidungen gemeinsam getroffen und die Lasten verteilt werden. Auf diese Weise wird die atlantische Allianz gestärkt, die unerläßlich ist für die Erhaltung des Gleichgewichts, das zur Gestaltung einer dauerhaften Koexistenz zwischen Ost und West und einer schrittweisen und echten Abrüstung notwendig ist.
    Herr Kollege Wehner, wir sind interessiert, zu hören, ob diese Position noch unsere gemeinsame Position ist. Diese Frage müssen Sie mir erlauben. Sie hier zu stellen ist im Interesse der Sache dringend geboten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Das Kommuniqué über die Reiseergebnisse und der Bericht des Bundeskanzlers halten nicht nur fest, was gegenwärtig ist, sondern hier sind Möglichkeiten zu konstruktiven Fortschritten nach morgen eröffnet worden. Dafür danken wir. Der Herr Bundeskanzler hat eindringlich vom ganzen Deutschland gesprochen. Es bleibt unsere Pflicht — notfalls eine



    Dr. Barzel
    unbequeme Pflicht —, nicht nur einseitige Maßnahmen zu verhindern, die vielleicht im „do ut des" Fortschritte zur Entspannung bringen könnten, sondern auch die Lösung der deutschen Frage, wenn auch schrittweise, in die künftige Gesamtpolitik des Bündnisses, wenn ich so sagen darf, einzuweben. Auch das muß Gegenstand der Gespräche mit den USA und Großbritannien sein; und weil dies so ist, brauchen wir, auch dafür, Frankreich.
    Meine Damen und Herren, der Kanzler hat mit den Worten geschlossen, daß es um die Zukunft der Freiheit geht. Wir stimmen ihm zu, und wir meinen nach wie vor, die Zukunft der Freiheit wird zuerst in Europa, zuerst in Deutschland und zu allererst in der deutschen Hauptstadt, in Berlin, entschieden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis zu dieser Debatte hatten wir, wenn wir uns über den Verlauf und die Ergebnisse der Washingtoner Besprechungen orientieren wollten, das Kommuniqué. Seit heute haben wir einige Umrahmungen zu diesem Kommuniqué. Vor der Reise hat ein Mitglied dieser Regierung einen Artikel veröffentlicht, der schon durch die Überschrift „Mit Sorgen nach Washington" ausdrückte, was wohl alles im Lager der Regierung zu überlegen ist. Ich habe den Artikel mit Interesse gelesen — sicher andere auch —, wenn ich auch, damals schon, enttäuscht darüber war, daß die Lektüre nicht zu einer größeren Klarheit über die etwaigen tatsächlichen Absichten und Handlungen der Bundesregierung verhelfen konnte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich könnte mir vorstellen, daß nach der heutigen Erklärung — —

    (Zuruf des Abg. Majonica.)

    — Auf Sie, Herr Majonica, würde ich dasselbe Schlagwort anwenden, das Sie in Ihrer Fraktion gegenüber Leuten, die Interviews geben, anwenden, wenn Sie jetzt den Mund so aufmachen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Abg. Majonica: Mehr fällt Ihnen nicht ein!)