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ID0506019400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 60. Sitzung Bonn, den 5. Oktober 1966 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Dr. h. c. Jaksch . . . . . . . . . . 2927 A Fragestunde (Drucksache V/958) Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Gefahr eines künftigen Mangels an Zahnärzten Bargatzky, Staatssekretär . . . . 2928 A Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 2928 B Dr. Meinecke (SPD) 2928 D Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Ausbau der B 27/243 von Herzberg bis Bad Lauterberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2929 A Bading (SPD) 2929 C Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . 2929 C Frage des Abg. Dr. Mommer: Ausschreibungsstopp für Bauten an Bundesstraßen in Baden-Württemberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 2929 D Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 2930 A Börner (SPD) . . . . . . . . . 2930 B Brück (Köln) (CDU/CSU) . . . . 2930 D Brück (Holz) (SPD) 2930 D Frage des Abg. Brück (Holz) : Verhinderung eines Exportauftrages der Saarbergwerke nach Schweden durch die Bundesregierung Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2931 A Brück (Holz) (SPD) 2931 A Hussong (SPD) 2931 C Frage des Abg. Dröscher: Aufstellung von Getränkeautomaten in Eil- und Nachtschnellzügen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 2931 D Dröscher (SPD) . . . . . . . . 2932 A Frage des Abg. Kaffka: Zuschlag pro Frachtbriefsendung bei Güterabfertigungen mit geringem Stückgutverkehr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2932 B Kaffka (SPD) 2932 C Frage des Abg. Kaffka: Zweckmäßige Aufstellung der Verkehrszeichen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 2932 D Frage des Abg. Ollesch: Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch Auftragung von Lackfolien auf Bundesstraßen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2933 A Borm (FDP) 2933 B Frage des Abg. Ollesch: Haftung für die Verkehrssicherheit der Straßen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 2933 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1966 Fragen des Abg. Jacobi (Köln) : Beziehungen zwischen der Verlagsgesellschaft mbH für Gegenwartskunde in Dinslaken und der Bundesregierung — Schrift „Zahlen Sie zuviel Miete?" von Hase, Staatssekretär 2933 C Jacobi (Köln) (SPD) 2934 A Dr. Schäfer (SPD) 2934 D Matthöfer (SPD) 2935 A Ott (CDU/CSU) 2935 B Sänger (SPD) . . . . . . . . 2935 B Büttner (SPD) . . . . . . . . 2935 C Frage des Abg. Borm: Berliner Fahne am deutschen Informationsstand in Brünn Dr. Schröder, Bundesminister . . 2935 C Borm (FDP) 2935 D Frage des Abg. Borm: Entfernung der Berliner Fahne vom Hotel des Berliner Bürgermeisters in New York Dr. Schröder, Bundesminister . . 2936 A Borm (FDP) 2936 B Wehner (SPD) . . . . . . . . 2936 B Fragen des Abg. Josten: Deutsch-japanischer Hochschulpraktikantenaustausch Dr. Schröder, Bundesminister . . 2936 D Josten (CDU/CSU) 2937 A Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Versorgungsschwierigkeiten für die Mitarbeiter deutscher Kultureinrichtungen in Krisengebieten Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2937 D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 2938 A Fragen des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Haltung Bulgariens zu dem Antrag der SBZ auf Zulassung als Beobachternation bei der UNO Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2938 B Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 2938 D Frage des Abg. Schultz (Gau-Bischofsheim) : Verletzung der Hoheitsrechte der Bundesrepublik durch sowjetische Hubschrauber Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2939 A Fragen des Abg. Schultz (Gau-Bischofsheim) : Unterrichtung der NATO-Verbündeten über diese Vorfälle — Zu ergreifende Gegenmaßnahmen Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2939 A Dr. Rutschke (FDP) 2939 B Frage des Abg. Folger: Kosten des Charterfluges des Bundeskanzlers nach Washington Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2939 C Folger (SPD) . . . . . . . . . 2939 D Frage des Abg. Folger: Politischer Nutzen der Reisebegleitung des Bundeskanzlers in die USA Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2939 D Folger (SPD) . . . . . . . . . 2940 A Dr. Müller (München) (SPD) . . . . 2940 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler . 2940 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 2944 B Wehner (SPD) 2949 A Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 2958 A Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2960 C Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 2964 D Dr. Barzel (CDU/CSU) Erklärung nach § 36 GO . . . . 2970 C Dr. Schäfer (SPD) Erklärung nach § 36 GO . . . . 2972 A Frau Dr. Probst, Vizepräsident . . . 2973 C von Hassel, Bundesminister . . . . 2973 D Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . . 2977 D Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . . 2980 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 2982 C Leicht (CDU/CSU) . . . . . . . 2985 C Dr. h. c. Jaksch (SPD) . . . . . . 2986 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 2987 A Majonica (CDU/CSU) . . . . . . 2988 C Antrag betr. Einrichtungshilfe für Sowjetzonenflüchtlinge (Abg. Frau Korspeter, Hirsch, Bartsch, Brünen, Hamacher, Kaffka, Dr. Kreutzmann, Lemper, Spillecke, Vit und Fraktion der SPD) (Drucksache V/772) 2989 A Nächste Sitzung 2989 C Anlagen 2991 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1966 2927 60. Sitzung Bonn, den 5. Oktober 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 14.30 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 55. Sitzung, Seite 2654 A, Zeile 28 statt Überwiesen werden soll an den Ausschuß für Gesundheitswesen mitberatend — usw.: Überwiesen werden soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend —, an den Ausschuß für Gesundheitswesen — mitberatend — usw. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach *) 13. 10. Dr. Adenauer 8. 10. Dr. Aigner *) 7. 10. Dr. Arndt (Berlin) 7. 10. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 7. 10. Dr. Artzinger *) 7. 10. Bauer (Wasserburg) 11. 10. Bäuerle 31. 10. Prinz von Bayern 7. 10. Frau Berger-Heise 7. 10. Berlin 20. 10. Blachstein 10. 10. Blöcker 7. 10. Deringer *) 7. 10. Dichgans *) 7. 10. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 5. 10. Dr. Dittrich *) 7. 10. Dr. Eckhardt 7. 10. Eisenmann 7. 10. Dr. Emde 6. 10. Dr. Eppler 7. 10. Erler 31. 10. Frieler 8. 10. Dr. Furler *) 7. 10. Haar (Stuttgart) 7. 10. Dr. Haas 6. 10. Hahn (Bielefeld) *) 7. 10. Frau Dr. Hubert 8. 10. Dr. Huys 5. 10. Illerhaus *) 7. 10. Kahn-Ackermann 5. 10. Klinker *) 7. 10. Dr. Koch 5. 10. Kriedemann *) 5. 10. Frau Kurlbaum-Beyer 8. 10. Lange 5. 10. Lenz (Brühl) *) 7. 10. Lenz (Trossingen) 31. 10. Lücker (München) *) 7. 10. Dr. Martin 5. 10. Mauk 7. 10. Memmel *) 7. 10. Frau Meermann 8. 10. Müller (Aachen-Land) *) 14. 10. 011esch 5. 10. Peters (Poppenbüll) 6.10. Frau Pitz-Savelsberg 7. 10. Raffert 5. 10. Frau Renger 12. 10. Riedel (Frankfurt) *) 7. 10. Saam 7. 10. Schlee 5. 10. Dr. Schmidt (Gellersen) 7. 10. *) Für die Teilnahme an Fraktions- bzw. Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Seibert 5. 10. Springorum *) 7. 10. Spitzmüller 5. 10. Frau Strobel *) 12. 10. Dr. Süsterhenn 8. 10. Teriete 20. 10. Dr. Verbeek 31. 10. Wächter 8. 10. Weimer 7. 10. Baron von Wrangel 15. 10. b) Urlaubsanträge Brand 15. 10. Burgemeister 31. 10. Köppler 21. 10. Richarts 14. 10. Anlage 2 Umdruck 100 Antrag der Fraktion der SPD zu der Erklärung der Bundesregierung vom 5. Oktober 1966. Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die Erklärung der Bundesregierung zu den außen- und sicherheitspolitischen Problemen im Rahmen des westlichen Bündnisses und seines Zusammenhalts ist unbefriedigend. 2. In der gegenwärtigen weltpolitischen Entwicklung ergeben sich besonders für die deutsche Politik neue Risiken. Es liegt im Interesse des wichtigsten Ziels der deutschen Politik, der Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit, die Entspannung in der Welt zu fördern. Zugleich ist die Aufrechterhaltung unserer Sicherheit, die gegenwärtig nur im Rahmen des westlichen Bündnisses gewährleistet ist, eines der wichtigsten Fundamente für jede Wiedervereinigungspolitik. Daher muß im Zuge der Überprüfung der Gesamtlage und der Stationierung verbündeter Truppen in Europa der Versuch gemacht werden, zwischen Ost und West Vereinbarungen über gleichwertige Truppenreduzierungen auf beiden Seiten zu treffen. Ein Vorschlag zur Rüstungsverminderung in Ost und West sollte zum Ansatzpunkt für Fortschritte in der Lösung der deutschen Frage werden. 3. Eingegangene Verpflichtungen zum Ausgleich der Devisenlasten unserer Verbündeten durch Truppenstationierungen in der Bundesrepublik Deutschland müssen eingehalten werden. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Deutschen Bundestag den Wortlaut der mit den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Ver- 2992 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1966 einigten Königreich bisher abgeschlossenen Devisenausgleichsabkommen vorzulegen. Die Veränderungen auf dem Gebiet der Militärtechnik und der Beweglichkeit der Streitkräfte können es möglich machen, für den erforderlichen Devisenausgleich zusätzliche neue Wege zu gehen. 4. Bei den kommenden Verhandlungen über die Verteilung der Lasten zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland muß die Gewährleistung der Sicherheit im Vordergrund stehen. Aufgabenstellung und Verfahrensweisen dieser Dreierverhandlungen sind so zu wählen, daß die schon bestehenden Differenzen innnerhalb des nordatlantischen Bündnisses nicht noch mehr vertieft werden. 5. Die Partnerschaft zwischen Europa und Nordamerika erfordert es, daß die in Genf laufenden Verhandlungen über die Kennedy-Runde zu einem Erfolg werden. Die Bundesregierung muß, auch wegen der besonderen deutschen politischen und wirtschaftlichen Interessen, durch konstruktive Vorschläge zum Gelingen der Verhandlungen beitragen. Bonn, den 5. Oktober 1966 Erler und Fraktion
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte heute dem Hohen Hause über die Gespräche berichten, die ich am 26. und 27. September in Washington mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in gewohnter Aufgeschlossenheit geführt habe. Es war dies unsere fünfte Begegnung. Die Gewißheit, daß wir mit unseren amerikanischen Freunden auch kontroverse Fragen in aller Offenheit besprechen können, ohne gleich befürchten zu müssen, daß unsere Freundschaft Schaden nimmt, ließ mich nicht zögern, diese Probleme in diesem Augenblick anzusprechen und den Versuch zu machen, sie einer Klärung näherzubringen.
    Wieder einmal hat sich gezeigt, daß die regelmäßige Erörterung und Abstimmung in den Hauptfragen der beiderseitigen Politik nicht nur im Interesse der deutsch-amerikanischen Beziehungen, sondern auch im Interesse der Stabilität des Bündnisses liegen und daher unerläßlich sind. Die Botschaft, die mir Präsident Johnson nach meiner Rückkehr aus Washington übermittelt hat, ist ein Beweis dafür, daß unsere Begegnung auch in den Vereinigten Staaten als eine Verstärkung der Partnerschaft zwischen unseren beiden Ländern verstanden wurde.
    Der Besuch vermittelte erneut die feste Gewißheit der Freundschaft und der sich intensivierenden Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten, nicht nur in den politischen Kernfragen, sondern auch auf wichtigen und neuen Gebieten der modernen technologischen, wissenschaftlichen und zivilisatorischen Entwicklung. Er bestätigte erneut die Übereinstimmung in der Bewertung der Deutschlandfrage, der Fragen der europäischen Einigung und der Fragen des atlantischen Bündnisses. In dem gemeinsamen Abschlußkommuniqué sind die Ergebnisse der Washingtoner Besprechungen bereits eingehend dargelegt worden. Sie sind Ihnen daher bekannt.
    Ich darf mich deshalb heute darauf beschränken, einige wesentliche Punkte hervorzuheben. In un



    Bundeskanzler Dr. Erhard
    serem Gedankenaustausch über Europa konnte ich feststellen, daß die amerikanische Europapolitik nach wie vor von dem Gedanken bestimmt wird, daß die Vereinigten Staaten zur Aufrechterhaltung von Freiheit, Sicherheit und Wohlstand in der Welt eines starken Partners in einem geeinten Europa bedürfen. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß das amerikanische Interesse an der europäischen Einigung unvermindert groß ist und daß die Vereinigten Staaten alles daransetzen wollen, die Bande mit Europa zu vermehren und enger zu gestalten.
    Ich habe meinerseits gegenüber meinen amerikanischen Gesprächspartnern das Ziel unserer Außenpolitik, die europäische Einheit zu festigen, erneut hervorgehoben und auf die jahrelangen deutschen Bemühungen auf diesem Gebiete hingewiesen. Die Notwendigkeit, Europa zu einen, wird meines Erachtens zukünftig wieder stärker in das politische Bewußtsein treten.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung läßt sich durch Hindernisse und Schwierigkeiten nicht entmutigen, und wir werden jede sich bietende Möglichkeit, Fortschritte zu erzielen, zu nutzen wissen.
    Die Ost-West-Beziehungen und die Suche nach Möglichkeiten, sie zu verbessern, waren ebenfalls Gegenstand der Erörterungen. Präsident Johnson und ich waren frei von Illusionen über die Haltung der Sowjetunion. Aber wir waren uns auch darüber einig, daß wir — jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten — nach Wegen zu einer Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion suchen wollen. Wir stimmten darin überein, daß diese Politik keinen Selbstzweck darstellt, sondern nur dann sinnvoll ist, wenn sie in eine gesamteuropäische Lösung und in die deutsche Wiedervereinigung einmünden müsse. Deutschland hat ein unmißverständliches ureigenes Interesse daran, daß die Spannungen zwischen den Mächtegruppierungen abgebaut werden und ein Ausgleich erzielt wird, der es uns nicht zuletzt in Europa erlaubt, in einer der europäischen Geschichte und der geistigen Einheit entsprechenden Weise miteinander zu verkehren. Wenn wir alle anerkennen, daß eine Veränderung der bestehenden Verhältnisse nicht mit Gewalt erzwungen werden kann, dann wird deutlich, daß im Hinblick auf das erste vornehmste Ziel der deutschen Außenpolitik, nämlich die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit, unser Bestreben darauf gerichtet sein muß, mit politischen Mitteln — und dazu gehört auch eine Politik der Sicherheit und der Abrüstung — eine von uns gewollte echte Friedensordnung in Europa zu erreichen.
    Das deutsche Interesse gebietet, sich zu widersetzen, wenn der Versuch unternommen werden sollte, die Entspannung auf Kosten der deutschen Interessen zu realisieren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dieses ist nicht nur ein Gebot deutscher Politik und entspricht nicht nur dem Auftrag des Grundgesetzes, sondern wir dienen damit auch dem Interesse der ganzen freien Welt. Wir sind uns mit den
    verbündeten Regierungen und insbesondere mit der Regierung der Vereinigten Staaten darin einig, daß eine dauerhafte Friedensregelung auf der Grundlage der bestehenden Verhältnisse nicht zu erreichen ist. Die Hoffnung, durch Vorleistungen, d. h. durch Opfer größten Ausmaßes, ohne Verbindung mit der Wiederherstellung der deutschen Einheit zu einem dauerhaften Frieden in Europa kommen zu können, ist gefährlich und trügerisch.
    Die Bundesregierung ist konsequent bemüht, unseren Nachbarn im Osten verständlich zu machen, daß ein geeintes Deutschland nicht nur keine Gefahr für den europäischen Frieden, sondern im Gegenteil die Voraussetzung für eine Entwicklung darstellt, die Sicherheit und Wohlstand garantiert. Die Bundesregierung wird immer bereit sein, den berechtigten Sicherheitsinteressen aller unserer Nachbarn Rechnung zu tragen. Aber sie hat vor allem auch die Pflicht, darüber zu wachen, daß unsere eigene Sicherheit nicht gefährdet wird. Sie trägt die Verantwortung dafür, daß wir die Unverletzlichkeit unseres Landes und die Freiheit unserer Bürger gewährleisten können. Deshalb wird die deutsche Regierung den Wert der Vorschläge für Abrüstungs- und Sicherheitsvereinbarungen auch daran messen müssen, ob diese Vereinbarungen auch Deutschlands Sicherheit garantieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In diesem Zusammenhang erscheint mir die amerikanische positive Bewertung unserer Osteuropa-Politik — wie sie auch in dem Kommuniqué zum Ausdruck kommt — als besonders wichtig und ermutigend.
    Bei der Erörterung der weltpolitischen Lage 'beschäftigte meine amerikanischen Gesprächspartner naturgemäß vordringlich die Sorge um die Entwicklung in Vietnam. Ich habe dargelegt, daß die Bundesregierung für die amerikanische Politik in Südostasien Verständnis hat und daß wir Südvietnam im Rahmen der für uns bestehenden Möglichkeiten vor allem auf humanitärem Gebiet unterstützen. Die Verteidigung dieses Bereiches durch die USA ist ein Beweis der Bedeutung, die die Vereinigten Staaten ihren internationalen Verpflichtungen beimessen.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Der amerikanische Präsident hat mir seine Dankbarkeit für unsere Haltung in der Vietnam-Frage ausgedrückt.
    Bevor ich auf die Frage 'des Devisenausgleichs zu sprechen komme, lassen Sie mich einige Worte zu der Anwesenheit amerikanischer Truppen in Deutschland sagen. Ich habe in meinem Gespräch mit Präsident Johnson auch darauf hingewiesen, daß die Truppen unserer Freunde auf deutschem Boden nicht nur zu unserem Schutz, sondern auch zu ihrem eigenen und dein der anderen Bündnispartner stehen. Das atlantische Bündnis beruht auf Voraussetzungen, die in gemeinsamenethischen und politischen Grundlagen verankert sind. Es dient der Verteidigung der Freiheit aller Bündnispartner.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Bundeskanzler Dr. Erhard
    Ich habe dem Präsidenten zur Frage des Devisenausgleichs dargelegt, daß wir zu unseren Verpflichtungen stehen, daß wir aber größte Schwierigkeiten haben, das laufende Abkommen, welches uns zum vollen Ausgleich der Devisenbelastung durch Rüstungskäufe in den USA verpflichtet, in der vorgesehenen Frist bis zum 30. Juni 1967 zu erfüllen. Der Präsident hat Verständnis für unsere Schwierigkeiten gezeigt, gleichzeitig aber auf die Probleme hingewiesen, die für die amerikanische Zahlungsbilanz bestehen.
    Wir suchen eine Lösungsmöglichkeit, die beiden Seiten annehmbar sein könnte, und zwar auf folgender Basis:
    1. Wir werden uns bemühen, im Zusammenwirken mit der Bundesbank das laufende Devisenausgleichsabkommen zu erfüllen, soweit zahlungsbilanzwirksame Finanzregelungen in Frage kommen, wobei für Teilbeträge unserer Gesamtverpflichtung eine angemessene Stundung notwendig erscheint. Die Aufträge werden bis zum 30. Juni 1967 im großen Rahmen bezeichnet. Ihre förmliche Erteilung, Abwicklung und Bezahlung werden jedoch erst nach einem noch im einzelnen auszuarbeitenden Plan während eines längeren Zeitraums nach dem Stichtag erfolgen.
    2. Für die Zeit nach dem Ablauf des jetzigen Abkommens sollten sich die Amerikaner ihrerseits auf Grund unserer Darlegungen damit einverstanden erklären, daß ab 1. Juli 1967 nur noch ein begrenzter Teil ihrer Devisenausgaben ausgeglichen wird und daß der Ausgleich in Zukunft auch nicht ausschließlich durch Rüstungskäufe stattfinden kann.
    3. Die damit zusammenhängenden Fragen sollen in dem auch im Kommuniqué erwähnten Dreiergespräch zusammen mit Großbritannien erörtert werden.
    Die Amerikaner waren noch nicht bereit, unserem Vorschlag für die zukünftige Regelung zuzustimmen. Sie wiesen darauf hin, daß man durch eine Festlegung der Höhe des zukünftigen Devisenausgleichs im gegenwärtigen Zeitpunkt dem Ergebnis der Beratungen der Dreimächtekommission vorgreifen würde.
    Immerhin ist die amerikanische Seite — und darin sehe ich ein wichtiges. Ergebnis der Besprechungen — nicht im unklaren gelassen worden, daß wir uns in Zukunft nur noch einen Teil ihrer Devisen ausgaben auszugleichen in der Lage sehen. Wir werden indessen weiter um den devisenmäßigen Ausgleich des laufenden Abkommens bemüht sein. Wie das im einzelnen bewerkstelligt werden soll, wird zur Zeit geprüft.
    Ich habe mit dem amerikanischen Präsidenten eingehend die Lage in der nordatlantischen Allianz erörtert. Wir sind uns darüber im klaren, daß die Maßnahmen, welche Frankreich hinsichtlich der zukünftigen Gestaltung seiner Beziehungen zum Bündnis getroffen hat, die NATO-Allianz vor große Schwierigkeiten stellt. Die Allianz wird diese Probe bestehen. Schwierig gestalten sich die Verhandlungen im NATO-Rahmen über den Auftrag der
    französischen Truppen. Wir hoffen sehr, daß sich in den NATO-Verhandlungen bald eine Regelung abzeichnen wird. Soweit es sich um die bilaterale Regelung mit Frankreich handelt, so sind wir überzeugt, daß diese beiderseits befriedigend gestaltet werden kann.
    Der Präsident und ich sind bei unseren Besprechungen zu der Auffassung gelangt, daß zwar eine akute Gefahr militärischer Konflikte in Europa gegenwärtig geringer erscheint, daß jedoch die Bedrohung, welche von dem ständig sich verstärkenden militärischen Potential der Warschau-Pakt-Mächte ausgeht, anhält. Dieser Bedrohung zu begegnen, ihr gegenüber ein Gegengewicht zu schaffen, das jede Fehleinschätzung des Verteidigungswillens der freien Völker ausschließt, ist nach wie vor die vornehmste Aufgabe der nordatlantischen Allianz. Sie ist und bleibt damit die entscheidende Voraussetzung für die Erhaltung von Frieden und Freiheit in diesem Teil der Welt.
    Der Präsident und ich kamen überein, Gespräche unserer Regierungen über die Probleme der langfristigen Verteidigungsplanung im Zusammenhang mit der Devisenfrage aufzunehmen, zu denen auch die britische Regierung eingeladen werden soll. Hier handelt es sich um ein sehr komplexes Thema, um Fragen, die die ganze Allianz angehen. Wir sind in Washington davon ausgegangen, daß alle NATO-Verbündeten an der Behandlung dieser Fragen werden mitwirken wollen. Die Bundesregierung legt ihrerseits besonderen Wert darauf, daß alle Mitglieder des Bündnisses daran mitwirken, wenn für die Zukunft der NATO wichtige Entscheidungen getroffen werden. Hierbei geht es darum, die Bedingungen der Verteidigungsstruktur in den kommenden Jahren gründlich zu untersuchen. In diesem Rahmen werden auch das Problem der gerechten Verteilung der Verteidigungsaufwendungen und anderer vergleichbarer Lasten sowie die Auswirkungen von Truppenstationierungen auf die Zahlungsbilanzen der beteiligten Partner behandelt werden.
    Angesichts der schweren Lasten, welche eine moderne Verteidigung in steigendem Maße den Völkern auferlegt, und angesichts der vielfältigen anderen ungelösten Aufgaben, welche der Menschheit gestellt sind, haben wir in Washington unser gemeinsames großes Interesse an einer baldigen Beendigung des Wettrüstens und an Fortschritten in der allgemeinen und kontrollierten Abrüstung bekundet. Das gleiche gilt für den gemeinsamen Wunsch, der Verbreitung von Kernwaffen in nationale Verfügungsgewalt ein Ende zu setzen. Sollte es hierüber zu bindenden internationalen Abmachungen kommen, so dürfen diese jedoch nicht das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Recht auf kollektive Selbstverteidigung beeinträchtigen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich habe bei dem amerikanischen Präsidenten Verständnis für diese Gedankengänge gefunden. Wir sind beide der Ansicht, daß innerhalb des Bündnisses nukleare Arrangements getroffen werden sollten, um die nichtnuklearen Verbündeten angemessen an der nuklearen Verteidigung zu beteiligen.



    Bundeskanzler Dr. Erhard
    Ich habe dem Präsidenten gesagt, daß wir nicht auf die Verwirklichung einer bestimmten Form dieser Gemeinschaftslösung drängen. Jedoch dürfte sich eine Lösung dieses Problems nicht in einer reinen Konsultation erschöpfen, sondern sie sollte den nichtnuklearen Partnern eine angemessene echte Mitverantwortung geben.
    Was den bilateralen Bereich unserer Beziehungen betrifft, so haben wir vor allem die Möglichkeiten der Verstärkung einer Zusammenarbeit auf technisch-wissenschaftlichem Gebiet und insbesondere auf dem Gebiet der Weltraumforschung erörtert. Der amerikanische Präsident nahm sich trotz seiner außerordentlichen Beanspruchung die Zeit, mir die eindrucksvollen Einrichtungen von Kap Kennedy zu zeigen.
    Selbstverständlich wurde der Deutschlandfrage bei meinen Gesprächen mit Präsident Johnson wiederum zentrale Bedeutung zuerkannt. Ich darf hier mit Genugtuung feststellen, daß der amerikanische Präsident erneut größtes Verständnis für die Schicksalsfrage des deutschen Volkes gezeigt und uns seine volle Unterstützung in der Wiedervereinigungspolitik zugesichert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

    Wir waren uns darüber einig, daß einer Lösung der deutschen Frage auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts aus Gründen der Menschlichkeit wie auch im Interesse eines dauerhaften Friedens in Europa großer und entscheidender politischer Rang zukommt und daß die Freiheit Berlins erhalten werden muß.
    In dem Abschluß-Kommuniqué sind diese Grundsätze mit aller Klarheit formuliert und nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Bundesrepublik Deutschland, das gesamte deutsche Volk zu vertreten, unterstrichen worden.
    Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, noch folgendes zur Deutschlandfrage zu sagen. Sicher sind in der gegenwärtigen Weltlage die Perspektiven für die Wiedervereinigung unseres Landes nicht gut. Was können wir unter diesen Umständen tun? Ich meine, daß die Antwort nicht schwerfällt. Es reicht z. B. sicher nicht aus, daß wir an den Ostblock oder an die Weltöffentlichkeit oder an die Verbündeten appellieren und an diese die Forderung richten, sie sollten endlich für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts auch des deutschen Volkes Sorge tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wirksam werden solche Appelle nur dann sein können, wenn sie von einer ebenso überzeugenden Demonstration der eigenen Opferbereitschaft und des eigenen Willens zur Leistung begleitet werden.
    Daß wir die Wiedervereinigung bisher nicht erreichen konnten, liegt indessen nicht an fehlenden Anstrengungen, an zu geringer Phantasie oder an nicht genutzten Möglichkeiten, sondern an der Haltung der Sowjetunion.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bei einigen von uns scheint das zur Resignation zu führen, bei der Mehrzahl allerdings — und das ist an sich ein gutes Zeichen — zu einem immer stärkeren Drängen nach ihrer Verwirklichung.
    Diese zunehmende Diskussion um die Schicksalsfrage unseres Volkes, besonders auch unter unserer Jugend, ist eine Tatsache, die auch andere Nationen beachten und in gerechter Weise würdigen sollten. Wir müssen uns aber davor hüten, im Übereifer oder aus Ungeduld wichtige Positionen aufzugeben oder wesentliche Elemente unserer Deutschlandpolitik zum Handelsobjekt zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Wiedervereinigung wird Opfer von uns fordern wenn auch unsere Opfer allein nicht ausreichen, sie herbeizuzwingen. Wir alle aber sind dazu aufgerufen: Kein Deutscher kann sich ausnehmen. Ich möchte deshalb an jeden einzelnen und an die Verbände und Organisationen in Deutschland appellieren, in ihrer politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder kulturellen Tätigkeit die Verpflichtungen gegenüber dem gewaltsam getrennten deutschen Volke zu erfüllen und bei jeder Handlung dieser Aufgabe eingedenk zu sein.
    Wir wissen, daß das Ulbricht-Regime menschliche Empfindungen mißbraucht, um politische Ziele zu erreichen, die dem Willen der eigenen Bevölkerung zuwiderlaufen. Ich hoffe, daß die Führer der Sowjetunion endlich doch erkennen werden, daß sie sich und dem russischen Volk durch die Identifizierung mit dem Gewaltregime der Zone keinen Dienst leisten. Wir appellieren vielmehr an die Sowjetregierung, unsere humanitären Bemühungen zu unterstützen, die Freizügigkeit in Berlin wieder herzustellen, die Kontakte unserer Landsleute in der Zone mit uns wieder zu ermöglichen, vor allem aber dafür zu sorgen, daß der unmenschliche Schießbefehl an der Mauer und an der Demarkationslinie aufgehoben wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich abschließend meinen Bericht über die Gespräche, die ich mit Präsident Johnson geführt habe, unter Idem Gesichtspunkt ihrer europäischen und allgemeinpolitischen Bedeutung zusammenfassen. Deutschland und die Vereinigten Staaten verkörpern in ihrem Verhältnis zueinander einen wichtigen weltpolitischen Faktor. Wir erkennen unsere deutsche Position im größeren Zusammenhang des Verhältnisses Europas zu den Vereinigten Staaten. Die Bundesregierung ist nach wie vor — und sie weiß sich damit im Einklang mit dem ganzen Hohen Haus 'und der deutschen Öffentlichkeit — der Überzeugung, daß ,eine Politik, die die europäische Zusammenarbeit zu einem wesentlichen Element der Stärkung der freien Welt ,als einer unlösbaren Gemeinschaft ausgestalten will, zugleich den Rang und die Geltung Europas in der Weltpolitik erhöht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Überzeugung ist so fest und wohlbegründet,
    daß auch die im Zuge eines Prozesses von weittragender geschichtlicher Bedeutung unvermeidlich



    Bundeskanzler Dr. Erhard
    auftretenden Schwierigkeiten und Hindernisse uns nicht dazu veranlassen können, unsere Politik der intergrierten Verteidigung und die der europäischen Zusammenarbeit zu vernachlässigen oder gar preiszugeben. Wir wollen ein starkes Europa, wir wollen die europäische Einheit als Eckpfeiler der atlantischen Allianz auf der Grundlage eines engen Zusammenwirkens Frankreichs und Deutschlands.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dasnordatlantische Verteidigungsbündnis bietet uns, unbeschadet offener strategischer Fragen die Gewähr, daß wir gegenüber übermächtiger Bedrohung nicht allein stehen. Angesichts unseres eigenen Beitrages zur Verteidigung der freien Welt und ihrer Ideale anerkennen unsere Verbündeten, daß wir in allen Fragen, die das Schicksal unseres Volkes heute und in geschichtlicher Sicht angehen, mitbestimmen.
    Unsere Sache ist die der freien Welt. Wir haben darum in den Gesprächen mit unseren amerikanischen Freunden — und wir werden dies mit allen unseren Verbündeten auch weiterhin tun — die deutsche und nicht minder die europäische Sache zugleich vertreten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie haben die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den positiven Seiten der Arbeit dieses Hauses gehört es seit 'einiger Zeit, daß die Regierung alsbald nach wichtigen außenpolitischen Vorgängen dem Deutschen Bundestag berichtet und wir darüber diskutieren. Hierzu gehört auch, ,daß so die Debatten zu außenpolitischen Fragen konkreter werden und wir nicht mehr, wie früher, vorher lang anberaumte, lang vorbereitete und lang andauernde außenpolitische Debatten haben, sondern so mehr zur Selbstverständlichkeit und zum Realitätssinn kommen. Ich glaube, dies ist eine gute Seite ,der Arbeit dieses Hauses, die man gegenüber der einen oder anderen Kritik in der Öffentlichkeit auch zunächst einmal betonen sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Bundeskanzler hat von seinen Gesprächen in Washington berichtet. Wir danken dafür. Nun, um diese letzte Reise hat Sie niemand beneidet, Herr Bundeskanzler, nicht nur weil es um harte Dollars ging, sondern weil diese Reise in eine politische Landschaft stattfand, in der, wenn ich so sagen darf, der Reiz mehr in Dornen und Abgründen als in fränkischer Lieblichkeit bestand. Ich meine hier nicht nur die schwierige innenpolitische Situation — hier wie dort —, sondern vielmehr die politische Landschaft. Und wir legen deshalb Wert darauf, eben diese politische Landschaft anfangs präzise in einigen Konturen zu bezeichnen, damit man generell deutsche Politik gerecht zu würdigen vermag —, auch was das Ergebnis dieser Reise betrifft.
    Erstens. Aus einsichtigen Gründen betreibt der ganze Westen, betreiben insbesondere die USA zugleich Sicherheitspolitik durch Abschreckung des potentiellen Gegners und Entspannungspolitik mit eben diesem Gegner. Dies ist offenkundig, dies ist vernünftig, und dies ist eine Folge der nuklearen Probleme und der Bedingungen des Weltfriedens heute. Durch den Krieg in Vietnam wird dies zugleich für die USA und ihre Position in Europa zu einer besonders schweren, täglichen Aufgabe, die viele Bereiche umfaßt, wie auch das Kommuniqué über das Ergebnis dieser Reise jedermann offenkundig macht.
    Auch für die deutsche Politik gilt dieses Zugleich von Sicherheits- und Entspannungspolitik. Natürlich setzt die Entspannungspolitik — mein Kollege Birrenbach hat das in der letzten Debatte am 23. September hier unmißverständlich dargetan—Sicherheit voraus. Wir Deutschen — darauf wollte ich jetzt abstellen —, und zuerst in Berlin, wir spüren sofort und vital jede, auch jede geringfügige Änderung im Bereich der Sicherheit wie in dem der Entspannung. So sind wir existentiell nicht nur an beidem interessiert, sondern zuerst und direkt von den Folgen der Vorgänge in beiden Bereichen betroffen. So kommt es, daß wir, auch wir, zugleich eine Politik machen — machen müssen —, die auf der einen Seite mit dem Stichwort „Friedensnote" und auf der anderen Seite mit dem Stichwort „Wehrhaushalt und Devisenausgleich" zu bezeichnen ist. Ich meine, dies muß zunächst einmal so erklärt werden.
    Das zweite Kennzeichen dieser Landschaft: unsere Sicherheit ist nur — wir haben dies immer wieder gesagt, aber es ist wichtig, es zu wiederholen — im atlantischen Bündnis mit den USA möglich. Der europäische Fortschritt aber, den wir nicht nur dringend wünschen, den wir einfach ganz unerläßlich brauchen, ist nur mit Frankreich möglich. Da diese beiden Punkte für die deutsche Politik ebenfalls zugleich gesehen werden müssen, bleiben uns für die deutsche Politik — ich glaube , die Redlichkeit gebietet es, dies hier einmal offen zu sagen Auswirkungen der Meinungsverschiedenheiten zwischen Paris und Washington auf uns leider nicht erspart. Seit dies so ist, ist die deutsche Politik objektiv erschwert. Wir legten Wert darauf, dies hier als Zweites zunächst zu bezeichnen.
    Das Dritte. Wir leben in einer Welt, die Ruhe will, die viel Sympathie für den Status quo hat. Unsere Politik aber ist anspruchsvoll, so anspruchsvoll, daß sie Veränderungen will. Ja, wir wollen sie nicht nur, sondern wir müssen sie wollen, um das Recht wiederherzustellen, nämlich das Recht auf Freiheit im ganzen Deutschland.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wer so anspruchsvoll ist, meine Damen und Herren, der kann nicht bequem sein.
    Wir legen Wert darauf, wenigstens diese drei Merkmale der gegenwärtigen politischen Landschaft hier an den Beginn zu stellen; denn nur wer diese Bedingungen sieht, wird die objektiven Möglichkeiten unserer Politik heute und morgen richtig einschätzen und nur so zu einem gerechten Urteil hier

    - 2945

    Dr. Barzel
    im Hause wie draußen kommen können über das, was ist, und das, was möglich ist.
    Nun zu den einzelnen Punkten.
    Erstens. Die Reise brachte erneut die Bestätigung, daß die USA die Wiedervereinigung Deutschlands
    wie es in dem Kommuniqué heißt — als „eines der Hauptziele ihrer Politik" betrachten. Diese Feststellung ist, zusammen mit dem erneuten Bekenntnis zum Alleinvertretungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, vor dem Hintergrund der gleichzeitigen Bemühungen der SBZ in New York, in der UNO und um die UNO herum von hohem und aktuellem Wert. Wir danken deshalb für diese Feststellung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das Zweite. In dem Kommuniqué heißt es — und das sollte man hier vorlesen —:
    Ein geeintes Europa ist ein Grundelement westlicher Stärke und Freiheit und ein Bollwerk gegen den Geist der Rivalität zwischen den Nationen, der in der Vergangenheit so viel Unheil gestiftet hat. Sie
    die Regierungen
    betonten nachdrücklich, daß Europa und Nordamerika einer gemeinsamen atlantischen Welt angehören und ein gemeinsames Schicksal teilen. Deshalb bleibt es ein vitales Interesse ihrer Außenpolitik, die Bande zwischen Nordamerika und dem sich einigenden Europa zu vermehren und enger zu gestalten.
    Meine Damen und Herren, wir hielten es für nötig, diese Sätze aus dem Kommuniqué zu zitieren. Sie sind nämlich mit der Zustimmung einer Weltmacht, die zur Zeit in Vietnam, außerhalb Europas, engagiert ist, zustande gekommen. Ich meine, daß dies eine Aufforderung an uns Europäer ist, uns zu überlegen, wann wir endlich erneut, durch Taten, unser vitales Interesse an der Vereinigung Europas beweisen und diese Vereinigung weiter vorantreiben können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In diesen Zusammenhang gehört die Feststellung — ebenfalls nach dem Kommuniqué —, „daß die Einheit des Westens zum Verständnis zwischen Ost und West beitragen wird und daß die Integration Westeuropas und die atlantische Solidarität den Weg zu einer umfassenderen Zusammenarbeit bei der Förderung der Sicherheit und des Wohlergehens Gesamteuropas eröffnen können." Wir halten dies für einen besonders konstruktiven Gedanken und unterstreichen das deshalb so, weil es unsere Fraktion unlängst für richtig fand, ihren europäischen Willen zu betonen.
    Ich möchte noch einmal sagen, wie unsere Meinung dazu ist:
    Die politische Einigung der Staaten des Gemeinsamen Marktes mit offener Tür für den Beitritt anderer Staaten zu gleichen Bedingungen ist die Voraussetzung für die Lösung der großen Lebensfragen des europäischen Kontinents und eine Vorbedingung für seine politische, wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Stellung in der Welt der Zukunft.
    Es gibt auch keine bessere europäische Sicherheitspolitik als die konsequente Arbeit für die Einheit Europas.
    — Soweit ein förmlicher Beschluß unserer Fraktion von Anfang September.
    Wenn wir nun diese Sätze des Kommuniqués sehen und uns an das erinnern, was der französische Staatspräsident bei seinem letzten Besuch hier über seine Reihenfolge — Entspannung, Verständigung, Zusammenarbeit — gesagt hat, was er gesagt hat über das ganze Europa und die Rolle eines ganzen Deutschland in diesem Europa, wenn wir dann diese Sätze sehen, die mit den USA zusammen verabredet sind, dann, meine Damen und Herren, sind hier lichtvolle Perspektiven, die den Ansatz für eine gemeinsame Politik für morgen ebenso enthalten wie die Möglichkeit, insoweit auch mit dem französischen Nachbarn erneut in ein Gespräch einzutreten.
    Meine Damen und Herren, zum Dritten: Wir stellen mit Genugtuung und Freude fest, wie es auch der Herr Bundeskanzler eben getan hat, daß Fortschritt in den Fragen der zivilen Zusammenarbeit zu verzeichnen sind. Wir stellen dies mit besonderer Befriedigung fest, weil wir seit geraumer Zeit uns bemühen, diesen Problemen ihren besonderen politischen Rang zu geben. Ich möchte, damit das hier festgehalten ist, der guten Ordnung wegen an das erinnern, was für diese Fraktion in der Aussprache über die Regierungserklärung am 29. November 1965 gesagt wurde. Ich zitiere nur die wichtigsten Sätze hierzu:
    Wir, die Deutschen, müssen drängen, aus der NATO mehr zu machen als einen militärischen Verband. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der atlantischen Gemeinschaft kann noch intensiver werden.
    Wir können aber noch mehr tun: Die einigende Klammer der gemeinsamen Angst ist durch Gewöhnung und Abschreckung gewichen. Wir brauchen eine neue Klammer: die des konstruktiven, friedlichen, fortschrittlichen, gemeinsamen Tuns.
    Die Völker der atlantischen Gemeinschaft stehen doch alle vor ähnlichen gesellschaftspolitischen Problemen: vor Fragen der Bildung, der Ballung, des Verkehrs, des Städtebaus, der optimalen Sozial- und Wirtschaftsstruktur, vor Fragen des ökonomischen Wachstums, des verschmutzten Wassers, der unreinen Luft, des Lärms. Kurzum, wir alle stehen nicht nur gemeinsam vor der Frage, wie wir unsere Freiheit auch morgen miteinander sichern können; wir alle stehen zugleich vor der Chance, durch Gemeinsamkeit der Forschung, durch Austausch von Erfahrungen, durch Austausch auch von Menschen und Ideen enger zueinander und damit zugleich zu einem Mehr an Menschlichkeit und Rücksicht kommen zu können.
    So im November! Und so beglückwünschen wir die Bundesregierung, daß dieser Beginn nun so sichtbar und erfolgreich gemacht werden konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Dr. Barzel
    Wir freuen uns, daß auch die Anregungen zum Jugendaustausch und zu den technologischen Problemen von den USA offenkundig bereitwillig aufgenommen worden sind. Und wir meinen, meine Damen und Herren, daß auch in der atlantischen Gemeinschaft wir uns nicht nur mit den notwendigen Reparaturarbeiten beschäftigen sollten, sondern den Mut finden sollten, neue Straßen in ein friedlicheres Morgen, auch in der atlantischen Gemeinschaft, zu bauen. Aus diesem Denken ist diese Politik konzipiert, meine Damen und Herren.
    Vor dem finanziellen Hintergrund der Probleme dieser Debatte möchten wir nochmals — wir haben es unlängst schon getan — die technologische Frage herausstellen. Sie ist ja im Kommuniqué angesprochen. Wir sehen, daß auch andere europäische Völker, z. B. die Italiener, diese Frage in der Allianz insgesamt zur Sprache bringen. Wir möchten noch einmal betonen: Wir sehen, wie die Mächte mit einer entwickelten Raumfahrt und mit starker nuklearer Position Ergebnisse der aus Steuermitteln betriebenen militärischen und staatlichen Forschung ihrer Industrie zur Verfügung stellen. Unsere Patent- und Lizenzbilanz ist negativ. Die Arbeitsteilung im Bündnis, Devisenhilfe und anderes zwingen uns, auch diese Fragen international auf den Tisch zu legen. Auch dies ist geschehen. Dies wird und muß weiter verfolgt werden. Auch insoweit wollen wir den Dank an die Bundesregierung hier ganz besonders unterstreichen.
    Der Vierte Punkt: Es ist gut, daß unsere Position zum Problem Vietnam klar und unverändert ist. Sie bleibt: humanitäre Hilfe ja, militärisches Engagement nein. Wir unterstreichen, was der Herr Bundeskanzler hierzu sagte. In Vietnam wird die weltweite Gefahr ebenso deutlich wie das Stehen der USA zum gegebenen Wort. Ich meine, wir alle miteinander sollten von dieser Stelle den Friedensbemühungen des amerikanischen Präsidenten in Vietnam vollen und baldigen Erfolg wünschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zum fünften. Unter dem Gesichtspunkt der atlantischen Sicherheit ist abgemacht worden, die künftigen Anforderungen an das Bündnis zu erörtern und grundsätzlich zu überprüfen. Dies soll auch — so verstehen wir das — zwischen den USA, Großbritannien und uns geschehen. Wir begrüßen die Feststellung — und legen besonderen Wert auf sie —, daß nach dem Kommuniqué an der Behandlung dieser Fragen alle NATO-Verbündeten mitwirken wollen. Diese Offenheit für alle halten wir für selbstverständlich und für wichtig. Denn wir erstreben weder einen besonderen Bilateralismus noch eine besondere militärische Position in der Allianz. Unser Ehrgeiz gilt anderen Dingen. Unsere Politik bleibt — wir haben es bei der ersten Debatte über die künftige Politik, nachdem die Franzosen ihre Politik zur NATO reformiert hatten,dargetan —: Sicherheit im Bündnis bei prinzipiell gleichen Rechten aller.
    An ,diese Stelle gehört nun für uns — und wir als Fraktion der CDU/CSU legen großen Wert darauf — der Hinweis auf Frankreich. Frankreich ist unser Nachbar. Unser beider Schicksal ist unteilbar. Es sollte möglich sein, bald Klarheit über den Verbleib der französischen Truppen in Deutschland zu schaffen. Wir wünschen, daß sie bleiben. Die jüngste Erklärung des Herrn französischen Außenministers, „daß im Falle eines sowjetischen Angriffs auf Deutschland die französische Regierung zu ihren vertraglichen Bindungen stehe", sollte und könnte hier wohl manches erleichtern. Wir erinnern, wenn es um solche Fragen geht wie die jetzt hier angeschnittenen, auch an den deutsch-französischen Vertrag und daran, daß wir diese Zukunftsfragen auch miteinander, auch mit Frankreich, zu erörtern haben und erörtert zu sehen wünschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und nun, sechstens, zu den finanziellen Dingen. Allem voran und in aller Form erklären wir: Unser Wort gilt. Wir stehen zu dem Wort, das unsere Regierung der Regierung der USA gegeben hat. Wir stehen dazu, so wie es gegeben wurde. Über die Modalitäten der Zahlung muß gesprochen werden, in der Regierung, mit dem Parlament und mit den Verbündeten. Unser Wort gilt; daran sollte kein Zweifel sein. Unsere Sicherheit steht auf dem Wort der USA. Deshalb möchten wir uns an dieser Stelle — und wir tun dies aus einer menschlichen Gesinnung — in aller Form für den Schutz durch die USA bedanken, dankbar sein für die Anwesenheit ihrer Truppen hier, dankbar den Bürgern der USA, die hier Dienst tun, und dankbar ihren Angehörigen zu Hause.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn, wie wir hoffen, der Präsident der USA nach Deutschland kommen wird, dann wird er sich selbst davon überzeugen können, daß so das Volk, das ganze Volk denkt, und ich bin sicher, allen voran das Volk von Berlin.
    Wir sagen noch einmal: Freiheit ist teuer. Sicherheit gibt es nicht umsonst. Atomschutz hat seinen Preis. Aus dieser Gesinnung, und allein aus dieser, müssen wir hier aber auch einiges anmerken. Auch wir haben ökonomische Probleme. Auch unserer Haushaltspolitik sind objektive Belastungsgrenzen gesetzt. Die Lage Deutschlands im Bündnis ist schon geographisch von besonderer Art. Hier muß politisch und ökonomisch Stabilität und sozialer Fortschritt bleiben, bleiben auch im Gesamtinteresse des Bündnisses. So meinen wir, daß vor langfristigen weiteren Verpflichtungen auch eine Erörterung unter uns hier noch notwendig ist. Wir wissen, in unsere Kassen fließen Dollars, welche die Truppen hier ausgeben. Wir sind bemüht und unterstützen die Bundesregierung dabei, diese Belastung der US-Zahlungsbilanz auch künftig zu erleichtern.
    Wir wissen weiter, daß die Anwesenheit der US-Truppen in Deutschland nicht nur wichtig für Deutschland, sondern wichtig für alle Europäer ist. Wir wissen auch, daß die USA ein eigenes Interesse haben, sich selbst in Europa zu verteidigen, wie auch ein eigenes Interesse haben — aus eigenen politischen Gründen —, hier nicht nur militärisch anwesend, sondern stark anwesend zu sein.



    Dr. Barzel
    Meine Damen und Herren, wir weisen darauf hin — und wir tun dies aus guten Gründen —, daß wir die Schwierigkeiten für den Dollar nicht durch eine bestimmte Goldpolitik verstärken, daß wir zusammen mit anderen das Pfund stützen, usf. Wir meinen, daß alles dies in diese Debatte gehört. Wir sind, auch deshalb und in aller Form, bereit, die Position der Bundesregierung zu unterstützen, und wir werden dazu bereit bleiben.
    Nun siebentens zu der Frage der Non-Proliferation und den atomaren Problemen im Bündnis. Hierzu haben sich unsere Kollegen in der Debatte am 23. September unmißverständlich geäußert. Das gilt. Ich kann deshalb jetzt darauf verzichten. Aber ich möchte doch folgende Erwägung zur Debatte stellen.
    Ich möchte, daß wir nicht — ich zitiere jetzt etwas —
    den amerikanischen Vorschlag (MLF) behandeln, als sei er nie gemacht worden. Es kann sich also nur darum handeln, etwas Besseres zu finden und nicht unter Umständen durch unser eigenes Verhalten dazu beizutragen, daß überhaupt keine Lösung gefunden wird. Ich werde Vorschläge der Regierung sorgfältig prüfen, wenn sie auf dem Tisch liegen. Ich bin nicht bereit, heute schon zu sagen: Ich lehne einen Vorschlag ab, der noch gar nicht da ist, dessen Einzelheiten man nicht kennt.
    Soweit Fritz Erler in der „Welt" vom 11. Dezember 1965 in einer Meldung, überschrieben: „SPD lehnt deutsche Beteiligung an nuklearem Waffensystem nicht ab — Erler und Wehner korrigieren Helmut Schmidt".

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich will dies ganz sachlich als eine Frage an Sie hier weiter formulieren. Denn Herr Kollege Erler meinte weiter — ich zitiere dieselbe Stelle —, er habe immer die politische Lösung vorgezogen, aber er möchte nicht, daß die Deutschen dadurch, daß sie den kollektiven Mitbesitz ablehnten, wenn sie die bessere politische Lösung nicht bekämen, zum Schluß allein auf dem Trockenen säßen.
    Die Proliferation geht weiter. Die ganze Welt rüstet atomar auf, und nur die Deutschen als die einzigen werden dann dadurch gebrandmarkt, daß sie ihre Sicherheit ausschließlich von den Entschlüssen anderer abhängig machen müssen. Das geht nicht. Deswegen möchte ich also, daß wir zunächst uns um das Bessere bemühen, aber nicht beim Schlechtesten landen.
    Soweit, meine Damen und Herren, Fritz Erler.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das war sehr gut!)

    — Ich fand es so gut, daß man es nicht besser sagen konnte.
    Wir Deutschen haben auf diesem Gebiet vorgeleistet und sind Verzichte freiwillig eingegangen. Wir haben in der Friedensnote weitergehende eigene Vorschläge gemacht. Für uns bleiben alle militärischen Fragen allein solche der Sicherheit. Unsere Lage, wie unsere politische Substanz, wie auch heute schon sichtbare Fragen der Zukunft erlauben uns keine Verzichte ins Blaue.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die erstrebte Partnerschaft zwischen den USA und Europa im Bündnis erfordert zumindest, daß diese Frage offen bleibt. Ich habe in einer früheren Debatte hierzu die Äußerungen des Präsidenten Kennedy zitiert. Ich kann es mir jetzt ersparen. Nur wenn die Debatte weitergeht, würde ich darauf zurückkommen.
    Ich möchte nun auf die Frage an die Sozialdemokraten — und dies ist eine sehr wichtige Frage — hinsichtlich des Grades der Gemeinsamkeit und auch hinsichtlich der Unterstützung der Bundesregierung durch dieses ganze Haus in einer wichtigen Angelegenheit zusteuern. Um noch einmal den Sachverhalt darzustellen: Herr Kollege Erler hat bei der Aussprache, die wir am 30. November des vergangenen Jahres hatten, in einer Zwischenfrage, die er an seinen Fraktionskollegen Helmut Schmidt richtete, Wert auf die Feststellung gelegt, daß die Beschlüsse des Karlsruher Parteitages der Sozialdemokratischen Partei, gegen die sich unser früherer Kollege Brauer gewehrt habe, kein Wort über die MLF enthielten, sondern lediglich ja gesagt hätten zu einer atomaren Gemeinschaftslösung. Nun ist es vielleicht gut, den tatsächlichen Text der in Betracht kommenden Passage der Karlsruher Beschlüsse der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hier noch einmal in Erinnerung zu rufen. Der Text lautet:
    Die Sicherheit Europas verlangt angesichts der Reichweite und der Kosten moderner Waffensysteme eine enge Verflechtung des amerikanischen Verteidigungspotentials mit dem europäischen. Eine solche Verflechtung auch auf atomarem Gebiet würde die beste Gewähr dafür bieten, die weitere Ausdehnung der nationalen Verfügungsgewalt über Atomwaffen zu verhindern.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Deshalb hält der Parteitag eine von möglichst vielen Mitgliedstaaten des atlantischen Bündnisses getragene Gemeinschaftslösung der atomaren Verteidigungsprobleme für erforderlich, damit nicht das böse Beispiel nationaler Verfügungsgewalt Schule macht und die Allianz zerstört. Eine solche Gemeinschaftslösung, wie sie in der zur Zeit in Verhandlung begriffenen multilateralen Streitmacht angestrebt wird, ist infolgedessen ein wirksames Mittel, dem atomaren Wettrüsten entgegenzutreten und bessere Voraussetzungen für großräumige Vereinbarungen zur Verringerung der Gefahr eines atomaren Konfliktes zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    So weit der Beschluß des Karlsruher Parteitages der SPD.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ich nehme an, Sie werden mit Freude daran erinnert, meine Damen und Herren von der Opposition.



    Dr. Barzel
    Der Herr Kollege Schmidt hat dann in der Debatte am 30. November ausdrücklich festgestellt, daß er unsere Forderung nach Teilhabe ,am nuklearen Entscheidungsprozeß durchaus unterschreiben könne, und er hat dann vier Punkte, die die SPD für zweckmäßig undmöglich hielte, hier vorgetragen. Ich will sie nicht noch einmal vorlesen; sich habe sie hier.
    Und nun, meine Damen und Herren, ist die Aussprache, die wir am Freitag der vorvergangenen Woche, also am 23. September, vor der Reise des Herrn Bundeskanzlers, hatten, eben doch sehr interessant. Herr Kollege Schmidt hat — wenn ich 'es so ausdrücken darf — diesen damaligen Standpunkt weiterentwickelt. Er hat nunmehr die Forderung nach einem deutschen Vetorecht, die ereinen der Türöffner für eine Institutionalisierung gemeinsamer strategischer Planung des Westens nannte, an die Spitze gestellt. Die Amerikaner, so führte er aus, seien dabei, die Klausel, die auf eine Gemeinschaftslösung in der Allianz hinauslaufen sollte, auf eine reine Konsultativklausel einzuschränken. Wenn wir noch lange warteten, dann bekämen wir für einen deutschen Verzicht auf eine solche Klausel von den Amerikanern überhaupt nichts mehr. Die Forderung auf Mitbesitz oder auf Mitbestimmung, wie sie die Herren von Hassel und Schrader 'immer wieder aufgestellt hätten, sollten wir aufgeben.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Der Bundeskanzler solle in Washington sagen, er möchte dafür die Institutionalisierung deutscher Mitwirkung in der Planung im Bündnis und das 'deutsche Vetorecht haben.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich glaube aus sachlichen Gründen das einmal ausführlich und genau hier in die Debatte einführen zu müssen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und ich bedauere, daß ich auch nicht umhinkann, den ersten Sprecher der Opposition, den Herrn Kollegen Erler, hier zu erwähnen. Es läßt sich doch nicht bestreiten, daß die Opposition seit dem Karlsruher Parteitag .in der nuklearen Frage einen größeren Weg zurückgelegt hat.

    (Abg. Wehner: Man merkt ihnen Ihre Gewissensnot direkt an, wie Sie sich so quälen, uns das zu sagen! — Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    — Herr Kollege Wehner, Sie werden gleich das Vergnügen haben, auf eine sehr konkrete Frage, die ich noch immer vorbereite, zu antworten. Es scheint doch ein interessanter Punkt zu sein.
    Ich finde also, daß sich in der Argumentation des Karlsruher Parteitages eine ganz vernünftige Ansicht niederschlägt. Wir wollen 'deshalb noch einmal die Unterscheidung in drei Punkten formulieren, und dann kommt die Frage, Herr Kollege Wehner.
    Erstens: Es geht bei der Nichtweiterverbreitung der Atomwaffen darum, die Ausdehnung nationaler Verfügungsgewalt über Atomwaffen zu verhindern. Das ist unser Ziel, das ist immer deutlich geworden. Der Karlsruher SPD-Parteitag stellte zu Recht fest,
    daß dafür in der atlantischen Allianz durch die Verflechtung des amerikanischen Potentials mit dem europäischen die beste Gewähr geboten wird.
    Zweitens: Es kann und darf keine Täuschung darüber entstehen, daß eine Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, so wie sie jetzt international verhandelt wird, noch nichts mit Abrüstung zu tun hat. Fortschritte in der Abrüstung scheitern bis zur Stunde an der Weigerung der Sowjetunion, in eine wirksame Kontrolle einzuwilligen. Wir bleiben aber bei der Erklärung, daß sich die Bundesrepublik jedem allgemeinen kontrollierten Abrüstungsschritt der Großmächte anschließen würde.
    Und drittens, damit wir hier keine Popanze aufbauen: Das Kontrollsystem steht dann einer Rüstungsbegrenzung nicht im Wege, wenn diese dadurch als Entspannungsmaßnahme gekennzeichnet ist, daß mit ihr, eventuell schrittweise, Lösungen der politischen Probleme verbunden sind. —
    Ich denke, dies ist eine klare Position. Und nun, Herr Kollege Wehner, habe ich eine Frage an Sie. Sie wie wir sind in einer wichtigen Institution, dem sogenannten Monnet-Komitee, dem Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa, miteinander tätig. Wir alle erinnern uns sicher der denkwürdigen Sitzung vom 8./9. Mai des vergangenen Jahres in Berlin, und ich nehme an, wir alle erinnern uns gern der Beschlußfassung dieses Komitees. Darf ich aus dieser Beschlußfassung eine Passage, die hierzu gehört, vortragen. Es heißt in der Erklärung des Komitees, die wir miteinander erarbeitet, der wir miteinander zugestimmt haben:
    Auf atomarem Gebiet ist es gegenwärtig nicht möglich, eine Partnerschaft zwischen Amerika und Europa auf der Grundlage der Gleichberechtigung zu verwirklichen. Das Aktionskomitee ist aber der Auffassung, daß die Länder Europas und die Vereinigten Staaten sobald wie möglich gemeinsam nach Mitteln und Wegen suchen müßten, um in einer Gemeinschaftsaktion schrittweise eine Situation herbeizuführen, in der die großen Entscheidungen gemeinsam getroffen und die Lasten verteilt werden. Auf diese Weise wird die atlantische Allianz gestärkt, die unerläßlich ist für die Erhaltung des Gleichgewichts, das zur Gestaltung einer dauerhaften Koexistenz zwischen Ost und West und einer schrittweisen und echten Abrüstung notwendig ist.
    Herr Kollege Wehner, wir sind interessiert, zu hören, ob diese Position noch unsere gemeinsame Position ist. Diese Frage müssen Sie mir erlauben. Sie hier zu stellen ist im Interesse der Sache dringend geboten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Das Kommuniqué über die Reiseergebnisse und der Bericht des Bundeskanzlers halten nicht nur fest, was gegenwärtig ist, sondern hier sind Möglichkeiten zu konstruktiven Fortschritten nach morgen eröffnet worden. Dafür danken wir. Der Herr Bundeskanzler hat eindringlich vom ganzen Deutschland gesprochen. Es bleibt unsere Pflicht — notfalls eine



    Dr. Barzel
    unbequeme Pflicht —, nicht nur einseitige Maßnahmen zu verhindern, die vielleicht im „do ut des" Fortschritte zur Entspannung bringen könnten, sondern auch die Lösung der deutschen Frage, wenn auch schrittweise, in die künftige Gesamtpolitik des Bündnisses, wenn ich so sagen darf, einzuweben. Auch das muß Gegenstand der Gespräche mit den USA und Großbritannien sein; und weil dies so ist, brauchen wir, auch dafür, Frankreich.
    Meine Damen und Herren, der Kanzler hat mit den Worten geschlossen, daß es um die Zukunft der Freiheit geht. Wir stimmen ihm zu, und wir meinen nach wie vor, die Zukunft der Freiheit wird zuerst in Europa, zuerst in Deutschland und zu allererst in der deutschen Hauptstadt, in Berlin, entschieden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)