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ID0505901400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 59. Sitzung Bonn, den 23. September 1966 Inhalt: Begrüßung des 5 000 000. Besuchers des Bundestages Abg. Roß tritt in den Bundestag ein . . . 2881 A Schriftliche Berichte des Ausschusses für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen über die Einundfünfzigste, Sechsundfünfzigste, Siebenundfünfzigste und Einundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingente für gewerbliche Waren — 2. Halbjahr 1966, Zollkontingente für Seidengarne und Schappeseidengarne —3. Quartal 1966, Waren der EGKS —2. Halbjahr 1966, Zollaussetzung für HET-Säure) (Drucksachen V/901, V/ 902, V/903, V/904, V/935, V/936, V/937, V/938) 2881 C Große Anfrage betr. Vorschläge zur Rüstungsbegrenzung und Sicherung des Friedens (SPD) (Drucksache V/775) Schmidt (Hamburg) (SPD) . 2882 B, 2920 C Dr. Schröder, Bundesminister 2891 D, 2908 B Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 2898 C Wehner (SPD) . . . . . . . . . 2904 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 2910 C Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 2913 A Genscher (FDP) 2918 B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 2923 A Nächste Sitzung 2924 Anlagen 2925 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1966 2881 59. Sitzung Bonn, den 23. September 1937 Stenographischer Bericht Beginn: 8.59 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 4. 10. Dr. Achenbach *) 13. 10. Dr. Adenauer 5. 10. Adorno 23. 9. Dr. Aigner *) 24. 9. Dr. Althammer 23. 9. Dr. Apel*) 24. 9. Arendt (Wattenscheid) *) 24.9. Dr. Arndt (Berlin /Köln) 23. 9. Dr. Artzinger 5. 10. Bading *) 24. 9. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 23.9. Bäuerle 31. 10. 'Bauknecht 23. 9. Berendsen 24. 9. Bergmann *) 24.9. Berkhan *) 24.9. Berlin 20. 10. Dr. Besold 23.9. Beuster 23.9. Blachstein 10. 10. Blöcker 23. 9. Blumenfeld 24. 9. Borm 23.9. Frau Brauksiepe 30.9. Brese 23. 9. Dr. Burgbacher *) 24. 9. Burgemeister 23.9. Busse (Herford) 26.9. Dr. Conring 23. 9. Corterier *) 24. 9. Dr. Dehler 23. 9. Deringer *) 24. 9. Dr. Dichgans *) 24.9. Diekmann 23. 9. Dr. Dittrich*) 24. 9. Draeger * 24.9. Dröscher * 24.9. Ehnes 23. 9. Eisenmann 24. 9. Frau Dr. Elsner *) 24.9. Dr. Eppler 7. 10. Erler 30.9. Erpenbeck 23.9. Ertl 23. 9. Faller*) 24. 9. Fellermaier 23. 9. Flämig *) 24. 9. Frehsee 30.9. Fritz (Wiesbaden) 23.9. Frau Funcke 23. 9. Dr. Furler 5) 24. 9. Gerlach * 24.9. Glombig 24.9. Glüsing (Dithmarschen) 23.9. *) Für die Teilnahme an einer gemeinsamen Sitzung Europarat/ Europäisches Parlament Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Götz * 26. 9. Graaff 23. 9. Haage (München) 23. 9. Hahn (Bielefeld) 24. 9. Dr. Hauser (Sasbach) 23. 9. Dr. Dr. Heinemann 28. 9. Dr. Hellige *) 24. 9. Frau Herklotz *) 24. 9. Herold *) 24. 9. Hilbert 24. 9. Hirsch 23. 9. Hösl 24. 9. Dr. Huys 5. 10. Illerhaus *) 24. 9. Dr. Ils 23. 9. Iven 26. 9. Dr. Jaeger 23. 9. Dr. Jungmann 24. 9. Kahn-Ackermann 6. 10. Dr. Kempfler 23. 9. Frau Klee 23. 9. Dr. Kliesing (Honnef) 23. 9. Klinker*) 24. 9. Dr. Kopf 4. 10. Frau Korspeter 30. 9. Krammig 23. 9. Kriedemann *) 24. 9. Krug 23. 9. Dr. Kübler 30. 9. Kühn (Hildesheim) 23. 9. Kulawig *) 24. 9. Lemmer 23. 9. Lemmrich 23. 9. Lenz (Brühl) *) 24. 9. Lenz (Trossingen) 30. 9. Lenze (Attendorn) *) 24. 9. Leukert 23. 9. Dr. Löhr *) 24. 9. Lücker (München) *) 24. 9. Dr. Martin 6. 10. Dr. Marx (Kaiserslautern) 29. 9. Mauk *) 24. 9. Frau Dr. Maxsein*) 24. 9. Dr. Meinecke 23. 9. Memmel *) 24. 9. Dr. von Merkatz 23. 9. Merten *) 24. 9. Metzger *) 24. 9. Michels 30. 9. Missbach 23. 9. Dr. Mommer 23. 9. Müller (Aachen-Land) *) 24. 9. Dr. Müller (München) 23. 9. Dr. Müller-Hermann 23. 9. Ott 23. 9. Frau Pitz-Savelsberg 30. 9. Pöhler *) 24. 9. Prochazka 23. 9. Raffert 6. 10. Richarts *) 24. 9. Riedel (Frankfurt) *) 24. 9. Dr. Rinderspacher *) 24. 9. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Rock 2. 10. Rösing 23. 9. Dr. Rutschke *) 24. 9. Saam 7. 10. Sander 23. 9. Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein 23. 9. Schlee 5. 10. Dr. Schmid (Frankfurt) *) 24. 9. Schmidt (Hamburg) *) 24. 9. Schmidt (Kempten) 23. 9. Dr. Schmidt (Offenbach) 23. 9. Frau Schroeder (Detmold) 23. 9. Schulhoff 23. 9. Schultz (Gau-Bischofsheim) 23. 9. Dr. Schulz (Berlin) 5) 24. 9. Seibert 23. 9. Seifriz *) 24. 9. Dr. Serres 5) 24. 9. Seuffert*) 24. 9. Spitzmüller 24. 9. Dr. Springorum *) 24. 9. Dr. Süsterhenn 23. 9. Dr. Starke (Franken) *) 24. 9. Steinhoff 25. 9. Stingl 25. 9. Strauß 23. 9. Strohmayr 23. 9. Frau Strobel 5) 12. 10. Teriete 20. 10. Dr. Dr. h. c. Toussaint 25. 9. Unertl 23. 9. Dr. Verbeek 23. 9. Dr. Freiherr von VittinghoffSchell *) 24. 9. Vogt *) 24. 9. Wächter 8. 10. *) Für die Teilnahme an einer gemeinsamen Sitzung Europarat/ Europäisches Parlament Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Wagner 23.9. Dr. Wahl *) 23.9. Weimer 5. 10. Windelen 23.9. Dr. Wörner 30.9. Baron von Wrangel 15. 10. Zerbe 23.9. Dr. Zimmermann 23.9. Anlage 2 Umdruck 99 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vorschläge zur Rüstungsbegrenzung und Sicherung des Friedens - Drucksache V/775 Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag wünscht eine kontrollierte, dem Frieden dienende Abrüstung. Er dankt der Bundesregierung für die Friedensnote und fordert sie auf, in diesem Sinne unbeirrt weiterzuwirken. Der Deutsche Bundestag würde es dankbar begrüßen, wenn außer der Bundesrepublik Deutschland weitere Staaten auf die Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen ausdrücklich verzichten und sich - wie wir - einer entsprechenden Kontrolle unterwerfen würden. Das deutsche Volk weiß sich in seiner Friedenssehnsucht einig mit allen Nachbarvölkern in Ost und West. Bonn, den 23. September 1966 Dr. Barzel und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der heutigen Tagesordnung steht, wenn mich meine Drucksache nicht trügt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vorschläge zur Rüstungsbegrenzung und Sicherung des Friedens. Die Bundesregierung ist bereit, wie sie das erklärt hat, diese Große Anfrage zu beantworten. Es entspricht der Übung, daß die antragstellende Fraktion die Anfrage begründet. Wir haben die Begründung gehört, und ich möchte dazu nur folgendes sagen.
    Sicherlich ist jeder in diesem Hause völlig frei in den Gedankengängen, die er vorträgt, und auch mehr oder weniger frei in der Wahl des Anlasses. Die Bundesregierung hat aber nicht die Absicht, heute in eine umfassende außenpolitische Debatte einzutreten, falls sich das nicht aus ganz anderen Umständen heraus doch noch ergeben sollte, sondern sie möchte sich auf die Beantwortung dieser zwölf Fragen beschränken. Ihr Motiv dafür, das heute zu tun, ist, daß sie es für ganz nützlich hält, auch vor der Amerikareise des Herrn Bundeskanzlers gerade dieses spezielle Thema ein bißchen stärker in das Bewußtsein der deutschen und internationalen Öffentlichkeit zu heben. In einem ausführlicheren Sinne wird über auswärtige Politik — jedenfalls nach unserer Vorstellung — erst nach dieser Reise in Verbindung mit anderen Themen



    Bundesminister Dr. Schröder
    gesprochen werden. Ich muß also das Hohe Haus bitten, sich nun ein bißchen auf diese Fragen einzustellen, die sehr intensiv, sehr bohrend und für manche vielleicht ein bißchen technisch sind. Ich werde sie jetzt in der Reihenfolge, in der sie gestellt sind, beantworten. Ich darf dabei jeweils die Frage vorlesen, damit die Antwort verständlich wird.
    Die erste Frage lautet:
    Welche Erläuterungen kann die Bundesregierung in Weiterführung ihrer Note vom 25. März 1966 zu ihrem Vorschlag geben, die Verhinderung der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen schrittweise herbeizuführen?
    Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt. Schon oft hat sich eine Diplomatie des schrittweisen Vorgehens bewährt, wenn umfassende und vollkommene Lösungen eines politischen Problems in einem Akt nicht erreichbar waren. Dann einen „ersten Schritt" zu tun, einen Schritt in die richtige Richtung freilich, wird mit Recht als Kunst des Möglichen gerühmt. Ein schrittweises Vorgehen hat sich z. B. im Jahre 1963 bewährt, als ein umfassendes Verbot von Atomwaffenversuchen nicht zu erreichen war. Damals wurde als erster wichtiger Schritt die Einstellung der Versuche auf dem Lande, zu Wasser und in der Atmosphäre vereinbart. Das Verbot unterirdischer Versuche, dessen Regelung besondere Schwierigkeiten bereitete, wurde späterer Vereinbarung vorbehalten. Angewendet auf den Fall der Nichtverbreitung von Atomwaffen würde schrittweises Vorgehen bedeuten, daß man sich, wie wir es in unserer Friedensnote vorgeschlagen haben, zunächst darauf konzentriert, die Herstellung von Atomwaffen in nationaler Kontrolle auszuschließen. Hierbei berücksichtigen wir den Grad der bereits bestehenden Übereinstimmung zwischen den Vertragsentwürfen, die der Genfer Abrüstungskonferenz vorgelegt worden sind. Auch ist es politisch durchaus sinnvoll, die Bemühungen um eine Nichtverbreitungsregelung darauf zu konzentrieren, wie die Herstellung atomarer Waffen durch weitere Mächte unterbunden werden kann; denn eine Gefahr der weiteren Verbreitung von Atomwaffen droht tatsächlich nur auf diesem Wege.
    Nun ist es außerordentlich schwer, alle nichtnuklearen Staaten, die die Wahl haben oder in Zukunft haben werden, Atomwaffen zu produzieren, einheitlich zu einem Verzicht auf diese „Option" zu bewegen. Ob die Entscheidung zugunsten einer eigenen Nuklearrüstung, wie sie England, Frankreich und China getroffen haben, für die Sicherheit eines Landes von überragendem Wert ist oder nicht, wird von den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich beurteilt. Jedenfalls lassen sich für die Sicherheitsprobleme, die mit dem Versuch einer internationalen Nichtverbreitungsregelung aufgeworfen werden, bei der gegenwärtigen Verfassung der Welt keine globalen Lösungen finden. Dazu sind die Sicherheitsbedürfnisse und Sicherheitsvorstellungen der einzelnen Länder, auf die es ankommt, zu verschieden. Aber es gibt Gruppen von Ländern, deren sicherheitspolitische Situation weit genug übereinstimmt, um ein gruppenweises Vorgehen möglich zu machen und zu rechtfertigen.
    Das Prinzip gruppenweisen Vorgehens, das ebenfalls unserem Vorschlag in der Friedensnote zugrundeliegt, würde es erlauben, die unterschiedlichen Interessen der einzelnen nicht nuklear gerüsteten Staaten in stärkerem Maße zu berücksichtigen, als es in einem undifferenzierten, universellen Vertrag möglich wäre. Dabei könnte den Interessen der nichtnuklearen Mächte vor allem auch insoweit Rechnung getragen werden, als sie ihre Sicherheit je nach ihren politischen Vorstellungen in oder außerhalb von Allianzen suchen.
    Ein für die Nichtverbreitung entscheidender erster Schritt, von einer oder mehreren Gruppen von Staaten mit ähnlichen sicherheitspolitischen Vorstellungen unternommen, würde einen wesentlichen Fortschritt darstellen und auf andere Länder beispielhaft wirken.
    Die Bundesregierung würde einen solchen ersten Schritt und weitere Fortschritte lebhaft begrüßen. Denn niemand in Deutschland hat ein Interesse daran, daß um uns herum, in Europa oder sonstwo in der Welt, weitere Atomwaffenmächte entstehen.
    Wie die überwiegende Zahl der Regierungen der Welt sieht auch die Bundesregierung ein erstrebenswertes politisches Ziel darin, dies durch internationale Regelungen zu verhindern. Um eine bestimmte Art der Regelung bemüht sich die Genfer Abrüstungskonferenz seit über vier Jahren. Die Bundesregierung bedauert, daß es der Konferenz trotz vieler wertvoller Beiträge einzelner Teilnehmer bisher nicht möglich gewesen ist, ein Übereinkommen zu erzielen, das den Wünschen der Regierungen entspräche. Die Aussichten für eine Regelung, die allgemeine internationale Zustimmung fände, können gegenwärtig kaum günstig beurteilt werden.
    Die Bundesregierung ist nicht bereit, einer auch ihr unerwünschten weiteren Entwicklung untätig zuzusehen. Es widerstrebt ihr, daß die Probleme der Nichtverbreitung, d. h. der Nichtverbreitung von Atomwaffen in die nationale Kontrolle weiterer Staaten innerhalb oder außerhalb von Bündnissen, dadurch verdunkelt werden, daß die Sowjetunion damit die eine spezifisch sowjetische Forderung künstlich zu verbinden trachtet, nämlich das Recht auf kollektive Selbstverteidigung im nuklearen Bereich einzuschränken. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß dies kein Gegenstand der Nichtverbreitungspolitik ist. Im Gegenteil, es ist geradezu Voraussetzung für die Verzichtswilligkeit allianzbedürftiger Staaten, daß sie in optimaler Weise an der kollektiven Abschreckung des Bündnisses teilhaben, wenn in ihrem eigenen Sicherheitsbereich nukleare Mächte eine wesentliche Position innehaben.
    Um daran mitzuwirken, das eigentliche Nichtverbreitungsproblem zu lösen, versuchen wir, den Verzicht auf Herstellung von Kernwaffen, auf den es in erster Linie ankommt und den wir selbst bereits 1954 ausgesprochen haben, in den Mittelpunkt zu



    Bundesminister Dr. Schröder
    rücken. Wir haben demgemäß vorgeschlagen, daß der erste Schritt in einem Herstellungsverzicht innerhalb der NATO und innerhalb des Warschauer Paktes bestehen soll. Ein solcher Schritt würde nicht nur zur Rüstungsbegrenzung, sondern auch zur Entspannung in dem empfindlichen Konfrontationsgebiet Europa beitragen.
    Das war die Antwort auf die erste Frage. Und nun die zweite Frage. Sie lautet:
    Unter welchen Voraussetzungen ist die Bundesregierung bereit, über den Produktionsverzicht der Bundesrepublik Deutschland hinaus, wie er in den Zusatzprotokollen anläßlich des Beitritts der Bundesrepublik Deutschland zur Westeuropäischen Union vertraglich festgelegt worden ist, in Zusammenhang mit umfassenden Abkommen über die Verhinderung der Weitergabe von Nuklearwaffen auch einen Erwerbsverzicht für nukleare Waffen zu vereinbaren?
    Die Antwort lautet: Es ist gegenwärtig aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht damit zu rechnen, daß alsbald eine Einigung über ein universell angelegtes, umfassendes Abkommen gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen erzielt werden kann. Auch kann zur Zeit niemand voraussehen, welchen Inhalt ein solches Abkommen haben würde. Es ist doch nicht nur umstritten, ob sich die Regelung darauf beschränken soll, die Entstehung weiterer Atomwaffenmächte zu unterbinden, oder ob sie auch in die innere Organisationsfreiheit der Bündnisse eingreifen soll, die auf dem Recht kollektiver Selbstverteidigung beruhen. Umstritten ist auch, ob und welche Vorsorge dabei für die nukleare Sicherheit derjenigen nichtnuklearen Staaten getroffen werden soll, die ihre Sicherheit in Bündnislosigkeit suchen. Ebenso umstritten ist, ob die Nichtverbreitungsregelung einen Schritt auf dem Wege zur nuklearen Abrüstung, zur Rüstungsbegrenzung für schon bestehende und entstehende Nuklearwaffenstaaten, enthalten soll.
    Das Hohe Haus wird daher Verständnis dafür haben, daß sich die Bundesregierung gegenwärtig nicht ins einzelne gehend dazu äußert, wie sie sich in einer hypothetischen Situation verhalten würde.
    Andererseits ist die internationale Diskussion der Nichtverbreitungsprobleme so weit fortgeschritten und in einem gewissen Umfange — wie wir mit Befriedigung feststellen — auch versachlicht, daß die Bundesregierung folgendes zu erklären vermag:
    Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, sich an einer Regelung zu beteiligen, die darauf abgestellt wäre, das in der Charta der Vereinten Nationen ausdrücklich verbürgte Recht auf kollektive Selbstverteidigung im nuklearen Bereich zu beeinträchtigen. Sie wünscht nicht, daß die rechtmäßig gegebenen Möglichkeiten, die kollektive Sicherheit des westlichen Bündnisses befriedigend zu organisieren, um eines Kompromisses willen eingeschränkt werden, der zur Lösung des eigentlichen Problems der Nichtverbreitung in der übrigen Welt deswegen nicht einmal beitragen würde, weil damit die Sicherheitsbedingungen bündnisfreier Staaten keineswegs verbessert werden.
    Dagegen ist die Bundesregierung bereit, die Beteiligung an einer Regelung zu erwägen, die dem eigentlichen Ziele der Nichtverbreitungspolitik dient, nämlich das Entstehen weiterer Atommächte zu verhindern, wenn die Probleme der nuklearen Sicherheit im westlichen Bündnis befriedigend gelöst sind.
    Im übrigen gibt es für einen Staat nur zwei Möglichkeiten, Atomwaffen zu erlangen, durch eigene Produktion oder durch den Erwerb von einer Atomwaffenmacht. Beide Wege wollen wir ausgeschlossen sehen. Einen dritten Weg der Verbreitung von Atomwaffen — etwa, wie oft fälschlich behauptet wird, durch Beteiligung an der kollektiven Abschreckung innerhalb einer Allianz — gibt es nicht. Auf die Herstellung von atomaren Waffen haben wir unseren Verbündeten gegenüber bereits im Jahre 1954 verzichtet, und wir haben uns — das muß man nachdrücklich unterstreichen — als bisher leider einziges Land der Welt einer entsprechenden Kontrolle unterworfen. Wir haben vorgeschlagen, daß andere nichtnuklear gerüstete Staaten das gleiche tun. Um auch den zweiten Weg zu sperren, auf dem ein Staat Atomwaffen erlangen könnte, nämlich den des Erwerbs von Atomwaffenmächten, haben wir vorgeschlagen, daß sich diese Mächte verpflichten, keine Atomwaffen in die nationale Kontrolle anderer Länder zu geben, wie es ohnehin ihrer Politik entspricht.
    Die deutsche Regierung hat im übrigen wiederholt erklärt, daß Deutschland nicht nach nationaler Verfügungsgewalt über Atomwaffen strebt. Wir würden es begrüßen, wenn sich möglichst viele Länder zur gleichen Politik bekennen und sich zu den gleichen Verzichten entschließen würden, die wir bereits geleistet haben

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

    und an denen wir unbeirrt festhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die dritte Frage lautet:
    Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über das von ihr vorgeschlagene Abkommen der Nuklearmächte, wonach keine Kernwaffen in die nationale Kontrolle anderer Länder gegeben werden dürfen?
    Die Antwort lautet wie folgt: Es ist sicher nicht eine Aufgabe, die der deutschen Regierung vorrangig gestellt ist, den Atomwaffenmächten Vorschläge darüber zu machen, welche Beiträge sie zu erbringen hätte, damit eine Weiterverbreitung von Atomwaffen verhindert wird. Die Atomwaffennächte verfolgen ohnehin nicht die Politik, Kernwaffen weiterzugeben oder anderen Staaten die Kontrolle über Kernwaffen zu übertragen. Um die Weiterverbreitung von Kernwaffen zu verhindern, ist es daher in erster Lnie erforderlich, einen Produktionsverzicht zu vereinbaren, wie wir ihn vorgeschlagen haben.
    Um jedoch jede Möglichkeit der Weitergabe von Kernwaffen in nationale Kontrolle anderer Staaten auszuschließen, könnten die Kernwaffenmächte un-



    Bundesminister Dr. Schröder
    ter sich entsprechende Vereinbarungen treffen. Auch dies wäre ein Schritt zur internationalen Regelung des Nichtverbreitungsproblems. Dieser Schritt ist um so eher möglich, als die Politik der Kernwaffenmächte in diesem Punkte konform ist und es, um diesen Schritt zu tun, keiner Kompromisse im Wege des Gebens und Nehmens bedarf.
    Wenn wir angeregt haben, die Atomwaffenmächte sollten übereinkommen, keine Atomwaffen in die nationale Kontrolle anderer Länder zu geben, so haben wir uns dabei auch von der Erwägung leiten lassen, daß mit einem solchen Übereinkommen ein Verhalten der Atomwaffenmächte sichtbar würde, das im weiteren Verlauf von großer Bedeutung sein könnte. Dadurch könnte nämlich ein erster Schritt auf 'dem Wege zur nuklearen Abrüstung der Staaten vorbereitet werden, die allein über Atomwaffen verfügen und damit eine besondere Verantwortung tragen. So könnte eine Entwicklung eingeleitet werden, die auf die Begrenzung und Verminderung der vorhandenen Massenvernichtungswaffen abzielt und damit nicht nur der Nichtverbreitung, sondern zugleich der Abrüstung dient.
    Einflußreiche Nichtnuklear-Länder, insbesondere zivile Atommächte, erheben immer eindringlicher die Forderung, die Atomwaffenmächte sollten auch ihrerseits der Vermehrung der Atomwaffen auf der Welt entgegenwirken. Niemand, meine Damen und Herren, hat hieran größeres Interesse als Deutschland, das der atomaren Bedrohung aus dem Osten im besonderen Maße ausgesetzt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eine Übereinkunft der Atomwaffenmächte auf einem Gebiet, wo die Übereinstimmung in der nationalen Politik auch ein entsprechendes internationales Übereinkommen ermöglicht, würde zugleich als ein erster Schritt auf dem Wege zur Erfüllung dieser Forderungen angesehen werden können.
    Die Frage 4 lautet:
    Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über das von ihr vorgeschlagene Abkommen, das das Ziel hat, die Zahl der Atomwaffen in Europa 'schrittweise zu verringern?
    Die Antwort lautet: Die Stationierung atomarer Waffen im freien Teil Europas ist kein Selbstzweck, sondern nach Art und Dichte erforderlich, um angesichts der politischen Zielsetzung der Sowjetunion und ihres militärischen Potentials im Warschauer Pakt den Frieden zu sichern und notfalls die Freiheit zu verteidigen. Die atomaren Waffen im Bereich des atlantischen Oberbefehlshabers für Europa sind seinerseits integrales Mittel der Politik der Abschreckung, andererseits dienen sie dazu, für den Konfliktsfall ein Kräfteverhältnis sicherzustellen, das trotz des östlichen Übergewichts an konventioneller Bewaffnung die Verteidigung des freien Europa ermöglicht. Die in sich selbst wünschenswerte Verminderung der atomaren Waffen könnte in dem Maße erfolgen, wie die Bedrohung von Frieden und Freiheit in Europa nachläßt.
    Die Bundesregierung hat sich deshalb bereit erklärt, einem Abkommen zur Begrenzung und stufenweisen Verringerung der atomaren Waffen in ganz Europa beizutreten. Sie ist dabei von dem Wunsch geleitet, daß sich die Spannung in Europa verringert. In einem solchen Abkommen müßte unter anderem sichergestellt sein, daß das Kräfteverhältnis insgesamt gewahrt wird und daß die militärischen Maßnahmen mit entscheidenden Fortschritten bei der Lösung der politischen Probleme verbunden werden.
    Die Wahrung des Kräfteverhältnisses wird es erforderlich machen, sowjetische Atomwaffen, die nach ihrer Art und Bestimmung in ein europäisches Kriegsgeschehen eingreifen könnten, in die stufenweise und kontrollierte Verringerung der atomaren Waffen in Europa einzubeziehen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Weiterhin wird es notwendig sein, die Stärke der sowjetischen konventionellen Streitkräfte in Deutschland einem verminderten Potential der Nuklearstreitkräfte in Europa anzupassen, und das heißt, sie zu verringern.
    Ohne Überwindung der Spaltung Deutschlands kann es — wie wir alle wissen — keine dauerhafte Friedensregelung für Europa geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung schlägt daher den in Frage kommenden Regierungen vor, die unwiderrufliche stufenweise Verminderung der in Europa stationierten atomaren Waffen mit unwiderruflichen Fortschritten bei der Beseitigung dieser hauptsächlichen Spannungsquelle zu verbinden.
    Die fünfte Frage lautet wie folgt:
    Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu den Botschaften des Präsidenten Johnson vom 27. Januar 1966 und des Ministerpräsidenten Kossygin vom 1. Februar 1966 an die Genfer Abrüstungskonferenz ein, soweit sie nukleare Garantien für solche Länder betreffen, die sich zu einem nichtnuklearen Status verpflichten?
    Die Antwort lautet wie folgt: Die Genfer Verhandlungen der vergangenen 4 1/2 Jahre über ein Abkommen zur Verhinderung der Verbreitung von Kernwaffen blieben bisher aus einer ganzen Reihe von schwerwiegenden Gründen erfolglos. Einer von ihnen ist das Sicherheitsbedürfnis der nichtnuklearen Staaten gegenüber nuklearer Drohung oder Erpressung. Bisher wurde kein Weg gefunden, auf dem dieses Problem für alle nichtnuklearen Staaten in befriedigender Weise geregelt werden kann. Während die allianzgebundenen Staaten ihre Sicherheit im Rahmen ihrer Allianzen suchen, sehen die blockfreien Staaten keine Möglichkeit, Sicherheit in ihrer Bündnisfreiheit und zugleich unter dem nuklearen Schirm einer Atommacht zu finden, da sie dadurch ihre Ungebundenheit in Frage stellen würden.
    Die Botschaften des amerikanischen Präsidenten Johnson vom 27. Januar dieses Jahres und des sowjetischen Vorsitzenden des Ministerrats Kossygin



    Bundesminister Dr. Schröder
    vom 2. Februar dieses Jahres an die Genfer Abrüstungskonferenz wollen nun das Problem auf verschiedene Weise lösen. Während die Amerikaner den Staaten, die auf nationale Atomwaffen verzichten, amerikanische Unterstützung gegen atomare Bedrohung versprechen, sind die Sowjets bereit, in ihren Vertragsentwurf eine Klausel einzufügen, die den Einsatz von Atomwaffen gegen nichtnukleare Teilnehmerstaaten des Vertrages, deren Gebiet atomwaffenfrei ist, verbietet.
    Die Botschaft Präsident Johnsons wendet sich in erster Linie an die blockfreien Staaten, der Kossygin-Vorschlag an alle nichtnuklearen Staaten, obwohl er vornehmlich für die Blockfreien unter ihnen interessant ist. Diese haben bisher aber nicht zu erkennen gegeben, daß sie die in Fragestehenden, rein verbalen Maßnahmen als ausreichende Sicherheitsgarantie ansehen. Der Verzicht auf atomare Drohung, den der Kossygin-Vorschlag anbietet, kommt nur nuklearfreien Gebieten zugute, nuklear verteidigten Gebieten also nur, wenn sie denuklearisiert, d. h. von Kernwaffen entblößt werden. Die nichtnuklearen Staaten des nordatlantischen Bündnisses zeigen keine Neigung, die festen Grundlagen ihrer 'derzeitigen Sicherheit aufzugeben und sich statt dessen mit einer nuklearen Nichtangriffszusage zu begnügen, deren Wert im Konfliktsfall in Zweifel gezogen werden darf. Hier geht es ja für jedes Land im Krisenfall um Leben und Tod, physisch wie politisch. Der Vorschlag zielt, soweit er auch an allianzangehörige Staaten gerichtet ist, offensichtlich auf eine Schwächung der Allianz. Unsere Verbündeten haben sich demgemäß dem Vorschlag gegenüber weitgehend ablehnend verhalten.
    Wenn der sowjetische Vorschlag auch die Sicherheitsbedürfnisse der meisten Nichtnuklearen nicht befriedigen kann, so ist er doch insofern zu begrüßen, als die Sowjets mit 'ihm zum ersten Mal öffentlich anerkannt haben, daß ein vertraglicher Nuklearverzicht mit einer Regelung der Sicherheitsinteressen der Nichtnuklearen verbunden sein muß.
    Für Deutschland, dessen Sicherheit auf seiner Zugehörigkeit zur Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft beruht, bieten die beiden Vorschläge keine zusätzlichen Garantien.
    Die sechste Frage lautet:
    Wie bewertet die Bundesregierung den im italienischen Entwurf einer einseitigen Erklärung über den Nichterwerb von Kernwaffen vom 14. September 1965 enthaltenen Vorschlag eines Moratoriums?
    Die Antwort lautet: Der als „Fanfani-Plan" bekannt gewordene italienische Vorschlag sieht vor, daß die Nichtnuklearstaaten durch einseitige Erklärungen — zunächst für die Dauer von einigen Jahren — darauf verzichten, nationale Verfügungsgewalt über Kernwaffen zu erwerben.
    Die Bundesregierung hält diesen Plan für einen interessanten und wertvollen Beitrag zu den Bestrebungen, die Ausbreitung der Kernwaffen zu verhindern.
    Wie unsere Vorschläge zur Regelung des Nichtverbreitungsproblems in unserer Friedensnote hat der Fanfani-Plan subsidiären Charakter, d. h. er will die Bemühungen um einen umfassenden Nichtverbreitungsvertrag nicht durchkreuzen, sondern erleichtern. Die zeitliche Befristung des von Italien vorgeschlagenen Moratoriums verfolgt die Absicht, die Nuklearmächte zu einer Einigung über eine Begrenzung ihrer nuklearen Rüstungen zu drängen und Zeit für die Lösung der Sicherheitsprobleme der nichtnuklearen Staaten zu gewinnen. Es ist offensichtlich, daß sich diese Sicherheitsprobleme innerhalb von Allianzen anders stellen und dort anders gelöst werden als bei bündnisfreien Staaten. Während die Bundesregierung der Auffassung ist, daß Allianzen den natürlichen Rahmen für einen Verzicht auf nationale Atomwaffen abgeben können, ist das Moratorium nach unserer Auffassung das für die Gruppe der allianzfreien Staaten geeignete Instrument einer schrittweisen Nichtverbreitungspolitik.
    Frage 7:
    In welcher Form wird die Bundesregierung ihr Angebot an die Regierungen Osteuropas, förmliche Erklärungen über einen Gewaltverzicht auszutauschen, weiterverfolgen?
    Die Antwort darauf lautet wie folgt: Bei der Weiterverfolgung des Angebots an die Sowjetunion und die osteuropäischen Staaten, bilateral Gewaltverzichtserklärungen auszutauschen, berücksichtigt die Bundesregierung das Echo der kommunistischen Regierungen. Dieser mit der Friedensnote übermittelte Vorschlag konnte offenbar von ihnen nicht ignoriert werden. Sie wollten sich wahrscheinlich nicht durch krasse Ablehnung mit ihren eigenen Vorschlägen, also z. B. dem Vorschlag eines Nichtangriffsvertrags, in Widerspruch setzen, wollten aber auch nicht durch Zustimmung ein konstruktives Element in unserer Friedensnote zugeben. Soweit sie formell geantwortet haben, schieben sie deshalb unter Vermeidung einer direkten Antwort den Akzent in unterschiedlicher Weise auf das SBZ-Problem.
    Die Bundesregierung beabsichtigt, auf die individuelle, wenngleich mindestens teilweise abgestimmte Reaktion ihrerseits individuell einzugehen. Das gilt sowohl für die Art und Weise wie für den sachlichen Gehalt unserer weiteren Schritte. Die kommunistischen Regierungen selbst bestehen nicht mehr auf multilateralem Vorgehen bei der Entschärfung der Ost-West-Beziehungen. In ihrer Bukarester Deklaration bekunden sie, daß auch bilateral Fortschritte erzielt werden könnten.
    Allerdings muß die Bundesregierung zunächst mit aller Entschiedenheit die Unterstellungen zurückweisen, die an die Tatsache geknüpft werden, daß wir unseren Gewaltverzichtsvorschlag nicht auch an die SBZ gerichtet haben. Die Bundesregierung benötigt keinen Deckmantel für aggressive Politik, da sie eine solche Politik nie betrieben hat und nie betreiben wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundesminister Dr. Schröder
    Es gehört ebensowenig zu ihren Zielen, die SBZ zu annektieren. Was sie will, ist das Selbstbestimmungsrecht für das ganze deutsche Volk.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Bundesregierung kann bei ihren Überlegungen selbstverständlich auch nicht außer acht lassen, daß das SBZ-Regime tagtäglich und offiziell Gewalt an und hinter der Zonengrenze gewollt anwendet. Wir haben uns nicht nur generell gemäß der Charta der Vereinten Nationen zum Verzicht auf jegliche Gewaltanwendung oder Drohung mit Gewalt bei der Lösung von Streitfragen verpflichtet, sondern darüber hinaus speziell gegenüber unseren Verbündeten im Hinblick auf das Ziel der Wiedervereinigung des deutschen Volkes. Auch die Regierungen Osteuropas würden dies nicht ignorieren, wenn sie von Vorurteilen frei sein könnten.
    Die Bundesregierung verkennt andererseits nicht, daß trotz eines nicht unerheblichen Kontaktes zwischen den einzelnen Staaten des Nordatlantikpaktes und des Warschauer Paktes die Vorstellung möglicher Anwendung von Gewalt oder Drohung mit Gewalt immer noch eine beträchtliche Rolle spielt. Wir möchten dazu beitragen, daß diese psychologische Situation gemildert wird. Die Bundesregierung weiß, daß die für uns selbstverständliche Tatsache, daß wir unser Gewaltverzichtsangebot nicht auch an die SBZ adressiert haben, den kommunistischen Regierungen gewisse Schwierigkeiten bereiten mußte. Sie hat dies frühzeitig bedacht und ist bereit, dem Rechnung zu tragen.
    Das Hohe Haus wird verstehen, daß in einer Sache, deren diplomatische Behandlung im Fluß ist, noch keine ins einzelne gehenden Darlegungen vor diesem Forum angebracht sind.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Ich kann jedoch versichern, daß die weiteren Schritte, die wir zunächst gegenüber einigen der osteuropäischen Regierungen unternehmen, zwar die Erstreckung des Gewaltverzichts auch auf die beiderseitige Deutschlandpolitik bezwecken, keinesfalls aber ein Element der Aufwertung des Zonenregimes enthalten.
    Zur achten Frage:
    Auf welche Weise will die Bundesregierung ihren Vorschlag, bilaterale Vereinbarungen mit den osteuropäischen Staaten über den Austausch militärischer Beobachter bei Manövern der Streitkräfte zu treffen, weiterverfolgen oder erweitern?
    Der Vorschlag an die osteuropäischen Staaten, mit der Bundesrepublik Deutschland militärische Beobachter für Manöver der Streitkräfte auszutauschen, gehört in den Rahmen der auf Sicherung des Friedens gerichteten Politik der Bundesregierung. Diese Maßnahme wäre nämlich geeignet, das im Osten bestehende und propagandistisch wachgehaltene Mißtrauen gegenüber den deutschen Streitkräften abzubauen, einem unbegründeten Gefühl der Bedrohung entgegenzuwirken, der Entspannung zu dienen und damit den Boden für die Lösung der Deutschlandfrage zu verbessern.
    Das mit unserer Friedensnote übermittelte Angebot, die Manöver der Streitkräfte auf Gegenseitigkeit beobachten zu lassen, ist ebenso wie der Vorschlag, Gewaltverzichtserklärungen auszutauschen, mit keiner Bedingung verknüpft. Das Angebot beweist, daß die Bundesregierung auch im militärischen Bereich zu einem gewissen Maß an Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Regierungen bereit und daran interessiert ist, militärischen Fachleuten der Staaten des Warschauer Pakts Gelegenheit zu bieten, sich durch eigene Anschauung von den ausschließlich auf Verteidigung abgestellten Aufgaben der Bundeswehr zu überzeugen.
    Mit diesem Angebot knüpft die Bundesregierung an einen Gedanken des Oberbefehlshabers der Organisation des Warschauer Pakts an. Wir stellen mit Bedauern fest, daß dennoch keine der osteuropäischen Regierungen bisher auf das Angebot eingegangen ist. Welches auch immer die jeweiligen Gründe sein mögen, die Mißachtung des gewichtigen Angebots der Bundesregierung macht noch deutlicher als bisher, was die ständig wiederholte verleumderische Behauptung, die Bundeswehr rüste sich in der Tradition der Hitlerschen Wehrmacht zu einem Eroberungskrieg, in Wahrheit bezweckt: sie soll die osteuropäischen Völker künstlich in Angst und Schrecken halten und von den Wirklichkeiten des neuen Deutschlands ablenken.
    Trotzdem wird die Bundesregierung für sich allein und gemeinsam mit den verbündeten Regierungen jede Gelegenheit ergreifen, um ein Gespräch mit der einen oder anderen osteuropäischen Regierung über die der Entspannung dienende Maßnahme einer gegenseitigen Manöverbeobachtung herbeizuführen.
    Zur neunten Frage:
    Wie bewertet die Bundesregierung die ihr auf die Friedensnote vom 25. März 1966 übermittelten Antworten; erkennt sie darin Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung ihrer eigenen Vorstellungen?
    Die Bundesregierung hatte nur die Sowjetunion und die osteuropäischen Staaten ausdrücklich um eine Antwort auf ihre Note gebeten; denn an diese Staaten richteten sich einige unserer Vorschläge ausschließlich. Es hat nicht überrascht, daß die Antworten, soweit wir sie von dort bekommen haben, zunächst recht negativ klingen. Angesichts der im Osten gegen uns geführten Kampagne wäre es erstaunlich gewesen, wenn die kommunistischen Regierungen ohne weiteres zugegeben hätten, daß unsere Note einen konstruktiven Inhalt hat und daß wir für die osteuropäischen Länder materiell interessante Vorschläge machen. Immerhin waren die Antworten recht differenziert; man hätte sich auch einen gleichförmigen Inhalt vorstellen können. Darin sehen wir ein positives Element. Das andere ist, daß einige Staaten es vorziehen, einer formellen Antwort aus dem Wege zu gehen, was wir im einzelnen Falle positiv werten, zumal wenn andere Formen der Reaktion auf unsere Vorschläge zu verzeichnen sind.



    Bundesminister Dr. Schröder
    Einige unserer Vorschläge sind offenbar auf Interesse gestoßen, so daß sich eine Vertiefung lohnt. Das gilt besonders für den vorgeschlagenen Austausch von Gewaltverzichtserklärungen, der sich sogar in den formellen Antworten einer differenzierten Aufnahme erfreut.
    Es gibt in unserer Note auch Vorschläge, auf die die osteuropäischen Länder nicht oder noch nicht einzugehen wünschen. Unsere Note war ja keine isolierte Aktion, sondern ein Beitrag zu der langfristigen und weitgespannten Diskussion über Entspannung, Rüstungskontrolle und Verbesserung der Ost-West-Beziehungen. Es gibt zu den von uns behandelten Themen viele Vorschläge von vielen Seiten, aber in kaum einem Fall ist bisher eine Einigung zwischen Ost und West erzielt worden. Nun, man kann nicht erwarten, daß es unseren Vorschlägen in dieser Hinsicht besser geht als anderen. Auch soll man Vorschläge, die vernünftig sind und praktikabel wären, nicht deswegen unterlassen, weil die andere Seite zur Zeit nicht auf sie eingehen würde. Es kommt vielmehr darauf an, daß sie in der Diskussion weiterwirken, daß in dem Wechselspiel der Meinungen und praktischer Politik unser Standpunkt mit dem ihm gebührenden Gewicht zur Geltung kommt.
    Diesem Ziel glaubt die Bundesregierung mit ihrer Note vom 25. März 1966 gedient zu haben. Das Echo, das unsere Note in der nichtkommunistischen Weltöffentlichkeit fand, war ungewöhnlich zustimmend. Dafür zeugen die Antwortnoten, die wir aus der nichtkommunistischen Welt erhalten haben. Aber wir hatten — ich sage das noch einmal —, abgesehen von den osteuropäischen Ländern, formelle Antworten nicht erbeten. Die Übereinstimmung, die uns in vielen Fällen mündlich ausgedrückt wurde, war für unser Urteil ebenso wertvoll wie die Würdigung der Note in Genf oder in New York. Wir fühlen uns durch die ganz überwiegend zustimmenden Antworten und sonstigen Reaktionen in der Richtigkeit unseres Weges bestärkt und sind unseren Freunden für ihre Unterstützung unserer Politik, in welcher Form sie auch erfolgte, dankbar.
    Die Bundesregierung wird es gewiß nicht bei diesem Stand der Dinge bewenden lassen. Sie weiß wie das Hohe Haus, daß es mit einer Note nicht getan ist. Dem Wesen politischer Vorgänge entsprechend müssen unsere Vorschläge und Gedanken verfolgt, wo nötig, weiterentwickelt werden. Dafür hat die Bundesregierung, so meinen wir jedenfalls, mit ihrer Note vom 25. März eine gute Grundlage.
    Die Frage 10 lautet:
    Hat die Bundesregierung über ihre in der Friedensnote vom 25. März 1966 ausgedrückte Bereitschaft zur Teilnahme an einer Weltabrüstungskonferenz hinaus Schritte unternommen, um auf die Einberufung einer solchen Konferenz hinzuwirken, und ist sie bereit, für eine solche Konferenz umfassende Pläne auszuarbeiten?
    Die Initiative zur Einberufung einer Weltabrüstungskonferenz außerhalb der Vereinten Nationen wurde durch die erste chinesische Atombombenexplosion im Oktober 1964 ausgelöst. Sie ging, wie erinnerlich, von einer Reihe von blockfreien Staaten aus und verfolgte vornehmlich den Zweck, Rotchina für Abrüstungsverhandlungen zu gewinnen.
    Die Regierung in Peking hat in letzter Zeit wiederholt zu verstehen gegeben, daß sie nicht bereit ist, an einer solchen Konferenz teilzunehmen. Damit haben sich die Aussichten verringert, daß die Konferenz stattfindet, die — einem Beschluß der UN- Vollversammlung vom 29. November vergangenen Jahres folgend — im nächsten Jahr einberufen werden sollte. Die Bemühungen der Initiatoren um das Zustandekommen der Konferenz haben daher in letzter Zeit nachgelassen.
    Obwohl uns die Einberufung einer Konferenz, an der alle Länder der Welt teilnehmen, vor eine Reihe von politischen und rechtlichen Problemen stellen würde und obwohl von einem solchen weltumspannenden Mammutgremium kaum konkrete Verhandlungen, sondern eher eine Kette von grundsätzlichen Erklärungen der Delegierten zu erwarten sind, hat sich die Bundesregirung bereit erklärt, an einem vorbereitenden Ausschuß teilzunehmen, falls dies unter Bedingungen möglich wird, die eine sachliche und erfolgversprechende Arbeit gewährleisten. Die Bundesregierung will hierdurch nicht nur die deutschen Interessen wahren und ihre Anteilnahme an der Politik der Abrüstung und Rüstungskontrolle beweisen, sondern durch ihre Beteiligung und durch eigene Initiativen auch die Lösung von Abrüstungsproblemen aktiv fördern.
    Die 11. Frage:
    Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschläge aus Ost und West für eine europäische Sicherheitskonferenz?
    Die Antwort auf diese Frage lautet: Der dauerhafte Erfolg von Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle hängt davon ab, ob es gelingt, die Ursachen von Unsicherheit und Spannung zu beseitigen und damit die Sicherheit selbst zu verbessern. Die Hauptursache der Spannung in Europa ist die Teilung Deutschlands. Solange der Wille zur Lösung der offenen politischen Fragen nicht bei allen voraussichtlichen Teilnehmern an einer europäischen Sicherheitskonferenz vorhanden ist, wird sie zum Scheitern verurteilt sein.
    Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß vor Einberufung einer europäischen Sicherheitskonferenz folgende Voraussetzungen gegeben sein sollten:
    1. Die Konferenz müßte mit dem erklärten Ziel einberufen werden, die Teilung Europas durch eine gerechte Friedensordnung zu überwinden oder unwiderrufliche Schritte auf 'dem Wege dahin zu tun. Dies bedeutet vor allem, an der Aufhebung der gewaltsamen Spaltung des deutschen Volkes durch Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts zu arbeiten und dabei Erfolge zu erzielen.
    2. Die sowjetische Besatzungszone wird von der weit überwiegenden Mehrheit der europäischen Staaten nicht als Staat anerkannt. Sie kann deshalb



    Bundesminister Dr. Schröder
    grundsätzlich nicht Teilnehmer einer solchen europäischen Staatenkonferenz sein.
    3. Für die Sicherheit Europas ist die Rolle der Vereinigten Staaten von entscheidender Bedeutung. Sie müßten daher schon aus diesem Grunde von vornherein in eine Konferenz zur Regelung der europäischen Probleme einbezogen werden.
    Meine Damen und Herren, angesichts der erklärten Ziele der sowjetischen Deutschlandpolitik ist allerdings auch nach Meinung unserer NATO-Verbündeten eine erfolgreiche Konferenz gegenwärtig nicht denkbar. Die Bundesregierung setzt daher ihre Bemühungen fort, mit einzelnen Entspannungsmaßnahmen das Klima 'der Ost-West-Beziehungen zu verbessern und das gegenseitige Mißtrauen abzubauen. Dies ist politisch durch 'Fortsetzung deis mit der deutschen Friedensnote angebahnten Weges, im übrigen durch die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Staaten auf kulturellem, wissenschaftlichem, technischem und wirtschaftlichem Gebiet möglich. Als Ergebnis einer fortschreitenden Verbesserung .der Beziehungen könnte sich in Zukunft auch eine europäische Sicherheitskonferenz als nützliches Mittel auf dem Wege zu einer gerechten und dauerhaften Friedensordnung in Europa erweisen.
    Schließlich zur 12. unid letzten Frage:
    Welche Möglichkeiten erkennt die Bundesregierung, erfolgversprechende Initiativen zur Rüstungsbegrenzung und zur Friedenssicherung mit erfolgversprechenden Initiativen zur schrittweisen Lösung des Deutschlandproblems zu verbinden?
    Die Bundesregierung gibt darauf folgende Antwort: Dem Hohen Hause ist bekannt, daß sich die Bundesregierung zusammen mit ihren Verbündeten von der Einsicht leiten läßt, ,daß die 'in Europa bestehenden politischen und sicherheitspolitischen Probleme nur schrittweise und in wechselseitigem Zusammenhang gelöst werden können. Die politischen Lösungen müssen von dem Grundsatz ides Selbstbestimmungsrechts für das ganze deutsche Volk ausgehen.
    Demgegenüber hat, wie wir leider haben feststellen müssen, das sowjetische Interesse an Maßnahmen zur Rüstungsbegrenzung und zur Friedenssicherung in Europa bisher nur unter dem Vorzeichen gestanden, auf diesem Wege die Legalisierung der Teilung Deutschlands zu erschleichen. Die Bundesregierung ist überzeugt, daß die Sicherheitsinteressen der Sowjetunion und der osteuropäischen Länder genauso wie die der interessierten und beteiligten westlichen Länder und auch des deutschen Volkes mit einer gerechten Friedensordnung in Europa befriedigt werden können. Wesentlicher Bestandteil einer solchen gerechten Friedensordnung ist die Wiedervereinigung des deutschen Volkes in einem freiheitlich-demokratischen Staat.
    Von dieser Überzeugung getragen hat die Bundesregierung das bereits erläuterte Abkommen vorgeschlagen, das eine stufenweise Verringerung der Atomwaffen bei gleichzeitigen Fortschritten in der
    Deutschlandfrage zum Ziel hat. Auch mit weiteren Initiativen zur Rüstungsbegrenzung wird die Bundesregierung eine dauerhafte Sicherung des Friedens verbinden und ihre wohlbegründete Deutschlandpolitik beharrlich fortführen. Sie ist davon überzeugt, daß der Erfolg letzten Endes nicht ausbleiben wird.
    Meine Damen und Herren, das ist. die vielleicht ein bißchen mühselige Beantwortung von sehr ein- gehenden Fragen. Aber ich glaube, daß die Beantwortung als solche und die in diesen Antworten eingenommene Position für die Verdeutlichung der deutschen Politik drinnen und draußen nützlich sein wird. Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Birrenbach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Birrenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einführung, die der Kollege Schmidt der außerordentlich umfangreichen und komplexen Anfrage der SPD gegeben hat, ist erstaunlich. Denn wenn dem Haupthema 10 % und der Ouvertüre 90 % gewidmet sind, so ist dies, höflich gesprochen, ungewöhnlich.

    (Beifall in der Mitte.)

    Unser Respekt vor der Opposition in diesem Hause veranlaßt mich daher, das Hauptgewicht der Antwort, die ich die Ehre habe, im Namen der CDU/CSU-Fraktion zu geben, der Anfrage der SPD zu widmen und nicht den Ausführungen des Kollegen Schmidt. Soweit aber die Erklärungen des Kollegen Schmidt als Einleitung zu dem eigentlichen Thema des heutigen Tages von Wichtigkeit sind, gestatten Sie mir einige Bemerkungen.
    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß das atomare Patt, das entstanden ist, das entscheidende Merkmal der heutigen Weltkonstellation ist. Aus ihm haben sich fundamentale Änderungen der Strategie und damit auch für das Problem der Sicherheit der Bundesrepublik und Europas ergeben. Dieses Patt hat auch Konsequenzen in der politischen Gestaltung Europas gehabt. Wenn eine polyzentrische Entwicklung im Osten eingetreten ist, so stimme ich mit dem Kollegen Schmidt überein, daß diese Entwicklung Chancen bietet, aber auch deutlich erkennbare Grenzen hat. Wenn die Antwort des Westens darauf die einer Differenzierung ist, so muß ich sagen, daß diese angesichts der noch bestehenden Gefahr im Osten eher eine Risiko bedeutet als eine Chance. Der Kollege Schmidt selbst weist darauf hin, daß die Berliner Position nach wie vor gefährdet ist und daß niemand weiß, was in Berlin morgen geschieht. Die Berichte aus Moskau in den letzten Tagen lassen aufmerken.
    Richtig ist es, wenn Herr Kollege Schmidt sagt, daß die Politik von heute nicht nur auf das Problem der Sicherheit konzentriert werden kann. Aber die Sicherheit ist der Ausgangspunkt jeder Entspannungspoliik. Wenn das übersehen wird, könnten



    Dr. Birrenbach
    wir uns morgen in eine Lage versetzt fühlen, die keiner in diesem Hause wünschen möchte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Damit komme ich schon zu jenen Maßnahmen, die im Mittelpunkt der Anfrage der SPD stehen, den Maßnahmen auf den Gebieten der Abrüstung und der Rüstungskontrolle. Ich stimme mit dem Herrn Kollegen Schmidt darin überein, daß für eine Abrüstung in größerem Stil, die wir alle wünschen, die Chancen heute noch nicht groß sind. Auf der anderen Seite besteht bei den Rüstungskontrollmaßnahmen die Gefahr, daß die deutsche Frage dabei unterlaufen wird. Darum sind gerade diese Probleme unserer besonderen Aufmerksamkeit wert. Sie sind im wesentlichen Gegenstand der Großen Anfrage, zu der ich jetzt Stellung nehmen werde. — Zur Frage der Ostpolitik, soweit hierzu Fragen aufgeworfen sind; wird sich mein Kollege Baron von Guttenberg äußern.
    Die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Rüstungsbegrenzung und Sicherung des Friedens umfaßt mehrere Komplexe. Der bedeutendste von ihnen ist die Frage der Nichtverbreitung atomarer Waffen. In aller Kürze beginnt die Herbsttagung der Vereinten Nationen, auf der es zu einer Diskussion über die bisherigen Ergebnisse des 18er-Komitees in Genf kommen wird. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Vollversammlung der Vereinten Nationen das 18er-Komitee, insbesondere aber die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, drängen wird, so schnell wie möglich zu einem Abschluß zu kommen, der alle Lücken im Vertrage für die Nonproliferation atomarer Waffen schließt. Nach der Rede des amerikanischen Präsidenten in Idaho vom 26. August ist mit Sicherheit damit zu rechnen, daß dieses Thema auch auf dem Hintergrund der Verhandlungen stehen wird, die der Herr Bundeskanzler in -diesen Tagen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten führen wird. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt es daher, daß das Parlament Gelegenheit hat, zu dieser kardinalen Frage Stellung zu nehmen, welche • die Sicherheit der Bundesrepublik Und Europas vital berührt.
    Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt es, daß sich die Bundesregierung in der Erklärung, die der Herr Bundesaußenminister heute abgegeben hat, erneut zu der Anerkennung des Prinzips der Nichtverbreitung atomarer Waffen in nationale Kontrolle bekannt hat, wie sie dies auch in der Friedensnote vom 25. März in, überzeugender Form getan hat. Auch die Bundesrepublik sieht in einer unkontrollierten Verbreitung nuklearer Waffen in nationale Kontrolle eine ernste Gefahr für den Weltfrieden; dessen Erhaltung unser zentrales Anliegen ist.
    Die Bundesregierung hat aber mit Recht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß, was die Dringlichkeit anlangt, zwischen Produktion und Erwerb nuklearer Waffen unterschieden werden muß. .Die größte Gefahr für die Weiterverbreitung atomarer Waffen in nationale Kontrolle liegt in der Produktion und weniger im Erwerb dieser Waffen. Wir alle. wissen, daß es nicht zu erwarten ist, daß auch nur eine einzige. der großen Atommächte die
    Absicht hat, nukleare Waffen an andere, nichtnukleare Staaten in nationale Kontrolle zu übertragen. Ein Blick auf die Struktur des Warschauer Paktes macht diese Feststellung ebenso evident wie die ständig wiederholten und eindeutigen Erklärungen der amerikanischen, britischen und französischen Regierung. Daß für Rotchina das gleiche gilt, ergibt. sich. aus der Natur dieser Waffen und dem Charakter des Mao-Regimes.
    Wenn also die Hauptgefahr für eine Verbreitung der nuklearen Waffen in nationale Kontrolle in der Produktion liegt, dann gibt es nur ganz wenige Mächte, bei denen die Gefahr bestehen könnte, daß sie sich zur Produktion solcher Waffen entschließen. Das wären jene Mächte, die heute ais zivile nukleare Mächte angesprochen werden können, da sie Atomreaktoren und ähnliche atomare Einrichtungen für friedliche Zwecke besitzen, gleichzeitig aber unter der Bedrohung durch eine nukleare Macht, stehen, die die außerordentlichen Aufwendungen und Opfer für die Entwicklung nuklearer Waffen rechtfertigt; sie müssen auch über ein indu strielles Potential verfügen, welches die Entwicklung solcher Waffen überhaupt möglich macht. Darüber hinaus müssen sie über den Raum verfügen, um diese Waffen zu testen. Unter dieser Perspektive gesehen, sind es nur einige wenige, sicherlich weniger als zehn Mächte, bei denen von der realen Möglichkeit gesprochen werden kann, daß sie eines Tages militärische Nuklearmächte werden könnten. Diese Möglichkeit bestünde in vereinzelten Fällen in Europa, in Ostasien, insbesondere im Falle Indiens und Japans im Hinblick auf China, und im mittelöstlichen Spannungszentrum. Selbst wenn es dem einen oder anderen zivilen Nuklearstaat möglich wäre, nukleare Gefechtsköpfe oder Bomben in geringem Umfang zu produzieren, so würde ihm die Entwicklung eines wahrhaft relevanten nuklearen Trägersystems kaum möglich sein. Die Kosten seiner Entwicklung sind außerordentlich groß, die technischen Voraussetzungen heute vielleicht noch schwieriger als für die Entwicklung atomarer Waffenkörper. Das. hat der amerikanische Verteidigungsminister McNamara am 7. März dieses Jahres in dem Senats-Hearing über die Resolution 179 sehr klar zum Ausdruck gebracht.
    Wenn die konkrete Gefahr einer Proliferation heute im wesentlichen die Proportionen hat, die ich gekennzeichnet habe, dann müssen wir uns fragen, ob die Lösung dieses Problems- im Wege eines universalen Vertrages, wie er den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion vorschwebt, der zweckmäßigste Weg zur Erreichung dieses Ziels ist. Gleichzeitig ergibt sich aber aus dem vorher Gesagten, worauf die Bundesregierung schon in ihrer Friedensnote vom 25. März hingewiesen :hat,. daß die Bundesrepublik durch ihren Verzicht auf die Produktion atomarer Waffen, den sie in den Pariser Verträgen ausgesprochen hat — und zwar ein, Verzicht unter internationaler Kontrolle —-, einen ganz entscheidenden Beitrag zur 'Durchführung des Prinzips der Nichtweiterverbreitung atomarer Waffen bereits geleistet hat. Diesem Schritt ist bedauerlicherweise bisher kein einziger Staat gefolgt. Daher



    Dr. Birrenbach
    ist es nur konsequent, wenn die Bundesregierung die nichtnuklearen Mächte, insbesondere die in den beiden Bündnissystemen, auffordert, diesen entscheidenden Schritt zunächst einmal nachzuvollziehen und ihrerseits die Verpflichtung auf sich zu nehmen, keine eigenen nuklearen Waffen herzustellen. Damit könnte, verbunden mit einem Teststopp auch für Versuche in der unterirdischen Dimension, die Lücke geschlossen werden, die heute in der Welt im Sinne einer Verbreitung nuklearer Waffen in nationale Kontrolle besteht. Wenn sich die Bundesrepublik aber darüber hinaus damit einverstanden erklärt, daß die nuklearen Mächte unter sich übereinkommen, keine Kernwaffen in nationale Kontrolle anderer Staaten zu geben, so ist unsererseits alles geschehen, was die Welt füglich von uns erwarten kann.
    Man sollte doch nicht übersehen, daß ein reines Verbreitungsverbot für die nichtnuklearen Staaten ohne Gegenleistung der atomaren Mächte eine völkerrechtlich verbriefte Teilung der Welt in nukleare Waffen besitzende und nichtbesitzende Staaten darstellt, die deren politische Zukunft und militärische Sicherheit präjudiziert. In den 18-Mächte-Verhandlungen ist klar zum Ausdruck gekommen, daß die „Have-nots" von den Nuklearmächten als Gegenleistung für ihren Verzicht entweder eine Garantie für ihre gefährdete Sicherheit verlangen, falls sie von einer nuklearen Macht angegriffen werden, oder auf einer Verpflichtungserklärung der Nuklearmächte bestehen, ihre nuklearen Waffen und Träger abzubauen, so daß in der Zukunft die Teilung der Welt in Nationen erster und zweiter Klasse überwunden wird.
    Der Vorschlag des sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin, sich dieser Verpflichtung durch einen verbalen Verzicht zu entledigen, löst das Problem der Sicherheit in keiner Weise. Einseitige nukleare Garantien — und das ist der Vorschlag des amerikanischen Präsidenten — lösen die komplexen Sicherheitsprobleme in allen Regionen der Welt jedenfalls nicht ausreichend, da eine nukleare Bedrohung immer nur ein Teil einer gesamtmilitärischen Drohung ist. Gemeinsame Garantien beider Seiten, d. h. der USA und der Sowjetunion, für nichtallianzgebundene Staaten werfen außerordentliche Probleme auf, wie die Stellungnahme Indiens beweist.
    Die Erfahrungen mit der Abrüstung in den letzten Jahrzehnten, insbesondere auch in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, sind nicht vielversprechend. Die Bundesrepublik ist in der gefährdeten Lage, in der sie sich im Rahmen des West-Ost-Konfliktes befindet, daran interessiert und hat mit Fug und Recht darauf hingewiesen, daß das Recht der kollektiven Selbstverteidigung gegen nukleare Drohungen ein vitales Recht ist, auf das sie nicht verzichten kann und das als selbstverständliches Recht auch in der Charta der Vereinten Nationen seine Verankerung gefunden hat. Gegen dieses Recht der kollektiven Selbstverteidigung, ausgeübt im Rahmen einer regionalen Allianz, d. h. hier der NATO, richten sich die Erklärungen der sowjetischen Regierung zur Frage des Nonproliferationsvertrages und insbesondere der sowjetische Vertragsentwurf zum gleichen Problem. In den Verhandlungen in Genf ist offenbar geworden, daß das entscheidende Interesse der Sowjetunion, einen Nonproliferationsvertrag zum Abschluß zu bringen, darin liegt, der Bundesrepublik dieses Recht der kollektiven Selbstverteidigung zu nehmen, sie zu isolieren, den militärischen und politischen Zusammenhang der NATO zu sprengen und damit die militärische und politische Konsolidierung Europas zunichte zu machen.
    Das hat der amerikanische Außenminister in seiner Erklärung im Senat vom 23. Februar dieses Jahres deutlich gemacht, wobei er gleichzeitig die Bundesrepublik gegen den sowjetischen Vorwurf in Schutz nahm, die Bundesrepublik habe nukleare Ambitionen.
    Der sowjetische Vertragsentwurf schließt alle nur denkbaren nuklearen Gemeinschaftsformen aus. Das gilt für alle nuklearen Gemeinschaftsformen, sei es in Gestalt von Mitbesitz oder auch Mitbestimmung, wie sie in den Verhandlungen im McNamara-Komitee angestrebt werden.
    In seiner Rede vom 8. Dezember 1965 scheint der sowjetische Außenminister sogar so weit zu gehen, die Konsultation über die Aufstellung nuklearer Waffen auf dem Boden alliierter Länder einer Weiterverbreitung nuklearer Waffen gleichzustellen. Meine Damen und Herren, daß diese Einstellung der Sowjetunion, wie vorhin Herr Schmidt behauptet hat, nicht mit der Einstellung der Vereinigten Staaten verglichen werden kann, ergibt sich damit von selbst.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der amerikanische Außenminister Rusk hat mehrfach, insbesondere in seiner schon zitierten Rede vom 23. Februar dieses Jahres, erklärt, daß keiner der Vorschläge über nukleare Mitverantwortung die Zahl der unabhängigen nuklearen Waffeneinheiten vermehren oder nukleare Waffen in die Hände zusätzlicher Regierungen oder zusätzlicher Streitkräfte legen würde. Ihm ist der amerikanische Verteidigungsminister mit seiner Erklärung vom 22. Juni zur Seite getreten. In dem Kommuniqué über den Besuch des Bundeskanzlers Erhard bei dem amerikanischen Präsidenten vom 20. Dezember 1965 heißt es:
    „Regelungen könnten ausgearbeitet werden, welche den nichtnuklearen Mitgliedern der NATO-Allianz einen angemessenen Anteil an der nuklearen Verteidigung gäben."
    Das Kommuniqué fährt dann fort, daß beide, d. h. der amerikanische Präsident sowie der Bundeskanzler, der Meinung seien, daß derartige nukleare Regelungen im Rahmen der Allianz keine Proliferation nuklearer Waffen darstellen und in Wahrheit geeignet seien, zu dem Ziel der Verhinderung der Ausbreitung nuklearer Waffen beizutragen.
    Die sowjetische Version widerspricht auch der irischen Resolution in der UNO-Vollversammlung des Jahres 1961, die ausdrücklich die Entstehung neuer Atommächte im Sinne der Entwicklung neuer nuklearer Entscheidungszentren im Auge hatte. Der
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 59. Sitzung, Bonn, Freitag, den 23. September 1966 2901
    Dr. Birrenbach
    Gedanke des „access", des Zutritts, den die Sowjetunion immer wieder in ihren Diskussionen in den Vordergrund zu schieben versucht, ist einfach inakzeptabel.
    Wenn der sowjetische Entwurf durchkäme, wäre nicht nur eine nukleare atlantische und europäische Organisation mit gemeinsamem Waffenbesitz, wie immer sie auch konstruiert sein mag, dann wäre auch die Beteiligung europäischer Mächte an einem nuklearen Konsultationsmechanismus unmöglich gemacht. Selbstverständlich wäre dann die Entstehung eines künftigen vereinigten Europas, selbst wenn eine oder beide der heutigen europäischen Nuklearmächte in ihm als eine Einheit aufgingen, d. h. ein neues nukleares Entscheidungszentrum gar nicht geschaffen würde, ein für allemal unmöglich gemacht.
    Daß dies Forderungen sind, die völlig inakzeptabel sind und kategorisch von uns abgelehnt werden müssen, brauche ich nicht besonders zu betonen. Warum sollten wir der Sowjetunion Konzessionen dieses Umfanges machen, zu denen wir, wie z. B. im Falle Europas, nicht einmal befugt sind, da diese Legitimation nur ein Europa als Ganzes hat! Das Bedenkliche an einem universalen Vertrag liegt gerade darin, daß die Sowjetunion ohne Gegenleistung zum Schiedsrichter über die Struktur des atlantischen Bündnisses oder einer künftigen europäischen Einheit würde. Aus all diesen Gründen wird klar, daß die Zweifel der Bundesregierung an der Zweckmäßigkeit eines universalen Nonproliferationsvertrages schon ihre Bedeutung und Berechtigung haben.
    Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik würde es vorziehen, entweder den von ihr in der Friedensnote bereits zum Ausdruck gebrachten Verzicht auf den Erwerb nuklearer Waffen in nationale Kontrolle in einem allianzinternen Vertrag auszusprechen, wie 'dies im WEU-Vertrag für die Produktion atomarer Waffen unsererseits bereits geschehen ist, oder es den atomaren Mächten selbst zu überlassen, unter sich zu vereinbaren, keine nuklearen Waffen in nationale Kontrolle zu geben.
    Die CDU/CSU-Fraktion ist daher der Meinung, daß die Teilnahme 'der Bundesrepublik an einer internationalen Nichtverbreitungsregelung nur dann in Frage kommt, wenn geeignete Gemeinschaftsregelungen für die Kontrolle atomarer Waffen im atlantischen und europäischen Bereich weder ausgeschlossen noch beeinträchtigt werden und wenn eine den Interessen der Bundesrepublik und des freien Europa entsprechende nukleare Gemeinschaftsregelung sichergestellt ist. Sollte 'dennoch ein universales Abkommen in der bisher geplanten Form zum Abschluß kommen — das ist eine hypothetische Annahme —, so müßte die Bundesrepublik darauf bestehen, daß die im jetzigen Vertragsentwurf der Vereinigten Staaten enthaltene Option für nukleare Gemeinschaftslösungen, insbesondere aber die für ein geeintes Europa von morgen, unberührt bleibt. Sie 'muß ferner darauf bestehen, daß bei der Teilnahme 'der Bundesrepublik an einer die Sowjetunioneinschließenden Regelung die internationale Situation der Bundesrepublik und ihre Zielsetzung in der
    Deutschlandpolitik weder formell noch materiell beeinträchtigt werden.
    Nun zu der Frage in Ziffer 5 der Großen Anfrage der SPD — meine bisherigen Ausführungen bezogen sich auf die Ziffern 1 bis 4 —, welches unsere Haltung zu den Botschaften des Präsidenten Johnson vom 27. Januar und des Ministerpräsidenten Kossygin vom 1. Februar dieses Jahres sei.
    Soweit diese nukleare Garantien betreffen, so lassen Sie mich 'dazu über meine bisherigen Ausführungen hinaus folgendes sagen: Was die Bundesrepublik anbelangt, so sieht sie im NATO-Vertrag, d. h. in der Verwirklichung ihres Rechts auf kollektive Selbstverteidigung, die ihr zugeordnete Sicherheitsgarantie gegen nukleare Drohungen.
    Wir sind uns aber darüber klar, daß gerade im nuklearen Bereich Garantie und Sicherheit noch nicht identisch sind. Die Differenzen in der nuklearen Strategie, auf die auch der Kollege Schmidt hingewiesen hat, bestehen fort, selbst wenn sie zugegebenerweise nicht unüberbrückbar sind. Darum hat die Bundesrepublik ein vitales Interesse daran, an jeder Phase ides nuklearen Entscheidungsprozesses innerhalb der NATO beteiligt zu sein, wobei sie selbstverständlich anerkennt, daß die letzte Entscheidung über die Auslösung dieser Waffen im Rahmen des Bündnisses in der Hand des amerikanischen Präsidenten liegt.
    Das hat nichts mit der Unterstellung zu tun, die Bundesrepublik erstrebe im Rahmen der diskutierten Gemeinschaftsformen, die Hand an den Abzug der Kernwaffen zu legen. Dies ist eine Behauptung, 'die sowohl seitens der Sowjetunion, aber auch seitens anderer Länder immer wieder aufgestellt wird. Dieser ständig wiederholten Behauptung sollte auch an dieser Stelle mit eindeutiger Klarheit widersprochen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was für andere vergleichbare Staaten als kollektive Beteiligung an der Abschreckung gilt, wird der Bundesrepublik als Bestreben ausgelegt, die Auslösung atomarer Waffen zu betreiben. Wenn ein Staat das Opfer einer atomaren Auseinandersetzung werden würde, so ist es doch gewiß die Bundesrepublik.
    Darf ich einige Bemerkungen zu der Äußerung des Kollegen Schmidt machen, welche die sogenannten kollektiven Gemeinschaftsformen berühren. Herr Kollege Schmidt, es ist Ihnen bekannt, daß drei amerikanische Präsidenten hintereinander kollektive Gemeinschaftsformen für die NATO-Allianz vorgeschlagen haben. Sie wissen, daß es uns im wesentlichen darum geht, diese Optionen offenzuhalten. Noch liegt das Ergebnis der Verhandlungen im McNamara-Komitee über die Frage des Planungs- und Konsultationsinstruments nicht vor; wenn diese Ergebnisse vorliegen, werden wir weitersehen. Ein reines Konsultationsverhältnis, Herr Kollege Schmidt, ist ein jedenfalls ungleich weniger stabiles und dauerhaftes Gebilde als eine kollektive nukleare Organisation. Sie übersehen bei Ihrer Erklärung auch, daß wir es uns heute nicht



    Dr. Birrenbach
    leisten können und dürfen, eine spätere europäische kollektive Lösung zu präjudizieren.
    Ich frage mich im übrigen, welches nun die Stimme der SPD ist, Ihre Stimme, Herr Kollege Schmidt, oder Äußerungen, die Herr Wehner und Herr Erler bei früheren Gelegenheiten getan haben. Schließlich hat auch der Karlsruher Parteitag in einer Form zu dieser Frage Stellung genommen, die der Ihren nicht entspricht. Ich muß es Ihnen überlassen, dieses Problem aufzuklären.
    In unserer Sicherheitslage stellt der Vorschlag auf Aufnahme einer verbalen Erklärung in einen Non-Proliferationsvertrag, den der sowjetische Regierungschef in seiner Erklärung vom 3. Februar 1966 angeboten hat, keine ausreichende Sicherheit dar. Wenn eine volle Garantie im Rahmen einer Allianz nicht einmal einen absolut ausreichenden Schutz darstellt, wieviel weniger eine verbale Verzichtserklärung!
    Das schließt nicht aus, daß wir die Bereitschaft der Sowjetunion, auf die Verwendung nuklearer Waffen gegen nichtnukleare Mächte zu verzichten, als einen wichtigen Schritt in die rechte Richtung ansehen. Nur reicht dieser Vorschlag nicht aus, um dem Sicherheitsbedürfnis der nichtnuklearen europäischen Mächte gerecht zu werden.
    Ich glaube, aber, man darf die Erklärung des amerikanischen Präsidenten über die Unterstützung nichtnuklearer Mächte gegen nukleare Bedrohung und die Äußerungen des sowjetischen Ministerpräsidenten zur gleichen Frage nicht nur unter der
    I) Perspektive sehen, die in der Großen Anfrage der SPD angesprochen ist. Der amerikanische Präsident hat in seiner Botschaft vom 27. Januar 1966 darüber hinaus vorgeschlagen, daß alle Übertragungen spaltbaren Materials oder nuklearer Einrichtungen für zivile Zwecke an nicht nukleare Staaten nur unter entsprechenden internationalen Schutzmaßnahmen, die durch die IAEA in Wien garantiert werden sollen, möglich sind. Die Bundesrepublik hat sich im EURATOM-Vertrag allen Kontrollen unterworfen und gehört auch der IAEA in Wien an. Sie ist bereit, alle äquivalenten Kontrollen bei der Übertragung spaltbaren Materials für friedliche Zwecke zu akzeptieren, welche erforderlich sind, um die Verwendung solchen Materials für militärische Zwecke unmöglich zu machen.
    Wir würden es begrüßen — wie bereits betont wenn das bisherige Teststoppabkommen auf unterirdische Tests ausgedehnt werden könnte, natürlich unter der Voraussetzung entsprechender internationaler Kontrollen und Inspektionen.
    Wir begrüßen ein Abkommen, wie es in Ziffer 5 der Botschaft des amerikanischen Präsidenten enthalten ist, offensive und' defensive strategische Bomber und Raketen, die als Kernwaffenträger vorgesehen sind, einzufrieren oder sogar ihre Zahl zú reduzieren. Dieser Vorschlag findet unsere einschränkungslose Zustimmung.
    Die Bundesregierung ist in ihrer Friedensnote vom 25. März über diesen Vorschlag noch hinausgegangen, indem sie vorschlug, die Zahl der in
    Europa stationierten Atomwaffen nicht- zu erhöhen und sogar stufenweise zu verringern. Bei . diesem Vorschlag, der also über den weltweiten amerikanischen hinausgeht und ein regionales Problem anspricht, mußte die Bundesregierung die Bedingung stellen, daß sich ein solches Abkommen auf ganz Europa einschließlich der Sowjetunion erstrecken müßte, daß es das Kräfteverhältnis in Europa wahren, eine wirkliche- Kontrolle vorsehen und mit entscheidenden Fortschritten bei der Lösung des politischen Problems in Mitteleuropa verbunden .sein müßte.
    Bei einem regionalen Abkommen dieser Art, das auf Europa beschränkt ist und das den Rüstungsstand auf dem europäischen Kontinent selbst unmittelbar zum Gegenstand hat, müssen wir auch die deutsche Frage ins Spiel bringen. Unter welchen Umständen sollte das sonst geschehen? Die Sicherheit in Europa und die Lösung der wahren Ursachen der Spannung sind eben nicht voneinander zu trennen.
    Der Vorschlag des amerikanischen Präsidenten zeigt, daß erst die Einbeziehung weiterer politischer Maßnahmen und Abrüstungsbestimmungen in den Rahmen der Nichtverbreitungspolitik diese zu einem organischen Ganzen macht.
    Wenn der sowjetische Ministerpräsident auf einige Maßnahmen der Rüstungskontrolle hingewiesen hat, so lassen Sie mich zu diesen kurz Stellung nehmen. Eine Denuklearisierung in Europa müssen wir ablehnen; wir müssen ebenso das volle Verbot aller nuklearen Waffen ablehnen. Diese Forderung ist einfach unrealistisch. Wir müssen die Auflösung aller ausländischen Basen 'hi der Welt ablehnen; denn auf der Präsenz der amerikanischen Truppen auf dem europäischen Kontinent beruht im wesentlichen unsere Sicherheit: Wenn der sowjetische Ministerpräsident aber seine Bereitschaft erklärt, die Sowjetunion würde niemals als erste nukleare Waffen gebrauchen, so ist das immerhin ein interessanter Hinweis, der uns zeigt, daß der Zusammenhang von Non-Proliferations-Vertrag und Sicherheit gesehen wird. Wenn der sowjetische Ministerpräsident von atomwaffenfreien Zonen spricht, so könnten diese außerhalb Europas, etwa im Mittleren Osten, in Südamerika oder in Afrika, schon von Interesse sein. Es liegt hier eine Reihe von Vorschlägen des amerikanischen Präsidenten einerseits und des sowjetischen Ministerpräsidenten andererseits vor, die Gegenstand von Bemühungen um die Abrüstung der Großmächte sein können.
    Ob eine Weltabrüstungskonferenz für die Fassung konkreter Beschlüsse der rechte Rahmen ist, meine Damen und Herren, lassen wir in Übereinstimmung mit der Bundesregierung dahingestellt sein. Jedenfalls hat sich auch insoweit die Bundesregierung bereit erklärt, an den Arbeiten eines vorbereitenden Ausschusses teilzunehmen, wenn' die Bedingungen akzeptabel sind.
    Der italienische Moratoriumsentwurf auf .den sich Ziff. 6 der Großen Anfrage der SPD' bezieht, scheint uns für den Fall konstruktiv zu sein daß es in Genf nicht zu einer. Einigung kommt.



    Dr. Birrenbach
    Zusammenfassend wäre also zu sagen, daß die CDU/CSU-Fraktion mit der Bundesregierung das Prinzip der Nichtverbreitung atomarer Waffen in nationale . Kontrolle anerkennt, daß sie sich aber gegen die Beeinträchtigung ihres Rechts der kollektiven Selbstverteidigung wehrt und eine Präjudizierung eines künftigen militärischen Status, insbesondere eines vereinigten Europas von morgen, als unannehmbar •ansieht.' Darüber hinaus- sind wir der Meinung, daß die Position der Bundesrepublik in der Deutschlandfrage weder mittelbar noch unmittelbar beeinträchtigt werden darf.
    In der Ziffer 7 der Großen Anfrage der SPD. wird ein höchst .wichtiges Problem aufgeworfen. Die CDU/CSU-Fraktion., hat mit Genugtuung festgestellt, daß der Vorschlag der Bundesregierung in ihrer Friedensnote vom 25. März 1966, bilaterale Verzichtserklärungen auch mit einzelnen Staaten des Ostblocks auszutauschen,' auf Interesse gestoßen ist und daß sogar die Sowjetunion in ihrer Antwortnote zum Ausdruck gebracht hat, daß sie diesen Vorschlag als ein wichtiges Element zur Erhöhung der europäischen Sicherheit ansieht. Dieser Weg sollte weiter verfolgt werden; die Erklärung, die der Bundesaußenminister eben zu dieser Frage abgegeben hat, können wir seitens der CDU/CSU-Fraktion nur unterstreichen.
    Was nun die Einbeziehung der SBZ in einen solchen Gewaltverzicht anbelangt, so steht die CDU/CSU-Fraktion selbtsverständlich hinter den Gewaltverzichtserklärungen früherer Bundesregierungen, auf die der Außenminister schon verwiesen hat.
    Wir sind uns darüber klar, daß die Bedrohung der Sicherheit an der Zonengrenze nicht von uns, sondern von der SBZ ausgeht, daß also logischerweise der Gewaltverzicht von der Sowjetunion für die SBZ ausgesprochen werden müßte, die sich in ihrem Herrschaftsbereich befindet.
    Wir haben Verständnis dafür, daß sich die Bundesregierung in ihrer heutigen Antwort zurückhält. Klar ist jedenfalls — und darin befindet sich die CDU/CSU-Fraktion in völliger Übereinstimmung mit der Bundesregierung —, daß die SBZ als solche als Adressat für eine solche Gewaltverzichtserklärung nicht in Frage kommt.
    Der Vorschlag in V Ziffer 5 der Friedensnote der Bundesregierung, zu der die SPD in ihrer Großen Anfrage unter Punkt 8 Stellung nimmt, erscheint der CDU/CSU-Fraktion, wie sie anläßlich der Debatte über die Friedensnote im März auch erklärt hat, als konstruktiver Beitrag zur Befriedung, des europäischen Kontinents. Der Vorschlag zeigt, daß die Bundesrepublik bereit ist, ihre Grenzen fremden Beobachtern zu öffnen, falls das Erfordernis der Gegenseitigkeit gewahrt ist; wir haben nichts zu verbergen.
    Ziffer 9 der Großen Anfrage richtet sich an die Bundesregierung und nicht an den Bundestag.
    Ziffer 10 ist bereits in anderem Zusammenhang erledigt worden.
    Was die Ziffer 11 der Anfrage der SPD anbelangt, so hat die CDU/CSU-Fraktion dazu folgendes zu sagen. Es ist zutreffend, daß die Sowjetunion, aber auch hier und da einzelne westliche Staaten wie Dänemark und Belgien, die Abhaltung einer europäischen Sicherheitskonferenz vorgeschlagen haben. Die Idee der Schaffung eines europäischen Sicherheitssystems ist besonders von dem uns befreundeten Frankreich vorgeschlagen worden.
    Daß die Bundesregierung an einer künftigen Friedensordnung in Europa interessiert ist und interessiert. sein muß, ergibt sich aus ihrer Lage. Dennoch sollten wir nicht übersehen, daß eine solche Konferenz einer sehr sorgfältigen Vorbereitung bedarf und substantielle Fortschritte in der wirklichen Entspannung voraussetzt, da anderenfalls ein Scheitern dieser Konferenz unvermeidlich ist. Kein Land hat dankswerterweise dies eindeutiger zum Ausdruck gebracht als Frankreich. In der heutigen Lage würde angesichts der kategorischen Weigerung der Sowjetunion, die eigentliche Ursache der Spannung in Europa, nämlich die Lösung der deutschen Frage, in einem konstruktiven Sinne zu behandeln, ein europäisches Sicherheitssystem nur zur Versteinerung des Status quo führen, wenn dies das Ergebnis der Konferenz wäre. Die Bundesrepublik ist vital an einem europäischen Sicherheitssystem interessiert, wenn es die Lösung der die Sicherheit bedrohenden Spannung in sich schließt, d. h. wenn es den Weg zur Selbstbestimmung aller Deutschen offen läßt.
    Die Bundesregierung hat für eine solche Konferenz drei Bedingungen gestellt, die wir einschränkungslos unterschreiben.
    Was die dritte Bedingung, nämlich die Einbeziehung der SBZ in diesen Austausch, anbelangt, so möchte ich folgendes erklären: Die Erfahrungen der Genfer Konferenz des Jahres 1959 zeigen, wie absurd die Teilnahme der SBZ an einer solchen Konferenz wäre.
    Die Bundesregierung hat recht, wenn sie alle ihre Bemühungen auf eine Verbesserung des Klimas in ihren Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten einschließlich der Sowjetunion einsetzt und eine intensive Zusammenarbeit mit Allen diesen Staaten auf allen Gebieten anstrebt. Wenn wir diese Bemühungen geduldig fortsetzen, wird eines Tages die Zeit reif sein, um dem Vorschlag einer europäischen Sicherheitskonferenz näherzutreten. Dafür ist die Überwindung der. jetzigen Übergangssituation in der Nato sicherlich auch eine wichtige Vorbedingung.
    Was nun die letzte Frage nach der Verbindung erfolgversprechender Initiativen zur Rüstungsbegrenzung mit Initiativen ' zur schrittweisen Lösung des deutschen Problems anbelangt, so brauche ich nicht zu sagen, wie schwierig das hier angeschnittene Problem ist. Das Interesse aller Nationen, insbesondere in Europa, an der Stabilisierung der europäischen Sicherheit und an der Reduzierung der militärischen Spannungen hat immer wieder den Gedanken der Koppelung derartiger Maßnahmen mit der Frage der Wiedervereinigung



    Dr. Birrenbach
    I belastet. Im atomaren Zeitalter ist die Lösung eines Problems von der Größenordnung des Problems der deutschen Frage ungewöhnlich schwierig. Diese Schwierigkeit müssen wir sehen.
    Es ist daher besonders verdienstvoll, wenn die amerikanische, französische und englische Regierung immer wieder darauf hingewiesen haben, daß jedenfalls im Rahmen regionaler Regelungen in Europa das Problem der Wiedervereinigung berücksichtigt werden muß. Daß die Sowjetunion und ihre östlichen Verbündeten diesen Zusammenhang leugnen und vorgeben, daß gerade die Bemühungen der Bundesregierung um die Lösung der deutschen Frage die einzige Ursache der Spannungen in Europa sind, ist bekannt. Wir müssen sogar mit Besorgnis feststellen, daß hier und da auch in anderen Ländern ähnliche Äußerungen fallen. Dieser Entwicklung muß die Bundesregierung mit aller Energie entgegenwirken.
    Sie hat in ihrer Friedensnote Maßnahmen zur Sicherung des Friedens in Europa vorgeschlagen, die eine Verbindung mit der deutschen Frage angezeigt erscheinen lassen. Da eine solche Entwicklung nur schrittweise möglich ist, können diesem ersten Schritt andere folgen. Wir fordern daher als CDU/ CSU-Fraktion die Bundesregierung auf, auf diesem Gebiet konsequent weiterzugehen und mit den westlichen Verbündeten nach Wegen zu suchen, die deutsche Frage erneut ins Gespräch zu bringen. Wir sind uns alle darüber klar, daß die Lösung dieses Problems eine Veränderung der jetzigen ) Weltkonstellation voraussetzt, auf die hinzuarbeiten eine der schwierigsten und vielleicht die wichtigste Aufgabe der Bundesrepublik überhaupt ist.
    Damit haben wir zu den in der Großen Anfrage der SPD gestellten Fragen Stellung genommen. Wir haben uns bemüht, uns jeder deklamatorischen Behandlung dieses Problems zu enthalten. Der Ernst der in der Anfrage angeschnittenen Probleme macht eine nüchterne und reale, den Tatsachen Rechnung tragende Stellungnahme notwendig. Das ist in unserer Antwort geschehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)