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ID0505901000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 59. Sitzung Bonn, den 23. September 1966 Inhalt: Begrüßung des 5 000 000. Besuchers des Bundestages Abg. Roß tritt in den Bundestag ein . . . 2881 A Schriftliche Berichte des Ausschusses für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen über die Einundfünfzigste, Sechsundfünfzigste, Siebenundfünfzigste und Einundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingente für gewerbliche Waren — 2. Halbjahr 1966, Zollkontingente für Seidengarne und Schappeseidengarne —3. Quartal 1966, Waren der EGKS —2. Halbjahr 1966, Zollaussetzung für HET-Säure) (Drucksachen V/901, V/ 902, V/903, V/904, V/935, V/936, V/937, V/938) 2881 C Große Anfrage betr. Vorschläge zur Rüstungsbegrenzung und Sicherung des Friedens (SPD) (Drucksache V/775) Schmidt (Hamburg) (SPD) . 2882 B, 2920 C Dr. Schröder, Bundesminister 2891 D, 2908 B Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 2898 C Wehner (SPD) . . . . . . . . . 2904 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 2910 C Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 2913 A Genscher (FDP) 2918 B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 2923 A Nächste Sitzung 2924 Anlagen 2925 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1966 2881 59. Sitzung Bonn, den 23. September 1937 Stenographischer Bericht Beginn: 8.59 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 4. 10. Dr. Achenbach *) 13. 10. Dr. Adenauer 5. 10. Adorno 23. 9. Dr. Aigner *) 24. 9. Dr. Althammer 23. 9. Dr. Apel*) 24. 9. Arendt (Wattenscheid) *) 24.9. Dr. Arndt (Berlin /Köln) 23. 9. Dr. Artzinger 5. 10. Bading *) 24. 9. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 23.9. Bäuerle 31. 10. 'Bauknecht 23. 9. Berendsen 24. 9. Bergmann *) 24.9. Berkhan *) 24.9. Berlin 20. 10. Dr. Besold 23.9. Beuster 23.9. Blachstein 10. 10. Blöcker 23. 9. Blumenfeld 24. 9. Borm 23.9. Frau Brauksiepe 30.9. Brese 23. 9. Dr. Burgbacher *) 24. 9. Burgemeister 23.9. Busse (Herford) 26.9. Dr. Conring 23. 9. Corterier *) 24. 9. Dr. Dehler 23. 9. Deringer *) 24. 9. Dr. Dichgans *) 24.9. Diekmann 23. 9. Dr. Dittrich*) 24. 9. Draeger * 24.9. Dröscher * 24.9. Ehnes 23. 9. Eisenmann 24. 9. Frau Dr. Elsner *) 24.9. Dr. Eppler 7. 10. Erler 30.9. Erpenbeck 23.9. Ertl 23. 9. Faller*) 24. 9. Fellermaier 23. 9. Flämig *) 24. 9. Frehsee 30.9. Fritz (Wiesbaden) 23.9. Frau Funcke 23. 9. Dr. Furler 5) 24. 9. Gerlach * 24.9. Glombig 24.9. Glüsing (Dithmarschen) 23.9. *) Für die Teilnahme an einer gemeinsamen Sitzung Europarat/ Europäisches Parlament Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Götz * 26. 9. Graaff 23. 9. Haage (München) 23. 9. Hahn (Bielefeld) 24. 9. Dr. Hauser (Sasbach) 23. 9. Dr. Dr. Heinemann 28. 9. Dr. Hellige *) 24. 9. Frau Herklotz *) 24. 9. Herold *) 24. 9. Hilbert 24. 9. Hirsch 23. 9. Hösl 24. 9. Dr. Huys 5. 10. Illerhaus *) 24. 9. Dr. Ils 23. 9. Iven 26. 9. Dr. Jaeger 23. 9. Dr. Jungmann 24. 9. Kahn-Ackermann 6. 10. Dr. Kempfler 23. 9. Frau Klee 23. 9. Dr. Kliesing (Honnef) 23. 9. Klinker*) 24. 9. Dr. Kopf 4. 10. Frau Korspeter 30. 9. Krammig 23. 9. Kriedemann *) 24. 9. Krug 23. 9. Dr. Kübler 30. 9. Kühn (Hildesheim) 23. 9. Kulawig *) 24. 9. Lemmer 23. 9. Lemmrich 23. 9. Lenz (Brühl) *) 24. 9. Lenz (Trossingen) 30. 9. Lenze (Attendorn) *) 24. 9. Leukert 23. 9. Dr. Löhr *) 24. 9. Lücker (München) *) 24. 9. Dr. Martin 6. 10. Dr. Marx (Kaiserslautern) 29. 9. Mauk *) 24. 9. Frau Dr. Maxsein*) 24. 9. Dr. Meinecke 23. 9. Memmel *) 24. 9. Dr. von Merkatz 23. 9. Merten *) 24. 9. Metzger *) 24. 9. Michels 30. 9. Missbach 23. 9. Dr. Mommer 23. 9. Müller (Aachen-Land) *) 24. 9. Dr. Müller (München) 23. 9. Dr. Müller-Hermann 23. 9. Ott 23. 9. Frau Pitz-Savelsberg 30. 9. Pöhler *) 24. 9. Prochazka 23. 9. Raffert 6. 10. Richarts *) 24. 9. Riedel (Frankfurt) *) 24. 9. Dr. Rinderspacher *) 24. 9. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Rock 2. 10. Rösing 23. 9. Dr. Rutschke *) 24. 9. Saam 7. 10. Sander 23. 9. Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein 23. 9. Schlee 5. 10. Dr. Schmid (Frankfurt) *) 24. 9. Schmidt (Hamburg) *) 24. 9. Schmidt (Kempten) 23. 9. Dr. Schmidt (Offenbach) 23. 9. Frau Schroeder (Detmold) 23. 9. Schulhoff 23. 9. Schultz (Gau-Bischofsheim) 23. 9. Dr. Schulz (Berlin) 5) 24. 9. Seibert 23. 9. Seifriz *) 24. 9. Dr. Serres 5) 24. 9. Seuffert*) 24. 9. Spitzmüller 24. 9. Dr. Springorum *) 24. 9. Dr. Süsterhenn 23. 9. Dr. Starke (Franken) *) 24. 9. Steinhoff 25. 9. Stingl 25. 9. Strauß 23. 9. Strohmayr 23. 9. Frau Strobel 5) 12. 10. Teriete 20. 10. Dr. Dr. h. c. Toussaint 25. 9. Unertl 23. 9. Dr. Verbeek 23. 9. Dr. Freiherr von VittinghoffSchell *) 24. 9. Vogt *) 24. 9. Wächter 8. 10. *) Für die Teilnahme an einer gemeinsamen Sitzung Europarat/ Europäisches Parlament Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Wagner 23.9. Dr. Wahl *) 23.9. Weimer 5. 10. Windelen 23.9. Dr. Wörner 30.9. Baron von Wrangel 15. 10. Zerbe 23.9. Dr. Zimmermann 23.9. Anlage 2 Umdruck 99 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vorschläge zur Rüstungsbegrenzung und Sicherung des Friedens - Drucksache V/775 Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag wünscht eine kontrollierte, dem Frieden dienende Abrüstung. Er dankt der Bundesregierung für die Friedensnote und fordert sie auf, in diesem Sinne unbeirrt weiterzuwirken. Der Deutsche Bundestag würde es dankbar begrüßen, wenn außer der Bundesrepublik Deutschland weitere Staaten auf die Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen ausdrücklich verzichten und sich - wie wir - einer entsprechenden Kontrolle unterwerfen würden. Das deutsche Volk weiß sich in seiner Friedenssehnsucht einig mit allen Nachbarvölkern in Ost und West. Bonn, den 23. September 1966 Dr. Barzel und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Auch nach de Gaulle wird sich die geographische Lage Frankreichs nicht ändern. Die force de frappe wird fortexistieren. Für uns ist wichtig, daß wir auch nach de Gaulle genau wie jetzt einige Übereinstimmungen zwischen Paris und Moskau nicht übersehen. Diese Übereinstimmungen beziehen sich auf die Oder-Neiße-Linie, auf die Ablehnung jeglichen deutschen nuklearen Mitbestimmungsrechts und auf einen latenten Wunsch nach der Kontrolle Deutschlands. Die französischen Divisionen in Süddeutschland sollen der gemeinsamen Verteidigung dienen. Wenn ihre Aufgabe nicht irgendwie vertraglich definiert wird, so können sie ebensosehr zu Instrumenten französischer Deutschlandpolitik werden. Die Bundesregierung hat in der Frage des französischen Truppenabzugs zwar äußerlich zeitweise spektakulär, im inneren Ergebnis jedoch ohne Erfolg operiert. Unsere ständigen sozialdemokratischen Mahnungen auf gegenseitige Verzahnung mit Frankreich durch wirtschaftliche, technische, militärische, militärisch-technologische, rüstungsindustrielle Kooperation sind bisher leider nicht gehört worden.
    In dieser Lage, wie ich sie versucht habe zu skizzieren, kann sich Deutschland zusätzlich zu der sowjetischen Isolierungstaktik uns gegenüber durch eigene Starrheit gegenüber allen diesen Tendenzen in den Völkern, in den Ländern, in den Staaten und in den Regierungen, von denen ich sprach, zusätzlich isolieren. Ich meine, wir dürfen nicht warten, bis die Tendenzen zu weiterem Truppenabzug und zu weiterer Auflockerung unserer Allianz zu vollzogenen Tatsachen führen. Wenn irgendwann ein letzter Augenblick gegeben war für gleichgewichtige, auf beiden Seiten stattfindende Rüstungsverminderung und Truppenverminderung, dann könnte er in der gegenwärtigen Situation erreicht sein.
    Wir erkennen an, daß die Friedensnote der Bundesregierung vom März einige gedankliche Ansätze in dieser Richtung gemacht hat. Unsere Große Anfrage bezieht sich weitgehend auf den Stoff, der in der Friedensnote ausgebreitet worden ist. Wir haben damals die Note der Regierung begrüßt, obwohl wir sie in einigen Punkten schon damals für ergänzungsbedürftig hielten und ich sie in einem Punkt auch für unglücklich halte. Die Bundesregierung hat im August erklärt, ihre Vorschläge in der Note richteten sich vornehmlich an die osteuropäischen Staaten. Wir haben das schon im März an dem Tage, an dem die Note überreicht wurde, öffentlich anerkannt und für richtig gehalten. Uns scheint, es kommt jetzt darauf an, den begonnenen Weg fortzusetzen. Dabei muß man sich immer darüber klar sein: solange es die Bundesrepublik gab und solange es sie geben wird, für die Zeit unserer ganzen Existenz, ist das Maß an Sicherheitschancen für die Bundesrepublik immer im Wechselverhältnis zum Maß an Wiedervereinigungschancen gestanden und wird dazu stehen. Ich nehme an, es wird immer so



    Schmidt (Hamburg)

    bleiben, solange es bei der Bundesrepublik bleibt. Das Verlangen, die Sicherheitschancen der Bundesrepublik auf 100 % zu steigern, muß die Wiedervereinigungschancen auf null Prozent sinken lassen. Es ist eben ein schwieriges Balancekunststück, das vollbracht werden muß, die Sicherheitschancen nicht allzusehr einzuschränken — aber vielleicht muß man auch ein Risiko eingehen — und die Wiedervereinigungschancen auf der anderen Seite doch nicht unten bei Null zu halten, sondern zu heben.
    Die Welt ist in den letzten zehn Jahren von der antagonistischen Bipolarität dieser beiden Weltmächte beherrscht gewesen, und in diesen letzten zehn Jahren hat man dem Ziel der Wiedervereinigung nur wenig gedient und vielleicht nur wenig dienen können. Jetzt, wo sowohl im Osten als auch im Westen mindestens teilweise etwas Platz greift, was Multipolarität oder Polyzentrismus oder wie immer genannt wird, wo also die Völker ein bißchen Bewegungsfreiheit gewinnen, in diesem Zeitraum wird es wenigstens theoretisch wieder denkbar, daß wir uns diesem Wiedervereinigungsziel annähern. Natürlich ist das nur am Ende eines langen, komplizierten Prozesses denkbar, des Prozesses der Entspannung und der Versöhnung. Wenn allerdings auf dem Weg dorthin das Gleichgewicht der militärischen und politischen Kräfte auf beiden Seiten verlorenginge, dann würde sich der Weg im Ungewissen verlieren, und eines Tages würden wir möglicherweise fremdem Willen unterworfen sein. Das Entscheidende ist, sich nicht einzubilden, man müsse hundertprozentige Sicherheit haben. Die gibt es auf dieser Erde nicht. Die gibt es auch nicht für Amerika. Das Entscheidende ist, daß wir immer das Gleichgewicht der militärischen und der sonstigen Machtkräfte aufrechterhalten müssen, das uns das menschenmögliche Maß an Sicherheit gewährt.
    Mit anderen Worten, wenn wir aus Sicherheitsgründen das Gleichgewicht der Kräfte aufrechterhalten müssen, aber aus Gründen der Deutschlandpolitik versuchen müssen, die Spannung herunterzubringen und die Entspannung zu fördern, dann ist das eigentliche strategische Problem in der gegenwärtigen Epoche, das strategische Problem der deutschen Außenpolitik das Heruntertransponieren des Gleichgewichts von der Ebene hoher Rüstung auf die Ebene verminderter Rüstung, das Heruntertransponieren des Gleichgewichts der Kräfte von der Ebene starker Truppenkonzentration auf die Ebene schwächerer Truppenkonzentration auf beiden Seiten.
    Es ist sehr wahrscheinlich, daß weltweile Abrüstung so bald nicht zustande kommt. Vielleicht wird es „fast-weltweite" Abkommen für einzelne Waffenkategorien geben. Der Atomteststoppvertrag war ein Modellfall dafür. Der Nonproliferationsvertrag ist ein zweites Stück der gleichen Kategorie. Es ist sehr fraglich, ob er zustande kommt. Wir werden demnächst bei der UNO eine Vollversammlungsdebatte darüber hören.
    Wir werden hören, wie Deutschland dabei für das bisherige Scheitern der Verhandlungen angeklagt wird, übrigens nicht nur von Kommunisten und kommunistischen Ländern; wir werden hoffentlich von unseren Freunden auch verteidigt werden. Aber wir werden sehen, daß wir auch als Sündenbock für das Scheitern der Verhandlungen von solchen Staaten benutzt werden, die ihrerseits ebenfalls zum Nichtzustandekommen beigetragen haben. Was diesen Nonproliferationsvertrag angeht, haben wir uns in eine nicht sehr glückliche Position manövriert. Schon deshalb ist eine Klarstellung in der nuklearen Frage notwendig, die übermorgen auch in Washington behandelt werden wird.
    Die Bundesrepublik kann ganz gewiß nicht Abrüstungs- oder Rüstungskontrollvereinbarungen zustimmen, die unser Land diskriminieren; das können wir ganz gewiß nicht. Aber ebensowenig, Herr Majonica, können wir etwa von dem alten Standpunkt, den wir in diesem Hause und den Ihre, unsere Regierung gemeinsam gefaßt und vertreten haben, abgehen, die Bundesrepublik sei bereit, jedem allgemeinen Abrüstungs- oder Kontrollabkommen beizutreten, das weltweit ausgehandelt wird. Wenn ich die Entschließung Ihres Arbeitskreises lese, die gestern veröffentlicht worden ist, sehe ich eine wesentliche Einschränkung dieses alten Standpunktes.


Rede von Dr. Maria Probst
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Schmidt, ich mache darauf aufmerksam, daß Sie zur Begründung das Wort haben. Ich bitte, die Diskussion nicht vorwegzunehmen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Gestatten Sie mir, Frau Präsidentin, zu sagen, daß ich die Entschließung des Arbeitskreises der CDU/CSU-Fraktion als eine Gefährdung der Absichten ansehe, die die Bundesregierung mit ihrer Friedensnote vom 25. März verfolgt hat, und als im Widerspruch stehend zu den Antworten ansehe, die wir auf unsere Große Anfrage eigentlich erwarteten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist wahrscheinlich, daß wegen des Nichtzustandekommens weltweiter Abkommen zunächst das Interesse der Staaten in Osteuropa und auch in Westeuropa sich wieder auf regional beschränkte Schemata und Planungen konzentrieren wird. Es ist ein Zeichen für die Dispositionsfreiheit, die den einzelnen Staaten Europas zugewachsen ist, wenn z. B. Dänemark den Vorschlag, der ja eigentlich aus dem Osten kam, für eine europäische Sicherheitskonferenz öffentlich wieder aufgegriffen hat. Ich will dazu nicht weiter Stellung nehmen. Ich nehme es nur als ein Symptom für den wachsenden Handlungsspielraum selbst der kleineren Staaten Europas. Wir müssen daher, glaube ich, die Vorschläge der Friedensnote in dem Sinne fortsetzen, daß wir gerade gegenüber den mittleren und kleineren Staaten Europas in dieses Gespräch hineinkommen. Wir selber gehören ja auch zu den mittleren und kleineren Staaten Europas.
    Die Bundesregierung hat sich im Laufe der letzten Jahre in Richtung Osteuropa viel Mühe gegeben. Sie hat sich in Verfolgung des Jaksch-Berichts bemüht, wirtschaftliche und kulturelle Kontakte aufzunehmen, und hat Handelsmissionen ausgetauscht. Aus der Entwicklung in diesem Sommer konnten
    2$

    Schmidt (Hamburg)

    wir entnehmen, daß die Bundesregierung bereit schien, volle diplomatische Beziehungen mit Rumänien aufzunehmen. Herr Schmücker hat sich ja auch mit seiner Reise sehr geschmückt, die er nach Bukarest gemacht hat.

    (Heiterkeit.)

    Wir freuen uns, daß offenbar inzwischen eine differenzierende Beurteilung der Lage in den verschiedenen osteuropäischen Staaten eingetreten ist. Wir haben das lange versucht. Wahrscheinlich wäre die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit einigen osteuropäischen Staaten vor einigen Jahren etwas einfacher gewesen und vielleicht eher frei von unzumutbaren politischen Forderungen. Aber man sollte über vergossene Milch nicht nachträglich weinen. Jetzt jedenfalls müssen den Worten .Schmückers in Bukarest auch Handlungen folgen. Das ist um so notwendiger als die Gefahr besteht, das beide Regierungen — die hier in Bonn und die in Bukarest — durch den Schwebezustand, je länger er dauert, um so mehr unter Druck gesetzt werden, die einen unter Druck aus einer Richtung und die anderen unter Druck aus mehr südlicher Richtung auf diesem Globus.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Glauben Sie, daß Ihre Ausführungen dieser Zielsetzung wirklich nützen?)

    — Ich behaupte, daß der Deutsche Bundestag der Ort ist, an dem ausgesprochen werden muß, was man denkt.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Aber nicht gegen das deutsche Interesse!)

    Ich möchte Ihnen zusammenfassend und zum Schluß kommend sagen — — —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist gut! — Beifall bei der CDU/CSU.)

    — Es ist mir leider durch die Frau Präsidentin verwehrt, Herr Haase, auf Ihren Zwischenruf einzugehen.

    (Abg. Haase [Kassel] : Ich habe gar nicht zwischengerufen! — Lachen in der Mitte.)

    Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die deutsche außenpolitische und wiedervereinigungspolitische Strategie auf drei verschiedenen Feldern betrieben werden muß, auf drei verschiedenen Hauptaktionsfeldern. Das erste Feld ist und bleibt unsere Sicherheit, und die hat behalten und wird behalten zwei verschiedene Seiten, nämlich einmal die tatsächliche Verteidigungsfähigkeit des Westens insgesamt und unseres Landes oder, was für mich immer dasselbe ist, die tatsächliche Abschreckungsfähigkeit, und die andere Seite ist die der Rüstungsbegrenzung und der Rüstungskontrolle. Dem habe ich materiell im Augenblick nichts hinzuzufügen. Wir wollen ja hören, was die Bundesregierung sagt. Unsere zwölf Fragen liegen seit einem Vierteljahr auf ihrem Tisch.
    Aber einen psychologischen Punkt möchte ich hinzufügen. Man hat geltend gemacht, was immer auch wir Deutschen auf dem Feld der Rüstungsbegrenzung oder auf dem Feld der Osteuropapolitik täten, man werde trotzdem immer die Deutschen als revanchistische Teufel abbilden. Diese Erwartung ist auch zunächst richtig. Aber die Tiefe der psychologischen Wirkung, die Moskau und Pankow mit dieser Verteufelung erreichen, wird je nach unserem eigenen Verhalten sehr verschieden sein, und sie wird sehr ausflachen, wenn wir uns entsprechend verhalten. In Rumänien beispielsweise machen die Sowjets keinen Eindruck mehr damit, daß sie den Rumänen vor uns Angst machen. Das hat vielerlei Gründe, darunter auch, wie ich einräume, geographische Gründe. Aber das jedenfalls steht fest: wir haben viele Möglichkeiten, auch anderen Leuten die Sorge vor uns zu nehmen, den Tschechen, den Slowaken und anderen. — Auch im Westen gibt es ja immer noch oder wieder aufkeimende Sorge vor uns. — So ist also das zweite Feld dieser Strategie das Feld unserer Osteuropapolitik. Und wenn nichts anderes uns dazu zwänge — und etwa nicht die Gründe, von denen ich gesprochen habe —, so zwingt uns jedenfalls de Gaulles Osteuropapolitik, auch unsererseits dieses Feld zu beackern.
    Das dritte Feld betrifft die weitere Entwicklung der innerdeutschen Verhältnisse und Beziehungen. Psychologisch ist dies das schwierigste Feld. Auf dieses Spiel sind wir am allerwenigsten vorbereitet. Im Rahmen der heutigen Debatte kann ich dazu nichts sagen wollen. Aber es muß behandelt werden. Wir glauben, daß unser Staat und daß unsere Gesellschaft stark und fest genug sind, auch dies in öffentlicher Debatte zu tun.
    Es zeichnen sich also für die strategische Diskussion dieses Hauses im Herbst, Winter und Frühjahr die folgenden großen Themen ab: ad 1 Osteuropapolitik, ad 2 Rüstungskontrollpolitik — beide unter dem Aspekt deutscher entspannender Initiative —, ad 3 Allianzpolitik und Verteidigungsfähigkeit in der neuen Lage unter dem Aspekt unserer Sicherheit, die das unabdingbare Rückgrat ist und bleibt für die ad 1 und ad 2 genannten Themen, ad 4 europäische Einigung, die, soweit Westeuropa gemeint ist, unverzichtbar bleibt als Operationsbasis für 1, 2 und 3 und, soweit sie sich auf ganz Europa bezieht, eines Tages den Boden und das Dach abgeben muß für unser Ziel, unser Volk wieder zusammenzuführen. Damit aber dieses Ziel, unser Volk zusammenzuführen, auch erreichbar bleibt, muß ebenso — ad 5 — das Thema der innerdeutschen Dinge stetig und beharrlich vorangetrieben werden.
    Alles dies zusammen erst macht eine außenpolitische Strategie aus.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Rüstungskontrollpolitik ist ein Teil, Sicherheitspolitik ist ein Teil, Osteuropapolitik ist ein anderer Teil, Europapolitik in Westeuropa ist ein vierter Teil, innerdeutsche Politik ist ein fünfter Teil. All dies zusammen muß aus einem gemeinsamen Konzept heraus entwickelt werden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist ganz neu! Gegenruf des Abg. Könen [Düsseldorf] : Man hat manchmal den Eindruck, daß es für einige neu ist! — Weitere Zurufe und Gegenrufe.)




    Schmidt (Hamburg)

    Wenn wir in der Lage sind, wenn dieser Bundestag in seiner Gänze und wenn unsere Regierung in der Lage sind, von Situation zu Situation — und die wandelt sich ja, die Lage bleibt nicht stehen — sowohl unseren Freunden im Westen als auch unseren Nachbarn im Osten gleicherweise und unabhängig von der Lage kontinuierlich und ohne Bruch immer zwei Seiten unseres Wesens erkennbar zu machen, nämlich einerseits eine unbeirrte Festigkeit bei der Verfolgung unserer Interessen, die sich nicht auf Formel-Aufsagen beschränkt, sondern je nach Lage im tatsächlichen Handeln zum Ausdruck kommt, und andererseits einen unbeirrbaren Willen zur Verständigung mit denen da drüben und zur Versöhnung, dann ist für diese beiden Dinge deutsche Rüstungskontrollpolitik ein hervorragendes Vehikel. Auf den Feldern der Rüstungskontrollpolitik und der Osteuropapolitik liegen vielleicht die Chancen für den Rest dieses Jahrzehnts der 60er Jahre, möglicherweise auch noch für das nächste Jahrzehnt.
    Man weiß nicht, wie lange diese Epoche andauert. Wer die Chancen, die in dieser Epoche liegen, ausloten will, der muß die zunehmende Differenzierung der Situation sehen — in Osteuropa wie in Westeuropa —, und er darf nicht länger mit der groben Elle jener Vergeltungsstrategie aus den Zeiten von John Foster Dulles messen, und er darf nicht Warschau und Prag und Bukarest und alles über den gleichen Kamm scheren. Wir müssen nachdenken, die Situation analysieren und gemeinsam mit den Amerikanern und den anderen, soweit es um unsere Sicherheit geht, aber auch gemeinsam mit Frankreich und den anderen, soweit Ps um Osteuropa geht, handeln.
    Schließlich, meine Damen und Herren: unsere Entscheidung müssen wir selber treffen. Die pluralistische Gesellschaft — wenn ich so sagen darf — der europäischen Staaten, der europäischen Völker ist in 'dieser Phase zunehmender Autonomie der einzelnen Staaten schon so weit gediehen, daß selbst das an der empfindlichsten Stelle gelagerte Deutschland eigenen Handlungsspielraum gewonnen hat — das ist noch nicht allen so ganz deutlich, daß wir eigenen Handlungsspielraum gewonnen haben —, nicht so sehr durch eigene Anstrengungen, und es ist auch nicht sicher, ob das ein Glücksgeschenk des Himmels ist. Aber die Lage hat sich so entwickelt, und wenn wir von diesem Handlungsspielraum keinen Gebrauch machen, werden andere von ihm Gebrauch machen.
    Wenn nicht der vietnamesische Krieg und die Krise in Südostasien dazu führen, daß sich die Weltlage vom Grunde her wandelt, dann dürfen wir annehmen, daß die gegenwärtige Situation Europas einige Zeit andauern wird. Wir empfehlen Ihnen, diese Epoche zu nutzen, ehe sie verrinnt. Wir empfehlen Ihnen, auf dem Felde der Rüstungskontrollpolitik den Weg der mit der Note damals 'begonnen worden ist, entschlossen fortzusetzen, und wir würden uns freuen, wenn die Antworten auf unsere zwölf Fragen heute morgen eine entschlossene Fortführung dieses Weges anzeigen würden.

    (Beifall bei der 'SPD.)