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ID0505021700

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    Vokabeln: 0
    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 50. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1966 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 2421 B Antrag betr. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank (CDU/CSU, FDP) (Drucksache V/727) 2421 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen über die Vierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/717, V/737) 2421 C Fragestunde (Drucksache V/720) Frage des Abg. Fritz (Wiesbaden) : Novelle zum Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen Dr. Bülow, Staatssekretär . . . . 2421 D Fritz (Wiesbaden) (SPD) . . . . . 2422 A Frage des Abg. Hirsch: Schadensersatzansprüche nach Art. 5 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Dr. Bülow, Staatssekretär . . . . 2422 B Frage des Abg. Dr. Hein: Angeblicher Mißbrauch des Amtes als Bundesverteidigungsminister — Erarbeitung einer CDU-Broschüre von Hassel, Bundesminister . . . 2422 C Dr. Hein (SPD) 2422 D Wienand (SPD) . . . . . . . . 2423 A Berkhan (SPD) . . . . . . . . 2423 C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 2423 D Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2424 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2424 B Fragen des Abg. Herold: Zuerkennung der besonderen Förderungswürdigkeit der Broschüre durch Minister von Hassel von Hassel, Bundesminister . . 2424 C Herold (SPD) 2424 D Wienand (SPD) 2425 B Berkhan (SPD) . . . . 2426 A, 2426 B Vizepräsident Dr. Dehler 2426 A, 2426 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2426 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 2426 B Fragen des Abg. Eschmann: Hinweise an und Informationen aus der Truppe über den Kyffhäuser-Verband, Schleswig-Holstein und den VdS von Hassel, Bundesminister . . . 2426 D Frage des Abg. Felder: Angeblicher Versuch der CDU-Bundesleitung zur Erlangung von Mitteln aus dem BMVtdg zur Finanzierung einer Broschüre von Hassel, Bundesminister . . 2427 A Wienand (SPD) 2427 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1966 Fragen des Abg. Bals: Bundeswehr und „Panorama"-Redaktion — Sendung vom 28. März 1966 von Hassel, Bundesminister . . 2427 B Bals (SPD) 2427 C van Delden (CDU/CSU) . . . . 2427 D Kühn (Hildesheim) (CDU/CSU) . 2428 A Prinz von Bayern CDU/CSU) . . 2428 B Berkhan (SPD) 2428 B Draeger (CDU/CSU) . . . . . 2428 D Brück (Köln) (CDU/CSU) . . . . 2429 B Vizepräsident Dr. Dehler 2429 C, 2430 B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2429 D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 2430 A Sänger (SPD) 2430 C Genscher (FDP) . . . . . . 2430 D Moersch (FDP) . . . . . . . 2431 A Frage des Abg. Neumann (Stelle) : Klarstellungen oder Berichtigungen der „Panorama"-Sendung von Hassel, Bundesminister . . . 2431 A Neumann (Stelle) (SPD) . . . . . 2431 B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 2431 C Frage des Abg. Neumann (Stelle) : Angebliche Bemühungen des Ministers von Hassel zur Entlassung des „Panorama"-Redakteurs von Hassel, Bundesminister . . . 2431 D Neumann (Stelle) (SPD) . . . . 2431 D Wienand (SPD) . . . . . . . . 2432 A Vizepräsident Dr. Dehler 2432 A, 2433 A Sänger (SPD) 2432 C Krammig (CDU/CSU) . . . . . 2432 D Berkhan (SPD) 2433 A Fragen des Abg. Draeger: Durchführbarkeit des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten und zivile Wachpersonen von Hassel, Bundesminister . . 2433 B Draeger (CDU/CSU) 2433 C Fragen des Abg. Ott: Fluglärm im Bereich der neuerbauten Kinderklinik in Augsburg von Hassel, Bundesminister . . . 2434 A Fragen des Abg. Dr. Rau: Verweisung eines Journalisten vom Gelände des Fliegerhorstes Leipheim von Hassel, Bundesminister . . . 2434 C Dr. Rau (SPD) 2435 A Fellermaier (SPD) 2435 C Entwurf eines Gesetzes über die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit (CDU/ CSU, SPD, FDP) (Drucksache V/690) ; Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache V/744) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 2436 A Benda (CDU/CSU) 2436 B Jahn (Marburg) (SPD) 2439 C Busse (Herford) (FDP) 2440 D Memmel (CDU/CSU) Erklärung gem. § 59 GO . . . . 2441 C Antrag (SPD) betr. militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe (Drucksache V/535), in Verbindung mit EntwUrf eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Art. 26 Abs. 2 GG (Gesetz über die Beteiligung Deutscher an der Herstellung und dem Vertrieb von Waffen außerhalb des Bundesgebietes) (Drucksache V/691) — Erste Beratung — Wischnewski (SPD) 2442 A Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) 2444 C Schultz (Gau Bischofsheim) (FDP) . 2445 D Dr. Kopf (CDU/CSU) 2447 B Busse (Herford) (FDP) 2447 D Dr. Schröder, Bundesminister 2448 C, 2451 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 2449 C Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 2450 D Antrag (SPD) betr. Internationale Polizeikonvention (Drucksache V/643) Lautenschlager (SPD) 2451 D Dr. Kempfler (CDU/CSU) . . . 2452 D Antrag (SPD) betr. Verstärkung der dienstlichen und staatspolitischen Fortbildung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes des Bundes (Drucksache V/644) Schonhofen (SPD) 2453 B Picard (CDU/CSU) 2454 D Brück (Köln) (CDU/CSU) 2455 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2455 C Nächste Sitzung 2455 D Anlagen 2457 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1966 2421 50. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
    2. folderAnlagen
      Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Achenbach 23.6. Frau Albertz 24.6. Arendt (Wattenscheid) 24.6. Dr. Arnold 24. 6. Dr. Birrenbach 24. 6. Dichgans **) 23. 6. Dr. Dittrich 24. 6. von Eckardt 23. 6. Dr. Eckhardt 1. 7. Eisenmann 24. 6. Dr. Elbrächter 23.6. Felder 25. 6. Dr. Friderichs 23. 6. Frieler 2. 7. Dr. Furler **) 23. 6. Frau Geisendörfer 24.6. Haage (München) 24.6. Dr. Hofmann (Mainz) 24.6. Illerhaus **) 24. 6. Jacobi (Köln) 23.6. Frau Jacobi (Marl) 1. 7. Dr. Jungmann 30. 6. Kahn-Ackermann 24. 6. Kiep 23. 6. Frau Kurlbaum-Beyer 23.6. Leber 25. 6. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 23. 6. Dr. von Merkatz 24. 6. Metzger **) 23. 6. Michels 23.6. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30.6. Dr. Morgenstern 30.6. Paul *) 23. 6. Dr. Schmid-Burgk 26.6. Dr. Serres *) 24. 6. Stooß 25. 6. Strauß 1. 7. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats **) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Teriete 2. 7. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell *) 25. 6. Dr. Wahl *) 24.6. Weimer 25. 6. Wendelborn 1. 7. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 23. Juni 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Häfele (Drucksache V/720 Fragen VIII!! und VIII/2): Weshalb erfolgt der Beginn von Straßenbauarbeiten - z. B. jetzt des Zwischenausbaus der B 31 zwischen Engen und Stockach - so spät im Jahr, daß die erforderlichen Verkehrsbeschränkungen den Hauptverkehr im Sommer treffen? Was will die Bundesregierung tun, damit Straßenbauarbeiten künftig unverzüglich nach der Frostperiode einsetzen? Schon seit Jahren bemüht sich die Straßenbauverwaltung darum, die Fernverkehrsstraßen des Bundesgebietes während der sommerlichen Reisezeit durch geeignete Bauzeitplanung von größeren Ausbauarbeiten freizuhalten. Für die Durchführung der Baumaßnahmen geht dadurch leider sehr wertvolle und insbesondere witterungsbegünstigte Zeit verloren. Um dennoch die Kapazität der Baufirmen nicht vollkommen brach liegen zu lassen, werden während der Monate Juni, Juli und August trotz des Reiseverkehrs wenigstens diejenigen Arbeiten weitergeführt, bei denen Beeinträchtigungen der Verkehrsabwicklung nicht zu erwarten sind. Im vorliegenden Falle hat mir die Auftragsverwaltung des Landes Baden-Württemberg versichert, daß sie die notwendigen Vorkehrungen treffen wird, um eine reibungslose Abwicklung eines zweispurigen Verkehrs während der Dauer der Zwischenausbauarbeiten auf der B 31 zwischen Engen und Stockach zu gewährleisten. Es handelt sich hier um eine jener kleineren Maßnahmen, die die Auftragsverwaltung in eigener Zuständigkeit vergeben konnte. Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin darum bemühen, daß die großen Bauvorhaben möglichst frühzeitig im Jahr begonnen werden und die Ausbauarbeiten während der Reisezeit auf solche Maßnahmen beschränkt bleiben, bei denen eine Behinderung des Verkehrs nicht zu erwarten ist.
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Dr. Ernst Benda


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

      Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ CSU habe ich folgende Erklärung abzugeben.
      Der Deutsche Bundestag hat heute über einen Gesetzentwurf zu entscheiden, dessen unmittelbarer und aktueller Anlaß nach Meinung einiger Beobachter vielleicht schon gefährdet oder gar weggefallen ist. Obwohl Spekulationen über das Schicksal des beabsichtigten Redneraustausches zwischen Sozialdemokratischer Partei und SED heute müßig sind, ist jedenfalls wohl Skepsis berechtigt und der Eindruck begründet, daß sich die Kommunisten dem offenen Austausch der Meinungen jedenfalls zunächst entziehen wollen.
      Meine Damen und Herren, diese Entwicklung braucht die Entscheidung des Parlaments über den Gesetzentwurf nicht zu beeinflussen und sollte es nicht. Wenn ein Gesetz über befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit einen Sinn haben soll, dann kann er nicht allein darin liegen, aus einem aktuellen Anlaß einen politischen Vorgang mit rechtlichen Mitteln einmalig zu erleichtern, sondern vielmehr darin, der Bundesregierung ein Instrument zur Verfügung zu stellen, von dem sie nach. eigenem Ermessen unter Berücksichtigung der jeweils bestehenden politischen Situation Gebrauch machen kann. Jedenfalls sollte uns die bisherige Diskussion über die rechtlichen Konsequenzen eines Redneraustausches gezeigt haben, daß mehr als bisher auch schon vorsorglich überlegt werden muß, wie im einzelnen in gesamtdeutschen Angelegenheiten von unserer Seite zu handeln ist, als daß erst nachträglich und auf eine bestehende Lage reagierend Entscheidungen gesucht werden müssen, die ihrer Natur nach schwierig und daher auch zeitraubend sind und sicher nicht kurzfristig gefällt werden können.
      Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre Haltung zu dem zwischen der SPD und der SED vorgesehenen Redneraustausch seit langer Zeit festgelegt. Sie bleibt bei ihrer Auffassung und bekräftigt sie heute erneut. Wir sind für die offene und kämpferische Auseinandersetzung zwischen Kommunisten und den freiheitlichen und demokratischen Kräften überall in Deutschland. Wir haben diese Auseinandersetzung niemals zu fürchten, wenn wir an sie selbstbewußt, im Glauben an die Überlegenheit der freiheitlich-demokratischen Ordnung, aber auch ohne jede Illussion herangehen.
      Wir wissen wohl, daß solche Streitgespräche weder die Wiedervereinigung noch vielleicht auch nur bescheidene menschliche Erleichterungen für die Bewohner der sowjetischen Besatzungszone bringen können. Aber sie können für diese Menschen und für uns alle ein Zeichen der Hoffnung und zugleich des ungebrochenen, ja immer stärker werdenden Willens zur Wiedervereinigung werden, den auch die Sowjetunion auf die Dauer nicht wird ignorieren können.
      Zugleich mag eine solche offene Auseinandersetzung die hier und da in der Bundesrepublik bestehende Illussion zerstören, daß der Weg zur Wiedervereinigung über Verhandlungen mit den Machthabern des zowjetzonalen Gewaltregimes über eine Anerkennung dieses sich als Staat gebärdenden Machtgebildes oder über ähnliche, utopische Wege zu erreichen sei. Es gibt Symtome dafür, daß solche



      Benda
      Illusionen hier und da bestehen. Wenn sie zerstört werden, mag dies für die, die sie haben, schmerzlich sein, aber dies könnte zugleich den Blick für die Realitäten der Politik schärfen und neue, klärende Einsichten ermöglichen. Hierin allein schon könnte ein bescheidener, aber doch notwendiger Beitrag durch ein Vorhaben geleistet werden, dessen Verwirklichung heute allerdings zweifelhaft geworden ist.
      Über die Rechtsprobleme eines Redneraustausches haben wochenlange und schwierige Diskussionen in den Fraktionen und zwischen den Fraktionen des Bundestages stattgefunden, die zu einer gemeinsamen Lösung geführt haben. Wir begrüßen die erreichte Gemeinsamkeit, ohne die Diskussion zu bedauern. Die Diskussion war notwendig, weil durch sie Grundfragen unserer rechtsstaatlichen Ordnung angesprochen worden sind, und sie war nützlich, weil sie zu einer Bestätigung unseres politischen Willens geführt hat, ohne Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze eine offensive gesamtdeutsche Politik zu betreiben. Niemand soll sich darüber wundern oder gar entrüsten, daß sich der Rechtsstaat schwertut, wenn er auf neue und ungewohnte Situationen in juristisch einwandfreier Weise reagieren soll. Der Unrechts-„Staat" bedarf solcher Überlegungen nicht, sondern kann sich nach eigener willkürlicher Entscheidung über selbstgesetzte Normen hinwegsetzen. Wir haben sicher keinen Anlaß, das manchmal umständliche, für die unmittelbar Beteiligten sehr mühselige Verfahren für ideal zu halten, an dessen Ende — wie hier — ein vielleicht nicht in allen Einzelheiten befriedigender Kompromiß steht. Aber ebensowenig brauchen wir uns dieser Methode zu schämen.
      Die CDU/CSU-Fraktion hat von Anfang an ihre Bereitschaft bekundet, nach einer Regelung zu suchen, mit der bestehende rechtliche Schwierigkeiten gegen einen Redneraustausch beseitigt werden könnten, ohne dabei rechtsstaatliche Grundsätze zu verletzen, und die Fraktion hat hierzu auch eigene Vorschläge gemacht. Ein wesentlicher Teil dieser Vorschläge ist in dem nunmehr zur Entscheidung stehenden Gesetzentwurf enthalten. Andere Überlegungen wurden zurückgestellt, um eine gemeinsame Lösung zu erreichen. Es scheint uns überflüssig, am Ende einer langen Diskussion zwischen den Fraktionen noch einmal darüber zu reden, welcher der verschiedenen Vorschläge die politisch und rechtlich am meisten befriedigende Lösung enthalten hat. Ausschlaggebend ist die auch von meiner Fraktion getragene Überzeugung, daß der heute vorliegende Entwurf in Einzelfragen auch anders und vielleicht auch besser hätte ausgestaltet werden können, aber insgesamt eine einwandfreie, verfassungsrechtlich unbedenkliche und praktikable Lösung anbietet, der meine Fraktion auch zustimmen kann. Dabei respektieren wir die Meinung eines Teils der Fraktion, der auch jetzt noch unüberwindbare politische oder rechtliche Bedenken hat.

      (ffentlichkeit macht es für uns deutlich, daß die Zeit gekommen ist, allen Unklarheiten in diesen Positionen schon in den Anfängen und zugleich der kommunistischen Agitation entgegenzutreten. Wir sagen daher folgendes. Erstens. Kein einziger deutscher Staatsangehöriger bedarf, gleichgültig wo er innerhalb oder außerhalb Deutschlands wohnt, einer Erlaubnis zur Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik. Kein einziger Deutscher braucht eine gerichtliche Maßnahme zu befürchten, wenn er nicht durch eigenes strafbares Verhalten hierzu einen begründeten Anlaß geboten hat. Soweit im Bereich des politischen Strafrechts nach geltendem Recht dem freien Austausch der Meinungen, einschließlich sogar des Verbreitens kommunistischer Ideen, Schwierigkeiten entgegenstehen, haben wir schon bei früherer Gelegenheit in diesem Hause unsere Bereitschaft bekundet, das materielle und das Verfahrensrecht zu überprüfen und so zu ändern, daß jedermann, solange er die verfassungsmäßige Ordnung unseres Landes respektiert, frei seine Meinung sagen kann. Wenn das geschehen sein wird — und wir hoffen, daß das bald der Fall sein wird —, dann wird erneut deutlich werden, daß ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen dem Gewaltregime in der Sowjetzone, das keine von der kommunistischen Sprachregelung abweichende Äußerung zuläßt, und der Gelassenheit eines freiheitlichen Rechtsstaates besteht, der keine Meinung zu fürchten braucht, sondern die offene Auseinandersetzung selbst mit seinen Feinden ertragen kann. Die entsprechenden Entwürfe liegen diesem Hause bereits vor oder werden von der Bundesregierung alsbald eingebracht werden; wir bekräftigen unsere Bereitschaft, an ihnen in dem dargestellten Sinne mitzuarbeiten. Im übrigen bedarf niemand eines „freien Geleits" oder einer Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit, sofern er nicht strafbare Handlungen begangen hat; die ihm als Deutschen grundrechtlich gewährleistete Freizügigkeit wird durch den Gesetzentwurf nicht erweitert oder verändert, weil sie ohnehin besteht. Der einzige Grund, der ein besonderes Gesetz überhaupt erforderlich macht, ist der Umstand, daß im Zuge eines Redneraustausches oder einer ähnlichen Aktion möglicherweise kommunistische Funktionäre im Bundesgebiet erscheinen sollen, die allen Anlaß haben, eine Strafverfolgung wegen schwerer Vorwürfe im Bereich der gemeinen Kriminalität zu befürchten. Der Bundesgesetzgeber kann, soweit das Grundgesetz ihm hierzu die Möglichkeit bietet, auf die sich hieraus ergebende Rechtslage einwirken; aber der Vorwurf einer Mittäterschaft oder Teilnahme an Verbrechen des Mordes, des Totschlags oder der Freiheitsberaubung kann von niemandem genommen werden, der Benda durch sein eigenes Verhalten hierzu Anlaß gegeben hat. Meine Damen und Herren, nur weil ein Gewaltregime an seiner Spitze Männer duldet, die möglicherweise solchem Vorwurf unterliegen, nur weil eben die, die zu gesamtdeutschen Gesprächen einladen, zugleich Morde dulden, ja befehlen, entsteht für den Deutschen Bundestag der Konflikt zwischen dem von allen geteilten Abscheu über solche Verbrechen und dem Versuch, vielleicht auch im Interesse potentieller neuer Opfer solcher Untaten einen politisch und rechtlich gangbaren Weg zu suchen. Wer daher einem Gesetz über befristete Freistellung von der Gerichtsbarkeit zustimmt, der klagt zugleich den Mord und seine Täter an. Wer nicht das Bundesgebiet betreten kann, ohne eines solchen Gesetzes zu bedürfen, der klagt sich selber an. Zweitens. Eine Freistellung von der Gerichtsbarkeit ist nur möglich, soweit diese Gerichtsbarkeit besteht. Die Machthaber der Sowjetzone behaupten, daß die Gerichte in der Bundesrepublik keine außerhalb des Bundesgebietes begangenen Handlungen gerichtlicher Überprüfung unterziehen könnten. Demgegenüber unterstellt § 3 des Strafgesetzbuches von 1871 alle strafbaren Handlungen von Deutschen der deutschen Strafjustiz, und zwar mit einer gewissen Einschränkung selbst dann, wenn sie im Ausland begangen werden. Der sowjetisch besetzte Teil Deutschlands ist Inland, und seine Bewohner sind Deutsche wie wir. Wir bestehen darauf, daß wir nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, gerade solche Unrechtshandlungen im Rahmen unserer tatsächlichen Möglichkeiten gerichtlich zu überprüfen, die von den Inhabern der Gewalt nicht nur nicht geahndet, sondern geduldet und sogar befohlen werden. Die im Grundgesetz wie übrigens auch in der Verfassung der sowjetisch besetzten Zone gewährleisteten Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und persönliche Freiheit gelten für alle Deutschen, und wir sind nicht berechtigt, unsere Fürsorgepflicht gerade gegenüber den Deutschen zu vergessen, die solcher Hilfe am meisten bedürfen. Wer den Anspruch auf Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit leugnet, klagt sich zugleich an, selbst den Schutz der Grundrechte der Menschen in seinem Bereich zu versäumen; wer dem Gesetz zustimmt, erneuert zugleich den Anspruch der Bundesrepubblik, im Sinne der Präambel zum Grundgesetz auch für jene Deutschen zu handeln, denen die Mitwirkung an Freiheit und Rechtsstaat immer noch versagt ist. Drittens. Die Bundesregierung hat vor dem Bundestag eben die Grundsätze dargelegt, in welcher Weise sie von der ihr erteilten Vollmacht Gebrauch machen will. Wir stimmen dieser Erklärung zu. Wir erwarten, daß die Bundesregierung, so wie sie es eben wörtlich erklärt hat, in jedem Einzelfall sorgfältig prüft, welche politischen Gründe für eine befristete Freistellung von der Gerichtsbarkeit sprechen, zugleich aber auch, ob es unter Berücksichtigung aller Umstände möglich und auch für die Rechtsüberzeugung des Volkes zumutbar ist, einem einer schwerwiegenden strafbaren Handlung hinreichend oder sogar dringend Verdächtigen, wenn auch nur auf eng befristete Zeit, die Freistellung von der Gerichtsbarkeit zuzusichern. Wir vertrauen darauf, daß die Bundesregierung von der ihr erteilten Ermächtigung nur in diesem Sinne Gebrauch macht, und haben daher davon abgesehen, das Ermessen der Regierung in bestimmten Fällen so zu beschränken, wie dies in früheren Vorschlägen vorgesehen war. Viertens. Wir werden nicht davon ablassen, Gewalttaten, die in Deutschland gegen Deutsche verübt werden, bei ihrem Namen zu nennen. Wir werden nicht darauf verzichten, sie als strafbare Handlungen zu bezeichnen und auch zu behandeln. Die im Einzelfall im Für und Wider sorgfältig zu erwägende, zeitlich eng befristete, an Auflagen oder Bedingungen geknüpfte Freistellung von der Gerichtsbarkeit aus wichtigen Gründen des öffentlichen Interesses ist das Äußerste, was dem Rechtsstaat zugemutet werden kann, wenn er selbst nicht Schaden nehmen soll. Damit wird weder der Strafanspruch des Staates aufgegeben noch eine spätere Strafverfolgung rechtlich verhindert; aber weiter können und weiter wollen wir nicht gehen. Meine Damen -und Herren, wir alle kennen die Gewalttaten, um die es sich handelt. Niemand von uns maßt sich ein abschließendes Urteil darüber an, wie das Verhalten eines an einer solchen Handlung unmittelbar oder mittelbar Beteiligten strafrechtlich zu würdigen ist. Über seine persönliche Verantwortung, über die persönliche Verantwortung der Befehlsgeber und der Befehlsempfänger entscheiden allein die Gerichte in richterlicher Unabhängigkeit und nicht politische Instanzen, auch nicht der Deutsche Bundestag. Aber unsere Sache ist es, die Tat zu kennzeichnen. Über allen im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Tatumstände und des Maß der persönlichen Schuld anzustellenden rechtlichen Erwägungen steht die uns gemeinsame Auffassung, daß es Mord darstellt, wenn ein Deutscher, der eine willkürliche Demarkationslinie in Deutschland zu überschreiten versucht, hierbei erschossen, „vernichtet" wird, wie es in der unmenschlichen Sprache des Schießbefehls heißt. In seinem Brief an Professor Jaspers vor wenigen Wochen spricht Ulbricht selbst von „militärischen Befehlen", um die es sich dabei handele. Damit hat er selbst enthüllt, worum es geht, nämlich um die Durchführung eines gegen die eigene Bevölkerung geführten Bürgerkrieges. Wir nennen es daher Mord, wenn ein Opfer wie Peter Fechter an der Mauer von Berlin angeschossen über eine Stunde lang liegengelassen und erst abtransportiert wird, wenn er verblutet ist. Wir nennen es daher Mord, wenn vor wenigen Wochen oder Monaten ein angetrunkener Westberliner, der in einen Kanal an der Grenze springt, um sich abzukühlen, ohne jeden Sinn und Grund erschossen wird. Wir nennen es daher Mord, wenn gegenüber dem Luftkurort Hohegeis der Flüchtling Benda Helmut Kleiner am 1. August 1963 erst angeschossen und dann zu einem Zeitpunkt, als er schon bewegungslos am Boden liegt und fluchtunfähig ist, erneut aus nächster Entfernung von zahlreichen Schüssen durchbohrt und getötet wird. Und wir nennen es Mord, wenn in einem Berliner Gewässer im November 1961 ein verwundeter Flüchtling, der sich erschöpft an das Polizeiboot klammert, um sich zu ergeben, von den Polizisten ins Wasser zurückgestoßen und dann aus einigen Metern erneut unter Beschuß genommen wird. Das alles und viele andere Taten sind Verbrechen aus Mordlust, also aus niedrigen Beweggründen, für die es keinerlei Entschuldigung gibt. Wir wissen dabei zugleich, daß die in die Uniformen der Volksarmee gesteckten jungen Menschen oft in schwerer Not zwischen Gewissen und Befehl stehen. Es wird auch der Tag kommen, an dem darüber gesprochen werden kann, in wie vielen Fällen sich das Gewissen und die Menschlichkeit solcher Menschen, oft unter einem sehr hohen persönlichen Risiko, gegenüber den Befehlen durchgesetzt haben. Solche Vorgänge, die wir auch kennen, ohne sie hier im einzelnen nennen zu können, sollten uns vor einer pauschalen Beurteilung oder Verurteilung warnen; aber sie befreien jedenfalls den, der die Befehle gibt, nicht von seiner eigenen Verantwortung. Meine Damen und Herren! Alle diese Beurteilungen, an denen wir festhalten, werden durch den Gesetzentwurf weder abgeschwächt noch beeinträchtigt. Die Machthaber der Sowjetzone können, wenn sie den Redneraustausch überhaupt ernsthaft wollen, nicht mehr verlangen als die Gewährleistung der persönlichen Sicherheit ihrer Redner. Dies wird ihnen gegeben. Wir sind bereit, diesen rechtlich und politisch gangbaren und auch praktikablen Weg zu gehen, den der Entwurf vorschlägt. Mehr können wir nicht geben und mehr wollen wir nicht geben. Die Machthaber der Sowjetzone müssen wissen, daß sie selber jede weitergehende Überlegung verhindern, solange in ihrem Bereich auf Befehl geschossen und getötet wird. Auch die Sozialdemokratische Partei hat aus gegebenem Anlaß mit vollem Recht erklärt, daß sie für den Redneraustausch, den sie will, nicht jeden Preis zahlen und nicht unverzichtbare Positionen aufgeben kann. Wir stimmen dem zu und erklären, daß mit der Verabschiedung des Gesetzes, die wir wünschen, eine klare Grenze des Möglichen und Zumutbaren in diesem Hause gezogen ist. Das Wort hat der Abgeordnete Jahn. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion habe ich folgendes zu erklären: Die Fraktion der SPD begrüßt das Zustandekommen des Gesetzes über befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit. Sie wird ihm zustimmen. Mit Genugtuung ist festzustellen, daß damit eine langwierige Diskussion schließlich einen befriedigenden Abschluß gefunden hat. Nicht jedes Wort in der öffentlichen Auseinandersetzung über diese Frage, das in den letzten Monaten geäußert wurde, war hilfreich. Nicht immer war das wünschenswerte Verständnis erkennbar. Offene Diskussion ist unverzichtbar; sie hilft, die Standpunkte zu klären, und macht damit das Wesen unserer Demokratie aus. Das gilt auch dann, wenn oft viel Geduld und langer Atem nötig sind, wenn man das eigentliche Ziel nicht aus dem Auge verlieren will. Eines sollte uns allen zu denken geben. Die lange Dauer, oft wohl auch die Art und die Form der Argumente, deren man sich in der öffentlichen Aussprache bediente, hat Zweifel geweckt. Zweifel kamen besonders bei Menschen im anderen Teil Deutschlands auf, die voller Erwartung und Hoffnung auf uns sehen. Sie achten sehr genau darauf, wie wir mit unseren Problemen, die auch ihre Sorgen sind, fertig werden. In den letzten Wochen wurde zunehmend die Frage laut: Ist es denn nicht möglich, vorhandene Hindernisse mit mehr Entschlossenheit und mit mehr Selbstvertrauen aus dem Wege zu räumen? Hier ging und geht es um eine gemeinsame Sache aller demokratischen Parteien im freien Teil Deutschlands. Kommt es im Zuge des offenen Austausches von Argumenten über die Kernfrage der deutschen Politik — ob den Menschen im gespaltenen Deutschland das Leben leichter gemacht werden soll — zur Gegenüberstellung von Rednern, dann werden wir Sozialdemokraten für den freien Teil Deutschlands stehen. Die Gewißheit, dabei in Übereinstimmung mit den anderen Parteien, die im Bundestag vertreten sind, zu handeln, sollte ihren Ausdruck auch in der Form finden, in der wir unsere Probleme lösen. Die Überzeugungskraft der Demokratie gewinnt nicht dadurch, daß Randfragen im Verhältnis zum politischen Ziel zum zentralen Diskussionsthema gemacht werden. In Zukunft werden wir mehr darauf achten müssen, durch zielbewußtere Aussprache und durch entschlosseneres Handeln zu zeigen, daß wir nicht nur willens, sondern vor allem auch fähig sind, mit unserer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung die Auseinandersetzung mit jedem ihrer Gegner auch offensiv zu führen. Die vorliegende Lösung im Gesetz über befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit schafft eine Voraussetzung im freien Teil DeutschJahn lands dafür, daß der offene Austausch von Argumenten in ganz Deutschland möglich wird. In diesem Zusammenhang ist eine Feststellung vonnöten. Der kommunistischen SED paßt es nicht, wie wir unsere Dinge regeln. Sie spricht von „unzumutbaren Diskriminierungen". Oft hat es gar den Anschein, als suche sie an dieser Stelle einen Weg für ihren Rückzug. Unsere Antwort ist: wie wir im Rahmen unserer rechtsstaatlichen Ordnung die erforderlichen Regelungen treffen, ist allein und ausschließlich unsere Sache. Noch eines. Zur gleichen Zeit maßt sich ,die kommunistische SED ,die Forderung auf Abänderung bzw. Aufhebung unseres Staatsschutzrechtes an. Seit gestern wird diese Forderung noch gesteigert. Jetzt sollen wir sogar unsere gesamte Rechtsordnung umgestalten. Auch hierauf ist unsere Antwort: wie wir den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gestalten, soweit dazu Mittel des Strafrechts unentbehrlich sind, ist allein unsere Sache. Wir Sozialdemokraten haben dazu unsere Vorschläge vorgelegt. Gemeinsam mit den anderen Fraktionen dieses Hauses werden wir um die beste Lösung auf dem Boden unseres Grundgesetzes ringen. Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland beruht auf dem Grundgesetz. Über ihre Ausgestaltung im einzelnen entscheidet der frei gewählte Deutsche Bundestag. Er übt dabei das Mandat für die Bürger unseres Landes aus, die ihre Abgeordneten in freier Entscheidung wählen. Wir, die frei gewählten Abgeordneten, sind nicht bereit, für unsere Entscheidungen Ratschläge von Leuten anzunehmen, die kein durch einwandfreie Wahlen zustande gekommenes Mandat haben, für deutsche Bürger zu sprechen. In der zweiten offenen Antwort der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands heißt es: Wir werden uns bei den zuständigen Behörden vergewissern, daß den Rednern der SED aus Anlaß ihrer Teilnahme an der Veranstaltung in Hannover keine Schwierigkeiten erwachsen. Der zur Abstimmung gestellte Gesetzentwurf wird die Voraussetzungen dafür schaffen, daß wir uns vergewissern können. Wir hoffen, daß der Bundesrat sich unserer Bitte um beschleunigte Behandlung nicht verschließt, damit das Gesetzgebungsverfahren schnell seinen Abschluß findet. Dann wird die Bundesregierung über ein Instrument verfügen, das sie in die Lage versetzt, die erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Dieses Instrument soll nicht nur für den gegenwärtigen Anlaß dienen; es kann und, soll der Regierung auch bei anderen Gelegenheiten, die sich bieten mögen, nützlich sein. Deshalb ist es richtig, daß der Rahmen, die Voraussetzungen für die Anwendung des Gesetzes weit gefaßt sind. Die Bundesregierung muß frei sein, in verantwortlicher Prüfung und Abwägung aller Umstände zu entscheiden, in welchen Fällen sie von den ihr gegebenen Möglichkeiten Gebrauch macht. In ihrer Erklärung hat die Bunregierung deutlich gemacht, von welchen Überlegungen sie sich wird leiten lassen. Der Wortlaut dieser Erklärung findet unsere Billigung. Die Bereitschaft der Bundesregierung, von der ihr erteilten Befugnis sinnvoll Gebrauch zu machen, verstehen wir so, daß hier eine Hilfe gegeben werden wird, wenn es darum geht, den Menschen im gespaltenen Deutschland zu helfen. Wir werden nach Verabschiedung dieses Gesetzes nunmehr in diesem Hause die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, daß die Ausrede der SED, ihre Redner seien gefährdet, wenn sie nach Hannover gingen, nicht mehr gilt. Nun ist es an der anderen Seite, Farbe zu bekennen und zu klären, ob sie weiter nach Ausflüchten sucht oder ob sie sich der Auseinandersetzung stellen will. Wir Sozialdemokraten wollen diese offene und öffentliche Auseinandersetzung nach wie vor. Wir wollen sie führen in dem Willen, den Menschen im geteilten Deutschland zu helfen. Das Wort hat der Abgeordnete Busse. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Namens der Fraktion der Freien Demokraten kann ich folgende Erklärung abgeben. Wir Freien Demokraten begrüßen das Zustandekommen dieses Gesetzes nachdrücklich. Wir begrüßen es um so mehr, als es ein schwerer Weg war, der zu dem heutigen Ergebnis geführt hat, ein Weg, der häufig den vollen Einsatz unserer Kräfte verlangt hat, und zwar in den Auseinandersetzungen, die in der Öffentlichkeit, aber auch denen, die zwischen den Fraktionen dieses Hauses über den Weg und das Ziel geführt worden sind. Wir bitten dabei zu berücksichtigen, daß es auch uns nicht leicht gefallen ist, den Schritt zu tun, der mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf getan werden soll, enthält er doch eine Maßnahme, die aus allgemeinen Rechtsprinzipien heraus nicht ohne weiteres als unbedenklich bezeichnet werden kann. Gerade wir Freien Demokraten als eine liberale Partei wissen die Bedeutung eines strengen Legalitätsprinzips, das vor Willkür schützen soll, wohl zu würdigen. Es müssen schon schwerwiegende Gründe sein, die uns veranlassen, von diesem Prinzip abzuweichen. Aber Prinzipien sind nicht um ihrer selbst willen da, sondern sie müssen und können den jeweiligen politischen unabweisbaren Notwendigkeiten Rechnung tragen, wenn das im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung möglich ist. Wir sind in diesem Fall in der glücklichen Lage, daß verfassungsmäßige Bedenken gegen dieses Gesetz nicht erhoben worden sind und auch nicht erhoben werden können. Wenn wir deshalb hier zum ersten Male von dem strengen LegalitätsBusse prinzip abweichen, so tun wir es aus wohlerwogenen politischen Gründen. Das Hohe Haus ist sich einig im Streben nach der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands — trotz . aller möglichen Meinungsverschiedenheiten über den Weg dorthin. Über einen Punkt aber sollte Einmütigkeit bestehen: Wer immer die Deutschen zusammenführen will — und wie immer er es tun will —, der darf die Auseinandersetzung mit den Ideologien und dem System, unter denen unsere Landsleute in Mitteldeutschland leben, nicht scheuen. Wir haben das Vertrauen zu der Überzeugungskraft unserer freiheitlichen rechtsstaatlichen Vorstellungen, so daß wir diese Auseinandersetzung nicht nur nicht fürchten, sondern sie gesucht haben und auch künftig suchen werden. Ein Schritt ,auf diesem Wege ist der vorliegende Gesetzentwurf, nur ein Schritt und ein Schritt, über dessen Auswirkungen man keine allzu großen Illusionen haben sollte. Ein weiterer Teil der Maßnahmen, die die Erreichung unseres Zieles erleichtern sollen, wird noch kommen müssen. Wir denken an das Gesetz zur Lockerung des Verfolgungszwanges, insbesondere auch an die Änderungen des Strafrechts, die hoffentlich nach den Parlamentsferien zügig in Arbeit genommen werden können, da wichtiger als die Lockerung der formellen Bestimmungen die Neugestaltung der materiellen Bestimmungen sein wird. Mit all dem geben wir keine Position auf, die unsere Stellung in der gesamtdeutschen Politik irgendwie schwächen oder gefährden könnte. Insoweit stimmen wir mit den Vorrednern überein, daß ein Opfer unserer eigenen rechtsstaatlichen freiheitlichen Ordnung nicht gebracht werden kann, um andere Erleichterungen zu schaffen, sondern die Erhaltung und Festigung unserer eigenen freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung ist die Voraussetzung und die Grundlage aller weiteren gesamtdeutschen Politik. Mit dem vorliegenden Gesetz wird der Bundesregierung eine sehr weitgehende Ermächtigung erteilt, und ich habe Verständnis dafür, daß die Regierung es nicht freudig begrüßt, daß ihr diese Ermächtigung erteilt wird; denn damit wird ihr eine schwere Aufgabe übertragen. Ich glaube, auch darüber sollten wir uns in diesem Hause einig sein. Gerade gewisse Ausführungen, die heute an dieser Stelle gemacht worden sind, haben evident gemacht, wie weit das Spannungsfeld ist zwischen den Möglichkeiten und den Gegebenheiten, deren Entscheidung hier der Bundesregierung angelastet wird. Sie hat zugesagt, einen sinngemäßen Gebrauch von dieser ihr erteilten Ermächtigung zu machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wünsche; daß die Bundesregierung die Weisheit findet, die notwendig ist, um die schweren Probleme, die ihr durch diese Ermächtigung übertragen werden, zu lösen; die Weisheit, sage ich deshalb, weil es mir nicht so sehr eine Frage zu sein scheint, wer wem was vorwerfen kann, als vielmehr eine Frage, was erforderlich ist, um unserem allgemeinen Anliegen und unseren Landsleuten in der mitteldeutschen Zone zu helfen und die Verbindung zwischen uns nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken und zu festigen. Wenn dieses Gesetz einen kleinen Schritt auf diesem Wege bedeuten sollte, dann dürfte es seinen Zweck mehr als gut erfüllt haben. Das Wort hat Herr Abgeordneter Memmel. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, unter Bezugnahme auf § 59 der Geschäftsordnung und auf die von Herrn Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier in der 130. Sitzung am 28. Oktober 1960 dazu abgegebene Auslegung eine Erklärung zur Abstimmung abgeben zu dürfen. Ich möchte hier erklären, daß ich gegen dieses Gesetz stimme. Ich will mich in der Begründung auf einen einzigen Gedanken beschränken. Dieses Gesetz stellt eine Ausnahmeregelung dar; das Wort ist von zwei Vorrednern gebraucht worden. Ich bin grundsätzlich gegen alles, was mit dem Wort „Ausnahme" oder „Sonder-" zusammenhängt, ob das eine Sonderregelung, eine Sondermaßnahme, ein Sondergesetz oder ein Sondergericht ist. Weil das hier ein Ausnahmegesetz ist, bin ich gegen dieses Gesetz. (Zuruf von der SPD: Das war aber dünne! Weitere Zurufe von der SPD.)


      (Beifall bei der CDU/CSU.)


      (Beifall bei der CDU/CSU.)





      (Beifall bei der CDU/CSU.)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)





      (Beifall in der Mitte.)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)


      (Beifall bei der CDU/CSU.)


      (Abg. Wehner: Was heißt hier „auch"?)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    Rede von Dr. Thomas Dehler
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Gerhard Jahn


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


      (Sehr wahr! bei der SPD.)


      (Beifall bei der SPD.)


      (Erneuter Beifall bei der SPD.)





      (Allseitiger Beifall.) Da hat uns niemand hineinzureden.


      (Allgemeiner Beifall.)


      (Allgemeiner Beifall.)


      (Beifall bei der SPD.)