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ID0501419400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 14. Sitzung Bonn, den 13. Januar 1966 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 529 A Überweisung von Vorlagen . . . . . . 529 A Wahl der Schriftführer (Drucksache V/87) . 529 C Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Dreiunddreißigste, Fünfunddreißigste, Sechsunddreißigste, Achtunddreißigste und Neununddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksachen V/15, V/44, V/45, V/22, V/23, V/177) . . 529 D Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Vierunddreißigste und Siebenunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksachen V/43, V/46, V/178) 530 A Fragestunde (Drucksache V/161) Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Zahlen über die Haushaltslage der Län- der 530 C Fragen des Abg. Dr. Wörner: Umstellung des Schuljahres Dr. Ernst, Staatssekretär . . . . . 530 D Dr. Wörner (CDU/CSU) . . . . . 530 D Fragen des Abg. Josten: Taubstumme schulpflichtige Kinder . . 531 A Frage des Abg. Dorn: Panorama-Sendung vom 13. 12. 1965 . 531 B Fragen des Abg. Bühling: Ausübung von Verwaltungsaufgaben durch Richter 531 B Frage des Abg. Haehser: Munitionslager der französischen Stationierungsstreitkräfte bei Hasborn Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 531 D Haehser (SPD) . . . . . . . . . 531 D Holkenbrink (CDU/CSU) . . . . . 532 A Frage des Abg. Genscher: Reichsabgabenordnung 532 C Fragen des Abg. Weigl: Kostenersatz für die Stadt Eschenbach (Oberpfalz) Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 532 C Frage des Abg. Dröscher: Finanzhilfe des Bundes in Katastrophenfallen Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 533 A Dröscher (SPD) 533 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Januar 1966 Frage des Abg. Felder: Bewertung von Trunkenheitsdelikten und Fahrerflucht bei Kraftfahrzeugunfällen Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 533 C Felder (SPD) . . . . . . . . . 533 D Fellermaier (SPD) . . . . . . 534 C Opitz (FDP) 534 D Dröscher (SPD) 535 A Frage des Abg. Sanger: Wettbewerbsverhältnisse bei Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen Dr. Neef, Staatssekretär . . . . 535 B Sänger (SPD) 535 C Frage des Abg. Haase (Kassel) : Schädigung der tabakverarbeitenden Industrie durch das Einfuhrverbot für rhodesische Tabake Dr. Neef, Staatssekretär . . . . . 535 D Frage des Abg. Haase (Kassel) : Exportverluste der deutschen Wirtschaft infolge Boykotts deutscher Waren durch Rhodesien Dr. Neef, Staatssekretär . . . . . 536 A Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . . 536 A Frage des Abg. Langebeck: Unterschiede bezüglich elektrotechnischer Sicherheit zwischen Stadt und Land Dr. Neef, Staatssekretär . . . . 536 B Langebeck (SPD) 536 B Frage des Abg. Langebeck: Energiewirtschaftsgesetz Dr. Neef, Staatssekretär . . . . . 537 A Langebeck (SPD) . . . . . . . . 537 B Fragen des Abg. Opitz: Fortführung der Bauarbeiten im Winter Katzer, Bundesminister . . . . 537 C Opitz (FDP) 538 A Gerlach (SPD) 538 B Frage des Abg. Weigl: Versicherungspflichtgrenzen Katzer, Bundesminister 538 D Weigl (CDU/CSU) 539 A Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Verteidigungsetat der Sowjetunion . . 539 A Frage des Abg. Dr. Tamblé: Heizungskostenzuschüsse 539 B Frage des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Gesunderhaltung und körperliche Ertüchtigung der Jugend Gumbel, Staatssekretär 539 B Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 539 C Frage des Abg. Felder: Warnleuchten für marschierende Bundeswehrtrupps bei Nacht Gumbel, Staatssekretär 539 D Felder (SPD) 540 A Frage des Abg. Felder: Strafsache des Luftwaffen-Oberleutnants Manfred Jurgan Gumbel, Staatssekretär 540 B Felder (SPD) 540 C Frage des Abg. Josten: Gesundheitsbefund der Musterungsuntersuchungen zur Bundeswehr . . . 540 D Fragen des Abg. Lemmrich: Militärflughafen Neuburg — Absiedlung in der Gemeinde Zell Gumbel, Staatssekretär 540 D Lemmrich (CDU/CSU) 541 C Frage des Abg. Dröscher: Gefahren bei Überfliegen der Grenzen des eigenen Landes und der NATO-Partner Gumbel, Staatssekretär 542 C Dröscher (SPD) . . . . . . . 542 D Fragen des Abg. Dr. Huys: Eisenbahnstrecke Wittingen—Rühen . . 543 B Frage des Abg. Ramms: Fest- und Margentarife für die Binnenschiffahrt im innerdeutschen Verkehr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 543 D Frage der Abg. Frau Funcke: Verkehrsunfallhilfe des ADAC Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 544 A Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Januar 1966 III Fragen der Abg. Eisenmann und Dröscher: Zwischenuntersuchungen durch KfzHandwerksstätten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 544 A Genscher (FDP) . . . . . . . 544 B Dröscher (SPD) 544 D Sammelübersicht 1 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die Zeit vom 17. 10. 1961 bis 17. 10. 1965 (Drucksache V/132) 545 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (SPD) (Drucksache V/170) — Erste Beratung — Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 545 C Entwurf eines Strafgesetzbuches (Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Dr. h. c. Güde, Dr. Dehler, Dr. Wilhelmi u. Gen.) (Drucksache V/32) — Erste Beratung — Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 545 D Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 552 A Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . . 557 B Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . . 563 D Schlee (CDU/CSU) . . . . . . . 569 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (SPD) (Drucksache V/102) — Erste Beratung — Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . . . 573 B Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 577 C Dr. Worner (CDU/CSU) . . . . . 583 B Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 585 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Überleitungsgesetzes (Abg. Rollmann, Hauser [Bad Godesberg], Dr. Hammans, Dr. Klepsch u. Gen.) (Drucksache V/70) — Erste Beratung — 588 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Dr. Hamm [Kaiserslautern] u. Gen.) (Drucksache V/81) — Erste Beratung — Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . . 589 A Frau Dr. Hubert (SPD) 589 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. März 1964 mit der Republik der Philippinen über die Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache V/140) — Erste Beratung — 589 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Juli 1962 mit Regierung des Staates Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und bei der Gewerbesteuer (Drucksache V/142) — Erste Beratung — 589 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1962 über die Haftung der Gastwirte für die von ihren Gästen eingebrachten Sachen (Drucksache V/146) — Erste Beratung — 589 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Einbringung von Sachen bei Gastwirten (Drucksache V/147) — Erste Beratung — 589 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehem. Herwarth-von-Bittenfeld-Kaserne in Münster (Westfalen) an die Stadt Münster (Drucksache V/82) 590 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks in Berlin-Kreuzberg, Mehringdamm 20-30, Ecke Obentrautstraße 1-21, an das Land Berlin (Drucksache V/134) 590 A Einundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksache V/139) . . . . . . . . . . 590 C Nächste Sitzung 590 C Anlage 591 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Januar 1966 529 14. Sitzung Bonn, den 13. Januar 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 13. Sitzung Seite 512 A Zeile 3 von unten statt „des Ministerrats" : der Kommission Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Abelein 14. 1. Adorno 14. 1. Bading * 14. 1. Bauer (Wasserburg) 14. 1. Berger 14. 1. Frau Berger-Heise 18. 2. Berlin 19. 2. Dr. Birrenbach 14. 1. Burger 10. 4. Frau Blohm 14. 1. Dr. Dehler 14. 1. Dr. Effertz 13. 1. Eisenmann 14. 1. Erler 15. 2. Faller 14. 1. Frau Funcke 14. 1. Dr. Furler * 13. 1. Dr. Hesberg 13. 1. Hirsch 15. 1. Illerhaus * 13. 1. Dr. Jahn-Braunschweig 14. 1. Josten 19.2. Junghans '7. 2. Kaffka 14. 1. Kahn-Ackermann 13. 1. Kiep 20. 1. Krammig 15. 1. Frau Krappe 28. 2. Frau Dr. Krips 22. 1. Kuntscher 14. 1. Leber 14. 1. Dr. Lenz (Bergstraße) 15. 1. Majonica 22. 1. Mauk * 14. 1. Merten * 13. 1. Metzger * 14. 1. Michels 13. 1. Missbach 14. 1. Moersch 13. 1. Dr. Morgenstern 28. 1. Orgaß 14. 1. Frau Pitz-Savelsberg 21.1. Rasner 13. 1. Frau Schanzenbach 3. 2. Schlager 14. 1. Dr. Stecker 13. 1. Frau Strobel* 13. 1. Dr. Frhr. v. Vittinghoff-Schell 18. 1. * Für die Teilnahme an einer Ausschuß-Sitzung des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die CDU/CSU-Fraktion ist der Überzeugung, daß unser Staatsschutzstrafrecht einer Reform bedarf, und zwar auch unser materielles Staatsschutzstrafrecht. Wir sind mit Ihnen (zur SPD) erstens einig in dem Bestreben, diese Bestimmungen präziser und konkreter zu fassen; das ist im Interesse der Rechtssicherheit geboten. Wir sind zum anderen mit Ihnen auch darin einig, diese Bestimmungen zu straffen und dort zu streichen, wo es möglich ist. Im übrigen, verehrter Herr Kollege Heinemann, möchte ich auch betonen, daß alle diese Bestimmungen so, wie sie heute gelten, das gemeinsame Werk der drei großen Parteien in diesem Hause waren, so daß, wenn Sie schon Vorwürfe gegen den Gesetzgeber erheben wollten, diese Vorwürfe logischerweise uns alle zusammen treffen müßten.
    Wir sind auch mit Ihnen darin einig, daß diese Reform dringend ist. Wir meinen sogar, daß sie so wichtig ist, daß es sich lohnt, Nägel mit Köpfen zu machen. Das wird allerdings nicht möglich sein, solange nicht der Entwurf der Bundesregierung vorliegt.

    (Abg. Jahn [Marburg] : So wenig werden wir uns doch nicht zutrauen!)

    — Wir trauen uns einiges zu; aber ich glaube, Sie unterschätzen die Möglichkeiten, die ein Haus wie das Justizministerium mit seinen unbestrittenen Sachkennern hat.

    (Abg. Jahn [Marburg] : Und die es dem Ausschuß gewiß während der Beratungen gern zur Verfügung stellen wird!)

    Ich wollte sagen, wir werden darauf drängen, den Regierungsentwurf sobald als möglich in den Händen zu halten.
    Worauf kommt es uns bei dieser Reform des Strafrechts an?
    Zunächst meine ich, daß das Strafrecht, gerade das materielle Strafrecht, nur das enthalten darf, was zur wirksamen Abwehr aller Formen der nichtmilitärischen Aggression nötig ist, aber auch alles das enthalten muß. Wir wollen nichts, was nicht unbedingt nötig ist, und es ist für uns selbstverständlich, daß in unserer Demokratie Freiheit und Menschenrechte nur so weit eingeschränkt werden dürfen, als es eben zum Schutz dieser Feiheit unabdingbar ist.
    Dann möchte ich ein Zweites betonen: Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß viele der Probleme, vor denen wir heute stehen, bei uns im Unterschied zu anderen Staaten dieser Erde einfach daher rühren, daß wir ein gespaltenes Land sind. Ich glaube, vieles von dem, was problematisch geworden ist und was in der Öffentlichkeit so viel Staub aufgewirbelt hat, hängt doch gerade damit zusammen, daß da Landsleute von uns herüberkommen, und zwar zwei Sorten von Landsleuten: auf der einen Seite Landsleute, die mit uns Begegnung suchen, und auf der anderen Seite Landsleute, die leider Gottes Agenten sind. Sie können beide nicht von vornherein unterscheiden, sondern das müssen Sie ja irgendwie verifizieren. Das sollten wir uns, meine ich, vor Augen halten, und angesichts dieser Problematik ist es ja gerade das Problem, unser Staatsschutzstrafgesetz so zu fassen, daß es echten gesamtdeutschen Kontakten und echter gesamtdeutscher Begegnung nicht im Wege steht. Es entspricht der Zielrichtung unserer Politik, diese gesamtdeutschen Kontakte zu suchen und zu pflegen. Wir müssen verhindern, daß unser Staatsschutzrecht solche Gespräche, die wir wünschen, verhindert oder daß solche Gespräche an diesen Bestimmungen scheitern.
    Ich sage Ihnen ganz klar: Wir wollen auch nicht den Funktionär der SED, wir wollen auch nicht den Funktionär der FDJ strafen, der hierher kommt, um



    Dr. Wörner
    die geistige Auseinandersetzung, das geistige Gespräch und nur das zu suchen. Er soll seine Gespräche auch hier risikolos führen können. Er soll dafür nicht bestraft werden, wie auch umgekehrt jeder Bürger der Bundesrepublik in Freiheit, ohne Risiko und ungestraft solche Gespräche in der SBZ führen können sollte.
    Was wir allerdings nicht dulden können, ist, daß sich Kommunisten von drüben wie von hier in Kumpanei zusammensetzen, um gemeinsam Pläne zu schmieden und dann auch ins Werk zu setzen, wie sie die verfassungsmäßige Ordnung in der Bundesrepublik umstülpen können. Das hat mit gesamtdeutscher Begegnung nichts zu tun, das ist kein gesamtdeutscher Kontakt, und das sollte durch unser Staatsschutzrecht auch in der Zukunft erfaßt werden. Darum geht es, hier eine ganz klare, sachliche Abgrenzung zu finden.
    Da beginnt nun, glaube ich, die Meinungsverschiedenheit, verehrter Herr Kollege Heinemann, zwischen Ihnen und uns. Sie meinen, das sei offenbar allein damit zu erreichen, daß man das materielle Staatsschutzrecht genauer faßt. Ich meine, das hält — und das glaube ich Ihnen an Ihren eigenen Fällen nachweisen zu können — einer genauen Prüfung nicht stand. Denn wo passiert denn das meiste dessen, was uns peinlich ist? Das passiert doch dort, wo es um die Abgrenzung geht: Kommt da einer, um die KPD hier fortzuführen und zu fördern, oder kommt er in anderer Absicht? Darum dreht sich in über 50 % der Fälle der Konflikt.
    Nun haben Sie ja auf Grund eines Gesetzes, dem auch Sie zugestimmt haben, in Gestalt des § 90 a ein Verbot. Die Fälle Grasnick und der Braunschweiger Fall könnten sich immer wieder zutragen, wenn Sie diesen § 90 a stehen lassen; und Sie müssen ihn stehen lassen. Sie haben ihn auch in Ihrem Entwurf nicht herausgestrichen. Dieser Fall kann sich genauso gut zutragen, wie er sich zugetragen hat. Denn, dem Herrn Grasnick wurde vorgeworfen, daß er — das haben Sie selbst zitiert — mit seinen Rundfunksendungen dazu beigetragen habe, die Arbeit der verbotenen KPD in der Bundesrepublik zu fördern. Es ging ihm nicht bloß um eine Meinungsäußerung. Das Gilt selbst nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
    Darum glaube ich, daß man wohl kaum darum herumkommen wird, auch das formelle, das prozessuale Strafrecht in diesem Punkt zu ändern, und zwar dadurch, daß wir das Legalitätsprinzip, und jetzt betone ich: in einigen fest abgegrenzten Teilbereichen lockern, so wie das ein Initiativgesetzentwurf der CDU/CSU und der FDP im letzten Bundestag vorgesehen hat, wobei wir uns auf die Bestimmungen dieses Entwurfs nicht festlegen wollen.

    (Zuruf des Abg. Jahn.)

    — Der ist eingebracht worden, der stammt vom 9. Februar 1965.
    Es kann gerade ein Gebot der politischen Weisheit sein, auf die Einleitung eines politischen Strafverfahrens zu verzichten. Denn der Schaden, den Sie durch die Durchführung eines Strafverfahrens anrichten können, kann noch viel größer sein als der, der durch das Delikt selber erzeugt worden ist. Sie haben ja selbst gesagt: Wir wollen nicht dazu beitragen, Märtyrer zu schaffen. Wenn wir den § 90 a beibehalten — und wir müssen den § 90 a beibehalten, und auch Sie wollen ihn nicht ändern —, dann hindert niemand die Machthaber drüben, Agenten herüberzuschicken, die genau in diese Maschen laufen. Dann gibt es nur noch einen Weg, sie nicht in diese Maschen laufen zu lassen oder sie geschickt aus diesen Maschen wieder entlaufen zu lassen, und das ist eben der Fall einer Lockerung des Legalitätsprinzips.
    Ich möchte Ihre Bedenken gar nicht geringachten. Es ehrt Sie, daß Sie um unser Grundgesetz in diesem Zusammenhang fürchten. Aber es sollte uns doch zu denken geben, Herr Dr. Heinemann, daß wir neben der Türkei und neben Österreich der einzige Staat in unserem Kulturkreis sind, der das strenge Legalitätsprinzip in dieser Form exerziert. Ich kann nicht glauben, daß das ein echter Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip sein sollte, denn dieses Prinzip gilt auch in anderen Staaten.
    Übrigens bitte ich jetzt um Nachsicht. Ich bringe mit allem Humor ein Zitat — mit Genehmigung des Präsidenten —, das mir aus der „Politica" von Kirchheimer untergekommen ist; es ist der Ausspruch eines englischen Richters. Also, bitte, seien Sie nicht bös, ich werde nachher noch erklären, warum ich das gesagt habe:
    Daraus, daß jemand zwischen politischen und anderen Delikten keinen Unterschied sieht, kann man mit Sicherheit erkennen, ob er ein Hitzkopf oder ein Dummkopf ist.
    Das stammt von Cockburn, einem englischen Richter. Warum führe ich das an? Nur um Ihnen zu zeigen, daß es so abwegig nicht sein kann, wenn man beim Verfolgungszwang zwischen politischen und anderen Delikten unterscheidet. Wir wollen gar nicht von einer materiellen Reform ablenken. Wir wollen diese materielle Reform genauso, wie Sie sie wollen. Aber wir meinen, daß es eben nicht ausreicht, um diese Märtyrerfälle, um diese Grenzfälle, um den Fall Grasnick lösen zu können. Sie würden es erleben: wenn wir den Entwurf annähmen, den Sie uns vorlegen — was wir nicht tun werden —, dann kämen diese Fälle in einem Jahr wieder vor, und dann finge das ganze Problem von neuem an. Auch das ist ein Grund, auf den Regierungsentwurf zu warten. Im übrigen gibt es ja Möglichkeiten, die Entscheidung darüber, wann und wieweit das Legalitätsprinzip durchbrochen wird, wann angeklagt wird und wann nicht, einer Stelle zu übertragen, die wir politisch verantwortlich machen können oder die wir einer Gerichtsentscheidung unterstellen können. Dann müßten auch von daher Ihre Bedenken zumindest teilweise ausgeräumt sein.
    Aber gehen wir von diesem Problem ab. Nur noch einige Bemerkungen. Bezüglich § 92 sind wir weitgehend mit Ihnen einig. Der Begriff des „Nachrichtensammelns" ist tatsächlich von der Rechtsprechung so weit ausgelegt worden, daß es sich empfehlen dürfte, den § 92 ganz zu streichen. Dagegen gibt es bei § 93, glaube ich, nach dem, was der Bundesjustizminister hier dargelegt hat, eine solche



    Dr. Wörner
    Möglichkeit nicht. Sie kommen mit dem § 130 dem neonazistischen Schrifttum beispielsweise gar nicht bei, wenn Sie das einmal juristisch genau nachprüfen. Dieser erfaßt im übrigen ja nur die Fälle von Antisemitismus. Es gibt aber so viel nationalsozialistisches Schrifttum, das eben von dieser Tendenz beispielsweise frei ist, und da kommen Sie mit dem § 130 nicht weiter. Also müssen wir darauf achten, daß der § 93 bleibt. Dabei gestehe ich Ihnen jedoch eines zu, daß wir nämlich die gesetzlichen Vorschriften präzisieren müssen, weil sie in der Form, in der sie bestehen, zu weit gefaßt sind.
    Der § 93 ermöglicht auch nicht — wie das in Ihrer Begründung angedeut wurde — etwa den Zeitungsaustausch. Darum möchte ich anregen, diese Beratungen zum Anlaß dafür zu nehmen, die rechtlichen Voraussetzungen für einen eventuellen Zeitungsaustausch in der Bundesrepublik zu sichern. Wir dürfen es nicht riskieren, daß dann, wenn wir die Chance haben, einen solchen wechselseitigen Zeitungsaustausch politisch durchzusetzen, diese Absicht bei uns an rechtlichen Barrieren scheitern könnte. Ich meine also, daß wir für den Fall, daß sich das politisch einmal erreichen läßt — denn wir brauchen ja keine Furcht zu haben vor dem Bezug von Zeitschriften wie etwa des „Neuen Deutschland" —, für den Fall, daß so etwas also einmal möglich sein sollte, juristisch gerüstet sein sollten. Deshalb müßten wir tatsächlich, und zwar rechtzeitig vorher, dafür eine Handhabe schaffen, damit das gar nicht erst ein Problem wird. Ich würde es begrüßen, wenn das Bundesjustizministerium in dieser Richtung initiativ werden könnte.
    Wir können auch mit Ihren Vorschlägen für den Geheimnisbegriff nicht vollständig einverstanden sein. Auch dazu hat der Herr Bundesjustizminister unsere Bedenken schon dargelegt. Natürlich muß man versuchen, auch den Geheimnisbegriff zu präzisieren; denn es ist auf die Dauer unerträglich, daß ein Täter nur schwer zu erkennen vermag, wann und wo ein Geheimnis vorliegt. Es ist aber höchst zweifelhaft, ob uns Ihre Lösung, also die Kombination des formellen und des materiellen Geheimnisbegriffs, auch nur einen einzigen Schritt voranbringt. Denn was haben Sie getan? Sie haben an die Stelle der seitherigen Generalklausel den Begriff „öffentliches Allgemeininteresse" gesetzt. Ob der Schutz im „öffentlichen Allgemeininteresse" unerläßlich sei, müssen Sie nach wie vor nachprüfen. Ich möchte sehr daran zweifeln, ob dieser Begriff präziser ist als der, den Sie im Augenblick in unserem Strafgesetzbuch finden und der im Entwurf des Jahres 1962 enthalten ist. Diese Prüfung muß ja auch der Täter anstellen, ganz abgesehen davon, daß es natürlich einen weiten Bereich von Staatsgeheimnissen gibt, die nach Ihrer Regelung völlig ausfallen. Denken Sie etwa an Entdeckungen im Bereich der Wirtschaft! Das führt doch dazu, daß jeder Beamte in der Zukunft hingeht und auf Verdacht den Stempel „geheim" draufdrückt.

    (Abg. Jahn [Marburg] : Er macht es doch heute schon!)

    — Nun, darüber bin ich nicht informiert. Ich kann
    mir vorstellen, daß es noch genügend verantwortungsbewußte Beamte gibt, die das eben nicht tun.
    Im übrigen haben Sie im Ton des Vorwurfs gesagt, daß die Regierung der Opposition oder dem Bürger mit einem Stempel gewisse Geheimnisse vorenthalten wolle. Ich darf Sie nur darauf aufmerksam machen, Herr Dr. Heinemann, daß im Augenblick noch der materielle Geheimnisbegriff gilt, daß auch nach den Vorstellungen des Entwurfs von 1962, der jetzt wieder eingebracht worden ist, dieser materielle Geheimnisbegriff in Geltung ist, so daß diese Frage überhaupt nicht auftauchen kann. Wenn ich diesen Vorwurf allerdings nur herausgehört haben sollte, der jedoch bei Ihrer Fraktion von Beifall begleitet war, müßte ich mich insoweit korrigieren.
    Noch ein Wort zum publizistischen Landesverrat. Es besteht wohl Einigkeit darüber, daß es nicht länger angeht, den Journalisten, der ein Staatsgeheimnis veröffentlicht, in einen Topf zu werfen mit dem normalen, gemeinen Landesverräter, mit dem Agenten. Man muß also eine Differenzierung bringen, und da erkenne ich durchaus das Verdienst an, daß Sie diese Differenzierung im subjektiven Bereich suchen. Das ist sicher der richtige Weg, wobei es allerdings so, wie Sie es machen, wiederum nicht geht. Sie sagen: Es muß die Absicht dazu treten, zum Nachteil der Bundesrepublik eine fremde Macht zu begünstigen. Damit fällt eben beispielsweise der Agent heraus, der das nicht in dieser Absicht, aber durchaus vorsätzlich tut, und den können Sie dann eben nur noch mit dem Tatbestand der fahrlässigen Gefährdung einfangen. Das ist also nicht ausreichend. Aber wie gesagt, der Weg ist der richtige.
    Ich will mich nun nicht in weitere Einzelheiten verlieren. Entscheidend ist — da bin ich mit Ihnen einer Meinung —, daß wir diese Fragen gründlich beraten, daß der Regierungsentwurf sobald wie möglich kommt und die Beratungen dann zügig voranschreiten. Uns geht es darum, im Konflikt zwischen Menschenrecht und Freiheit auf der einen Seite, Staatsschutz auf der anderen Seite nach den optimalen Bestimmungen zu suchen, die soweit wie nötig den Schutz der Gemeinschaft und soweit wie möglich die Freiheit des einzelnen gewährleisten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Emmy Diemer-Nicolaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir Freien Demokraten begrüßen es, daß wir so rechtzeitig zu Beginn einer Legislaturperiode Gelegenheit haben, über die Reform des Staatsschutzrechts zu sprechen. Allerdings sind wir der Auffassung, daß das Staatsschutzrecht nicht nur die strafrechtlichen Bestimmungen umfaßt, die mit dem Entwurf der Sozialdemokratischen Partei angesprochen sind, sondern wesentlich weitergeht. Schon aus unserer Kleinen Anfrage, die wir gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode an die Regierung gerichtet haben, war klar zu ersehen, daß wir diese Reform für vordringlich erachten, sie aber auch in einen größeren Rahmen hineinstellen.



    Frau Dr. Diemer-Nicolaus
    Der von der SPD vorgelegte Entwurf zeigt Grundsätze auf, die auch von uns bejaht werden. Auch auf Grund dessen, was vom Herrn Bundesjustizminister besonders zum Schluß und was vom Herrn Kollegen Dr. Wörner gesagt worden ist, habe ich den Eindruck, daß wir im Grundsätzlichen gar nicht so weit auseinander sind. Was allerdings die Einzelheiten angeht, die heute schon sehr eingehend besprochen worden sind und die auch der Herr Bundesjustizminister in seiner Rede behandelt hat, muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen: auch wenn ich mich mit dieser Materie befaßt habe, fühle ich mich heute bei der ersten Lesung nicht in der Lage, jetzt aus dem Stegreif auf diese Einzelheiten einzugehen und dazu Stellung zu nehmen. Insofern kann ich Ihnen nur unsere grundsätzliche Haltung darlegen.
    Allgemein geht die Auffassung dahin, daß durch die veränderten politischen Umstände neue Tatsachen, neue politische Verhältnisse geschaffen worden sind. Die nun einmal umstrittenen strafrechtlichen Bestimmungen sind im Jahre 1951 eingeführt worden. Heute herrschen andere Vorstellungen über unsere Politik gegenüber den osteuropäischen Staaten und auch gegenüber der Sowjetzone als im Jahre 1951. Wie reformbedürftig das Staatsschutzstrafrecht ist, das hat ja schon Ihre Aufzählung der Novellen, Herr Bundesjustizminister, ergeben. Zu der Frage, wie vordringlich die Reform ist, hat Herr Kollege Heinemann darauf hingewiesen, daß die Sozialdemokratische Partei bereits im Jahre 1963 bei dem damaligen Justizminister Dr. Bucher gewesen sei, und er beklagt es, daß nachher im Mai nur die Lockerung des Verfolgungszwanges einmal zur Diskussion gestellt wurde. Wenn ich mich recht erinnere, ist das nicht zu einem Initiativgesetzentwurf für den Bundestag gediehen, sondern es war innerhalb der Parteien ein Entwurf über die Lockerung des Legalitätsprinzips im Gespräch. Ja, Herr Kollege Heinemann, warum war das denn damals so? Damals waren doch der Fall Graßnick und alles, was Sie aufgeführt haben, so akut, daß ein ganz dringendes Bedürfnis bestand, eine rechtliche Basis zu schaffen, deren Fehlen wir gespürt haben.

    (Abg. Dr. Dr. Heinemann: Was ist denn geschaffen worden?)

    — Herr Kollege Heinemann, Sie wissen das und das wissen auch Ihre Kollegen von der SPD, daß ich mich schon im Sonderausschuß „Strafrecht" oder bei gemeinsamen Besprechungen für eine vordringliche Reform ausgesprochen habe. Hätte ich aber nicht so intensiv im Sonderausschuß „Strafrecht" an den politischen Straftatbeständen mitgearbeitet, die uns schon in der letzten Legislaturperiode vorlagen — das betrifft vor allem das Vereinsgesetz, aber auch das Sprengstoffgesetz —, hätte ich bei diesen Beratungen nicht die Schwierigkeit dieser Materie erkennen müssen, dann wäre es mir eine Freude gewesen, Ihnen damals schon zuzustimmen, die Reform noch in der letzten Legislaturperiode zu verabschieden. Aber über eines müssen wir uns ganz klar sein: diese Reform erfordert allerschwierigste Beratung, die wir nicht innerhalb von einem oder zwei Monaten — damals ging es auf den Schluß der Legislaturperiode zu — führen können.
    Um so wichtiger ist es, daß wir jetzt diese so weitgehende Arbeit sofort in Angriff nehmen. Wir Freien Demokraten sind der Meinung, bevor wir über die Frage des Legalitätsprinzips sprechen, sollten wir festlegen, daß nur noch das unbedingt Notwendige bestraft werden soll. Das gesamte Staatsschutzrecht sollte auf das kriminalpolitisch und polizeilich unbedingt Notwendige beschränkt werden unter Beachtung der Grundrechte, wie das auch schon bei meinen Vorrednern zum Ausdruck gekommen ist.
    Soweit es sich um die strafrechtlichen Bestimmungen handelt, geht unsere Forderung genau wie die meiner Vorredner dahin — es freut mich, daß insoweit Einigkeit besteht —, daß dem Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes insofern Rechnung getragen werden muß, als die Tatbestände präziser und bestimmter gefaßt werden müssen. Herr Kollege Heinemann, das hat eben die Praxis erst ergeben. Selbst bei den Beratungen der Großen Strafrechtskommission war dies noch nicht so offenkundig. Es hat mich gefreut, auch aus der Antwort des Herrn Bundesjustizministers auf unsere Kleine Anfrage feststellen zu können, daß auch er nicht glaubt, daß die Bestimmungen, wie sie im Entwurf enthalten sind, heute noch ausreichen. Auf der anderen Seite, Herr Kollege Heinemann, habe ich aus der Begründung Ihres Gesetzentwurfes entnommen, daß Sie doch auch weitgehend die Ergebnisse, die in dem Entwurf 1962 enthalten sind, mit berücksichtigen wollen. Es hat mich auch gefreut, daß Sie feststellen, daß wir uns — das bedauere ich außerordentlich — einfach nicht mehr auf die Bestimmungen beschränken können, die in unserem alten Strafgesetzbuch aus kaiserlicher Zeit über Hoch- und Landesverrat enthalten sind, sondern — das kommt schon bei Ihnen in der Überschrift zu Art. 1 zum Ausdruck — daß die Gefährdung der freiheitlichen Ordnung einen strafrechtlichen Schutz verdient und daß weiterhin auch die politischen Verhältnisse, in denen wir in unserem geteilten Deutschland leben, uns zu Überlegungen führen, zu denen unsere Vorväter Gott sei Dank keinen Anlaß hatten.
    Soweit es sich um das schwierige Problem des Landesverrats handelt, sind wir uns auch einig, daß eine Sonderbestimmung über den publizistischen Landesverrat geschaffen werden soll, da hier der Unrechtsgehalt ein anderer ist als bei der gemeinen Spionage und auch die Frage anders zu beantworten ist, wann eine strafbare Handlung vorliegt. Die SPD glaubt, diesem Problem dadurch gerecht werden zu können, daß sie den Begriff des Staatsgeheimnisses neu formuliert. Ob das gelungen ist, kann ich im Augenblick nicht überblicken. Ich habe diesen Lösungsversuch mit großem Interesse gelesen. Ich fürchte nur, daß diese Kombination des materiellen und formellen Begriffs des Staatsgeheimnisses doch in große Schwierigkeiten führen kann. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß der Stempel „geheim" — oder auch „vertraulich" — noch viel mehr benutzt werden wird, als das schon der Fall ist. Ich habe es bisher in unserem Recht für gut gehalten, daß wir nicht den formellen Geheimnisbegriff haben, sondern den Begriff des materiellen Staatsgeheimnisses. Für den jeweiligen



    Frau Dr. Diemer-Nicolaus
    Beschuldigten oder Angeklagten ist dies doch eine andere Situation. Allerdings steht er dann auch vor der Schwierigkeit, entscheiden zu müssen, ob es sich tatsächlich um ein materielles Staatsgeheimnis handelt. Darauf will ich nicht weiter eingehen; dies wird eingehender Beratungen bedürfen. Es wäre natürlich schön, wenn man eine Formulierung des Begriffs des Staatsgeheimnisses finden könnte, die ganz präzise das abgrenzt, was als Staatsgeheimnis geschützt werden muß. Sollte das aber nicht möglich sein und sollte Ihre Lösung den publizistischen Landesverrat nicht schon durch die Formulierung des Begriffs des Staatsgeheimnisses ausschließen, wird wohl eine besondere Vorschrift notwendig sein.
    Es wäre auch noch etwas anderes zu überlegen, nämlich — das französische Recht hat ja eine Dreiteilung des Tatbestandes des Landesverrats — ob nicht noch mehr differenziert werden sollte. Ich möchte das jetzt nur andeuten. Es sollte mitberaten werden, ob nicht auch unterschieden werden sollte zwischen dem gemeinen Spion, der Westdeutscher ist und eine Treuepflicht gegenüber der Bundesrepublik hat, und dem Auslandsagenten. Ich möchte dieses Thema jetzt nicht vertiefen.
    Bei der Beschränkung auf das unbedingt Notwendige ist natürlich § 93 besonders angesprochen. Ich teile auch die Auffassung des Herrn Bundesjustizministers, daß es, wenn Sie wirklich den Zeitungsaustausch wollen, nicht allein bei der Überprüfung des § 93 bleiben kann, sondern daß dazu die Überprüfung auch des Verbringungsgesetzes und seiner praktischen Handhabung gehört. Ich habe das Verbringungsgesetz, als ich das erstemal im Bundestag war, mitberaten. Ich kann Ihnen versichern: Wir haben uns damals viel mehr darüber unterhalten, wie eine unliebsame Zensur von ostzonalen Filmen oder von Filmen aus den kommunistischen Ländern vermieden und trotz des Staatsschutzes doch die Freiheit nach Art. 5 des Grundgesetzes aufrechterhalten werden kann. Aber mit einer solchen Handhabung wie bei dem Anhalten von Postsendungen habe ich nicht gerechnet, und das habe ich auch nicht übersehen. Es ist etwa ein Jahr her, daß diese Beschlagnahmen in der Presse und auch im Fernsehen eine große Rolle gespielt haben.
    Aus diesen Gründen können wir es bei der Prüfung, wieweit die Strafbarkeit im Interesse des Staatsschutzes, im Interesse unserer freiheitlichen Ordnung wirklich notwendig ist, nicht bei einer Überprüfung allein der strafrechtlichen Bestimmungen belassen, sondern wir müssen andere Staatsschutzbestimmungen, auch wenn sie in anderen Gesetzen enthalten sind, in unsere Beratungen mit einbeziehen, also gegebenenfalls noch über den Entwurf der SPD hinausgehen und auch eine Änderung von anderen gesetzlichen Bestimmungen vornehmen.
    Wir Freien Demokraten sind von Anfang an — das brauche ich Ihnen nicht besonders zu sagen —, besonders diejenigen, die dem Gesamtdeutschen Ausschuß angehören — die Auffassung unseres Gesamtdeutschen Ministers und der Freien Demokratischen Partei ist ja weit und breit bekannt —, für eine Politik der kleinen und mittleren Schritte gewesen. Wir haben immer die Auffassung vertreten: Wir brauchen die geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus nicht zu scheuen. Wir brauchen auch die Begegnung unserer Jugend mit der deutschen Jugend in der sowjetischen Zone nicht zu scheuen, weder auf dem politischen noch auf dem kulturellen noch auf dem sportlichen Gebiet. Im Gegenteil, es muß unser Bestreben sein zu verhindern, daß sich die Menschen diesseits und jenseits von Mauer und Stacheldraht auseinanderleben, und dafür zu sorgen, daß diejenigen, die die deutsche Sprache sprechen, auch immer wieder in deutscher Sprache zueinander reden können. Auch Diskussionen -- darüber besteht ja anscheinend auch mit Ihnen, Herr Kollege Dr. Wörner, Einigkeit —, auch politische Auseinandersetzungen mit Angehörigen der SED usw. müssen möglich sein.
    Über eines müssen wir uns nämlich klar sein: bei unseren Bemühungen um die Wiedervereinigung werden wir um die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus auch im Geistigen und Politischen nicht herumkommen. Gerade die Verhältnisse in Berlin, wo die SED ja zugelassen ist, haben doch gezeigt, daß wir den Kommunisten und seinen Geist nicht zu fürchten brauchen, und unsere Jugend — das weiß ich aus Diskussionen — ist absolut gewappnet, ihm entgegenzutreten.
    Eine Meldung in den letzten Tagen besagte, daß es dem Schriftsteller Heym verwehrt wird, zu einer Diskussion mit bestimmt nicht rechts stehenden anderen Schriftstellern in dem Westen zu kommen. Das war ja Ihr (zur SPD) Lobredner vor der Wahl, Herr Graß. Dafür, daß selbst das nicht gebilligt wird, daß eine derartige Diskussion untersagt werden kann, hat unsere Jugend kein Verständnis.
    Deswegen müssen wir unser gesamtes Staatsschutzrecht darauf hin überprüfen, ob in ihm Bestimmungen enthalten sind, die einer derartigen geistigen Begegnung entgegenstehen, sei es einer persönlichen Aussprache, sei es auch einem Austausch von Zeitungen. Dabei bin ich mir bewußt: wir können und werden wahrscheinlich in dieser Beziehung gegenüber kommunistischem Schrifttum aus der Zone wesentlich großzügiger und entgegenkommender sein — und sollten es auch gerade im Interesse der Kennzeichnung der unterschiedlichen politischen Verhältnisse — als die Kommunisten uns gegenüber.

    (Beifall bei der FDP.)

    Denn damit geben wir den Beweis, daß wir ein freiheitlich demokratischer Rechtsstaat sind.
    Noch etwas zu dem weiteren Verfahren. Herr Kollege Jahn, Sie erinnern sich noch an die Besprechung, die wir — es nahmen Vertreter aller drei Fraktionen an ihr teil — seinerzeit mit Herrn Justizminister Bucher im Zusammenhang mit der Vorlage hatten, die die Lockerung des Legalitätsprinzips betraf. Damals ging es um die Frage, was vordringlich verabschiedet werden sollte, und Sie stellten seinerzeit nicht nur das Legalitätsprinzip zur Diskussion, sondern auch die Frage, inwieweit unser Strafverfahren in einzelnen Punkten vordringlich einer



    Frau Dr. Diemer-Nicolaus
    Reform bedürfe. Ich denke dabei an das Problem, das auch bei der ersten Lesung der großen Strafrechtsreform angeschnitten wurde, nämlich das Problem des „geheimen Zeugen".