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ID0501419200

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    Deutscher Bundestag 14. Sitzung Bonn, den 13. Januar 1966 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 529 A Überweisung von Vorlagen . . . . . . 529 A Wahl der Schriftführer (Drucksache V/87) . 529 C Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Dreiunddreißigste, Fünfunddreißigste, Sechsunddreißigste, Achtunddreißigste und Neununddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksachen V/15, V/44, V/45, V/22, V/23, V/177) . . 529 D Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Vierunddreißigste und Siebenunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksachen V/43, V/46, V/178) 530 A Fragestunde (Drucksache V/161) Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Zahlen über die Haushaltslage der Län- der 530 C Fragen des Abg. Dr. Wörner: Umstellung des Schuljahres Dr. Ernst, Staatssekretär . . . . . 530 D Dr. Wörner (CDU/CSU) . . . . . 530 D Fragen des Abg. Josten: Taubstumme schulpflichtige Kinder . . 531 A Frage des Abg. Dorn: Panorama-Sendung vom 13. 12. 1965 . 531 B Fragen des Abg. Bühling: Ausübung von Verwaltungsaufgaben durch Richter 531 B Frage des Abg. Haehser: Munitionslager der französischen Stationierungsstreitkräfte bei Hasborn Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 531 D Haehser (SPD) . . . . . . . . . 531 D Holkenbrink (CDU/CSU) . . . . . 532 A Frage des Abg. Genscher: Reichsabgabenordnung 532 C Fragen des Abg. Weigl: Kostenersatz für die Stadt Eschenbach (Oberpfalz) Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 532 C Frage des Abg. Dröscher: Finanzhilfe des Bundes in Katastrophenfallen Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 533 A Dröscher (SPD) 533 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Januar 1966 Frage des Abg. Felder: Bewertung von Trunkenheitsdelikten und Fahrerflucht bei Kraftfahrzeugunfällen Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 533 C Felder (SPD) . . . . . . . . . 533 D Fellermaier (SPD) . . . . . . 534 C Opitz (FDP) 534 D Dröscher (SPD) 535 A Frage des Abg. Sanger: Wettbewerbsverhältnisse bei Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen Dr. Neef, Staatssekretär . . . . 535 B Sänger (SPD) 535 C Frage des Abg. Haase (Kassel) : Schädigung der tabakverarbeitenden Industrie durch das Einfuhrverbot für rhodesische Tabake Dr. Neef, Staatssekretär . . . . . 535 D Frage des Abg. Haase (Kassel) : Exportverluste der deutschen Wirtschaft infolge Boykotts deutscher Waren durch Rhodesien Dr. Neef, Staatssekretär . . . . . 536 A Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . . 536 A Frage des Abg. Langebeck: Unterschiede bezüglich elektrotechnischer Sicherheit zwischen Stadt und Land Dr. Neef, Staatssekretär . . . . 536 B Langebeck (SPD) 536 B Frage des Abg. Langebeck: Energiewirtschaftsgesetz Dr. Neef, Staatssekretär . . . . . 537 A Langebeck (SPD) . . . . . . . . 537 B Fragen des Abg. Opitz: Fortführung der Bauarbeiten im Winter Katzer, Bundesminister . . . . 537 C Opitz (FDP) 538 A Gerlach (SPD) 538 B Frage des Abg. Weigl: Versicherungspflichtgrenzen Katzer, Bundesminister 538 D Weigl (CDU/CSU) 539 A Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Verteidigungsetat der Sowjetunion . . 539 A Frage des Abg. Dr. Tamblé: Heizungskostenzuschüsse 539 B Frage des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Gesunderhaltung und körperliche Ertüchtigung der Jugend Gumbel, Staatssekretär 539 B Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 539 C Frage des Abg. Felder: Warnleuchten für marschierende Bundeswehrtrupps bei Nacht Gumbel, Staatssekretär 539 D Felder (SPD) 540 A Frage des Abg. Felder: Strafsache des Luftwaffen-Oberleutnants Manfred Jurgan Gumbel, Staatssekretär 540 B Felder (SPD) 540 C Frage des Abg. Josten: Gesundheitsbefund der Musterungsuntersuchungen zur Bundeswehr . . . 540 D Fragen des Abg. Lemmrich: Militärflughafen Neuburg — Absiedlung in der Gemeinde Zell Gumbel, Staatssekretär 540 D Lemmrich (CDU/CSU) 541 C Frage des Abg. Dröscher: Gefahren bei Überfliegen der Grenzen des eigenen Landes und der NATO-Partner Gumbel, Staatssekretär 542 C Dröscher (SPD) . . . . . . . 542 D Fragen des Abg. Dr. Huys: Eisenbahnstrecke Wittingen—Rühen . . 543 B Frage des Abg. Ramms: Fest- und Margentarife für die Binnenschiffahrt im innerdeutschen Verkehr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 543 D Frage der Abg. Frau Funcke: Verkehrsunfallhilfe des ADAC Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 544 A Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Januar 1966 III Fragen der Abg. Eisenmann und Dröscher: Zwischenuntersuchungen durch KfzHandwerksstätten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 544 A Genscher (FDP) . . . . . . . 544 B Dröscher (SPD) 544 D Sammelübersicht 1 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die Zeit vom 17. 10. 1961 bis 17. 10. 1965 (Drucksache V/132) 545 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (SPD) (Drucksache V/170) — Erste Beratung — Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 545 C Entwurf eines Strafgesetzbuches (Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Dr. h. c. Güde, Dr. Dehler, Dr. Wilhelmi u. Gen.) (Drucksache V/32) — Erste Beratung — Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 545 D Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 552 A Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . . 557 B Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . . 563 D Schlee (CDU/CSU) . . . . . . . 569 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (SPD) (Drucksache V/102) — Erste Beratung — Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . . . 573 B Dr. Jaeger, Bundesminister . . . . 577 C Dr. Worner (CDU/CSU) . . . . . 583 B Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 585 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Dritten Überleitungsgesetzes (Abg. Rollmann, Hauser [Bad Godesberg], Dr. Hammans, Dr. Klepsch u. Gen.) (Drucksache V/70) — Erste Beratung — 588 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Dr. Hamm [Kaiserslautern] u. Gen.) (Drucksache V/81) — Erste Beratung — Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . . 589 A Frau Dr. Hubert (SPD) 589 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. März 1964 mit der Republik der Philippinen über die Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache V/140) — Erste Beratung — 589 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Juli 1962 mit Regierung des Staates Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und bei der Gewerbesteuer (Drucksache V/142) — Erste Beratung — 589 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1962 über die Haftung der Gastwirte für die von ihren Gästen eingebrachten Sachen (Drucksache V/146) — Erste Beratung — 589 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Einbringung von Sachen bei Gastwirten (Drucksache V/147) — Erste Beratung — 589 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehem. Herwarth-von-Bittenfeld-Kaserne in Münster (Westfalen) an die Stadt Münster (Drucksache V/82) 590 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks in Berlin-Kreuzberg, Mehringdamm 20-30, Ecke Obentrautstraße 1-21, an das Land Berlin (Drucksache V/134) 590 A Einundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksache V/139) . . . . . . . . . . 590 C Nächste Sitzung 590 C Anlage 591 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Januar 1966 529 14. Sitzung Bonn, den 13. Januar 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 13. Sitzung Seite 512 A Zeile 3 von unten statt „des Ministerrats" : der Kommission Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Abelein 14. 1. Adorno 14. 1. Bading * 14. 1. Bauer (Wasserburg) 14. 1. Berger 14. 1. Frau Berger-Heise 18. 2. Berlin 19. 2. Dr. Birrenbach 14. 1. Burger 10. 4. Frau Blohm 14. 1. Dr. Dehler 14. 1. Dr. Effertz 13. 1. Eisenmann 14. 1. Erler 15. 2. Faller 14. 1. Frau Funcke 14. 1. Dr. Furler * 13. 1. Dr. Hesberg 13. 1. Hirsch 15. 1. Illerhaus * 13. 1. Dr. Jahn-Braunschweig 14. 1. Josten 19.2. Junghans '7. 2. Kaffka 14. 1. Kahn-Ackermann 13. 1. Kiep 20. 1. Krammig 15. 1. Frau Krappe 28. 2. Frau Dr. Krips 22. 1. Kuntscher 14. 1. Leber 14. 1. Dr. Lenz (Bergstraße) 15. 1. Majonica 22. 1. Mauk * 14. 1. Merten * 13. 1. Metzger * 14. 1. Michels 13. 1. Missbach 14. 1. Moersch 13. 1. Dr. Morgenstern 28. 1. Orgaß 14. 1. Frau Pitz-Savelsberg 21.1. Rasner 13. 1. Frau Schanzenbach 3. 2. Schlager 14. 1. Dr. Stecker 13. 1. Frau Strobel* 13. 1. Dr. Frhr. v. Vittinghoff-Schell 18. 1. * Für die Teilnahme an einer Ausschuß-Sitzung des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Jaeger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)








    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.)

    — Ich komme noch genauer darauf.

    (Abg. Jahn [Marburg] : Die von Ihnen angenommene!)




    Bundesminister Dr. Jaeger
    — Die von mir für unvermeidlich gehaltene. Wahrscheinlich werde ich Sie im Ausschuß davon überzeugen, daß sie unvermeidlich ist.
    Nun ist es zwar richtig, daß rechtsradikale Schriften, die zugleich antisemitisch sind, in einem gewissen Umfang noch durch § 130 StGB über Volksverhetzung erfaßt werden könnten. Es wäre aber ein gefährlicher Irrtum, anzunehmen, daß damit jede antisemitische Hetze strafrechtlich erfaßt werden könnte. Gerade unter antisemitischen Schriften, gegen die wir nach dem Unheil, das der Nationalsozialismus über die Juden gebracht hat, besonders allergisch sind, gibt es raffinierte Machwerke, die mit dieser Strafbestimmung nicht erfaßt werden können, weil sie nur die Hetze gegen Teile der Bevölkerung, d. h. gegen die inländischen Juden, trifft und weil auch die übrigen Merkmale dieses Tatbestandes, der dem allgemeinen Schutz des öffentlichen Friedens dient, nicht so weit gefaßt sind und auch nicht so weit gefaßt werden können, wie es für den besonderen Schutz vor den Gefahren eines wieder auflebenden Antisemitismus erforderlich ist. Es kommt hinzu, daß zwar § 93, nicht aber § 130 des Strafgesetzbuches die Handhabe bietet, aus dem Ausland kommende antisemitische Schriften mit Hilfe des Überwachungsgesetzes von 1961 schon an der Grenze abzustoppen.
    Andere Vorschriften, auf welche die Begründung des Entwurfs der SPD hinweist, können den § 93 StGB nicht ersetzen. Die Strafvorschriften über die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens und über fahrlässige Verbreitung hochverräterischer Propagandamittel werden fast nie, diejenigen über Mißachtung von Staat und Flagge, Verunglimpfung von Staatsorganen und Beleidigung werden nur selten eine Handhabe für eine Bestrafung des Täters und für die Einziehung solcher Propagandamittel bieten. Tätern gegenüber, die Lücken der Strafbarkeit zielsicher ausnützen, versagen diese Vorschriften völlig. Das Vereinsgesetz mit seinen Verbotsvorschriften bietet nur eine Handhabe gegenüber dem nachweisbar organisierten Verfassungsfeind. Gerade an dieser Voraussetzung fehlt es aber im Bereich rechtsradikaler und antisemitischer Schriften in aller Regel. Durch das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 18 des Grundgesetzes, das den Ausspruch der Verwirkung bestimmter Grundrechte bei Mißbrauch zum Ziel hat, kann die Lücke des erforderlichen strafrechtlichen Schutzes nicht geschlossen werden. Kein Kenner der Materie wird das bezweifeln.
    Der Vorschlag der SPD, auf § 93 zu verzichten, verfolgt schließlich noch ein weiteres Ziel, das sich aber ebenfalls auf diesem Wege nicht erreichen läßt. Die Annahme, ein innerdeutscher Zeitungsaustausch würde durch eine Streichung des § 93 ermöglicht, trifft nicht zu. Für die Verhinderung der Einfuhr verfassungsfeindlichen Schrifttums hat § 93 in der Praxis hauptsächlich Bedeutung als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Überwachungsgesetzes von 1961 und für die darin vorgesehenen Kontrollbefugnisse der Zollbeamten. Der Inhalt der für einen Austausch in Betracht kommenden sowjetzonalen Zeitschriften und Zeitungen, wie das „Neue
    Deutschland", verstößt nun keineswegs nur gegen § 93, sondern, wie ich schon betonte, regelmäßig gegen eine Reihe weiterer Strafvorschriften, insbesondere gegen das Verbot der Werbung für eine verbotene Partei, gegen § 91 StGB, gegen Beleidigungs- und Verunglimpfungstatbestände des Strafgesetzbuchs, wie die §§ 95, 96 und 97.

    (Abg. Jahn [Marburg] : Also müssen wir noch mehr streichen, Herr Minister!)

    — Wenn wir das alles streichen, werden Sie selber sehen, daß unser Staat gefährdet wäre.
    Die Streichung des § 93 des Strafgesetzbuchs würde daher die Kontrolle von Massensendungen mit gezielter verfassungsfeindlicher Propaganda, die bei den Erwägungen über einen Austausch ohnehin ausscheiden, erheblich erschweren, den Zeitungsaustausch selbst aber noch nicht ermöglichen. Für einen solchen Austausch müßten daher, wenn er akut werden sollte, ganz andere gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden, die übrigens in meinem Hause im Zusammenwirken mit den anderen beteiligten Bundesressorts im Entwurf bereits vor der Fertigstellung stehen. So viel zum Vorschlag, § 93 des Strafgesetzbuchs zu streichen.
    Auf dem Gebiet des Landesverrats sieht der Enwurf in dem Bestreben, die Problematik des sogenannten publizistischen Landesverrats zu lösen, Einschränkungen der Strafbarkeit vor, deren Auswirkungen nicht alle hingenommen werden können. So wird der eigentliche Landesverrat auf den Fall beschränkt, daß er Täter mit der Offenbarung eines Staatsgeheimnisses die doppelte Absicht verfolgt, der Bundesrepublik Deutschland einen Nachteil zuzufügen und eine feindliche Macht zu begünstigen. Daneben soll lediglich noch die sogenannte fahrlässige Geheimnispreisgabe mit Strafe bedroht werden, d. h. vorsätzliches Offenbaren in Verbindung mit nur fahrlässiger Gefährdung des Wohls der Bundesrepublik. Der Entwurf verkennt dabei einmal, daß der gemeine Spion, den der vorgeschlagene § 99 Abs. 1 treffen soll, durchaus nicht immer die hier verlangte Absicht verfolgt. Gerade dem bezahlten Agenten, dem es nur auf das Geld ankommt, kann die mit der Offenbarung des Staatsgeheimnisses verbundene Machtverschiebung zwischen den Staaten völlig gleichgültig sein. Er nimmt diese Folge, wie wir Juristen sagen, billigend in Kauf, handelt also nur mit Eventualvorsatz. Aber selbst wenn er mit direktem Vorsatz handelt, kommt es ihm nicht darauf an, daß die Bundesrepublik benachteiligt und ihr Wohl gefährdet wird. Es fehlt also an der im Entwurf geforderten Absicht; zum mindestens ist es fraglich, ob die Rechtsprechung hier in der Lage wäre zu helfen.
    Der Entwurf übersieht weiter, daß zwischen seinem absichtlichen Landesverrat und seiner fahrlässigen Geheimnispreisgabe eine Lücke der Straflosigkeit klafft, die nicht offenbleiben darf. Der Täter nämlich, der ohne die in § 99 des Entwurfs geforderte Absicht ein Staatsgeheimnis vorsätzlich verrät und das Wohl der Bundesrepublik nicht nur fahrlässig, sondern vorsätzlich gefährdet, wird von keinem der beiden Tatbestände erfaßt.



    Bundesminister Dr. Jaeger
    Auf der anderen Seite, möchte ich betonen, daß der Entwurf bei dem Versuch, die Belange der Organe der Publizistik zu berücksichtigen, einen wichtigen Gesichtspunkt für eine sachgemäße Abgrenzung richtig erkannt hat, nämlich den der verschiedenen subjektiven Einstellung des Täters. Ähnliche Unterscheidungen, die aber der Ergänzung durch weitere Gesichtspunkte bedürfen, werden seit längerem in meinem Hause erwogen und dürften zu einer auch für die Presse befriedigenden Lösung führen.
    Bevor ich auf die vorgeschlagene Neugestaltung des Staatsgeheimnisbegriffs mit seinen Folgerungen zu sprechen komme, sei noch — des Zusammenhangs wegen — die vorgeschlagene Streichung des § 100 c Abs. 2 StGB über den fahrlässigen Landesverrat durch Geheimnisträger erwähnt. Dieser Vorschlag wird damit begründet, daß die Vorschrift keine praktische Bedeutung gewonnen habe und an ihrer Stelle in strafwürdigen Fällen die §§ 353 b und 353 c über die Verletzung der Amtsverschwiegenheit und die Mitteilung amtlicher Schriftstücke eingriffen. Auch ich bin der Auffassung, daß eine sorgfältige Prüfung geboten ist, ob ein Bedürfnis für eine Strafvorschrift besteht, zu deren Anwendung es nur selten gekommen ist. Diese Prüfung führt aber hier zur Anerkennung eines solchen Bedürfnisses. Der Fall des Beamten, der die Aktentasche mit einem wichtigen Geheimdokument leichtfertig liegen läßt, ist nicht erfunden. Er kann sich so oder ähnlich jeden Tag wiederholen. Solchen Fällen mit einer Strafsanktion begegnen zu können, ist ein berechtigtes Bedürfnis. Die §§ 353 b und c können hier nicht helfen, da sie nur vorsätzliches Handeln mit Strafe bedrohen. Bei Geheimnisträgern, die nicht im öffentlichen Dienst stehen — man denke an Personen in Rüstungsbetrieben -, bestände nicht einmal die Möglichkeit einer disziplinaren Ahndung, wenn man § 100 c Abs. 2 streichen wollte.
    Von praktisch ungleich größerer Bedeutung ist der Vorschlag des Entwurfs, den geltenden materiellen Staatsgeheimnisbegriff, wie es in der Begründung heißt, durch eine Kombination des materiellen Begriffs mit dem formellen zu ersetzen. Nach dem materiellen Staatsgeheimnisbegriff ist ein Gegenstand dann ein Staatsgeheimnis, wenn er seiner Natur nach geheimhaltungsbedürftig ist, weil seine Offenbarung gegenüber einer fremden Regierung die Machtposition der Bundesrepublik gegenüber anderen Staaten gefährden würde. Nach dem formellen Staatsgeheimnisbegriff ist ein Gegenstand dann ein Staatsgeheimnis, wenn er durch besondere Sicherheitsmaßnahmen zum Geheimnis erklärt worden, also gewissermaßen unter Verschluß genommen ist. Der Entwurf will beide Begriffe kombinieren. Sein erklärtes Ziel ist es, damit die Anwendbarkeit der sogenannten Mosaiktheorie auszuschalten und die Voraussehbarkeit, ob die Offenbarung eines bestimmten Sachverhalts strafbar ist, dadurch zu erhöhen, daß dem Staatsgeheimnis eine sichtbare Warnfunktion verliehen wird. Ob es kriminalpolitisch vertretbar ist, auf die vielfach mißverstandene Mosaiktheorie zu verzichten, nach der unter bestimmten Voraussetzungen eine aus zahlreichen offenen Einzeltatsachen gewonnene neue
    Erkenntnis ein Staatsgeheimnis sein kann, erscheint fraglich. Das Problem bedarf eingehender Prüfung im Ausschuß. Zu dem gibt es materielle Staatsgeheimnisse, die ihrer Art nach nicht mit einem Geheimstempel versehen oder sonst erkennbar etikettiert werden können. Eine bedeutende wehrtechnische Erfindung beispielsweise, deren Geheimhaltung im elementaren Interesse des Landes steht, wäre so lange frei verfügbar, bis die Staatsorgane von ihr Kenntnis erhalten und sie durch förmliche Maßnahmen in ihren Schutz genommen hätten. Um die so entstehende Lücke auszufüllen, müßten neue Bestimmungen über eine Meldepflicht für verteidigungswichtige Erfindungen geschaffen werden, deren Verletzung wiederum mit Strafe zu bedrohen wäre, ohne daß auf diese Weise ein hinreichender Strafschutz gewährleistet werden könnte.
    Vor allem aber ist folgendes zu bedenken. Die formellen Schutzmaßnahmen nicht nur einer vorsichtigen Staatsverwaltung, sondern auch in den Bereichen der Wirtschaft, die mit sicherheitsbedeutsamen Forschungs- und Entwicklungsaufgaben befaßt sind, würden zweifellos erheblich zunehmen. Mit anderen Worten, vom Geheimstempel würde sehr viel mehr Gebrauch gemacht werden, noch viel mehr als bisher. Damit würde nicht nur die Schwerfälligkeit des technischen Arbeitsablaufs gefördert werden. Vor allem würde den Organen der Publizistik, insbesondere den Journalisten, ein Bärendienst erwiesen, weil sie mit Sicherheitsmaßnahmen auch da rechnen müßten, wo es sich in Wahrheit gar nicht um echte Staatsgeheimnisse handelt. Der Journalist, der in der Annahme, ein Staatsgeheimnis liege materiell nicht vor, eine Sicherheitsmaßnahme durchbrochen hat, wird, wenn er das Opfer falscher Beurteilung war, den Verdacht, vorsätzlich gehandelt zu haben, schwerer abwenden können als heute. Die Hauptproblematik läge nach wie vor bei der Schwierigkeit der Abwägung, ob etwas materiell ein Staatsgeheimnis ist oder nicht.
    Mit dieser Kritik an dem Bemühen des Entwurfs, den Begriff des Staatsgeheimnisses einzuschränken, soll nicht gesagt werden, daß die geltende Gesetzesdefinition erhalten bleiben müßte. Es wird vielmehr versucht werden müssen, auf der Grundlage des materiellen Staatsgeheimnisbegriffs die bisherige Definition zu präzisieren und ihr festere Konturen zu geben. Mein Haus ist darum bemüht, einen entsprechenden Vorschlag auszuarbeiten. Jeder Kenner der Materie weiß, wie schwierig diese Aufgabe ist.
    Meine Damen und Herren, zu dem Entwurf der SPD-Fraktion ließe sich noch manches sagen, Zustimmendes, Kritisches und Abwägendes. Ich meine, es kann nicht Aufgabe dieser ersten Lesung sein, auf zu viele Einzelheiten einzugehen. Ich möchte mich daher auf die von mir gemachten Ausführungen zu einigen wichtigen Punkten beschränken, zumal sich die Stellungnahme der Bundesregierung im einzelnen aus den positiven Vorschlägen des Regierungsentwurfs ergeben wird. Lasen Sie mich statt dessen über das bisher Gesagte hinaus noch etwas Allgemeines sagen, was gleichzeitig als ein Programm meines Hauses für den Regierungsentwurf gelten mag.



    Bundesminister Dr. Jaeger
    Auch ich bin der Auffassung, daß die Straftatbestände so klar wie möglich abgegrenzt werden müssen, damit voraussehbar ist, wer und was unter die Strafdrohung fällt. Daß diese Forderung im Bereich des strafrechtlichen Staatsschutzes schwerer zu erfüllen ist als auf anderen Gebieten des Strafrechts, liegt in der Natur der Sache.
    Ein besonders wichtiger Gesichtspunkt ist bei der Ausgestaltung der Staatsgefährdungsvorschriften zu beachten. Es muß sichergestellt werden, daß Kontakte zwischen Deutschen in der sowjetisch besetzten Zone und Deutschen im Bundesgebiet nur insoweit in den Bereich des Strafrechts gerückt werden, wie der Schutz der freiheitlichen Ordnung vor den gefährlichen Unterwühlungsmethoden der Zonenmachthaber es erfordert. Der offenen Diskussion der Standpunkte soll kein Riegel vorgeschoben werden.
    Der Entwurf der SPD macht auch hierzu Vorschläge, die sich zum Teil an die Konzeption des Entwurfs 1962 anlehnen, zum Teil einen darüber hinausgehenden Abbau von Strafvorschriften vorsehen. Von besonderer praktischer Bedeutung in dem hier angeschnittenen Zusammenhang ist der Vorschlag, den § 92 des geltenden Strafgesetzbuchs über den staatsgefährdenden Nachrichtendienst, von dem auch der Entwurf 1962 nur noch einen Ausschnitt enthält, durch eine Vorschrift mit anderem Inhalt zu ersetzen.
    Wie weit man bei dem Abbau von Strafvorschriften im einzelnen gehen kann, wird sich erst nach sehr eingehender Prüfung und Abwägung aller Gesichtspunkte endgültig sagen lassen. Jedenfalls verfolgt auch das Bundesjustizministerium das Ziel, bei der Formulierung des materiellen Rechts den Rahmen des Strafbaren auf das für den Schutz unserer Verfassung notwendige Maß zu beschränken.
    Wenn mit dem angekündigten Gesetzentwurf der Bundesregierung auch — unter anderem, wie ich betonen möchte — das Ziel einer Lockerung des Verfolgungszwangs angestrebt wird, dann nicht, um tatbestandliche Einschränkungen des materiellen Strafrechts zu vermeiden. Mit einer Lockerung des Verfolgungszwangs soll für Fälle besonderer Art in denen dem Interesse an der Strafverfolgung überwiegende andere öffentliche Interessen entgegenstehen, die Möglichkeit einer rechtlich einwandfreien Lösung geschaffen werden. Wir haben dabei Fälle im Auge, die sich durch eine Änderung des materiellen Rechts nicht lösen lassen und die auch dann ungelöst bleiben würden, wenn man dem Entwurf der SPD-Fraktion in vollem Umfang folgen wollte.
    Ich stimme, wie gesagt, mit dem Anliegen der Fraktion der SPD grundsätzlich darin überein, daß Strafvorschriften, deren es zum Schutz unserer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung und zum Schutz der äußeren Sicherheit nicht bedarf, nicht geschaffen oder gegebenenfalls abgeschafft bzw. dem wirklichen Bedürfnis entsprechend eingeschränkt werden sollten. Dieser Gesichtspunkt wird auch von der Bundesregierung beachtet werden. Ich möchte nur vor einem warnen, nämlich vor der Gefahr einer Gelegenheitsgesetzgebung, einer Gesetzgebung, die Taten von erheblicher Gefährlichkeit außer acht läßt, weil sie zur Zeit nicht oder nur selten vorkommen. Wenn sie in einer anderen Zeit und unter anderen Verhältnissen doch und vielleicht in größerer Zahl begangen werden, müßte man die Gesetzgebungsmaschine ad hoc in Bewegung setzen, weil Straflosigkeit — auch in der Öffentlichkeit — als unerträglich empfunden würde. Man wird die Straftatbestände, deren Streichung oder wesentliche Einschränkung zu erwägen ist, auch unter diesem Gesichtspunkt sorgfältig zu prüfen haben.
    Wie Sie aus meinen bisherigen Ausführungen erkennen können, halte auch ich das Recht des strafrechtlichen Staatsschutzes für reformbedürftig. Mein Ziel ist es, eine Ordnung dieses Rechtsgebiets zu erreichen, die die Schlagkraft dieses wichtigen Instruments zur Verteidigung von Freiheit und Sicherheit unseres Gemeinwesens erhält und sich dabei auf das zum Schutz dieser Freiheit Notwendige beschränkt. Man hat das Strafgesetzbuch im allgemeinen und das Recht des strafrechtlichen Staatsschutzes im besonderen gelegentlich als ein Ausführungsgesetz zum Grundgesetz bezeichnet. Ich folge dem Gedanken gern und lege großen Wert darauf, daß es unseren gemeinsamen Bemühungen gelingen wird, Lösungen zu finden, denen eine breite Mehrheit im Bundestag zustimmen kann. Ich vertraue darauf, daß uns bei dieser Arbeit die gleichen Ziele leiten. Schon in der 1. Wahlperiode hat die Fraktion der SPD mit ihrem Entwurf eines Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie gezeigt, daß ihr ein wirkungsvoller Schutz der freiheitlichen Ordnung und der Sicherheit unseres Staates am Herzen liegt. Was auf dem Weg zu dem gemeinsamen Ziel liegt, das sind nüchterne Sachfragen, um deren Lösung wir miteinander werden ringen müssen, unpolemisch, mit, ich möchte sagen, kühler Leidenschaft der Sache gewidmet und deshalb aufgeschlossen gegenüber jedem sachlichen Argument. Möge diese gemeinsame Haltung zu einer fruchtbaren Arbeit führen!
    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, aber noch ein Wort zur Prozedur sagen. Ich hoffe, daß das Hohe Haus mit mir darin übereinstimmt, daß die Reform des Staatsschutzstrafrechts, deren Bedeutung niemand in diesem Hause verkennt, auf der Grundlage sowohl des heute eingebrachten Entwurfs als auch des angekündigten Regierungsentwurfs beraten werden muß, um zu abgewogenen Ergebnissen zu kommen. Das bedeutet für die Bundesregierung die Verpflichtung, ihren Entwurf so bald wie möglich vorzulegen. Ich werde dieser Verpflichtung nachkommen. Nachkommen heißt nicht nachkleckern. Ich kann es mir nicht ganz so leicht machen wie hier der Herr Kollege Dr. Heinemann. Die Arbeit in meinem Hause an der Erstellung eines neuen Regierungsentwurfs ist in vollem Gange. Einige Bundesressorts sind bereits in die Mitarbeit eingeschaltet. Sodann werden die Landesjustizverwaltungen beteiligt werden. Schließlich muß auch die Sachkenntnis anderer Stellen, insbesondere die des Bundesgerichtshofs und der Bundesanwaltschaft, dieser



    Bundesminister Dr. Jaeger
    Arbeit zugute kommen. Sie wird wertvoll genug sein, um sie im Interesse der Sache auch für die Beratung des vorliegenden Entwurfs fruchtbar zu machen. Bis der Regierungsentwurf dem Hohen Hause vorliegt, wäre es wünschenswert, wenn der Sonderausschuß den Allgemeinen Teil des Entwurfs eines Strafgesetzbuches zu Ende beraten würde. Im Anschluß daran könnte die Beratung des Besonderen Teils mit den Titeln Hochverrat, Staatsgefährdung und Landesverrat beginnen und mit der Beratung des Initiativgesetzentwurfs der SPD-Fraktion und der des neuen Regierungsentwurfs verbunden werden. Als Ergebnis dieser Arbeit im Rahmen der Strafrechtsreform könnte dann ohne besondere Zeitversäumnis eine Novelle zum geltenden Strafgesetzbuch beschlossen und in Kraft gesetzt werden. Mit diesem Vorziehen eines so wichtigen Teils stimme ich mit einigen meiner sozialdemokratischen Vorredner überein. Damit wäre sowohl der Strafrechtsreform gedient als auch der Wunsch nach einer vorweggenommenen Reform des Staatsschutzstrafrechts erfüllt.
    Wollte man umgekehrt verfahren und schon jetzt im Sonderausschuß mit der Beratung des Entwurfs der SPD beginnen, so könnten daraus schwere Nachteile entstehen. Entweder müßte man die Beratungen ohne Rücksicht auf den Entwurf der Bundesregierung durchführen oder aber sie nach der Einbringung dieses Entwurfs neu überprüfen. Beide Wege wären wohl kaum als gute Arbeitsmethode zu bezeichnen und könnten keine optimalen Ergebnisse versprechen. Außerdem geriete die Arbeit am Gesamtentwurf des neuen Strafgesetzbuches wieder ins Hintertreffen, deren Vollendung in dieser Wahlperiode uns allen, wie die Debatte des heutigen Vormittags ergeben hat, am Herzen liegt. Die Ausschußarbeiten der letzten Periode haben gezeigt, daß die vier Jahre, die zur Verfügung stehen, von Anfang an und aufs äußerste ausgenutzt werden müssen, wenn ein Werk von den Ausmaßen dieses Gesetzgebungswerkes gelingen soll. So wichtig die Reform des Staatsschutzstrafrechts auch ist — ich selbst habe ihre Wichtigkeit betont —, zum Scheitern der Gesamtreform darf sie nicht führen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wörner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die CDU/CSU-Fraktion ist der Überzeugung, daß unser Staatsschutzstrafrecht einer Reform bedarf, und zwar auch unser materielles Staatsschutzstrafrecht. Wir sind mit Ihnen (zur SPD) erstens einig in dem Bestreben, diese Bestimmungen präziser und konkreter zu fassen; das ist im Interesse der Rechtssicherheit geboten. Wir sind zum anderen mit Ihnen auch darin einig, diese Bestimmungen zu straffen und dort zu streichen, wo es möglich ist. Im übrigen, verehrter Herr Kollege Heinemann, möchte ich auch betonen, daß alle diese Bestimmungen so, wie sie heute gelten, das gemeinsame Werk der drei großen Parteien in diesem Hause waren, so daß, wenn Sie schon Vorwürfe gegen den Gesetzgeber erheben wollten, diese Vorwürfe logischerweise uns alle zusammen treffen müßten.
    Wir sind auch mit Ihnen darin einig, daß diese Reform dringend ist. Wir meinen sogar, daß sie so wichtig ist, daß es sich lohnt, Nägel mit Köpfen zu machen. Das wird allerdings nicht möglich sein, solange nicht der Entwurf der Bundesregierung vorliegt.

    (Abg. Jahn [Marburg] : So wenig werden wir uns doch nicht zutrauen!)

    — Wir trauen uns einiges zu; aber ich glaube, Sie unterschätzen die Möglichkeiten, die ein Haus wie das Justizministerium mit seinen unbestrittenen Sachkennern hat.

    (Abg. Jahn [Marburg] : Und die es dem Ausschuß gewiß während der Beratungen gern zur Verfügung stellen wird!)

    Ich wollte sagen, wir werden darauf drängen, den Regierungsentwurf sobald als möglich in den Händen zu halten.
    Worauf kommt es uns bei dieser Reform des Strafrechts an?
    Zunächst meine ich, daß das Strafrecht, gerade das materielle Strafrecht, nur das enthalten darf, was zur wirksamen Abwehr aller Formen der nichtmilitärischen Aggression nötig ist, aber auch alles das enthalten muß. Wir wollen nichts, was nicht unbedingt nötig ist, und es ist für uns selbstverständlich, daß in unserer Demokratie Freiheit und Menschenrechte nur so weit eingeschränkt werden dürfen, als es eben zum Schutz dieser Feiheit unabdingbar ist.
    Dann möchte ich ein Zweites betonen: Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß viele der Probleme, vor denen wir heute stehen, bei uns im Unterschied zu anderen Staaten dieser Erde einfach daher rühren, daß wir ein gespaltenes Land sind. Ich glaube, vieles von dem, was problematisch geworden ist und was in der Öffentlichkeit so viel Staub aufgewirbelt hat, hängt doch gerade damit zusammen, daß da Landsleute von uns herüberkommen, und zwar zwei Sorten von Landsleuten: auf der einen Seite Landsleute, die mit uns Begegnung suchen, und auf der anderen Seite Landsleute, die leider Gottes Agenten sind. Sie können beide nicht von vornherein unterscheiden, sondern das müssen Sie ja irgendwie verifizieren. Das sollten wir uns, meine ich, vor Augen halten, und angesichts dieser Problematik ist es ja gerade das Problem, unser Staatsschutzstrafgesetz so zu fassen, daß es echten gesamtdeutschen Kontakten und echter gesamtdeutscher Begegnung nicht im Wege steht. Es entspricht der Zielrichtung unserer Politik, diese gesamtdeutschen Kontakte zu suchen und zu pflegen. Wir müssen verhindern, daß unser Staatsschutzrecht solche Gespräche, die wir wünschen, verhindert oder daß solche Gespräche an diesen Bestimmungen scheitern.
    Ich sage Ihnen ganz klar: Wir wollen auch nicht den Funktionär der SED, wir wollen auch nicht den Funktionär der FDJ strafen, der hierher kommt, um



    Dr. Wörner
    die geistige Auseinandersetzung, das geistige Gespräch und nur das zu suchen. Er soll seine Gespräche auch hier risikolos führen können. Er soll dafür nicht bestraft werden, wie auch umgekehrt jeder Bürger der Bundesrepublik in Freiheit, ohne Risiko und ungestraft solche Gespräche in der SBZ führen können sollte.
    Was wir allerdings nicht dulden können, ist, daß sich Kommunisten von drüben wie von hier in Kumpanei zusammensetzen, um gemeinsam Pläne zu schmieden und dann auch ins Werk zu setzen, wie sie die verfassungsmäßige Ordnung in der Bundesrepublik umstülpen können. Das hat mit gesamtdeutscher Begegnung nichts zu tun, das ist kein gesamtdeutscher Kontakt, und das sollte durch unser Staatsschutzrecht auch in der Zukunft erfaßt werden. Darum geht es, hier eine ganz klare, sachliche Abgrenzung zu finden.
    Da beginnt nun, glaube ich, die Meinungsverschiedenheit, verehrter Herr Kollege Heinemann, zwischen Ihnen und uns. Sie meinen, das sei offenbar allein damit zu erreichen, daß man das materielle Staatsschutzrecht genauer faßt. Ich meine, das hält — und das glaube ich Ihnen an Ihren eigenen Fällen nachweisen zu können — einer genauen Prüfung nicht stand. Denn wo passiert denn das meiste dessen, was uns peinlich ist? Das passiert doch dort, wo es um die Abgrenzung geht: Kommt da einer, um die KPD hier fortzuführen und zu fördern, oder kommt er in anderer Absicht? Darum dreht sich in über 50 % der Fälle der Konflikt.
    Nun haben Sie ja auf Grund eines Gesetzes, dem auch Sie zugestimmt haben, in Gestalt des § 90 a ein Verbot. Die Fälle Grasnick und der Braunschweiger Fall könnten sich immer wieder zutragen, wenn Sie diesen § 90 a stehen lassen; und Sie müssen ihn stehen lassen. Sie haben ihn auch in Ihrem Entwurf nicht herausgestrichen. Dieser Fall kann sich genauso gut zutragen, wie er sich zugetragen hat. Denn, dem Herrn Grasnick wurde vorgeworfen, daß er — das haben Sie selbst zitiert — mit seinen Rundfunksendungen dazu beigetragen habe, die Arbeit der verbotenen KPD in der Bundesrepublik zu fördern. Es ging ihm nicht bloß um eine Meinungsäußerung. Das Gilt selbst nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
    Darum glaube ich, daß man wohl kaum darum herumkommen wird, auch das formelle, das prozessuale Strafrecht in diesem Punkt zu ändern, und zwar dadurch, daß wir das Legalitätsprinzip, und jetzt betone ich: in einigen fest abgegrenzten Teilbereichen lockern, so wie das ein Initiativgesetzentwurf der CDU/CSU und der FDP im letzten Bundestag vorgesehen hat, wobei wir uns auf die Bestimmungen dieses Entwurfs nicht festlegen wollen.

    (Zuruf des Abg. Jahn.)

    — Der ist eingebracht worden, der stammt vom 9. Februar 1965.
    Es kann gerade ein Gebot der politischen Weisheit sein, auf die Einleitung eines politischen Strafverfahrens zu verzichten. Denn der Schaden, den Sie durch die Durchführung eines Strafverfahrens anrichten können, kann noch viel größer sein als der, der durch das Delikt selber erzeugt worden ist. Sie haben ja selbst gesagt: Wir wollen nicht dazu beitragen, Märtyrer zu schaffen. Wenn wir den § 90 a beibehalten — und wir müssen den § 90 a beibehalten, und auch Sie wollen ihn nicht ändern —, dann hindert niemand die Machthaber drüben, Agenten herüberzuschicken, die genau in diese Maschen laufen. Dann gibt es nur noch einen Weg, sie nicht in diese Maschen laufen zu lassen oder sie geschickt aus diesen Maschen wieder entlaufen zu lassen, und das ist eben der Fall einer Lockerung des Legalitätsprinzips.
    Ich möchte Ihre Bedenken gar nicht geringachten. Es ehrt Sie, daß Sie um unser Grundgesetz in diesem Zusammenhang fürchten. Aber es sollte uns doch zu denken geben, Herr Dr. Heinemann, daß wir neben der Türkei und neben Österreich der einzige Staat in unserem Kulturkreis sind, der das strenge Legalitätsprinzip in dieser Form exerziert. Ich kann nicht glauben, daß das ein echter Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip sein sollte, denn dieses Prinzip gilt auch in anderen Staaten.
    Übrigens bitte ich jetzt um Nachsicht. Ich bringe mit allem Humor ein Zitat — mit Genehmigung des Präsidenten —, das mir aus der „Politica" von Kirchheimer untergekommen ist; es ist der Ausspruch eines englischen Richters. Also, bitte, seien Sie nicht bös, ich werde nachher noch erklären, warum ich das gesagt habe:
    Daraus, daß jemand zwischen politischen und anderen Delikten keinen Unterschied sieht, kann man mit Sicherheit erkennen, ob er ein Hitzkopf oder ein Dummkopf ist.
    Das stammt von Cockburn, einem englischen Richter. Warum führe ich das an? Nur um Ihnen zu zeigen, daß es so abwegig nicht sein kann, wenn man beim Verfolgungszwang zwischen politischen und anderen Delikten unterscheidet. Wir wollen gar nicht von einer materiellen Reform ablenken. Wir wollen diese materielle Reform genauso, wie Sie sie wollen. Aber wir meinen, daß es eben nicht ausreicht, um diese Märtyrerfälle, um diese Grenzfälle, um den Fall Grasnick lösen zu können. Sie würden es erleben: wenn wir den Entwurf annähmen, den Sie uns vorlegen — was wir nicht tun werden —, dann kämen diese Fälle in einem Jahr wieder vor, und dann finge das ganze Problem von neuem an. Auch das ist ein Grund, auf den Regierungsentwurf zu warten. Im übrigen gibt es ja Möglichkeiten, die Entscheidung darüber, wann und wieweit das Legalitätsprinzip durchbrochen wird, wann angeklagt wird und wann nicht, einer Stelle zu übertragen, die wir politisch verantwortlich machen können oder die wir einer Gerichtsentscheidung unterstellen können. Dann müßten auch von daher Ihre Bedenken zumindest teilweise ausgeräumt sein.
    Aber gehen wir von diesem Problem ab. Nur noch einige Bemerkungen. Bezüglich § 92 sind wir weitgehend mit Ihnen einig. Der Begriff des „Nachrichtensammelns" ist tatsächlich von der Rechtsprechung so weit ausgelegt worden, daß es sich empfehlen dürfte, den § 92 ganz zu streichen. Dagegen gibt es bei § 93, glaube ich, nach dem, was der Bundesjustizminister hier dargelegt hat, eine solche



    Dr. Wörner
    Möglichkeit nicht. Sie kommen mit dem § 130 dem neonazistischen Schrifttum beispielsweise gar nicht bei, wenn Sie das einmal juristisch genau nachprüfen. Dieser erfaßt im übrigen ja nur die Fälle von Antisemitismus. Es gibt aber so viel nationalsozialistisches Schrifttum, das eben von dieser Tendenz beispielsweise frei ist, und da kommen Sie mit dem § 130 nicht weiter. Also müssen wir darauf achten, daß der § 93 bleibt. Dabei gestehe ich Ihnen jedoch eines zu, daß wir nämlich die gesetzlichen Vorschriften präzisieren müssen, weil sie in der Form, in der sie bestehen, zu weit gefaßt sind.
    Der § 93 ermöglicht auch nicht — wie das in Ihrer Begründung angedeut wurde — etwa den Zeitungsaustausch. Darum möchte ich anregen, diese Beratungen zum Anlaß dafür zu nehmen, die rechtlichen Voraussetzungen für einen eventuellen Zeitungsaustausch in der Bundesrepublik zu sichern. Wir dürfen es nicht riskieren, daß dann, wenn wir die Chance haben, einen solchen wechselseitigen Zeitungsaustausch politisch durchzusetzen, diese Absicht bei uns an rechtlichen Barrieren scheitern könnte. Ich meine also, daß wir für den Fall, daß sich das politisch einmal erreichen läßt — denn wir brauchen ja keine Furcht zu haben vor dem Bezug von Zeitschriften wie etwa des „Neuen Deutschland" —, für den Fall, daß so etwas also einmal möglich sein sollte, juristisch gerüstet sein sollten. Deshalb müßten wir tatsächlich, und zwar rechtzeitig vorher, dafür eine Handhabe schaffen, damit das gar nicht erst ein Problem wird. Ich würde es begrüßen, wenn das Bundesjustizministerium in dieser Richtung initiativ werden könnte.
    Wir können auch mit Ihren Vorschlägen für den Geheimnisbegriff nicht vollständig einverstanden sein. Auch dazu hat der Herr Bundesjustizminister unsere Bedenken schon dargelegt. Natürlich muß man versuchen, auch den Geheimnisbegriff zu präzisieren; denn es ist auf die Dauer unerträglich, daß ein Täter nur schwer zu erkennen vermag, wann und wo ein Geheimnis vorliegt. Es ist aber höchst zweifelhaft, ob uns Ihre Lösung, also die Kombination des formellen und des materiellen Geheimnisbegriffs, auch nur einen einzigen Schritt voranbringt. Denn was haben Sie getan? Sie haben an die Stelle der seitherigen Generalklausel den Begriff „öffentliches Allgemeininteresse" gesetzt. Ob der Schutz im „öffentlichen Allgemeininteresse" unerläßlich sei, müssen Sie nach wie vor nachprüfen. Ich möchte sehr daran zweifeln, ob dieser Begriff präziser ist als der, den Sie im Augenblick in unserem Strafgesetzbuch finden und der im Entwurf des Jahres 1962 enthalten ist. Diese Prüfung muß ja auch der Täter anstellen, ganz abgesehen davon, daß es natürlich einen weiten Bereich von Staatsgeheimnissen gibt, die nach Ihrer Regelung völlig ausfallen. Denken Sie etwa an Entdeckungen im Bereich der Wirtschaft! Das führt doch dazu, daß jeder Beamte in der Zukunft hingeht und auf Verdacht den Stempel „geheim" draufdrückt.

    (Abg. Jahn [Marburg] : Er macht es doch heute schon!)

    — Nun, darüber bin ich nicht informiert. Ich kann
    mir vorstellen, daß es noch genügend verantwortungsbewußte Beamte gibt, die das eben nicht tun.
    Im übrigen haben Sie im Ton des Vorwurfs gesagt, daß die Regierung der Opposition oder dem Bürger mit einem Stempel gewisse Geheimnisse vorenthalten wolle. Ich darf Sie nur darauf aufmerksam machen, Herr Dr. Heinemann, daß im Augenblick noch der materielle Geheimnisbegriff gilt, daß auch nach den Vorstellungen des Entwurfs von 1962, der jetzt wieder eingebracht worden ist, dieser materielle Geheimnisbegriff in Geltung ist, so daß diese Frage überhaupt nicht auftauchen kann. Wenn ich diesen Vorwurf allerdings nur herausgehört haben sollte, der jedoch bei Ihrer Fraktion von Beifall begleitet war, müßte ich mich insoweit korrigieren.
    Noch ein Wort zum publizistischen Landesverrat. Es besteht wohl Einigkeit darüber, daß es nicht länger angeht, den Journalisten, der ein Staatsgeheimnis veröffentlicht, in einen Topf zu werfen mit dem normalen, gemeinen Landesverräter, mit dem Agenten. Man muß also eine Differenzierung bringen, und da erkenne ich durchaus das Verdienst an, daß Sie diese Differenzierung im subjektiven Bereich suchen. Das ist sicher der richtige Weg, wobei es allerdings so, wie Sie es machen, wiederum nicht geht. Sie sagen: Es muß die Absicht dazu treten, zum Nachteil der Bundesrepublik eine fremde Macht zu begünstigen. Damit fällt eben beispielsweise der Agent heraus, der das nicht in dieser Absicht, aber durchaus vorsätzlich tut, und den können Sie dann eben nur noch mit dem Tatbestand der fahrlässigen Gefährdung einfangen. Das ist also nicht ausreichend. Aber wie gesagt, der Weg ist der richtige.
    Ich will mich nun nicht in weitere Einzelheiten verlieren. Entscheidend ist — da bin ich mit Ihnen einer Meinung —, daß wir diese Fragen gründlich beraten, daß der Regierungsentwurf sobald wie möglich kommt und die Beratungen dann zügig voranschreiten. Uns geht es darum, im Konflikt zwischen Menschenrecht und Freiheit auf der einen Seite, Staatsschutz auf der anderen Seite nach den optimalen Bestimmungen zu suchen, die soweit wie nötig den Schutz der Gemeinschaft und soweit wie möglich die Freiheit des einzelnen gewährleisten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)